Abnehmen, Fasten, Intervallfasten
Abnehmen und Leistung: Effekte von Intervallfasten und Co.

Leicht schnell

Abnehmen und Leistung: Effekte von Intervallfasten und Co.

Abnehmen und Leistung: Wie geht beides zusammen? Das Zusammenspiel aus Ernährung, Regeneration, Stoffwechsel, Sport – ein wissenschaftlicher Einblick.
TEILE DIESEN ARTIKEL

Du bist, was du isst. Heißt es. Und immer mehr Menschen halten sich daran: Sie definieren sich auch, oder vorrangig, über das, was sie essen. Oder genauer: Über das, was sie nicht essen. Auf welche Weise sie effizient abnehmen. Verzicht ist die neue Rolex. Ein Zeichen der Gesinnung, des Standes. Es ist eine Form der Arbeit an der eigenen Identität. Man versucht, oftmals unbewusst, sich über das Mittel der „richtigen Ernährung“ zu definieren und zu optimieren.

Doch wie wirken sich die Ernährungsform – und der Ernährungszeitpunkt – wirklich auf die Gesundheit, die Körperzusammensetzung beziehungsweise das eigene Gewicht und die Leistung aus? Die propagierten „Rezepte“, „Formeln“ und „Wege“ hin zu der einen „optimalen“ Ernährungsform sind so unterschiedlich wie Adiletten in Relation zu 500-Euro-Radschuhen. Es beginnt schon bei der Anzahl und dem Timing der Mahlzeiten: zwei, drei oder fünf? Kohlenhydrate zum Frühstück, Proteine vor dem Zu-Bett-Gehen?

Fasten und Leistung

Vor nicht allzu langer Zeit war eine oft gehörte Botschaft vieler Ernährungswissenschaftler: Fünf bis sieben kleine, über den ganzen Tag verteilte Portionen seien „gut“. Heute lautet ein Mantra: Verzicht. Passend zur schnelllebigen Zeit. „Wer hat denn heute noch fünf- bis siebenmal am Tag die Zeit, an sich und seinen Körper zu denken?“, fragt der Ernährungsspezialist Jürg Hösli. „Es muss immer schnell gehen. Essen ist zur Funktion verkommen und hat kaum mehr etwas mit Genuss zu tun.“ Ein Stichwort hierzu lautet: Intervallfasten. Der „Trend“ des Intermittent Fasting kommt, wie so viele, aus den USA. Doch ist das Ganze mehr als nur ein Trend?

Die Versprechen sind vielfältig: mehr Leistung, Abnehmen, weniger Körperfett, weniger Stoffwechselerkrankungen, ein gesünderes Gehirn, effizientere Muskeln und viele andere.

Eine Metastudie aus 2014 bescheinigte dem intermittierenden Fasten signifikante Effekte beim Abnehmen: Im Durchschnitt hatten die Probanden aller involvierter Studien in Zeiträumen zwischen drei und 24 Wochen zwischen drei und acht Prozent ihres Körpergewichts verloren. In einer anderen großen Studie wurden die Effekte des Intervallfastens mit jenen „normaler“ Diäten verglichen – mit dem Ergebnis, dass der Abnehmerfolg ähnlich war, doch das Gewicht der intermediär Fastenden über einen längeren Zeitraum deutlich stabiler niedrig blieb als bei den anderen Probanden. Das Problem an all diesen Studien ist: Die Probanden waren Mäuse.

RennRad 6/2020, Preisvergleich, Banner, Heftinhalt

Der große Preisvergleich: Mittelklasse- vs. High-End-Rennräder – jetzt die Ausgabe 6/2020 als Print oder E-Paper bestellen!

Immer mehr Studien zum Intervallfasten

Doch auch die Studien mit Menschen werden mehr. Viele davon wurden in einem großen, im New England Journal of Medicine veröffentlichten Review berücksichtigt. Darin wird deutlich, dass das Fasten mehrere Funktionen der Zelle begünstigt: Der Blutzucker wird gesenkt und Entzündungen werden gemindert. Dr. Deborah Wexler von der Harvard Medical School sagt: „Viele Daten sprechen dafür, dass der Ansatz des Biorhythmus-Fastens, wenn etwa die Mahlzeiten nur in einem Acht- oder Zehn-Stunden-Zeitfenster eingenommen werden, effektiv ist. Allerdings empfehle ich jedem Menschen stets einen Ansatz zu wählen, der gut umsetzbar ist und vor allem zu ihm passt.“

Eine Studie der University of Alabama, USA, mit übergewichtigen Patienten verglich die Wirkungen eines Acht- und eines Zwölf-Stunden-Ess-Zeitfensters miteinander. Das überraschend deutliche Ergebnis: Die Probanden der Acht-Stunden-Gruppe zeigten nach fünf Wochen dramatisch niedrigere Insulinwerte, eine signifikant verbesserte Insulin-Sensitivität, deutlich niedrigere Blutdruckwerte und einen verminderten Appetit. Eine weitere Untersuchung zeigte, dass die Intermittent-Fasting-Gruppe im Studienzeitraum genauso viel Gewicht verlor wie diäthaltende Probanden, dabei jedoch signifikant weniger Muskelmasse einbüßte – ein extrem wichtiger Aspekt für Athleten.

Intervallfasten kann Gedächtnisverschlechterungen vorbeugen

Während des Fastens wird auch die Produktion eines bestimmten Proteins gesteigert: des „brain-derived neurotrophic factor“. Dieser ist an der Bildung neuer Gehirnzellen beteiligt. So zeigten Tierstudien, dass Intervallfasten Gedächtnisverschlechterungen vorbeugen und sogar gegen die Alzheimer-Krankheit wirksam sein kann.

In anderen Untersuchungen wurden Verbesserungen hinsichtlich der Insulinresistenz, des Bluthochdrucks sowie der Triglycerid- und Cholesterinwerte gezeigt. Sogar gegen Krebs scheint diese Ernährungsweise zu wirken: In einer Studie an Ratten zeigten diese nach 16 Wochen des intermittierenden Fastens eine signifikant geringere Häufigkeit von Lymphomen – von null Prozent, in Relation zu 33 Prozent in der Kontrollgruppe. Das Intervallfasten – ein Wundermittel?

Abnehmen, Wissenschaft

„Abnehmen bedeutet für den Durchschnittsmenschen etwas anderes als für den Athleten. Denn dieser muss dabei einen gravierenden Effekt beachten: den Leistungsverlust.“

Intervallfasten und Alltag

„Diese so wunderbar klingenden Studien wurden alle mit Mäusen gemacht“, sagt der Ernährungsexperte Jürg Hösli. Er ist Begründer der Ernährungsdiagnostik und der Schule für Ernährungsdiagnostik erpse in Winterthur. „Menschen haben einen Alltag und Stress. Oft will der Kopf in eine Richtung und der Körper in die andere.“

Stimmt die Aussage, dass man über eine längere Zeit hinweg nichts essen sollte, damit der Blutzuckerspiegel möglichst konstant gehalten werden kann? „Auch diese Aussage ist Quatsch. Wenn wir als Zwischenmahlzeit ein paar Nüsse und Tomaten essen, steigt der Blutzucker nicht. Isst man aber längere Zeit nichts und hat an diesem Tag massiven psychologischen Stress, dann kann der Blutzuckerspiegel auch massiv über die Norm geraten – bei Weitem mehr, als ein kleiner Teller Pasta dies auslösen würde.“

Dünne Datenlage

Auch die Schweizer Gesellschaft für Ernährungsfragen räumt ein, dass die Datenlage zu den Effekten des intermittierenden Fastens „derzeit noch sehr dünn“ ist. Und sich der Großteil der Studien auf Tierversuche stütze. Generell bedeutet der Prozess des „Abnehmens“ für den „Durchschnittsmenschen“ etwas anderes als für den Athleten. Denn dieser muss dabei einen gravierenden Effekt beachten: den möglichen Leistungsverlust.

Das Arbeiten am eigenen Gewicht ist für Sportler somit noch einmal komplizierter als für Nicht-Sportler. Einerseits. Andererseits haben viele Athleten bessere Grundvoraussetzungen: Sie sind nicht bewegungsfern, verfügen über ein gewisses Maß an der notwendigen intrinsischen Motivation und einen in der Regel „größeren Motor“, da ihr Grundumsatz bereits erhöht ist. Somit verbraucht der Körper bereits im Ruhezustand mehr Energie. Gerade für viele Athleten erscheint – statt „normaler“ Diäten – eine andere Ernährungsform als sehr attraktiv: das intermediäre Fasten.

R2C2, Banner

Der RennRad Cycling Club – Deine Leidenschaft. Dein Club. Jetzt alle Informationen einsehen!

Abnehmen durch Fasten: Das 16-Stunden-Modell

Montags Ruhetag. Dienstags zwei Stunden Grundlage nach Feierabend. Mittwochs vor der Arbeit kurz auf die Rolle, weil nachmittags ein wichtiges Meeting ansteht. Donnerstags eine lockere Runde allein durchs flache Land. Freitags eine längere Runde. Samstags vor dem Familienfrühstück noch eine Runde drehen. Sonntags drei Stunden mit Freunden. So oder so ähnlich sieht für viele Hobby-Radsportler eine typische Woche aus. Wie soll man in diesen Alltag noch Fastenzeiten integrieren?

Das sei ganz einfach, verspricht das Intervallfasten-Konzept. Die einfachste Methode: früh zu Abend essen und bis zum Frühstück nichts außer Wasser zu sich nehmen. Neun bis zwölf Stunden täglich ohne Kalorienaufnahme – dies sei schon alles, was nötig ist, heißt es. Man nutzt somit die Zeit, in der man ohnehin nichts isst: die Nacht. Durchschnittlich schlafen Menschen hierzulande sechs bis acht Stunden pro Nacht. Diesen Zeitraum um einige Stunden zu erweitern, ist die einfachste Methode, eine tägliche Fastenzeit einhalten zu können.

Als Faustregel gilt: „von acht bis acht“. Wer vor 20 Uhr am Abend die letzte Mahlzeit des Tages zu sich nimmt und das Frühstück bis acht Uhr am nächsten Morgen hinauszögern kann, kommt schon auf zwölf Stunden Fastenzeit pro Tag. Alternativ kann das Frühstück am nächsten Tag etwas weiter hinausgezögert werden. Eine andere, schwierigere Variante ist das „von 19 bis 9“. Der aktuelle Stand der Forschung ist, dass es weniger auf die Abstände der Mahlzeiten während des Tages, sondern viel stärker auf das Einhalten der Fastenzeit in der Nacht ankommt.

Routine durch tägliches Fastenintervall

Im Gegensatz zu einem oder mehreren Fastentagen in der Woche ergibt sich aus dem täglichen Fastenintervall eine Routine, die sich relativ einfach in den Alltag integrieren lässt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Intervall dadurch dauerhaft einhalten lässt. Eine 2014 in der Zeitschrift „Cell Metabolism“ veröffentlichte Studie kommt sogar zu dem Schluss, dass eine tägliche Fastenzeit von neun bis zwölf Stunden von Montag bis Freitag ausreicht, um positive Gesundheitseffekte und signifikante Gewichtsverluste zu erreichen, selbst wenn dieses Ernährungsregime an Wochenenden nicht eingehalten wird.

In Studien an Mäusen konnte diese Ernährungsweise – ein Intervallfasten bei der gleichen Kalorienaufnahme wie zuvor – sogar degenerative Erkrankungen wie die Typ-2-Diabetes rückgängig machen. Die negativen Effekte einer zuvor sehr zuckerlastigen Ernährung wurden gemildert und abgebaut. Die beiden populärsten Formen des intermittierenden Fastens sind das „5:2“- und das „16-Stunden“-Modell. Bei Ersterem ernährt man sich an fünf der sieben Wochentage „normal“, also als Nichtathlet mit rund 2000 Kalorien täglich.

An den anderen beiden Tagen wird gefastet – die Kalorienzahl wird sehr deutlich reduziert, auf häufig nur noch 500. Die 16-Stunden-Methode sieht vor, die gesamte „normale“ Kalorienzahl innerhalb eines Zeitfensters von acht Stunden zu sich zu nehmen und die restlichen 16 Stunden über zu fasten. Radsportler setzen meist auf diese Methode – und dabei auch auf die Effekte einer Low-Carb-Ernährung: Häufig trainieren sie morgens, noch vor dem Frühstück, in einem nüchternen Zustand, meist für 40 bis 90 Minuten bei einer niedrigen Intensität. Dieses Vorgehen hat sich hinsichtlich der Optimierung des Fettstoffwechsels als effizient erwiesen.

Abnehmen, Wissenschaft, Forschung, Ernährung

Wissenschaftliche Einblicke in Abnehmen durch Fasten und Co.

Abnehmen durch Fasten: Die Effekte

Wichtig ist jedoch, nüchtern nur sehr niedrigintensiv zu trainieren, da man sonst negative Gesundheitseffekte riskiert. Wer intensiv und/oder länger als 90 Minuten trainieren will, sollte immer auch Kohlenhydrate zu sich nehmen.

Das Intervallfasten in der Form des täglichen Verzichts auf Nahrung gilt demnach vor allem als Möglichkeit, sein Gewicht zu reduzieren und dieses dann auch zu halten. Nimmt man am Abend, etwa nach 19 Uhr, keine Nahrung mehr auf, entspricht dies dem menschlichen Biorhythmus. Hormonell betrachtet nimmt die Insulinempfindlichkeit zum Abend hin enorm ab – was beim Verzehr vieler Kohlenhydrate zu einer verstärkten Fetteinlagerung führen kann. Die gleiche Mahlzeit hat demnach morgens eine bedeutend andere Wirkung auf den Körper.

Viele Studien lassen darauf schließen, dass man Nahrung anders verarbeitet, wenn man sie während der biologisch natürlichen Wachphasen, also bei Tageslicht, zu sich nimmt. Dies ist bedingt durch die „innere Uhr“, die den Körper hormonell steuert und auf Aktiv- und Ruhephasen vorbereitet. Wie mehrere Studien zeigten, führt das dazu, dass man mit der gleichen aufgenommenen Kalorienzahl dennoch abnehmen kann – wenn sich diese auf einen relativ kurzen Zeitraum über den Tag verteilen. Wenn man im Einklang mit seiner inneren Uhr isst, können der Blutdruck und der Cholesterinspiegel gesenkt sowie die Fettverbrennung gesteigert werden. Zudem steigt die Insulinempfindlichkeit, was das Diabetes-Risiko mindert.

Die Faszination Gravel kompakt in einer Sonderausgabe: Gravelräder, Allwettertrikots und Offroad-Pedale im Test, dazu packende Reportagen – jetzt das Gravel Spezial des RennRad-Magazins bestellen!

Zeitliche Planung der Nahrungsaufnahme reicht nicht aus

Trotz aller Vorteile, die man durch die verschiedenen Fastenmethoden nutzen kann, reicht allein die zeitliche Planung der Nahrungsaufnahme nicht aus, um den Körper optimal mit Nährstoffen zu versorgen. Ebenso wichtig ist es, die Qualität und Quantität der Lebensmittel zu kontrollieren, denn an einer abwechslungsreichen und frischen Küche führt auf dem Weg zu einem langfristig leistungsfähigen Körper nichts vorbei.

„Schon unsere Urgroßeltern haben intermittierend gegessen“, sagt Jürg Hösli. „Nach dem alten Motto: morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bettler. Nur wird das Ganze heute natürlich viel marketingträchtiger formuliert.“

Abnehmen ohne Leistungsverlust und Jo-Jo-Effekt


Abnehmen durch intermittierendes Fasten: Die Risiken

„Vergleicht man das intermittierende Fasten mit dem altbekannten ‚Morgens viel, mittags normal, abends wenig‘, so zeigt sich: Es hat die gleichen positiven Folgen für den Körper. Doch für Athleten ist letztere Methode in der Regel die bessere: Der Körper kann Säuren deutlich besser abpuffern, produziert deutlich weniger Säuren unter Belastung und die Grundlage steigt massiv. Somit verbessern sich auch die Schlafqualität, die Emotionalität, die innere Unruhe und die Regeneration. Zudem werden dadurch das Viszeral- und das Leberfett schneller reduziert. Solange Menschen sich kaum bewegen, ist das intermittierende Fasten ratsam. Für Athleten ist es dagegen oft kontraproduktiv“, so Jürg Hösli.

Weitere am erpse-Institut gemessene Effekte, für A) Abends wenig, morgens viel und B) Intermittend Fasting, sind unter anderem:

  • A) Die Sauerstoffaufnahme im Ruhezustand wird erhöht. Dies führt dazu, dass sich die Fettverbrennung auch im Ruhezustand deutlich verbessern kann.
  • A) Die Säurelast des Körpers im Ruhezustand wird verbessert. Dadurch muss das Herzkreislaufsystem in diesen Phasen weniger aktiviert werden.
  • B) Die Sauerstoffaufnahme bei harten oder längeren Belastungungen verschlechtert sich massiv.
  • B) Die Mitochondrienzahl und -größe nimmt mit der Zeit, nach vier bis sechs Wochen, jeweils ab.
  • B) Die metabole Säurepufferung nimmt sowohl intrazellulär wie auch im Base Excess deutlich ab.

Trainings-Tipp

Nüchtern-Einheiten: 40 – 90 Minuten im GA1-Bereich

Ein Nüchterntraining am Tag nach harten Einheiten ist nicht empfehlenswert – zu viel Extrabelastung kann das kardiovaskuläre System stark beeinträchtigen und statt positiver Adaptionen sogar Schäden verursachen. Intensivere Einheiten im Bereich der anaeroben Schwelle und höher sollten stets mit gefüllten Kohlenhydratspeichern gefahren werden – sie liefern hier große Teile der benötigten Energie. Weitere Ernährungs- und Trainingstipps finden Sie hier.

Schlagworte
envelope facebook social link instagram