Slowenien, Reise, Radreise, Rennrad
Slowenien: Natur, Berge, Touren, Tipps für die Rennrad-Reise

Bergjuwelen

Slowenien: Natur, Berge, Touren, Tipps für die Rennrad-Reise

Kristallklare Gebirgsseen, leere Straßen und hohe Pässe – abseits von Massentourismus und Lärm: Das ist Slowenien. Natur, Berge, Touren und Geheimtipps.
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Diese Tour ist wie eine Wallfahrt. Es ist eine Fahrt durch Farben, für die es kaum Worte – und über Anstiege, für die es kaum genügend Gänge gibt. Dies ist eine Fahrt zu sich selbst und eine der Höhenmeter. Irgendwann habe ich den höchsten Punkt erreicht. Kolovrat heißt der Gebirgszug am Rande des Soča-Tals. Jenes Tals, das so unwirklich erscheint: Woher stammen die Farben dieses Flusses? Dieses Türkisblau, dieses Smaragdgrün, diese schimmernden Regenbogenfarben, die an einen Opal erinnern? Der kleine Fluss windet sich in einem Tal, von den Bergen kommend. Die Soča ist ein Naturwunder – mitten in Europa. Diese Landschaft ist eines von sehr vielen Highlights eines Landes, das nah ist, aber von vielen immer noch unterschätzt wird: Slowenien.

Der Triglav-Nationalpark dürfte bei Bergsteiger-Urlaubern längst bekannt sein. Für die meisten Rennradfahrer ist er wohl noch ein Geheimtipp. Folgt man der Soča, geht es bergauf. Man erreicht den Beginn des Anstiegs zum höchsten asphaltierten Pass Sloweniens: den Vršič. Der Berg und das Tal – es sind verschiedene Welten. Das Tal ist hell, glitzernd, grün. Der Vršič ist grau und kalt. Die Passstraße führt auf 1611 Meter über dem Meer, hier, in den Julischen Alpen. Die Gemeinsamkeit zwischen den zwei Welten: die Abwesenheit von Lärm und Alltag. Die Dominanz von Natur, Grün und Ruhe.

Grenzenlos

18 Kilometer sind es, die zwischen Bovec, dem Eingang des Soča-Tals, und seinem Ende, der Ortschaft Trenta, liegen. Dort, auf 620 Metern über dem Meer, beginnt erst der eigentliche Anstieg: knapp 13 Kilometer und 1000 Höhenmeter. Der italienisch klingende Name der idyllischen Siedlung verrät die unmittelbare Nähe zum Nachbarland – und damit eine der Besonderheiten der ganzen Region: die nahen Grenzüberschreitungen. Im Westen ist es Italien, Richtung Nordosten überquert man die Grenze zu Österreich. 50 Kilometer genügen, um mit dem Rennrad durch die drei Länder Slowenien, Italien und Österreich zu kommen.

Ich überquere die erste Brücke am Ortsausgang von Trenta, steuere nach 200 Metern durch eine S-Kurve und erblicke plötzlich diese Zahl am Straßenrand: 50. So viele Kehren sind es bis zur Vršič-Passhöhe auf 1611 Metern. Neun Prozent Steigung zeigt mir das Display meines Radcomputers. Nach knapp einem Kilometer erreiche ich die Anhöhe des Mali Vršič, des kleinen Vršič. Danach: eine kleine Abfahrt, ein drei Kilometer langes Flachstück, zwei weitere Brücken und dann geht es fast nur noch bergauf. Mit einer Steigung zwischen sieben und elf Prozent. Teilweise im Wald, der die schwüle Mittagshitze mildert, schlängelt sich die Straße weiter empor.

Nibali und sein Erfolg bei der Slowenien-Rundfahrt 2007

Nach 21 Kehren erlaubt mir die Straße ein Durchatmen. Auf knapp 1400 Metern befindet sich das einzige echte Flachstück des Anstiegs. Es trägt den Namen Šupca. Von dort kann man zum ersten Mal die Passhöhe des Vršič erahnen. Drei Kilometer sind es noch bis dahin. Drei Kilometer und neun Prozent Durchschnittssteigung, bei schwülwarmen 28 Grad Celsius, an diesem Tag im Juni.

Hier forcierte einst ein damals noch eher unbekannter 22-Jähriger seinen entscheidenden Antritt bei der Slowenien-Rundfahrt 2007 und sicherte sich den zweiten Etappenerfolg in Folge. Drei Jahre später wurde dieser Italiener Vuelta-Sieger, weitere drei Jahre danach gewann er den Giro d’Italia. 2014 krönte er sich zum Tour-de-France-Champion: Vincenzo Nibali. Seine Zeit von Trenta bis zur Passhöhe: herausragende 36 Minuten.

Wintersport-Hochburg

Ich lasse es deutlich ruhiger angehen und schalte in den Genießer-Modus. Die letzten beiden Kehren. Die letzten beiden S-Kurven und dann erreiche ich die Passhöhe. Anhalten, durchatmen, genießen. Ich schaue mich um, blicke zu den schroffen Felsen des Kolovrat und in Richtung jenes berühmten Skiortes, in dem meine Abfahrt vom Vršič münden soll: Kranjska Gora.

Die Abfahrt nach Kranjska Gora ist besonders wegen des Kopfsteinpflasters, mit denen die meisten der darauffolgenden 24 Kehren belegt sind, anspruchsvoll und erfordert Konzentration. Bei Regen kann das Pflaster extrem rutschig werden. Ich habe Glück. Die Gewitterwolken verziehen sich Richtung Süden. Dennoch: In der Abfahrt steckt ein Hauch von Paris-Roubaix, dem Kopfsteinpflaster-Monument schlechthin. Knapp zehn Kilometer sind es von der Passhöhe des Vršič nach Kranjska Gora. 750 Höhenmeter bergab: anbremsen, um die Kurve treiben lassen, beschleunigen bis zur nächsten Kehre und das Ganze wieder von vorne. Ständig wechselnde Licht-Schatten-Spiele sind eine zusätzliche kleine Herausforderung.

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Slowenien ist für jeden eine Reise wert – und hat insbesondere für Rennradfahrer einiges zu bieten

Slowenien: Nähe zu Italien garantiert guten Kaffee

In Zentrum von Kranjska Gora entscheide ich mich an einem der kleinen Cafés am Straßenrand für einen kurzen Stopp. Prosim espresso. Einen Kaffee bitte. Die Nähe zu Italien garantiert auch an den entlegensten Orten Sloweniens einen guten Kaffee. Die italienische Grenze liegt lediglich sieben Kilometer von Kranjska Gora entfernt. Und es lohnt sich ein weiterer Abstecher zu einem echten Highlight des internationalen Sportbetriebs: der Letalnica bratov Gorišek, der „Skiflugschanze der Gebrüder Gorišek“ in Planica. Sie zählt zu den größten der Welt. 28 Skiflug-Weltrekorde wurden dort bis dato aufgestellt. Der aktuelle Schanzenrekord liegt bei 252 Metern. Im Sommer steht die Schanze unbenutzt am Hang. Nur auf den deutlich kleineren Anlagen trainieren die Skispringer auf Matten auch im Sommer. „Tal der Schanzen“, so wird Planica auch genannt. Aber auch auf den Asphaltbahnen, die die Skilangläufer im Sommer für ihr Training auf Rollskiern nutzen, trainieren einige Nachwuchsathleten für ihr großes Ziel: Sie wollen dabei sein, wenn Planica im Februar 2023 zum ersten Mal die Nordische Ski-WM austragen darf.

Mit starkem Rückenwind und fast 50 Kilometern pro Stunde fahre ich das Planica-Tal retour in Richtung Kranjska Gora – und lasse mich weitere 30 Kilometer am Radweg am Fluss Save entlang bis zum Ausgangspunkt nach Bled „treiben“. In dem Hotel in einem Vorort von Bled folgen: eine Dusche, zwei weitere Tassen Kaffee, ein großes Stück hausgebackener Kuchen und eine Massage. Dolce Vita in Slowenien. Der nächste Morgen, die nächste Tour. Ich starte direkt vom Hotel aus in Richtung Bled, an dem berühmten See entlang mit einem permanenten Blick auf Sloweniens einzige Insel. Die liegt nicht etwa im Meer, nicht an dem schmalen Streifen an der Adria, der Slowenien zum Mittelmeer-Anrainerstaat macht – sondern im Bleder See. Die Insel samt Kirche zählt zu den berühmtesten Fotomotiven des Landes, weshalb hier auch deutlich mehr Touristen anzutreffen sind als in anderen Regionen.

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Rennradtouren durch Slowenien

Stille, Natur, Einsamkeit

Dabei hat die Region noch sehr viel mehr zu bieten: ein mildes, heilkräftiges Klima, Thermalwasser, Natur, Flüsse, Hügel – und jene berühmten Sportorte etwa. Die heutige Route soll mich nach Pokljuka führen, dem Austragungsort des jährlichen Biathlon-Weltcups. Doch zunächst rolle ich gemütlich am Ruderregatta-Zentrum Bled vorbei. 2020 sollten hier bereits zum vierten Mal nach 1966, 1979, 1989 und 2011 die Ruder-Weltmeisterschaften ausgetragen werden. Doch aufgrund der Corona-Pandemie wurde das Sport-Event auf den September 2021 verschoben.

Berge und Täler. Ruhe, Natur und schmale Straßen. Das zeichnet das Rennradfahren in Slowenien vor allem aus. Der Weg nach Pokljuka führt über Bohinj, ein weites Tal, das von den schroffen Berghängen der Julischen Alpen und von vielen Seen gesäumt ist. Je weiter man in dieses Tal hineinfährt, desto weiter entfernt man sich vom Alltag. Es dauert eine Weile, bis ich merke, was fehlt: Motorenlärm, Abgase, Menschen. Mein Blick richtet sich nicht mehr stur auf den rauen Asphalt vor mir. Er erhebt sich, zu den Gipfeln und dem blauen Himmel über mir. Seit 20 Minuten pedaliere ich so dahin. Im Reinen mit mir und mit meinen Gedanken. Mit der Stille, der Natur, der klaren Luft. Am Talschluss liegt der Bohinjsko Jezero, ein Gebirgssee mit kristallklarem Wasser, auf dessen Oberfläche sich die umliegenden Berggipfel spiegeln. Ich halte an und blicke auf den See. Wieder erfüllt mich dieses einzigartige Gefühl von Ruhe, Gelassenheit und Frieden mit der Natur um mich herum.

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Entscheidung

Ich muss mich entscheiden: Fahre ich noch 20 Kilometer weiter zum Savica-Wasserfall oder nehme ich den direkten Weg nach Pokljuka, der im Dörfchen Jereka beginnt? Als Wintersportfan fällt meine Entscheidung auf den Biathlon-Ort. Acht Prozent Steigung, fünf Kilometer bis Koprivnik und weitere fünf Kilometer bis Gorjuše stellen sich mir noch in den Weg. Wieder sind die Straßen kaum befahren. Ich bin mit mir und meinem Rad allein. Der einzige Laut kommt von meiner Kette. Übertönt wird dieses Geräusch auf den letzten drei Kilometern bis zur Pokljuka-Hochebene von meinem Atem. Zehn Prozent Steigung. Herzfrequenz: 175.

Dann endlich: Pokljuka. Ich bin am höchsten Punkt meiner heutigen Etappe. Den Rest des Tages wird es fast nur noch bergab gehen. Mehr oder weniger steil. In jedem Fall weiter ruhig, naturnah und mit wenig Verkehr. Am Ende des Tages werde ich am Bleder See stehen und mich fragen, weshalb diese Ecke Europas so lange ein weißer Fleck auf meiner ganz persönlichen Rennradkarte gewesen ist. Noch ist Slowenien ein Geheimtipp. Nach diesen zwei Tagen frage ich mich: Wie lange noch?


Slowenien: Die Region

Slowenien steht für Berge, Naturparks, Gebirgsseen und eine grenzenlose Sportbegeisterung. Orte wie Kranjska Gora, Planica oder Pokljuka haben sich tief in das Gedächtnis von Wintersportfans eingebrannt. Dabei hat das Land auch für Rennradfahrer im Sommer einiges zu bieten. Im Norden findet man Gebirgspässe und höhenmeterreiche Touren. Im Westen geht das Gebirge in eine sanft hügelige, sonnenverwöhnte Landschaft über. Hier gibt es sogar Weingärten, Olivenhaine und Obstplantagen. Die beste Reisezeit: Mai bis Oktober.

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Slowenien: Pässe in der Region

Passo del Predil

1156 Meter Höhe

Der Grenzpass zwischen Slowenien und Italien. Die Auffahrt von Bovec in Slowenien aus: 13 Kilometer, 676 Höhenmeter. Die Auffahrt von Cave del Predil in Italien aus: 5 Kilometer mit machbaren 264 Höhenmetern.

Mangartstraße

2055 Meter Höhe

Die Auffahrt beginnt gut einen Kilometer östlich des Predil-Passes an dessen Südanfahrt auf 1086 Metern Höhe. Es handelt sich um die höchste Straße Sloweniens: 11 Kilometer, 1000 Höhenmeter.

Vršičpass

1611 Meter Höhe

Der Vršič ist der höchste Pass Sloweniens. Auch für die 50 Serpentinen-Kurven und das Kopfsteinpflaster auf der Nordauffahrt ist er berühmt. Die Auffahrt von Norden ab Krajnska Gora: 10,3 Kilometer und 749 Höhenmeter. Von Süden ab Trenta: 12,8 Kilometer, 991 Höhenmeter.

Wurzenpass

1071 Meter Höhe

Der Wurzenpass, auf Slowenisch Korensko Sedlo, führt über die Karawanken und verbindet Österreich mit Slowenien. Die Daten der Auffahrt von der slowenischen Seite: 3,5 Kilometer, 226 Höhenmeter. Von der österreichischen Seite aus: 7,5 Kilometer, 547 Höhenmeter.

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