Monat: Juli 2017

Drei Rollentrainer im RennRad-Test: Kassettentrainer, freie Rolle und Co.

Ob John Degenkolb, Tony Martin oder Chris Froome. Fast alle Profis tun es. Manche von ihnen sogar in der Sauna: Rollentraining. „Hassliebe“ beschreibt die Beziehung vieler Radsportler zum Training auf der Rolle wohl am besten.

Es gibt viele Gründe, weshalb ein Rollentrainer-Kauf Sinn ergibt. Die meisten sind eher unerfreulich: Das Wetter, die Dunkelheit oder eine Verletzung, die das Straßentraining unmöglich machen. Und es gibt genügend Gründe für die Rolle: Ein Buch, dass man während des Trainings lesen kann, ein guter Film, der nebenbei läuft oder einfach, um am Winterabend den Kopf vom Büro frei zu fahren. Im Test haben wir drei verschiedene Trainer-Systeme getestet: Freie Rollen sowie magnet- und luftgebremste Kassettentrainer.

Rollentrainer im Test: Kassettentrainer

Der klassische Kassettentrainer benötigt kein Hinterrad. Er verfügt am Antrieb über einen Zahnkranz. Dort wird der Hinterbau des Rennrads eingespannt. Man spart sich einen speziellen Trainingsreifen wie bei den klassischen Rollentrainern und kann das Gerät auch an die Bedürfnisse eines Mountainbikes anpassen. Beim magnetgebremsten Kassettentrainer treibt man nicht sein eigenes Hinterrad, sondern ein Zusatzgewicht an. Das erklärt das relativ hohe Eigengewicht im Vergleich zu anderen Modellen. Der Wahoo Kickr im Test wiegt beispielswiese knapp über 20 Kilogramm. Der Tretwiderstand passt sich entweder automatisch an oder wird per App gesteuert. Der Vorteil dieses Systems liegt auf der Hand: Das Trainieren kommt dem Fahrgefühl auf der Straße sehr nahe. Lässt man zwischendurch die Beine hängen, dann bremsen diese Trainer nicht sofort auf Null herunter, sondern laufen noch eine Weile nach. Je nach Modell und Geldbeutel sind die magnetgebremsten Rollentrainer mit einem Powermeter ausgerüstet. Beim Wahoo Kickr ist das beispielsweise der Fall. Man hat dann Wattwerte, Kadenz, Geschwindigkeit und weitere Parameter stets im Blick.

RennRad-Tipp: Aufgepasst beim Kauf. Nicht alle Modelle gibt es mit Campagnolo-Freilauf.

Der Klassiker, die freie Rolle, ist als Trainingsmittel im Radsport seit Jahrzehnten nicht wegzudenken. Es gibt kaum einen Nachwuchssportler, der nicht mit einer freien Rolle aufgewachsen ist. Mittlerweile sind die Modelle bei den Jüngeren aber etwas aus dem Bewusstsein verschwunden. Zu unrecht. Freie Rollen wie zum Beispiel die Elite Quick Motion sind deutlich leiser als andere Systeme. Sie eignet sich vor allem für Mieter, die nach der Arbeit gerne noch eine Stunde locker trainieren möchten. Doch einfach mal aufs Rad setzen und Hirn ausschalten, gelingt hier nicht. Man bewegt sich schließlich auf freien Rollen. Das schult Koordination und Kondition gleichzeitig. Das Fahrgefühl ist äußerst realistisch. Trotzdem will der Umgang mit diesen Systemen gelernt sein. Anfänger sollten das Fahren zunächst in der Nähe eines Tisches oder einer Ablage üben, um sich im Notfall abstützen zu können. Sehr hohe Wattzahlen sind konstruktionsbedingt kaum möglich, dafür aber das Fahren im Wiegetritt.

RennRad-Tipp: Wem das Fahren auf der freien Rolle am Anfang zu unsicher ist, der kann sich bei einigen Modellen sogar eine Halterung für die Gabel kaufen. Der beim Training gewünschte Koordinationsaspekt fehlt dann allerdings.

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Rollentrainer im Test: Der Newcomer

Zugegeben, unsere Tester waren am Anfang etwas irritiert, als sie das Modell Revbox zum ersten Mal gesehen haben. Was ausschaut wie ein riesiger Ventilator, ist die neueste Entwicklung des deutschen Tüftlers Philipp Schacht. Anders als bei den herkömmlichen Kassettentrainern ist der Trainer nicht magnet-, sondern luftgebremst. Konkret bedeutet das, dass der Tretwiderstand durch einen Luftwiderstand erzeugt wird. Deshalb drängt sich der Vergleich mit dem Ventilator auf. Komplett neu ist das System übrigens nicht. In herkömmlichen Fitnessstudios gehören luftgebremste Indoor-Rudermaschinen schon lange zum Inventar. Das Fahrgefühl auf der Revbox unterscheidet sich wesentlich von dem auf der freien Rolle oder dem magnetgebremsten Kassettentrainer. Durch die fehlende Schwungmasse hat man quasi keinerlei Unterstützung vom Eigengewicht des Schwungrads und demnach auch keinen Nachlauf. Hört man auf zu treten, stoppt das System. Ein Vorteil besteht darin, dass das Training durch das Geräusch des „Ventilators“ hörbar wird. „Audible feedback“ nennt der Entwickler diesen Umstand. Ein konstanter Sound lässt auf einen runden Tritt schließen. Ist dies nicht der Fall, ist noch viel Training auf der Revbox nötig.

RennRad-Tipp: Das Modell braucht etwas Eingewöhnungszeit. Einfach loslegen und Kopf ausschalten, funktioniert hier nicht. Die Geräuschkulisse ist gewollt und soll den Tritt verbessern. Mieter legen einfach eine etwas festere Matte unter den Trainer.

Auf der Rolle

Rollentraining im Winter ist zwar nicht immer schön, aber dafür effektiv. Die besten Tipps für ein effizientes Intervall-Programm auf der Rolle.

Zum Einstieg: Fahrtspiel (Fartlek) auf der Rolle

Sie haben das Wort „Fahrtspiel“ nie zuvor gehört? Die Trainingsform (schwedisch: Fartlek, von fart = Geschwindigkeit und lek = Spiel) kommt eigentlich aus dem Laufsport. Während eines Dauerlaufs wird dabei das Lauftempo mehrmals gesteigert und verringert. Das lässt sich eins zu eins aufs Rollentraining übertragen. Ziel ist die Steigerung der allgemeinen Fitness. Ein Fahrtspiel eignet sich daher perfekt zum Einstieg ins Wintertraining. Die Belastung fällt ähnlich wie bei der Intervallmethode unregelmäßig und unterschiedlich hoch aus. Die Dauer liegt bei 45 Minuten für Einsteiger und bis zu 90 Minuten für Fortgeschrittene. Die Belastung bewegt sich dabei im Bereich von 70-85 Prozent der maximalen Herzfrequenz.

Rollentrainer-Programm für Fortgeschrittene

Ziel des traditionellen Intervalltrainings ist je nach Intensität die Kraftausdauer, die Schnelligkeitsausdauer, die Laktattoleranz und die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) zu verbessern. Ein typisches Intervallprogramm auf der Rolle dauert zwischen 45 und 90 Minuten. Generell gilt noch: Je kürzer die Gesamtzeit, desto härter können Sie die jeweiligen Intervalle planen. Der Pulsbereich liegt meist zwischen 70 bis 90 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Hören Sie beim Intervalltraining auf der Rolle unbedingt in Ihren Körper hinein. Im Zweifelsfall lässt man eher eine Serie weg, statt diese mit aller Gewalt zu Ende zu bringen.

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Beispiel Intervall-Programm (75 Minuten)

Ein typisches Intervallprogramm auf der Rolle dauert zwischen 45 und 90 Minuten. Generell gilt noch: Je kürzer die Gesamtzeit, desto härter können Sie die jeweiligen Intervalle planen. Der Pulsbereich liegt meist zwischen 70 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz.

Beispiel Fartlek-Programm für Einsteiger (60 Minuten)

Stufe Dauer
in min
Position und Profil Trittfrequenz % der max. Herz-
frequenz
Warm up 10 Sitzend und flach 80-100 60-70
5 Sitzend und flach 100-110 70-75
5 Sitzend und Berg 70-75 80
2 Sitzend und Berg 70-75 80
3 Sitzend und Flach 100 85
10 Sitzend und Flach 100 70
3 Sitzend und Flach 105 75
2 Sitzend und Flach 110 80
5 Sitzend und Flach 90 70
Steigern 5 Sitzend/Stehend und Berg 70, 65, 60 75, 80, 85
Ausrollen 10 Sitzend und flach 90 70-60

Beispiel Intervall-Programm (75 Minuten)

Stufe Dauer
in min
Position und Profil Trittfrequenz % der max. Herz-
frequenz
Warm up 10 Sitzend und flach 90-100 60-70
7/3 Sitzend und flach 90-100 75/85
5 Sitzend und flach 90-100 60-70
7/3 Sitzend und Berg 70 75/90
5 Sitzend und Flach 90-100 60-70
7/3 Sitzend und Flach 90-100 75/85
5 Sitzend und Flach 90-100 60-70
7/3 Sitzend und Berg 70 75/90
Ausrollen 10 Sitzend und Berg 90-100 60-65

Doping: Thomas Dekkers schreibt über Doping, Sex und Radrennen

Er galt als zukünftiger Tour-de-France-Sieger. Er war ein Star, die große Hoffnung des niederländischen Radsports: Thomas Dekker. In den Nachwuchsklassen gewann er alles. Alles. Ich musste gegen ihn fahren. Als Profi gewann er große Rennen – bis er des Dopings überführt wurde. Jetzt ist sein Enthüllungsbuch auf Deutsch erschienen: „Unter Profis“.

Ich habe es innerhalb eines Tages gelesen. Der renommierte Radsport-Journalist Daniel Friebe nennt es „die schockierendste Biographie, die der Profiradsport jemals produziert hat“. Thomas Dekker gewann die Tour de Romandie, 2007, und Tirreno Adriatico, 2006. Da war er Anfang zwanzig. Zwischen 2009 und 2011 saß er eine Dopingsperre ab. In dem Buch legt er nun eine Art Beichte ab. Er schildert den Alltag eines Radprofis, wie er damals, in seinem Team, dem Team Rabobank, anscheinend normal war.

Dekker stammt aus einfachen Verhältnissen. Er trainierte sehr jung schon sehr viel und hart – zum Beispiel stundenlang mit 50 oder mehr km/h hinter seinem Vater, der auf einem Motorroller vor ihm fuhr. Dekkers Aufstieg war kometenhaft. Er galt als Wunderkind, als Jahrtausendtalent.

Als er 17 ist, wird er zu einer Talentsichtung eingeladen, seitdem fährt er in einem der Rabobank-Nachwuchsteams. Er wechselt vom Gymnasium auf die Realschule, bleibt sitzen, verlässt die Schule ohne Abschluss. Er hat nur ein Ziel: Radprofi werden.

Der Aufstieg

2004, mit 20, wird er Gesamtvierter der Algarve-Rundfahrt. Einen Platz vor Lance Armstrong. Er unterschreibt einen Vertrag bei Rabobank. Den ersten über 100.000 Euro pro Jahr kündigt er auf Drängen seines neuen Managers sofort wieder. Nach einer Nachverhandlung bekommt er 200.000 Euro jährlich.

Seine ersten Erfahrungen im Team der Großen führen ihn ins Bordell. Zwei Jahre später steigt sein Jahressalär auf 800.000 Euro. Dekker lebt exzessiv. Er macht Geld, viel Geld. Er hat Frauen, viele Frauen. Er beschreibt, wie er zum Doping sozialisiert wird. Im Team wird das Thema ignoriert, die Sportler suchen sich ihre Ärzte und Quellen selbst. Kortison ist ein Standardmittel. Dekker sucht sich Luigi Cecchini als Trainer aus. Der Italiener führte etwa Bjarne Riis zum Tour-de-France-Sieg. Er arbeitete mit etlichen Top-Profis zusammen: Jan Ullrich, Fabian Cancellara, Mario Cipollini, Tyler Hamilton, Ivan Basso und vielen anderen.

Dekker zog von Belgien in die Toskana nach Lucca, in Checcinis Heimat. 1998 geriet Checcini im Zuge um die Dopingermittlungen gegen seinen früheren Chef, den Dopingarzt Ferrari, in den Fokus der italienischen Staatsanwaltschaft. Das Verfahren wurde eingestellt.

Der Absturz

Bei seinem ersten Giro d’Italia wird Dekker bergauf gnadenlos abgehängt. Ihm ist klar warum. Andere Radsportler versorgen ihn mit Dopingmitteln. Epo, Testosteron, Dynepo. Später geht er in bestimmte, unter Radprofis bekannte Apotheken, in denen er Dopingmittel bekommt. Er berichtet von Teamkollegen, etwa Michael Boogert, die vor und sogar während Etappenrennen einen so hohen Hämatokritwert hatten, dass sie sich jeden Morgen Salzlösung injizierten, um den Wert zu senken. Die Profis hatten eigene Zentrifugen, um zu sehen, ob ihr Blut bei einem Dopingtest im auffälligen Bereich sein würde.

Dekker traf den Dopingarzt Eufemiano Fuentes in einem Hotel in der Nähe des Madrider Flughafens. Er berichtet von den Blutdopingmethoden – und davon, wie viele Profis, sich vor und während einer Rundfahrt zuvor abgenommenes Blut wieder injizierten. Eigenblutdoping war nicht nachweisbar. Eines Morgens vor einem Etappenstart saß Dekker auf dem Boden eines Hotelbadezimmers und „hackte“ mit einer Infusionsnadel auf seinen Arm ein, ohne zu treffen. Der Boden war voll mit seinem eigenen Blut.

Erst durch eine Nachkontrolle mit neuen Verfahren wird er 2009 des Dopings mit Dynepo überführt. Er säuft, er nimmt zu, er verprasst tausende Euro in einer Nacht für Alkohol und Prostituierte. Er hat keine Perspektive. Er kann nichts außer treten.

Nach langem Suchen und Bitten bekommt er 2011 wieder einen Vertrag – für den Mindestlohn. Seine ersten Rennen fährt er für das Nachwuchsteam von Garmin-Sharp. Er fährt nur noch mit – ohne Chance auf einen großen Sieg. 2014 ist klar: Sein Vertrag wird nicht verlängert. Er greift den Stundenweltrekord an – und scheitert knapp. Vier Wochen später, im März 2015, erklärt er seinen Rücktritt. Der Mann, der die Tour de France gewinnen sollte, war einmal bei der Tour am Start, 2007. Er wurde 35.

Eigene Perspektive

Als Journalist muss man sich zurücknehmen, man muss objektiv sein. Das bin ich an dieser Stelle nicht. Denn es geht um jemanden, an den ich Erinnerungen habe. Schlechte Erinnerungen. Thomas Dekker ist ein Jahr jünger als ich. Ich musste in der U23-Klasse gegen ihn und sein Team antreten. Er fuhr für das Rabobank-Nachwuchsteam. Bei wichtigen Rennen fuhren sie alle wie vom anderen Stern. Kein deutscher Fahrer hatte auch nur den Hauch einer Chance. Bei der Thüringen-Rundfahrt, einem der wichtigsten Etappenrennen der U23, attackiert auf der Königsetappe fast das gesamte Rabobank-Team – und kam mit mehreren Minuten Vorsprung an. Alle aus dem Team wurden Profis. Bernhard Kohl etwa: Er wurde 3. bei der Tour de France, gewann das Bergtrikot – und wurde des Dopings überführt.

Ich war ein guter, nein ein sehr guter Bergfahrer. 61 Kilogramm, in der Saison vier Prozent Körperfett, sehr hohe Werte bei der maximalen Sauerstoffaufnahme. Ich liebte das Bergfahren. Dekker und seine Teamkollegen fuhren energieriegelkauend bergauf an mir vorbei. Manche Fahrer, die man bei den Junioren noch locker im Griff hatte, wechselten zur U23 zu bestimmten Teams und waren danach in einer anderen Liga. Man sieht diese Leistungen, man zweifelt an sich, an seinem ganzen Sport. Man sieht die Zusammenhänge, ignoriert sie aber. Vielleicht genügte auch das eigene Talent nicht, wer weiß. Aus gesundheitlichen Gründen war meine Karriere mit 21 Jahren vorbei. Was vielleicht etwas Gutes war. Dekker war mit 21 ein Star, ein Athlet, auf dem die Hoffnungen einer ganzen Radsportnation ruhten.

In seinem Buch berichtet Dekker auch von frühen Injektionen, von Actovegin, von „legalen“ Infusionen , die „Mineralien“ enthielten. Der Weg, den er beschritt, war in solchen Strukturen fast schon vorgegeben. Das Buch „Unter Profis“ ist absolut lesenswert. Es ist einfach und schnell zu lesen, doch bei manchen Szenen bekommt man eine Gänsehaut.

Das Buch

Thomas Dekker: „Unter Profis“. Covadonga Verlag Bielefeld. Aufgezeichnet von Thijs Zonneveld. Preis: 14,80 Euro.