Race Across Austria
Ultracycling: Race Across Austria
in Event
Die Luft ist angenehm kühl und riecht würzig, vielleicht kommt der Duft von den umliegenden Wiesen, die ich aber nicht sehen kann, denn ist etwa drei Uhr in der Nacht, als ich von Murau in der Steiermark in Richtung Sölkpass aufbreche – der letzten, aber auch größten Hürde auf dem Weg ins Ziel beim RACA North-South 1000.
Es war eine kurze Pause. Nur etwa eine Stunde habe ich in einem Stiegenhaus in Murau geschlafen, eingewickelt in meinen Biwaksack. Jetzt sitze ich wieder am Rad, denn aufgrund der Hitze in diesen August-Tagen wird es sicher angenehmer sein, die knapp über 900 Höhenmeter auf den Sölkpass hinauf in der morgendlichen Kühle zu erklimmen.
Ich blicke hoch in den dunklen Nachthimmel und stelle fest, dass ich als Stadtkind aus Linz schon lange nicht mehr so viele Sterne gesehen habe. Das vertraute Geräusch meines Atems und des Rades, dass mich nun schon etwa 800 Kilometer und über 12.000 Höhenmeter durch Österreich getragen hat, beruhigen mich.
Schmerzen & Zweifel
Die wunderschöne Stimmung wird nur getrübt durch meinen schmerzenden Hintern und ich weiß, ich muss mir etwas überlegen, um nicht stehend nach Hause fahren zu müssen.
Ich bin mir kurz nicht mehr so sicher, ob ich es so ins Ziel schaffe. Alle Fenster der kleinen Ortschaft, in die ich nun komme, sind dunkel. Nur in einem Haus scheint Licht in den Garten hinaus: eine Bäckerei, in der der Bäcker schon mit seinen Vorbereitungen beschäftigt ist. Ich klettere in den Garten und klopfe ans Fenster.
Ich kann mein Glück kaum fassen: Er ist selbst Rennradfahrer und lässt mich seine Toilette benutzen, damit ich meine wunden Stellen verarzten kann, während er mir einen Kaffee zubereitet. Noch nie war eine Toilette schöner, ein Kaffee würziger und noch nie hat ein Kipferl besser geschmeckt.

Hier können Sie die RennRad 6/2025 als Printmagazin oder E-Paper bestellen
Von 300 auf 1000 Kilometer
Eigentlich sollte es bei mir die 300-Kilometer-Strecke des RACA 300 beim RACA North-South werden. Ich hatte das Rce across Austria auf der Messe des Linz Marathon im April 2024 kennengelernt. Mit meinem roten Colnago-Rennrad, das noch Felgenbremsen hat, fahre ich zwar schon seit zehn Jahren recht viel, mehr als 150 Kilometer am Stück waren es bei mir aber noch nie.
300 Kilometer in meinem geliebten Mühlviertel in Oberösterreich, mit einer kurzen Nacht dazwischen, das konnte ich mir mit etwas mehr Training im Vorfeld aber dennoch gut vorstellen. Vor allem bei dem Zeitlimit von 30 Stunden in der Adventure-Kategorie. Da ich zuvor auch noch nie bei einem Radrennen mitgefahren bin, habe ich mich als freiwillige Helferin bei der Premiere des RACA, dem East-to-West-Event, gemeldet, einfach auch um kennenzulernen, worum es geht.
Die Herzlichkeit des Teams, aber auch die Gemeinschaft unter den Fahrern haben mich gleich begeistert. Leider waren es sehr kalte und verregnete Tage bei der Premiere des RACA und ich war tief beeindruckt von der Leistung der Teilnehmer. Schon da wusste ich: Auch wenn ich nicht besonders schnell mit dem Rad bin, 300 Kilometer sind mir einfach zu kurz. Ich möchte das volle Programm erleben: 1000 Kilometer durch Österreich, inklusive schlafen in den RACA-Base-Camps, vielleicht sogar mal Outdoor, einfach ein großes Abenteuer erleben.
Abenteuer: ein Wagnis mit ungewissem Ausgang
Es hat mich von Beginn an besonders angesprochen, dass es beim RACA keine Massenstarts gibt, sondern jeder Teilnehmer einzeln mit Musik und Nebelkanone auf die Strecke geschickt wird. Mit Ausnahme der Duo-Teams natürlich, die ja zu zweit starten. Der Sprecher des RACA ist der Ultra-Experte Pierre Bischoff. Unter anderem ist er der erste und bislang einzige deutsche Sieger beim Race Across America.
Nachdem ich gefühlt fünfmal auf dem WC war, stehe ich voller Aufregung am Start-Podest. Ich kann es nicht erwarten, dass es endlich losgeht, und Pierre fragt mich, wie ich das mit dem Abenteuer sehe. Ich habe mich tatsächlich mit dem Begriff beschäftigt und mir diese Definition zurechtgelegt: Abenteuer – ein Wagnis mit ungewissem Ausgang.
Ich wusste ja nicht, wie mein Körper auf so eine Belastung reagieren wird, meine längste Trainingsfahrt waren 320 Kilometer am Stück. Aber ich wusste, dass ich dieses Abenteuer und dieses Gefühl erleben möchte, nach 1000 Kilometern mit dem Rad ins Ziel einzufahren und vom RACA-Team und von meinen Freunden und Familienangehörigen in den Arm genommen zu werden.
Nordrunde: RACA 300
Wer sich für die 1000 Kilometer entscheidet, aber auch jeder, der das RACA 300 fährt, wird es erleben: die Schönheit und die Tücken des Mühlviertels. Für mich war es definitiv ein Heimvorteil, denn das Mühlviertel ist als Linzerin mein Trainingsrevier. Ich liebe dieses ständige Auf und Ab.
Aber es ist körperlich und mental herausfordernd, besonders bei der Hitze, die uns heuer zusätzlich einiges abverlangt hat. Bereits auf dem Weg nach Norden hat man einen großen Teil der Höhenmeter zu bewältigen. Der Koblbergpass ist der höchste Pass Oberösterreichs und wenn man ihn überwunden hat, hat man bereits etwa 2000 Höhenmeter bezwungen, bevor man das erste RACA-Base-Camp in Litschau im Waldviertel erreicht.
Dort gibt es nur eine kurze Pause für mich, bevor es nach Haugschlag weitergeht, dem nördlichsten Punkt der Strecke. Auf dem Weg zurück in den Zentralraum Oberösterreichs gönne ich mir in Zwettl in Niederösterreich ein ausgiebiges Abendessen in einem China-Restaurant, bevor ich den Rest der Strecke in der Kühle der Nacht zurücklege.
Auf in den Süden: Linz-Bad Eisenkappel – RACA 700
Die Runde in den Süden beginnt recht harmlos mit einem entspannten Einfahren bis zur Querung der Donau in Wallsee. Von dort dauert es nicht lange, bis man den Sonntagberg erreicht. Spätestens wenn man oben bei der imposanten Basilika ankommt, ist man wieder wach, denn die letzten Höhenmeter sind sehr steil.
Jetzt weiß ich, warum mich alle vorgewarnt haben vor dem Sonntagberg, an dem Steff Wagner seinen Höhenmeter-Weltrekord aufgestellt hat. Danach geht es in das wunderschöne Ennstal, das mir von meinen Trainingsfahrten schon bekannt war. Über Hohentauern fahre ich weiter nach Süden und nach Kärnten.
In der Zwischenzeit habe ich jegliches Zeitgefühl verloren und ich konzentriere mich nur mehr auf den Moment und auf die vor mir liegende Strecke. Ich hatte mir zum Ziel gesetzt, bis ins nächste RACA-Base-Camp in Bad Eisenkappel durchzufahren. Die Strecke in Kärnten ist sehr abwechslungsreich und verkehrsarm, so wie der Großteil der RACA-Strecken.
Noch während der Fahrt nehme ich mir vor, bald wieder zu kommen, denn ich fahre schon wieder im Dunkeln und kann gar nicht die schöne Gegend bewundern. Um halb fünf morgens erreiche ich Bad Eisenkappel. Es ist ein sehr emotionaler Moment für mich, als ich den Stempel in meine Gate-Karte bekomme. Von jenem Teammitglied, mit dem ich beim RACA East-to-West gemeinsam im RACA-Base-Camp gearbeitet habe.
Die RACA-Base-Camps sind einfache Versorgungsstationen, in denen man sich etwas hinterlegen lassen kann und in denen es eine einfache Verpflegung und eine Schlafgelegenheit auf Luftbetten gibt. Meist sind es Sportstätten oder Schulen. Wer es komfortabler will, kann sich aber auch ein Zimmer buchen. Ich freue mich jedenfalls, auch andere Teilnehmer des Rennens zu treffen.
Manche trifft man immer wieder beim Einkaufen an der Strecke und kann sich kurz austauschen. Ich bin tief berührt von der freundlichen Gemeinschaft. Einen Kollegen treffe ich immer wieder. Er fährt schneller als ich, dafür sitze ich länger auf dem Rad. Dadurch sehen wir uns immer wieder und freuen uns jedes Mal über das bekannte Gesicht.
35 Grad Celsius & 15 Prozent Steigung
Nach etwa zwei Stunden Schlaf geht es weiter. Ein kurzes Stück in den Süden, hinauf auf den Seebergsattel, den südlichsten Punkt der Strecke. Danach schöpfe ich neue Kraft aus dem Wissen, dass es jetzt wieder nach Norden geht und damit in Richtung Ziel. Als eine unerwartete Hürde stellt sich mir der Schaidasattel in den Weg, der mich bei 35 Grad Sommerhitze und 15 Prozent Steigung das erste Mal zum Absteigen zwingt. Ein wenig Schieben war aber zu diesem Zeitpunkt eine willkommene Abwechslung. Danach geht es abwechslungsreich durch Kärnten, vorbei an Velden am Wörthersee und weiter in Richtung Steiermark.
Der Sölkpass – die letzte und größte Hürde
Nach meiner nächtelichen Pause beim Bäcker vor dem Sölkpass gewinne ich wieder an Zuversicht. Ein zweites Kipferl stecke ich aufs Rad als Proviant für den Anstieg. Während ich noch im Dunkeln am Beginn des Anstiegs meine Armlinge und Beinlinge in meiner Satteltasche verstaue, sehe ich ein Licht näherkommen.
Um diese Zeit kann das nur einer von uns „Verrückten“ sein. Es ist mein Kollege, den ich immer wieder an der Strecke getroffen hatte. Er hatte ein Zimmer in Murau genommen. Als wüssten wir, dass wir uns hier das letzte Mal vor dem Ziel sehen, umarmen wir uns kurz. Danach geht es auch für mich weiter. Als ich um kurz vor sieben Uhr die Kapelle auf der Passhöhe sehe, kann ich eine Träne und einen kurzen Freudenschrei nicht zurückhalten, denn jetzt weiß ich es: wenn ich es hier rauf schaffe, dann schaffe ich es auch ins Ziel.
RACA: Es geht nur um die Wassermelone
Der letzte Streckenabschnitt beginnt wieder sehr eindrucksvoll. Kurz nach der Abfahrt vom Sölkpass ins Ennstal holt mich die Müdigkeit ein, ich muss einen kurzen Stopp einlegen und gönne mir einen kurzen Powernap auf einer Parkbank. Vom Ennstal geht es dann am Grimming vorbei ins Salzkammergut, weiter in die historische Altstadt von Hallstatt und entlang des Traunsees bis nach Gmunden.
Danach führt die Strecke in sanften Wellen durch das Traunviertel zurück ins Ziel. Ich liebe die Hitze, im Training bin ich auch gerne an den ganz heißen Tagen viele Höhenmeter gefahren. Doch nach 900 Kilometern in den Beinen geht es nun auch mir an die Substanz. Seit dem Ennstal kann ich nur mehr an eines denken: den Geschmack und die Saftigkeit einer kühlen Wassermelone.
Offenbar haben viele diesen Gedanken, denn in jedem Geschäft waren die vorgeschnittenen Wassermelonen ausverkauft. Also gebe ich einen Hilferuf in meine Whatsapp-Gruppe aus Freunden und Verwandten ab, die mein Abenteuer mitverfolgten. Als ich die Donau erreiche, steigt die Aufregung. Für den Moment, in dem ich ins Ziel einbiege und die vielen freundlichen Gesichter sehe, die bereits auf mich warten, kann ich meine Emotionen kaum in Worte fassen.
Ein großartiges Abenteuer ist bestanden, mit vielen Erlebnissen und neuen Freundschaften. Das Feiern im Ziel ist nicht nur eine Belohnung für ein 1000-Kilometer-Rennen durch Österreich, sondern auch für die vielen Hürden und Herausforderungen, die man im Training zu bewältigen hatte. Und ja, meine Wassermelone habe ich dann auch bekommen. Ich habe jedenfalls noch nicht genug, mein nächstes Ziel: Das RACA East-to-West, 1000km und 16.000 Höhenmeter.
Die Veranstaltung
Das Race Across Austria, RACA, ist ein selbstunterstütztes Ultra-Distanz-Radrennen, das Österreich in zwei Events von Nord nach Süd und von Ost nach West durchquert. Dabei werden Distanzen zwischen 300 und 1000 Kilometern zurückgelegt und bis zu 16.000 Höhenmeter bewältigt. Steff Wagner, ein österreichischer Extremradsportler, mehrfacher Weltrekordhalter und Initiator des RACA, hat die Zeitlimits so gestaltet, dass jeder ambitionierte Radsportler mit einer „Arschrakete“ dabei sein kann.
Die Strecken des RACA North-South führen zum nördlichsten Punkt Österreichs, zum Mittelpunkt und zum südlichsten Punkt des Landes. Wer sich für die Teilnahme entscheidet, kann zwischen folgenden Strecken und Zeitlimits wählen:
- RACA 1000: 1000 Kilometer – 14.000 Höhenmeter, Zeitlimit: 112 beziehungsweise 88 Stunden
- RACA 700: 700 Kilometer – 10.000 Höhenmeter, Zeitlimit: 76 beziehungsweise 64 Stunden
- RACA 500: 500 Kilometer – 7000 Höhenmeter, Zeitlimit: 60 beziehungsweise 48 Stunden
- RACA 300: 300 Kilometer – 4000 Höhenmeter, Zeitlimit: 30 beziehungsweise 24 Stunden
Die Teilnehmer sind dabei im Geiste des Bikepackings auf sich allein gestellt, Hilfe von außen ist nicht erlaubt. Die Strecke wird als GPX-Datei vor dem Rennen zur Verfügung gestellt und muss nachgefahren werden. Übernachten können die Teilnehmer in einfachen RACA-Base-Camps oder in Unterkünften entlang der Strecke.
Weitere Infos: www.raceacrossaustria.com
RACE ACROSS AUSTRIA 2025 – FACTS
RACA NORTH-SOUTH: 17.-21. Juni 2025
Mit der Stadt Linz als Start- beziehungsweise Ziel- und Knotenpunkt des RACA North-South führen die Strecken durch das nicht zu unterschätzende Mühlviertel zum nördlichsten Punkt Österreichs in Haugschlag in Niederösterreich und zum südlichsten Punkt auf den Seebergsattel in Kärnten. Die 2025 neu geschaffene RACA 500er Strecke führt zum Mittelpunkt Österreichs. Wunderschöne, abwechslungsreiche Regionen, viele Höhenmeter und verkehrsarme Straßen erwarten die Teilnehmer sowie der Sölkpass als höchste Erhebung bei der 1000er und 700er Strecke.
- RACA 1000: 1000 Kilometer – 14.000 Höhenmeter
Zeitlimit Adventure: 112 Stunden / Zeitlimit Race: 88 Stunden
- RACA 700: 700 Kilometer – 10.000 Höhenmeter
Zeitlimit Adventure: 76 Stunden / Zeitlimit Race: 64 Stunden
- RACA 500: 500 Kilometer – 7000 Höhenmeter
Zeitlimit Adventure: 60 Stunden / Zeitlimit Race: 48 Stunden
- RACA 300: 300 Kilometer – 4000 Hhöhenmeter
Zeitlimit Adventure: 30 Stunden / Zeitlimit Race: 24 Stunden
Siegerehrung und öffentlich zugängliche Finisher Party: Samstag, 21. Juni 2025
RACA EAST TO WEST: 26.-30. August 2025
Die Durchquerung Österreichs vom östlichsten Ort in Nickelsdorf im Burgenland zum westlichsten in Feldkirch in Vorarlberg: Ein Abenteuer, bei dem die Teilnehmer die schönsten und spektakulärsten Bergpässe Österreichs bewältigen müssen. Der höchste Punkt ist dabei die Edelweißspitze an der Großglockner Hochalpenstraße. Beim RACA East-to-West kann zwischen einer 1000- und einer 500-Kilometer-Distanz gewählt werden.
- RACA 1000 Kilometer – 16.000 Höhenmeter
Zeitlimit Adventure: 112 Stunden / Zeitlimit Race: 88 Stunden
- RACA 500: 500 Kilometer – 10.000 Höhenmeter
Zeitlimit Adventure: 60 Stunden / Zeitlimit Race: 48 Stunden
Siegerehrung und öffentlich zugängliche Finisher Party: Samstag, 30. August 2025
RACA GRAVEL DAYS
Den Abschluss der beiden Events RACA North-South und RACA East-to-West bilden jeweils die RACA Gravel Days. Neu dabei 2025 ist der herausfordernde Gravel Ultra 300. Feinste, von unserem Gravel-Spezialisten ausgewählte Schotter-, Wald- und Wiesenwege führen die Teilnehmer in die Umgebung der RACA-Zielorte.
- GRAVEL ULTRA 300, 20.-21. Juni 2025: 300 Kilometer – 4500 Höhenmeter
Zeitlimit Adventure: 33 Stunden / Zeitlimit Race: 27 Stunden
- GRAVEL DAY Oberösterreich, 21. Juni 2025: 100 Kilometer – 2000 Höhenmeter
Zeitlimit: 10 Stunden
- GRAVEL DAY Vorarlberg, 30. August 2025: 100 Kilometer – 2000 Höhenmeter
Zeitlimit: 10 Stunden
RACA Partner:
Wiesbauer Wurstspezialitäten, KEEGO Pioneers, Tubulito, bikepacking.at, RENNRAD Magazin, Stadt Linz-Abteilung Gesundheit und Sport, Großgemeinde Nickelsdorf, Stadt Feldkirch.