Der Fall Chris Froome: Die wichtigsten Fragen nach positivem Dopingtest

Positiver Test bei Froome: Eine Suche nach Antworten

Der Fall Chris Froome: Die wichtigsten Fragen nach positivem Dopingtest

Chris Froome wurde am 7. September 2017 positiv auf Salbutamol getestet. Hat der Tour- und Vuelta-Sieger 2017 also wissentlich und bewusst gedopt? Warum wurde der positive Dopingtest erst jetzt bekannt? Welches Strafmaß erwartet den Briten? Eine Suche nach Antworten.
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Ist das bei Froome gefundene Mittel Salbutamol verboten?

Nein. Das Inhalieren von Asthmamitteln, die Salbutamol enthalten, ist laut Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) auch ohne Ausnahmeregelung erlaubt. Allerdings darf dabei ein Grenzwert von 1600 Mikrogramm über eine Dauer von 24 Stunden beziehungsweise 800 Mikrogramm innerhalb von 12 Stunden nicht über überschritten werden. Die erlaubte Konzentration von Salbutamol im Urin liegt laut WADA-Reglement bei 1000 Nanogramm pro Milliliter. Froomes Wert vom 7. September lag bei 2000, er war also doppelt so hoch wie der erlaubte Grenzwert. De facto liegt also trotzdem ein Dopingvergehen vor, da ein erlaubter Grenzwert überschritten wurde.

Warum wird der positive Befund erst jetzt bekannt?

Das ist die wohl spannendste Frage. Normalerweise werden die Fachverbände umgehend über einen positiven Dopingbefund seitens der WADA unterrichtet. Im Falle des Radsportler Diego Ulissi führte ein Salbutamol-Fall 2014 bereits vier Wochen nach Abgabe der positiven A-Probe zu einer Veröffentlichung und zur anschließenden sofortigen Suspendierung des Fahrers. Bei Alberto Contadors Clenbuterol-Befund dauerte es rund 70 Tage, bis der Fall an die Öffentlichkeit gelangte. Chris Froome toppt diesen Wert. Seine positive Probe blieb fast 100 Tage unveröffentlicht. Sein Team wurde allerdings wohl bereits am 20. September über den Positivbefund unterrichtet. Weshalb der Weltradsportverband und Team Sky bislang darüber schwiegen, gilt es zu beantworten.

Wie und warum setzte Froome Salbutamol ein?

In der Pressemitteilung seines Teams wird Froome wie folgt zitiert: „Es ist bekannt, dass ich Asthma habe, und ich weiß genau, wie die Regeln lauten. Ich benutze einen Inhalator, um meine Symptome zu managen, und ich weiß, dass ich jeden Tag getestet werde, wenn ich das Trikot des Führenden trage.“ Die Aussagen legen also nahe, dass Froome bewusst Salbutamol mittels Asthmasprays zugeführt hat. Über die Grenzwerte weiß er ebenso Bescheid, wie über die relativ einfache Nachweisbarkeit von Salbutamol im Urin.

Allerdings sei Froomes Asthma nach eigener Aussage im Laufe der Vuelta schlimmer geworden. „Also folgte ich dem Rat des Mannschaftsarztes, meine Salbutamol-Dosierung zu erhöhen“, wird der Brite in der Pressemitteilung weiter zitiert. „Wie immer habe ich mit größter Sorgfalt darauf geachtet, dass ich nicht mehr als die zulässige Dosis verwendet habe.“

Welches Strafmaß erwartet Froome?

Von Freispruch bis zu einer langen Sperre ist alles möglich. Da die Einnahme von Salbutamol bis zu einer gewissen Dosis erlaubt ist, gibt es die Möglichkeit, dass sich der Athlet bei einer höheren Dosierung erklären kann. In der entsprechenden Textpassage im WADA-Reglement heißt es da, „der Athlet muss im Rahmen einer pharmakokinetischen Untersuchung) nachweisen, dass das auffällige Testergebnis das Resultat einer therapeutischen Dosis war und nur durch den Gebrauch von Salbutamol per Inhalation zustande gekommen ist“.

Grundsätzlich gilt bei allen eingeleiteten Dopingverfahren das Prinzip der „verschuldensunabhängigen Haftung“, das heißt, der Athlet haftet dafür, welche Mittel in seinem Körper gefunden wurden. Im Normalfall folgt dem Nachweis einer verbotenen Substanz im Körper beziehungsweise die Überschreitung eines Grenzwertes eine Dopingsperre. Die Regelsperre bei Dopingsündern beträgt mittlerweile vier Jahre (früher zwei Jahre). Allerdings gibt es hier Ausnahmen. Laut WADA-Reglement sind dies: „Aufhebung oder Minderung einer Sperre bei speziellen Wirkstoffen und aufgrund bestimmter Umstände“ (Artikel 10.4). Artikel 10.5: „Aufhebung oder Minderung einer Sperre aufgrund außergewöhnlicher Umstände.“ Können Froome und sein Team Sky diese Umstände geltend machen, wirkt sich dies strafmildernd aus. Selbst ein Freispruch wäre theoretisch möglich.

Gibt es vergleichbare Fälle?

Ja, die gibt es. 2008 wurde der damalige Top-Sprinter Alessandro Petacchi für einen Befund oberhalb des Salbutamol-Grenzwertes (1320ng/ml) für ein Jahr gesperrt. Außerdem wurden ihm seine fünf Etappensiege beim Giro d’Italia aberkannt. Diego Ulissi wurde beim Giro 2014 ebenfalls positiv auf Salbutamol (1900ng/ml) getestet. Er wurde im Anschluss für neun Monate gesperrt.

Auch in anderen Ausdauersportarten gibt es positive Dopingbefunde mit Salbutamol. Norwegens Langlauf-Star Martin Johnsrud Sundby wurde im Dezember 2014 und Januar 2015 gleich zwei Mal mit zu hohen Salbutamol-Werten erwischt. Ihm wurde daraufhin der Sieg bei der Tour de Ski und des Gesamtweltcup-Siegs 2015 aberkannt. Seine Sperre fiel allerdings mit zwei Monaten äußerst gering aus. Sundby konnte damals geltend machen, dass er die erlaubten 1600 Mikrogramm (innerhalb von 24 Stunden) Salbutamol mittels Inhalator nicht überschritten hatte. Der Norweger sagte: „Wenn ich die erlaubten 1.600 nehme, bekommen ich Urinwerte, die deutlich über dem Grenzwert liegen.“ Sollte dies bei Chris Froome auch der Fall sein, könnte der britische Tour-de-France-Sieger ebenfalls mit einer kurzen Sperre von zwei bis sechs Monaten davonkommen.

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