Gravel, Bikepacking, Kolumne, Packliste, Test
Gravel und Bikepacking: Bekleidung, Tipps, Test, Packliste

Naturverbunden

Gravel und Bikepacking: Bekleidung, Tipps, Test, Packliste

Gravelbikes ermöglichen: neue Wege, neue Freiheiten, neue Natur-Erfahrungen. Teil eins unserer Gravel-Kolumne: die Bekleidung – Tipps, Tests und Packliste für die Bikepacking-Tour.
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Ich spüre ein leichtes Kratzen am Oberarm: Ein dünner Ast mit vielen feinen Dornen hängt in meinem Trikot fest. Auf meinen Wangen mischen sich der Sand und Dreck der letzten Stunden mit Schweiß. Ich fahre auf einem schmalen Pfad im Wald. Ich fahre nah an meinem Limit — nicht weil ich es „muss“, nicht weil es auf einem Trainingsplan steht. Sondern weil ich es will. Der Grund der Geschwindigkeit heißt: Spaß. Flow. Was ich während dieser Tour suche: Natur, Ruhe, Abenteuer. Das, was mich schon als Kind zum Radfahren gebracht hat. Heute wird meine Gravel-Tour aber noch zu etwas anderem: zu einer Wanderung. Der Pfad unter und vor mir ist — immer wieder — zu steil, zu verwurzelt, zu felsig, zu eng. Absteigen, schieben, aufsteigen, fahren, absteigen. Dies ist der Rhythmus des heutigen Tages. Der Rhythmus einer anderen, intensiveren Natur-Erfahrung.

Radfahren bedeutete für mich seit vielen Jahren vor allem: Rennradfahren, Rennen fahren, Trainieren, Reisen. Stunden-, Watt- und Kalorien-Zählen, Ziele, Schmerzen und Leistung. Meine Leidenschaft, mein Ehrgeiz. In der Zeit der Coronapandemie hat sich mein Horizont geweitet. Obwohl es kaum Reisen zu Rennen und Trainingslagern gab. Stattdessen: Abenteuer zu Hause, nahe Ziele, die Lust auf neue Erlebnisse, neue Wege, mehr Natur. Keine Rennen im Kalender, aber Ziele.

Gravel und Bikepacking: Schuhe und Pedale

Mit dem Gravelbike bekomme ich viel von dem zurück, was mich ursprünglich am Rennradfahren fasziniert hat — was ich aber auf den Asphaltstraßen, auf denen der Verkehr und die Aggressivität wachsen, leider immer seltener erlebe. Das Naturerlebnis, die Stille, die Einsamkeit – und meine Neugier. Ich erkunde bisher unentdeckte Wege in meiner Umgebung und treibe mich zu immer längeren Touren an.

Je öfter ich auf meinem „anderem“ Rad, dem mit dem Rennlenker und den 40 Millimeter breiten Stollenreifen, unterwegs bin, desto mehr Gedanken mache ich mir über meine Gravel- Ausrüstung. Während meiner immer längeren Touren, bei denen ich meist allein unterwegs bin, spüre ich immer deutlicher, was ich vermisse: Komfort, Stauraum und Robustheit. All dies trifft schon auf meine Pedale zu.

Denn: Auch an meinem Gravelbike sind Mountainbike-Pedale montiert. Deren Klick-Systeme funktionieren auch während des harten Geländeeinsatzes noch — sie sind sehr viel „immuner“ gegen Dreck, Staub und Matsch als Rennrad-Modelle.

Und: Die dazu passenden Radschuhe für Zwei-Loch-Mountainbike-Cleats besitzen in der Regel zwar weniger steife, aber profilierte „Gummi“-Sohlen, mit denen man auch längere Strecken gehen oder gar laufen kann. Neben den klassischen Mountainbike-Schuhen bieten einige Hersteller inzwischen spezielle Gravel-Modelle an.

Trikots und Radhosen für die Gravel-Tour

Der Schnitt von Gravel-spezifischen Trikots ist bei vielen Herstellern etwas lockerer und weniger rennorientiert-enganliegend. Ein Grund dafür: Die Aerodynamik spielt, bei den meist geringeren Geschwindigkeiten im Gelände, eine geringere Rolle. Zudem muss der Stoff sowohl sehr robust sein, als auch elastisch genug, um den benötigten „Stauraum“ bieten zu können.

Zusätzlich zu den üblichen drei Trikottaschen am unteren Rücken bieten viele Gravel-Trikots auch weiteren „Stauraum“, etwa in Form von Reißverschluss-Taschen am Brustbereich. Manche Hersteller nähen zudem zusätzliche Innentaschen am Rücken ein.

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Beim Gravel geht Robustheit vor Gewicht – und Qualität vor Quantität.

Was macht ein Gravel-Trikot aus?

Ein Gravel-Trikot bietet im Vergleich mit einem klassischen Rennrad-Modell oft doppelt so viele Taschen. Der verwendete Stoff ist zudem oft schwerer und „dicker“, um sowohl etwaige Berührungen mit Ästen oder Dornen als auch die durch das Tragen eines Rucksacks verursachte Reibung dauerhaft zu überstehen. Für Mehrtagestouren, während denen sich keine modernen Waschgelegenheiten bieten, eignen sich etwa Stoffe mit Anteilen von Merino-Wolle, da diese länger geruchsneutral bleiben.

In vielen Fällen ist die Kombination eines nicht zu dünnen kurzen Trikots mit Armlingen, einer Windweste und einem Unterhemd die flexibelste Lösung. Mit dieser „Minimal-Ausrüstung“ kann man einen sehr breiten Temperatur-Bereich abdecken.

Wie die spezifischen Trikots, so sind auch die Gravel-Hosen oft etwas weiter geschnitten. Das Sitzpolster sollte dennoch ohne Verrutschen körpernah anliegen. Da bei vielen Gravelbikes die Sitzposition aufrechter und weniger sportlich-gestreckt ausfällt, kann der Einsatz spezieller Sitzpolster sinnvoll sein. Gerade während langer Touren auf vorwiegend ruppigen Untergründen könnten ansonsten potenzielle Scheuerstellen entstehen.

Gravel: Robustheit vor Gewicht

Einige Hosen-Modelle verfügen zudem über zusätzliche Taschen an den Seiten und beziehungsweise oder am Übergang zu den Trägern, die am Rücken aufliegen. Eine wasserabweisende Oberfläche kann ebenso sinnvoll sein – als Schutz vor leichtem Regen und Spritzwasser. Im Vordergrund sollte jedoch, neben den Faktoren „Komfort“ und „Robustheit“, die Atmungsaktivität stehen. Sinnvoll ist zudem eine hohe Reißfestigkeit. Das Sitzpolster, das bei vielen herkömmlichen Radhosen oft nur sehr langsam trocknet, ist bei manchen Modellen perforiert, um schneller Feuchtigkeit abgeben zu können.

Einige Hersteller bieten zudem auch weiter geschnittene kurze Überhosen an, die vor Kälte, Nässe und Dornen schützen und zusätzliche Taschen bieten. Diese sind zum einen Geschmackssache — und zum anderen ein für viele Langstrecken-, Mehrtagestouren- und Ganzjahres-fahrer sinnvolles Accessoire, das eine hohe Funktionalität und ein geringes Packmaß vereinen kann. Beim Gravel geht Robustheit vor Gewicht – und Qualität vor Quantität.

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Packliste: Gravel und Bikepacking

Radfahren – auf Asphalt, Feldwegen oder Trails – und Übernachten, mit dem nötigen Gepäck am eigenen Rad: Das ist Bikepacking. Zu deutsch: Mehrtages-Radtouren. In der Regel besteht das  Fahrrad-Set-Up aus einer Lenkertasche, einer großen Satteltasche, einer Rahmentasche, einer Oberrohrtasche, einem Packsack und eventuell einem möglichst kleinen, leichten Rucksack.

Im Folgenden stellen wir eine mögliche Bikepacking-Packliste vor:

Am & für das Rad
Beleuchtung, Reparaturwerkzeuge, Flick-Set, Multitool, drei Ersatzschläuche, Reifenheber, Pumpe, Druckluftkartusche, Kettenöl, Tubeless-Dichtmilch, zwei Bremsbeläge, Lappen, Züge, Ersatz-Kette oder -kettenglieder, Klebeband, Kabelbinder, ein Spritzschutz für das Hinterrad

Schlafen & Camping
Schlafsack und Isomatte, Zelt, Tarp oder Biwaksack

Bekleidung
Helm, Brille mit Gläsern für unterschiedliche Lichtbedingungen, profilierte Radschuhe, je ein kurzes und ein langes Trikot, eine kurze Radhose, Arm- und Beinlinge, Überschuhe, Socken, Regenjacke oder Überhose, Fahrradhandschuhe, Freizeitkleidung und wärmere Rad- beziehungsweise Regenbekleidung nach Bedarf

Navigation
Klassische Straßen- oder Radwege-Karte, GPS-fähiger Rad-Computer und /oder Smartphone mit Kartenmaterial

Hygiene
Sonnencreme, Zahnpasta und -bürste, Toilettenpapier, Seife, Sitzcreme, Reise-Waschmittel

Erste Hilfe
Verbände, Pflaster, Mini-Schere, Desinfektionsspray

Kochen
Campinggeschirr und -besteck, Löffel, Schneidebrett, Gaskocher, Feuerzeug, Becher, Edelstahl- oder Alu-Topf

Wasser
Trinkflaschen, Wasserfilter oder Micropur-Tabletten

Sonstiges
Pass, Bargeld, Kreditkarte, Krankenkassenkarte, Führerschein, wasserdichte Tasche für Dokumente, Lebensmittel, Taschenlampe, Batterien, Ladekabel, Kamera, Fahrradschloss, Kopfhörer, eventuell Ersatz-Cleats etc.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 5/2021. Hier können Sie die Ausgabe als E-Paper oder Printmagazin bestellen.

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Der Gravel-Kolumnist

Yannik Achterberg ist 27 Jahre alt und Radprofi auf UCI-Europe-Tour-Ebene im deutschen Kontinental Team Maloja Pushbikers. Er ist Sportwissenschaftler, RennRad-Redakteur und, seit einigen Jahren, Gravelbike-Fahrer. Was als reine Schlechtwetter-Trainingsabwechslung begann, wurde längst zur Leidenschaft.


Gravel-Trikot: Stauraum und Wärme

Gravel-Trikots bieten oft deutlich mehr Taschen, ergo mehr Stauraum, als klassische Rennrad-Modelle. Das Brevet-Longsleeve-Trikot von Rapha verfügt neben den drei klassischen Rückentaschen über eine große und eine kleine Reißverschlusstasche am Rücken, in denen eine leichte Jacke oder eine Weste sowie Wertsachen sicher verstaut werden können – ohne den einfachen Zugriff auf die anderen Taschen zu blockieren.

Sehr gut: Die Rückentaschen sind so aufgenäht, dass sie auch in einem schwer befüllten Zustand nicht durchhängen. In der zusätzlichen Reißverschlusstasche an der Brust haben etwa ein Smartphone oder ein Portemonnaie Platz. Der reflektierende Brustring sorgt für eine erhöhte Sichtbarkeit im Straßenverkehr. Das Polyester-Merino-Gemisch wärmt bei kühleren Temperaturen, bietet zugleich eine hohe Atmungsaktivität und trocknet schnell.

Die Passform ist körpernah, aber deutlich legerer als bei rennorientierten Aero-Schnitten. Das Trikot gibt es auch als Kurzarm-Version sowie als Kurzarm-Lightweight-Trikot mit dünnerem und atmungsaktiverem Material und Netzeinsätzen. Die Preise: 165 Euro – in den Kurzarm-Versionen: 155 und 145 Euro.

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Rapha Brevet Longsleeve


Gravel-Radhose: Taschen und Komfort

Zusatz-Taschen an beiden Beinen und an den Trägern am Rücken: Mit diesem Mehr an Stauraum punktet die Cargo Bib Shorts von Rapha. Die Beintaschen aus einem dehnbaren Netzstoff sind besonders leicht zugänglich.

Was im Test überraschte: Wenn man hier etwa das Smartphone, einen Energieriegel oder ein Mini-Multifunktionswerkzeug aufbewahrt, bemerkt man dies beim Pedalieren kaum. Die Rückentaschen sind so platziert, dass sie das Greifen an beziehungsweise den Zugang zu den Trikottaschen nicht beeinträchtigen und auch die Kombination mit einer zusätzlichen, etwa einer wasserdichten, Überhose keine Probleme bereitet.

Das Bib-Shorts-Material weist leichten Regen und Spritzwasser effektiv ab und erwies sich als recht robust bei ungewollten Kontakten mit Sträuchern oder Ästen auf engen Wald-Trails. Die zusätzlichen Reflektoren am Rücken und an den Bein-Bereichen können für eine erhöhte Sichtbarkeit und damit Sicherheit sorgen.

Top: Das sehr hochwertige, anatomisch geformte Brevet-Sitzpolster bietet viel Komfort, auch während sehr langer Fahrten. Es ist zudem stark perforiert und trocknet schneller als viele andere Modelle. Der Preis: 230 Euro.

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Rapha Cargo Bib Shorts


Gravel-Weste: Windschutz und Packmaß

Die Brevet-Weste bietet ein geringes Packmaß und passt problemlos in eine der Trikot- oder Hosentaschen. Sie schützt durch die winddichte Vorderseite effektiv vor dem Auskühlen. Die Rücken- und Seitenbereiche bieten eine sehr hohe Atmungsaktivität und sorgen somit für einen angenehmen Luft- und Feuchtigkeitsaustausch.

Durchdacht: Um Druckstellen zu minimieren, ist der durchgängige Front-Reißverschluss seitlich leicht versetzt. Er verläuft somit nicht direkt über dem Reißverschluss eines darunter getragenen Trikots. Zudem lässt er sich von oben wie von unten bedienen, weshalb die Trikot-Rückentaschen jederzeit gut erreichbar sind.

Die drei geräumigen Rückentaschen der Weste sorgen aufgrund des Gummizug-Saums für einen sicheren Halt ihres Inhalts. Der deutlich verlängerte Rückenabschluss schützt den empfindlichen Nierenbereich vor leichtem Spritzwasser und dem Auskühlen.

Aufgrund der sehr dehnbaren Seitenbereiche beengt die Weste auch bei vollbeladenen Trikottaschen nicht. Die großen Reflektorenstreifen dienen der Sichtbarkeit. Der Preis: 110 Euro.

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Rapha Brevet Weste

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