Vivien Wenz über Rennen, Abenteuer und Frauen im Radsport

Vom Fixie-Fahren in Kapstadt zur Ultra-Athletin in Wien – Vivien Wenz’ Weg in den Radsport

Vivien Wenz über Rennen, Abenteuer und Frauen im Radsport

Vivien Wenz wurde in wenigen Jahren von einer Freizeitfahrerin zu einer Ultra-Distanz-Athletin. Sie erzählt von ihrem Einstieg, Trainingsalltag, Rennstress – und warum es manchmal reicht, einfach loszufahren.
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Vivien Wenz ist keine gewöhnliche Radsportlerin. Die 27-jährige Wahlwienerin hat in nur wenigen Jahren den Weg vom Freizeitfahren zum ambitionierten Langstrecken-Radsport gefunden.

Geboren und aufgewachsen im Elsass, zog es sie vor fünf Jahren nach Wien – eine Stadt, in der sie nicht nur ein neues Zuhause, sondern auch eine lebendige Radszene vorfand. Beim Radfahren geht es ihr um mehr als bloße Leistung: Es ist die Freude am Fahren, das Erkunden neuer Wege und das gemeinsame Erleben in der Gruppe, das sie antreibt.

Ein unkonventioneller Einstieg

Ihr Weg in den Radsport begann auf ungewöhnliche Weise – nicht etwa durch ein Vereinsrennen oder familiäre Traditionen, sondern durch eine Reise nach Südafrika. „Ich habe eine Zeit lang in Kapstadt gelebt und dort meinen Freund kennengelernt, der mir den Radsport nähergebracht hat“, erzählt Vivien.

Doch sportlich war sie bereits davor: Ihr Stiefvater hatte sie früh für Bewegung begeistert, sie zu Laufrennen angemeldet und ihr schließlich ein Mountainbike gekauft.

Den entscheidenden Impuls, das Radfahren intensiver zu betreiben, bekam sie von der Cape Town Cycle Tour 2020: „Ich sah die Frauenrennen im Fernsehen und war beeindruckt, wie schnell sie unterwegs waren. Da wusste ich: Ich will das auch.“

Zurück in Wien suchte sie den Anschluss an die lokale Szene und fand ihn in diversen Frauengruppen, die sich regelmäßig zu Trainingsausfahrten treffen.

Vom Fixie zum Ultra – Vielseitigkeit auf zwei Rädern

Vivien Wenz ist keine Radfahrerin, die sich auf eine einzige Disziplin beschränkt. Ihr Start auf zwei Rädern begann mit dem Fixed Gear in Kapstadt, wo sie damit in der Stadt herumgefahren ist. Doch bald entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Rennrad- und Gravelfahren. Heute wagt sie sich auch auf das Mountainbike und experimentiert mit BMX-Rädern.

Vor etwa zwei Jahren hat sich in Wien das Team BBUC gegründet. Vivien ist seit Beginn Mitglied des Wiener Teams. Das Besondere für sie: die Vielfalt der Fahrerinnen und Fahrer sowie der lockere, aber dennoch ambitionierte Zugang zum Sport. „Viele nehmen den Radsport extrem ernst, aber BBUC erinnert mich immer daran, dass es nicht nur um Leistung oder Material geht – manchmal zählt einfach nur das Fahren.“

Training, Alltag, Wettkämpfe – Ein Balanceakt

Obwohl der Sport eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielt, beschreibt Wenz ihre Herangehensweise als entspannt und pragmatisch. „Ich versuche, meinen Alltag und den Sport gut zu kombinieren. Mein Job ist zeitlich und geographisch zum Glück flexibel, sodass ich mir Zeit fürs Training nehmen kann.“

Ihr Trainingsplan ist klar strukturiert: fünf- bis sechsmal die Woche sitzt sie auf dem Rad. In den Wintermonaten fährt sie unter der Woche vor allem indoor, längere Fahrten macht sie am Wochenende draußen. Etwa die Hälfte ihrer wöchentlichen Fahrten sind intensive Trainings, die andere Hälfte nutzt sie für Zone-2-Training, also Fahren mit moderater Belastung, um die Grundlagenausdauer zu verbessern. „Manchmal fällt es mir aber schwer, im passenden Tempo für das Grundlagenausdauer-Training zu fahren – insbesondere wenn ich in einer Gruppe mitfahre.“

Auch im Wettkampfbereich hat sie sich ausprobiert. Ihr erstes Rennen war die Cape Town Cycling Tour 2020. Seitdem hat sich vieles verändert: „Ich bin viel schneller und auch besser darin, mal länger während eines Rennens zu leiden – auch wenn das vielleicht hart klingt.“

Ihr bisher größtes Highlight: das Ultra-Distanz-Rennen „Cowlands“, bei dem sie mit einer Freundin etwa 750 Kilometer und über 10.000 Höhenmeter in nur 30 Stunden absolvierte. „Ich nehme auch manchmal an Straßenrennen teil, aber die stressen mich manchmal, weil es oft hektisch und eng zugeht. Bei Ultras habe ich mehr Spielraum, das mag ich.“

Auch wenn Vivien Wenz nun schon an mehreren Rennen teilgenommen hat, ist sie vor den Wettkämpfen etwas nervös. Ein bestimmtes Ritual vor einem Rennen hat sie nicht, die Nervosität vor dem Rennen versucht sie einfach durchzustehen. „Ich versuche mir klar zu machen, dass es schlussendlich nicht wirklich um irgendwas geht und am Ende auch egal ist, welche Platzierung man hat – wichtig ist, dass man Spaß am Rennen hatte und eine neue Erfahrung gemacht hat.“

Beim Cowlands fuhr Vivien Wenz 750 Kilometer in 30 Stunden.

Frauen im Radsport – Zwischen Fortschritt und Klischees

Als Frau im Radsport erkennt Vivien Wenz positive Entwicklungen – aber auch noch viel Luft nach oben. „Viele Veranstalter bieten mittlerweile eigene Rennen für Frauen an, ohne dass wir mit den Männern starten müssen. Aber oft gibt es noch Klischees, die mich stören – Frauen bräuchten angeblich spezielle Techniktrainings oder rosa Trikots. Die Realität ist: Die Frauen, mit denen ich fahre, sind genauso ambitioniert, technisch versiert und leidenschaftlich wie die Männer.“

Ein großes Problem bleibt die ungleiche Preisgeldverteilung und Aufmerksamkeit im Frauenradsport. „Mehr Medienpräsenz, gleiche Preisgelder und ein größeres Angebot an Frauenrennen wären wichtige Schritte.“ Vivien erzählt, dass Frauenrennen oft als weniger anspruchsvoll betrachtet werden, was ihrer Wahrnehmung nach keinesfalls der Realität entspricht.

Sie wünscht sich mehr Unterstützung für junge Talente, damit die nächste Generation von Radsportlerinnen bessere Bedingungen vorfindet. „Außerdem braucht es mehr Vorbilder, um zu zeigen, dass Frauen im Radsport genau so stark und erfolgreich sind wie Männer auch.“

Dass sie es im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen schwerer hatte, im Radsport Fuß zu fassen, sieht Vivien nicht so. „Meistens mache ich einfach, ohne mir vorher viele Gedanken darüber zu machen, ob es schwer sein könnte. Ich habe keine Angst davor, in einer Gruppe von Männern mitzufahren.“

Sie beobachtet jedoch, dass sich viele Frauen selbst unterschätzen und denken, dass sie etwas nicht schaffen könnten. Bei Männern hat sie hingegen eher den Eindruck, dass viele sich überschätzen. Durch die Laufwettbewerbe an denen sie als Kind teilgenommen hat, hat sie gelernt, sich auf Herausforderungen einzulassen. „Diese Erfahrungen haben mir geholfen, eine gewisse Resilienz zu entwickeln und Dinge durchzuziehen, auch wenn sie im Moment anstrengend sind und ich manchmal lieber aufgeben würde.“

Blick in die Zukunft

Für die Zukunft hat Vivien Wenz sich vorgenommen etwas strukturierter zu fahren. Grundsätzlich möchte sie aber so weitermachen wie bisher – „einfach das machen, worauf ich Lust habe“.

Ein Traum wäre die Teilnahme am legendären Cape Epic. „Aber dafür müsste ich noch mehr Mountainbike fahren. Vielleicht fange ich erst mal mit einem kleineren MTB-Rennen an.“

Zum Abschluss hat Vivien noch einen Tipp für andere Frauen, die sich für den Radsport begeistern: „Einfach mal ein Rennen fahren und ausprobieren. Kleine Rennen sind perfekt, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Und wenn es Spaß macht – unbedingt dranbleiben!“

Cowlands: Die Strecken führen durch Oberbayern, Österreich und Italien.

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