Monat: Juli 2015

Tipps für mehr Aerodynamik auf dem Rennrad von Lars Teutenberg

RennRad: Aerodynamik im Radsport ist Dein großes Thema. Welches Potenzial liegt darin?

Lars Teutenberg: Der Bereich Windwiderstand hat für alle sportlichen Radfahrer enormes Potenzial. Wenn alles stimmt, man sein Setup optimal verändert, sind das bei 45 km/h Dimensionen von 20 Prozent der Leistung oder 50 Watt, die man sparen kann. Das sind dann bei gleicher Leistung mal locker drei km/h mehr.

RennRad: Liegt das Potenzial vor allem in einer besseren Sitzposition?

Teutenberg: Auch. Der Fahrer stellt die größte Windangriffsfläche dar, also kommt es stark auf seine Sitzposition an, dazu auf den Helm und die Kleidung. Dann auf die Reifen und Laufräder, wobei die Reifen fast noch wichtiger sind als die Räder.

Reifen

RennRad: Wenn man das Wort „Aero“ hört, denkt man doch unwillkürlich sofort an hohe Felgen.

Teutenberg: Schon, aber für mich sind die Reifen das Tuningobjekt Nummer eins. Die verursachen nicht einmal Extrakosten, da sie sowieso ein Verschleißprodukt sind, das man regelmäßig austauschen muss. Wobei nicht der teuerste Reifen auch automatisch der beste ist, der günstigste Reifen nicht der langsamste.

RennRad: Früher waren 19 Millimeter schmale Reifen der Standard beim Zeitfahren. Und heute?

Teutenberg: Schmal und Schlauchreifen, das war früher normal, ja. Heute warte ich in Sachen Tubeless noch auf die nächste Generation. Die aktuellen Tubeless-Reifen sehe ich eher für das Training. Deshalb empfehle ich für Zeitfahren und flache Strecken Faltreifen, 23 Millimeter. Alpenmarathons stellen hier Ausnahmen dar, denn Schlauchreifenfelgen haben, was Hitzeentwicklung angeht, immer noch einen Sicherheitsvorteil gegenüber Clincher-Felgen aus Carbon.

RennRad: Gerade bei den Laufrädern sind die Unterschiede zwischen „normalen“ und Aero-Modellen enorm. Muss es die 80 Millimeter hohe Felge sein?

Teutenberg: Nein, solche Laufräder sind schon sehr speziell und auch nicht immer einfach zu steuern. 60 Millimeter hohe Felgen sind dagegen voll alltagstauglich. Dazu sollten sie wegen des Luftwiderstandes und der Übergänge zu den Reifen eher breit gebaut sein. HED hat hier gute Angebote, DT Swiss auch, da gibt es Laufräder im Programm, das Modell Spline 55 zum Beispiel, die relativ kostengünstig sind, super rollen und auch im Vergleich zu ganz hohen Aero-Felgen sehr schnell sind. Es gibt aber etliche Aero-Laufräder auf dem Markt, deren Vorderrad ich nur sehr ungern über längere Strecken fahren würde. Da ist das Handling bei starkem Wind sehr schlecht. Vor dem Kauf sollte man seine potenziellen neuen Laufräder also wenn möglich an einem böigen Tag testen.

Aerodynamik beim Triathlon: Sitzposition, Tipps, Tricks

Sitzposition

RennRad: Zurück zum Thema Sitzposition. Gibt es hier einfache Tipps für eine bessere Aerodynamik?

Teutenberg: Viele Hobbyfahrer sitzen viel zu kurz auf dem Rennrad. Weil der Vorbau sehr kurz ist, schieben viele dann noch den Sattel noch vorne, was zu einer schlechten Kraftübertragung führen kann. Meine Erfahrung ist: Länger zu sitzen ist besser, als mit sehr großen Sattelüberhöhungen zu arbeiten. Es ist angenehmer für den Nacken und den Rücken. Allerdings liegt auch mehr Gewicht auf den Händen. Wer dort Probleme hat, sollte eine solche Position also meiden. Zudem kann es Sinn machen, die Sattelspitze leicht nach unten zu stellen.

RennRad: Wie sitzen denn die von dir betreuten Radprofis auf dem Rad?

Teutenberg: Gestreckt und schmal. Nur ganz wenige Radfahrer brauchen wirklich einen 44er-Lenker. Die wenigsten haben wirklich so breite Schultern. Im Profibereich fahren sehr viele einen 40 Zentimeter breiten Lenker. Adam Hansen (Lotto Soudal) fährt trotz seiner stabilen Statur sogar nur einen 38er-Lenker.

RennRad: Das Thema Komfort spielt bei den Profis vermutlich nur eine sehr geringe Rolle. Es passt auch nicht wirklich gut mit Aerodynamik zusammen, oder?

Teutenberg: Doch, da gibt es durchaus Kompromisse. Man kann komfortabel sitzen, ohne dass man die Aerodynamik stark verschlechtert. Ich hatte schon Tests, nach denen wir die Athleten auf dem Zeitfahrrad vier Zentimeter höher gesetzt haben – und sie waren danach trotzdem schneller.

RennRad: Wie läuft ein solcher Test ab?

Teutenberg: Wir montieren ein  SRM Powermeter ans Rad und testen die Wattzahlen in der Ausgangsposition und später mit den Veränderungen. Dabei wird in sehr kleinen Schritten vorgegangen. Wir schauen dann, wie sich die Wattzahlen bei denselben Geschwindigkeiten verändern.

Aero-Accessiores

RennRad: Also kennst Du auch die Effekte der einzelnen „Aero-Accessiores“, wie zum Beispiel den neuen Trend bei den Profis zu aerodynamischen Helmen, die auch außerhalb der Zeitfahren getragen werden.

Teutenberg: Die haben durchaus ihre Berechtigung. Wenn man schnell fährt, lassen sich damit schon fünf bis zehn Watt sparen. Bei hohen Geschwindigkeiten sind die sogar ganz gut belüftet. Für eine Hochgebirgsetappe bei 30 Grad würde ich sie aber nicht empfehlen.

RennRad: Und reine Zeitfahrhelme: lang oder sehr lang?

Teutenberg: Die Länge ist von der Kopfhaltung abhängig. Wenn der Kopf auf dem Rad oft nach unten zeigt, sollte der Helm recht kurz sein. Radprofis fahren aktuell häufig Helme mit integrierten Visieren. Triathleten dagegen fahren Aero-Helme und normale Brillen, weil es bei ihren langen Strecken noch mehr auf die Belüftung ankommt. Radprofis fahren kürzere Strecken, aber dafür oft einen 50er- Schnitt, da bringen die Visiere vielleicht ein, zwei Watt.

RennRad: Und der Rahmen selbst: Zeitfahrrad oder Aero-Rennrad?

Teutenberg: Aero-Rennradrahmen der neusten Generation – wie das Specialized Venge, das Scott Foil oder das Cervélo S5 – kommen den reinen Zeitfahrrahmen schon sehr nahe. Einsparungen von zehn Watt sind bei aerodynamisch optimierten Rahmen gut möglich. Wenn man aber Watt pro Euro rechnet, ist das natürlich ein teurer Vorteil. Generell sollte man bedenken, dass man auf moderaten Strecken ein Kilogramm Mehrgewicht durch aerodynamische Vorteile locker wieder wettmachen kann.

RennRad: Wattsparmöglichkeiten tun sich auch dort auf, wo man nicht daran denkt. Stichwort: flatterndes Trikot.

Teutenberg: Ja, natürlich kostet es einige Watt, mit komplett offenem Trikot zu fahren. Berghoch weniger, da hier die Geschwindigkeiten niedriger sind. Zudem ist es auch eine gute Idee, bei hohem Tempo gezielt öfter mal in Unterlenkerposition zu fahren. Das kann man gut im Training üben und es ist effektiv.

Training

RennRad: Apropos Training: Du bist neben deinem Beruf quasi als Hobby noch einer der besten Zeitfahrer Deutschlands. Bei der DM 2014 waren nur Tony Martin und Nikias Arndt vor dir. Wie trainierst du speziell für mehr Tempohärte?

Teutenberg: Ich trainiere viel weniger als früher, aber dafür intensiver, oder anders gesagt: qualitativ besser. Zum Beispiel haben wir bei meinem Arbeitgeber Scott die Tradition, in der Mittagspause Rad zu fahren. Eine Stunde. Renntempo. Das ist dann kein „lunch ride“, sondern ein „lunch race“. Trainingstechnisch einfach ein Fahrtspiel. Attackieren, ans Limit gehen – und trotzdem Spaß haben.  Wenn man nicht der Schwächste ist (lacht).

RennRad: Also weniger, aber dafür intensiveres Training?

Teutenberg: Früher hat man seine Stunden und Kilometer oft „abgesessen“, heute trainiere ich viel effizienter. Auch weil ich meistens nur an drei Tagen in der Woche aufs Rad kann. Am Powermeter sehe ich, dass ich jetzt 95 Prozent der Zeit durchtrete. Man kann auch mal in den Abfahrten 300 Watt fahren, mit einer sehr hohen Trittfrequenz. Und die moderne Trainingsmethodik arbeitet sehr viel mit höchsten Intensitäten. Wechselintervalle, VO2max-Intervalle oberhalb der anaeroben Schwelle. Man muss nicht unbedingt allein Intervalle fahren, mental einfacher wird es, wenn man das in der Gruppe macht, als Paarzeitfahren zum Beispiel oder im Belgischen Kreisel.

RennRad: Zeitfahren bedeutet höchste Intensität, höchste Intensität bedeutet: große Schmerzen.

Teutenberg: Nicht unbedingt. Nur wenn man zu schnell losgefahren ist und mit seinem Laktat umgehen muss. Man sollte eher so losfahren, dass man zunächst nicht in den anaeroben Bereich kommt und sich das dann fürs Finale aufsparen kann. So wie es Jens Voigt bei seinem Stundenweltrekord gemacht hat. Jack Bobridge, der es danach versucht hat, ist mit mehr als 54 km/h losgefahren und kam mit weniger als 52 km/h ins Ziel. Das ist nicht so sinnvoll. Fährt man sein Finale am Anfang, bedeutet das verdammt große Schmerzen für eine lange Zeit. |||||

Trainingstipps

Warmfahren: 20 Minuten im Grundlagenbereich

Wechselintervalle: Zweimal sechs bis zehn Minuten. 30 Sekunden (wahlweise auch 40 Sekunden bis zu drei Minuten) Belastung bei circa 110 bis 120 Prozent der Schwellenleistung, 15 Sekunden Pause, 30 Sekunden Belastung und so weiter. Generell gilt: Die aktive Pause (im Grundlagentempo) sollte halb so lang sein wie die Belastung

Ausfahren: 20 Minuten im Grundlagenbereich

Training und Tempo: Zeitfahren, Triathlon, Radrennen

Zeitfahren

Dies alles erfordert nicht nur ein hohes physisches Leistungsvermögen, sondern auch mentale Stärke. Durchhaltevermögen. Härte gegen sich selbst. Der größte Feind des Zeitfahrers heißt: Windwiderstand. Bei diesen hohen Geschwindigkeiten werden bis zu 90 Prozent der Leistung dafür verwendet, den Windwiderstand zu überwinden. Dies gilt für das Zeitfahren, für die Radstrecke von Triathlons, für jede Tempoeinheit und jedes Rennen.

Logisch ist, dass man mit langen ruhigen Ausdauereinheiten nicht spezifisch an seinen Zeitfahrqualitäten arbeiten kann. Hier geht es um Tempo – und damit um hohe Intensitäten. Tempotraining ist meist Schwellentraining. Es ist intensiv, teilweise im anaeroben Bereich – mit dem Ziel, die Leistung an der individuellen anaeroben Schwelle zu verbessern.

Von den Profis lernen

Für das Zeitfahrrad gilt noch mehr als für das Rennrad: Man sollte so ergonomisch auf dem Rad sitzen, dass man trotz Aero-Haltung auch über einen längeren Zeitraum die ganze Kraft aufs Pedal bringen kann.

Das Training ist vielfältig. Es gibt etliche Varianten. Und viele davon sind nicht nur für Triathleten oder Zeitfahrradbesitzer interessant. Denn Tempohärte, die Fähigkeit, eine hohe Geschwindigkeit lange zu halten, ist eine Eigenschaft, die jeden Radfahrer besser werden lässt. Damit wird man zum „Rouleur“ – so lautet der Radsportfachbegriff für einen solchen Fahrertyp.

Jacques Anquetil war ein solcher Fahrer. Er war einer der besten Zeitfahrer aller Zeiten. Er war der Erste, der die Tour de France fünfmal gewann. Alle seine großen Siege basierten auf seinen Fähigkeiten als Zeitfahrer. Er bereitete sich immer auf dieselbe Art auf diese seine Lieblingswettkämpfe vor: mit Motortraining.

Hochintensiv

Sein erster und einziger Trainer, André Boucher, begleitete ihn auf einem Derny, einer Art sehr schnellem, motorisiertem Fahrrad. Doch Anquetil fuhr nicht nur seine großen Gänge im Windschatten des Mopeds – dies ist die Art von Motortraining, die auch heute noch fast alle Profis praktizieren – nein, er baute selbst in dieses intensive Training noch Intervalle ein. Alle fünf Kilometer überholte Anquetil seinen Trainer und versuchte, dasselbe Tempo ohne Windschatten weiterzufahren. Nach dieser höchsten Belastung fuhr er wieder fünf Kilometer lang hinter seinem Trainer.

Ein solches Training ist für Normalsterbliche kaum durchzuhalten. Aber es gibt eine Idee davon, um was es bei Tempointervallen geht. Anfänger können ihr spezifisches Tempotraining etwa mit kurzen bis mittellangen Intervallen im moderat intensiven GA2-Bereich beginnen, also noch unterhalb der anaeroben Schwelle (ANS).

Bewegt man sich im Training oberhalb davon, bedeutet das: Schmerzen. Profi-Triathleten arbeiten mit Intervallen sehr verschiedener Längen. Das typische Zeitfahrtraining eines Triathleten beinhaltet zum Beispiel zehnmal fünf Minuten im hochintensiven Bereich über der ANS. Die aktive Pause zwischen den Intervallen beträgt hier nur eine Minute. Eine andere Variante ist die Wettkampfsimulation. Etwa: Dreimal 20 Kilometer bei 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Oft werden dabei sehr hohe Trittfrequenzen von 100 bis 105 Kurbelumdrehungen pro Minute gefahren.

Die mentale Komponente

Zeitfahren heißt, strategisch vorzugehen. Es sei denn, es handelt sich um sehr kurze Prolog-Distanzen von wenigen Kilometern. Dann ist es unnütz, zunächst die Zügel anzuziehen. Dann gilt vom ersten Meter nur eins: Vollgas!

Für längere Strecken gilt dagegen: Abwarten, geduldig sein, nicht überziehen. Das Steuern des Tempos ist nach Körpergefühl beziehungsweise Erfahrung, Herzfrequenz, am genauesten und einfachsten aber mit einem Powermeter am Rad möglich. Auch Tests mit höchster Intensität über die Wettkampfdistanz helfen dabei, die eigene optimale Geschwindigkeit zu finden und sich so seine Rennstrategie zurechtzulegen.

Manche Profis präparieren sich für das Rennen mit mentalen Fahrplänen. Sie arbeiten mit „Powerwörtern“ und Bildern im Kopf, die Stärke und Schnelligkeit darstellen. Einige bringen sich durch bestimmte Vorstellungen vor dem Start gezielt in einen gewünschten emotionalen Zustand. Oft lautet dieser: Wut. Wut kann für Motivation sorgen.
Steigern

Bei der Renneinteilung halten viele Profis das dritte Viertel der Distanz für das wichtigste. Ab dann zeigt sich meist die Müdigkeit, der Tritt wird unrund, man fährt im anaeroben Bereich – falls man zu Beginn überpaced hat. Dies kann man auch im Training berücksichtigen. Zum Beispiel indem man sich beim ersten Intervall bewusst zurückhält, beim zweiten leicht steigert und dann den Fokus auf den dritten setzt.

Die meisten Profis setzen auch am Tag vor dem Wettkampf auf eine „Vorbelastung“, die aus einigen kurzen, intensiven Intervallen im Renntempo besteht. Ebenso wichtig ist das Aufwärmen. Locker pedalieren reicht da nicht.

Der Körper muss mit höheren Intensitäten richtig vorbereitet werden auf das, was ihm bevorsteht. Denn der Start eines Zeitfahrens ist für einen Organismus vor allem eines: ein Schock.

Tempotraining

Intervalle können auch als „Mini“-Zeitfahren angesehen werden. Professionelle Trainer empfehlen hier etwa 15-, Sechs- und Zwei-Minuten-Intervalle. Beginnen sollte man mit der längsten Variante, um mit der kürzesten – kurz vor dem Wettkampf – zu enden. Die Intensität während der 15-minütigen Anstrengung sollte zunächst unterhalb der ANS liegen. Die sechsminütigen, intensiveren Einheiten sollen vor allem die Laktattoleranz und die Sauerstoffaufnahmefähigkeit verbessern. Die zweiminütige Anstrengung schließlich soll neben der Sauerstoffaufnahme vor allem die Tempohärte verbessern. Es geht hierbei auch darum, sich selbst und seine Geschwindigkeiten einzuschätzen zu lernen.

Denn während dieser zwei Minuten soll die volle Leistungsfähigkeit abgerufen werden. Man muss dabei lernen, sich nicht in den ersten 45 Sekunden so zu verausgaben, dass man danach einbricht. Für all diese intensiven und hochintensiven Trainingsformen gilt: Davor und danach sollte man sich angemessen, mindestens 20 Minuten lang, warm- beziehungsweise ausfahren. Zwischen den Trainingseinheiten ist eine ausreichende Regenerationszeit zwingend notwendig. Sonst besteht die Gefahr, ins Übertraining zu geraten – und somit die ganze aufgebaute Form zu zerstören.

1. Zweimal 15 Minuten. 15 Minuten aktive Pause.

2. Dreimal sechs Minuten. Sechs Minuten aktive Pause.

3. Viermal zwei Minuten. Vier Minuten aktive Pause.

Weitere Trainingsideen:

– Zweimal 20 Minuten knapp unterhalb der ANS (zwischen 94 und 99 Prozent der Herzfrequenz an der ANS). Fünf Minuten aktive Pause.

– Viermal zehn Minuten in Rennintensität. Aktive Pause zwischen den Intervallen: 2:30 Minuten.

– Dreimal zwölf Minuten an der ANS. Sechs bis zehn Minuten aktive Pause.

– Fünfmal vier Minuten GA2. Drei Minuten aktive Pause im GA1. (Diese Intervalle eignen sich hervorragend für Einsteiger).

Aerodynamik: Bedeutung, Fakten und Hintergründe

Aerodynamik

Aerodynamisch optimiertes Material – Helm, Rahmen, Laufräder, Bekleidung, Schuhe – ist aus dem heutigen Peloton nicht mehr wegzudenken. Diese Entwicklung begann schon vor LeMond Mitte der 1980er Jahre und hatte mit dem Sieg von Dave Scott beim Ironman Hawaii 1987 ihren ersten Höhepunkt. Scott gewann mit seinem erstmalig verwendeten Aero-Lenker zum sechsten Mal den größten Triathlon der Welt.

Von einer verbesserten Aerodynamik kann jeder Radsportler profitieren. Aber welche Veränderungen bringen signifikante Vorteile für den Fahrer und welche lediglich ein paar Watt Einsparung, die zulasten von Komfort und Geldbeutel gehen?

Windwiderstand

Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h benötigt ein Radfahrer beinahe 90 Prozent seiner Energie, um den Luftwiderstand zu überwinden. Dabei hat der Mensch natürlich eine größere Windwiderstandsfläche als das Rad, auf dem er sitzt. Technisch betrachtet ist das Produkt aus Stirnfläche und cw-Wert entscheidend für den Widerstand. Die cw-Werte von Rennrad und Athlet liegen bei um 0,4-0,6. Mit einer optimierten Haltung lässt sich dieser Wert nur leicht verändern. Stärker beeinflussbar dagegen ist die Stirnfläche, also jene Fläche des Radsportlers, die als seine Querschnittsfläche in Strömungsrichtung dem Wind ausgesetzt ist.

Eine alte Idee ist, mit einer anderen Sitzposition die Stirnfläche und damit den Luftwiderstand zu mindern. Bereits um 1913 experimentierten Wissenschaftler mit Liegerädern. Der Weltradsportverband erkannte die damaligen Geschwindigkeitsrekorde jedoch nicht an. Der Rennsport sollte dem Vergleich der Athleten dienen, nicht dem der Technik. Jenes Paradigma gilt bis heute, wenngleich die technischen Möglichkeiten um ein Vielfaches größer geworden sind. In der Gegenwart konzentriert man sich vor allem auf die Komponenten Sitzposition, Laufräder, Rahmenform, Helm und Bekleidung.

Aerodynamik: Sitzposition, Tipps, Tricks

Das Fazit

Die Sitzposition bietet aufgrund der Windangriffsfläche des Körpers das größte Einsparpotenzial. Die anderen Möglichkeiten sind zwar weniger ergiebig, lassen sich aber im Zeitfahren oder über längere Strecken aufaddieren.

Wenige Details können am Ende mitentscheidend sein. Unser Tipp: Beginnen Sie die Optimierung im Kleinen, zuerst Aero-Lenker und Helm, später dann Trikot, Laufradsatz und Rahmen.

Wattsparen

1) Die Sitzposition

Die größte Energieeinsparung bringt eine optimierte Sitzposition. Vor allem im Zeitfahren macht sie den Unterschied. Ein Aero-Lenkeraufsatz führt zu einer aerodynamisch günstigeren und auf langen Strecken ermüdungsfreieren Position. Die „Aero-Bars“ erlauben es, den Oberkörper tief nach vorne gebeugt abzulegen. Gleichzeitig reduziert sich damit die Stirnfläche. Der Wind hat weniger Angriffsfläche. Ein Aero-Lenkeraufsatz ist mit rund 100 bis 300 Euro eine vergleichsweise günstige Investition – vor allem in der Relation zu seinem Nutzen. Gegenüber der Fahrt im Oberlenkergriff lassen sich hier bis zu 40 Watt einsparen. Wer sein Rennrad mit einem Zeitfahraufsatz aufrüstet, sollte bei der Suche nach der dann passenden Sitzposition aber mit viel Fingerspitzengefühl vorgehen. Denn mit dem Nachvorneschieben des Sattels geht oft eine Gewichtsverlagerung auf das Vorderrad einher. Dies kann sich negativ auf das Fahrverhalten auswirken.

Einsparpotenzial Sitzposition im Idealfall: 40 WATT

2) Die Laufräder

Hochprofilfelgen sind der Inbegriff eines schnellen und schönen Aero- oder Zeitfahrrads. Entsprechende Verbreitung erfahren Laufräder mit hohem Felgenbett und Scheibenräder im Triathlonsport. Doch der maximale Effekt kommt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen zum Tragen. Je schneller man fährt, desto größer ist der Vorteil mit Hochprofil-Laufrädern. Bei bestimmten Windverhältnissen konnten einige Laufradhersteller nach eigenen Angaben bis zu 40 Watt Ersparnis messen. Es kommt dann zum sogenannten Segeleffekt. Statt zu bremsen, schiebt ein Scheibenrad in diesem Falle bei schräg von hinten auftretendem Wind an. Dafür sollte man aber mit mindestens 35 km/h unterwegs sein. Realistischer sind jedoch Wattersparnisse bis zu zehn Watt. Bei böigem Seitenwind sind Scheiben- und Hochprofilräder zudem schwer zu kontrollieren, sie können dann das Fahren verlangsamen und sogar gefährlich machen.

Einsparpotenzial Laufräder im Idealfall: 10 WATT

3) Die Rahmenform

Natürlich umfasst der Rahmen einen nicht unerheblichen Teil der Angriffsfläche, der beim Kampf um Sekunden den Ausschlag geben kann. Überraschenderweise haben einige Studien gezeigt, dass klassische Rundprofilrahmen keine schlechten cw-Werte haben. Trotzdem kann ein optimierter Carbonrahmen vor allem bei seitlich anströmenden Winden Vorteile bieten. Hier hängt wiederum sehr viel von der Fahrgeschwindigkeit ab. Bei 40 km/h können optimale Aero-Rahmen 10 bis 20 Watt Ersparnis bringen.

Einsparpotenzial Rahmenform im Idealfall: 10-15 WATT

4) Der Helm

Im Leistungssport entscheidet der Kopf, sagt man. Aerodynamik-Experten würden da voll zustimmen. Der Kopf ist immer im Wind und bietet viel Angriffsfläche. Ausschlaggebend für den Aero-Helm ist seine Eigenschaft, den Wind von allen Seiten gut um den Kopf herumzuleiten. Die verbesserte Aerodynamik geht allerdings gerade beim langen Zeitfahren oft zulasten der Belüftung. Im Oberlenkergriff hingegen konnte kein Vorteil gemessen werden. Einen Mittelweg bieten die neuen eher kurzen Aero-Helme. Hier wird zudem die Aerodynamik auch bei ungünstiger Kopfhaltung nicht so stark negativ beeinflusst wie mit Langversionen.

Einsparpotenzial Helm im Idealfall: 10 WATT

5) Die Bekleidung

Da der Körper des Fahrers die größte Angriffsfläche für den Wind bietet, sollte man ihm besondere Aufmerksamkeit schenken. Schon ein flatterndes Radtrikot kann auf einer 40 Kilometer langen Strecke bis zu 24 Sekunden kosten. Daneben spielt die Stoffoberfläche eine entscheidende Rolle. Ein Ganzkörperanzug mit entsprechender Stoffstruktur verringert den Luftwiderstand deutlich. Auch Überschuhe bringen beim Zeitfahren zusätzliche, allerdings geringe Einsparungen.

Einsparpotenzial Bekleidung im Idealfall: 3-5 WATT