Marcel Meisen, Portrait
Marcel Meisen: Deutscher Fahrer im Portrait – Rennrad, Cyclocross, Mountainbike

Meister

Marcel Meisen: Deutscher Fahrer im Portrait – Rennrad, Cyclocross, Mountainbike

Rennrad, Cyclocrosser, Mountainbike – Marcel Meisen beherrscht sie alle. Ein Portrait über einen talentierten Fahrer aus einer Radsport-Familie.
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Die Zielgerade ist lang, breit und flach – der Top-Favorit zieht an, und ist vorne. Und wird noch übersprintet. Von einem Fahrer, der bislang nicht als Sprinter galt – von einem Cyclocross-Spezialisten: Marcel Meisen. Der damals 31-Jährige gewinnt das schwere Rennen um die Deutsche Meisterschaft 2020. Vor dem Top-Favoriten Pascal Ackermann, dessen Bora-Hansgrohe-Team das Rennen kontrolliert und dominiert hatte.

Dieser Deutsche-Meister-Titel für Marcel Meisen war eine mittlere Sensation – und sein zweiter Titel der Saison. Denn zuvor war er bereits Deutscher Meister im Cyclocross geworden. Zum fünften Mal in den vergangenen sechs Jahren und zum vierten Mal in Folge.

Marcel Meisen ist kein Sprinter. Er ist ein Allrounder. Wie ausgeprägt seine Fähigkeiten sind, zeigte er auch im Oktober – als er fast einen dritten DM-Titel gewonnen hätte. In einer dritten, einer anderen Disziplin des Radsports: auf dem Mountainbike. Er trat bei der Cross-Country-DM in Obergessertshausen – fast ohne spezifische Vorbereitung – an und wurde Zweiter. „Ich bin da völlig unvorbereitet hingefahren“, sagt er. „Drei, vier Tage vor dem Rennen saß ich zum ersten Mal seit Langem wieder auf einem Mountainbike.“ Auch in dieser Disziplin profitiert er von seiner Fahrtechnik und seinem „Punch“ bei Antritten.

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Marcel Meisen und seine Radsport-Familie

„Auch die Strecke auf dem Sachsenring kam mir entgegen. Es war ein hartes Rennen mit vielen kurzen Anstiegen. Das liegt mir.“

Marcel Meisen stammt aus einer Radsport-Familie. Sein Vater Josef war in den 1980er-Jahren ein erfolgreicher Querfeldeinfahrer, der im Trikot der deutschen Nationalmannschaft bei zahlreichen Weltmeisterschaften am Start war.

Marcel Meisen begann sehr früh mit dem Radsport. Sein Vater brachte ihm viel bei – und begleitet ihn noch heute zu jedem wichtigen Rennen. „Er kennt mich eben besonders gut und kann gut einschätzen, wann und wie ich noch etwas rausholen kann.“

Bereits früh erfolgreich

Bereits in den Nachwuchsklassen war Meisen erfolgreich. So gewann er in jedem seiner Jahre in der U23-Klasse eine DM-Medaille im Cyclocross: 2008 holte er in Herford Gold, 2009 und 2010 jeweils Silber. Seine professionelle Laufbahn begann 2008 – in dem deutschen Continental-Team Kuota-Senges. Zwölf Jahre lang fuhr er für deutsche und belgische Continental- beziehungsweise Cross-Teams. 2019 stieg sein Team – damals unter dem Namen Corendon Circus – auf das Pro-Continental-Level auf. Seit 2020 geht man unter dem Namen Alpecin-Fenix an den Start.

Unter Meisens Teamkollegen ist ein weiterer deutscher Cyclocross-Spezialist: Philipp Walsleben. Der heute 33-Jährige war einige Jahre lang sehr nahe an der Weltspitze des Cross-Sports. 2017 zog er sich zurück und ging 2018 für das kleine deutsche P&S Team Thüringen an den Start, unter anderem in der Rad-Bundesliga. 2019 dann sein Comeback. Sein Vertrag bei Alpecin-Fenix läuft bis Ende 2021.

Das ganze Team ist um einen Superstar herum aufgebaut – einen Fahrer, der auch aus dem Querfeldeinsport kommt und ihn dominierte: Mathieu van der Poel. Der 26-jährige Niederländer ist der vielleicht talentierteste Radsportler seiner Generation. Er siegte auf dem Crosser, dem Mountainbike und dem Rennrad. 2020 wurde er unter anderem Cross-Weltmeister, niederländischer Straßen-Meister, Zweiter beim Brabantse Pijl, Sechster beim Liège-Bastogne-Liège. Und er gewann sein erstes Monument: die Flandernrundfahrt.

Familienangelegenheit

Bei den Meisens ist der Cross-Sport eine Familienangelegenheit. Anders als auf der Straße, wo früh feste Strukturen greifen und schon im Juniorenalter größere Teams an den Start gehen, geht es im Crosssport einfacher und kleiner zu. Auch in Ländern wie Belgien und den Niederlanden muss die Familie bei den Nachwuchssportlern ran, wenn am Wochenende Rennen angesagt sind.

Seine Mutter habe auch bei ihm manches Mal im Material-Depot gestanden, so wie sie es schon bei seinem Vater getan habe, sagt Meisen. „Und dann kommt man nach Hause mit zwei Säcken voller dreckiger Wäsche.“

Marcel Meisen, Cyclocross

Der Cross-Sport ist bei Marcel Meisen eine Familienangelegenheit

Marcel Meisen geht überwiegend in jenen Ländern bei Rennen an den Start, in denen der Cross- ein Nationalsport ist: in Belgien und den Niederlanden. Die Rennen dort sind mehr als Sport – sie sind Volksfeste. Mit Livemusik, Bier- und Pommesbuden, Zelten. Und einer unvergleichlichen euphorischen, positiven Atmosphäre.

Marcel Meisen hat den Vorteil, nahe der belgischen Grenze zu wohnen, in Stolberg. „Jedes belgische Crossrennen, und sei es noch so weit von der Grenze weg, liegt näher an meinem Wohnort als beinahe jedes deutsche Rennen“, sagt er. Auch die Zentrale seines Alpecin-Fenix-Teams liegt nur rund eineinhalb Autostunden von seinem Heimatort entfernt, unweit von Antwerpen.

Marcel Meisen mag die „klassischen“ Crossrennen: jene Strecken, die hohe technische Anforderungen stellen. Und er mag: schlechtes Wetter. Matsch, Morast, tiefe Spuren. „Ich mag die Strecken von Namur, Overijse oder Koksijde. Besonders, wenn es regnet. Die moderneren Rennen, auf flachen, schnellen Rundkursen, liegen mir nicht so.“

Rennrad und Cyclocrosser

Meisen hat – wie auch sein Team – eine enorme Entwicklung genommen. Alpecin-Fenix stand zum Saisonende 2020 auf Platz eins der Rangliste der Pro-Continental-Teams. Und erhält damit „automatisch“ eine Starterlaubnis für die Tour de France 2021. Was bei den meisten Profis für Euphorie sorgt, berührt Meisen nicht. „Die Tour ist kein Kindheitstraum von mir. Ich favorisiere eher die Klassiker.“ Bei den Frühjahrsrennen will er sich zeigen – und seinen Kapitän Mathieu van der Poel unterstützen. So wie 2019 beim Amstel Gold Race, das van der Poel gewann. Auch Marcel Meisen liebt dieses Rennen. „Der Kurs spricht mich an – und er führt großteils über meine Trainingsstrecken.“

In der bevorstehenden Saison hofft der 32-Jährige auf weitere Klassikereinsätze. „Wir sind kein Team, das nur mitfährt. Wenn wir starten, haben wir auch Ambitionen. Wir sind sicherlich stärker als manche WorldTour-Mannschaft.“

Das bedeutet aber auch, dass die Startplätze für die großen Rennen hart umkämpft sein werden. Früher fuhr man ein gemeinsames Rennprogramm, jetzt ist man bei unterschiedlichen Rennen im Einsatz. „Ich hoffe, bei einigen Klassikern dabei zu sein und auch die eine oder andere kleinere Rundfahrt bestreiten zu können.“ Mit dem Gewinn der Deutschen Straßenmeisterschaft im August 2020 hat er gezeigt, dass er auch auf der Straße für Überraschungen sorgen kann. Er ist der erste Fahrer seit Reimund Dietzen im Jahr 1984, der im selben Jahr Deutscher Straßen- und Crossmeister wurde.

Marcel Meisen, Cyclocross

Neben seiner Leidenschaft Cyclocross hofft Marcel Meisen in der Saison 2021 auf Einsätze bei Klassikern

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