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Olympische Distanz: Erfahrungswerte und Probleme eines Triathlon-Einsteigers

Was beim Triathlon-Einstieg schiefgehen kann: Premierenfieber

Olympische Distanz: Erfahrungswerte und Probleme eines Triathlon-Einsteigers

1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und zehn Kilometer Laufen. Die klassische Olympische Distanz ist für viele Hobbysportler der Einstieg in die ambitionierte Triathlon-Karriere. Was dabei alles schief gehen kann, schildert unser Autor in diesem Erfahrungsbericht. Die Triathlon-Kolumne.
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Schwimmen, Radfahren, Laufen: Das ist Triathlon. Eigentlich. Für mich kommt gerade eine vierte Disziplin hinzu: Klettern.

Ich hänge über einem Absperrgitter. Der Zeitfahrhelm sitzt schief auf meinem Kopf und meine Haut ist noch nass vom Schwimmen. Links neben mir steht ein Kampfrichter in einer leuchtend gelben Warnweste. Sein Blick ist erstaunt – und voller Mitleid. „Spring drüber“, sagt er zu mir.

Das ist es, was ich jetzt versuche. Ich wuchte ein Bein über das Gitter. Das andere steht noch fest am Boden. Plötzlich ist das Gitter zwischen meinen Beinen. Ich spüre den Schmerz, doch ich traue mich nicht zu schreien. Nicht in diesem bitteren Moment. Zu peinlich ist mir meine Not. Mein Fauxpas. Meine Dummheit. Was ist passiert?

Triathlon als Einsteiger: Olympische Distanz

Rückblick: Etwa 27 Minuten vor diesem Malheur startete meine Premiere. Meine erste Olympische Distanz. 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und zum Abschluss noch zehn Kilometer Laufen.

Ein Triathlon-Wettkampf an einem historischen Ort. Auf der Regattastrecke Oberschleißheim im Norden von München kämpften die Ruderer bei Olympia 1972 um Gold, Silber und Bronze. Heute kraulen hier knapp 500 Hobby-Athleten durch die kalten Fluten der Regattastrecke, und fahren mit dem Rad um das künstlich angelegte Gewässer, um sich anschließend auf der Laufstrecke zu duellieren.

Hier kämpft jeder gegen den gleichen Gegner: seinen „inneren Schweinehund“.

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Start der Olympischen Distanz: Schwimmen

Ich bin eigentlich ein schlechter Schwimmer. Durch ein verstärktes Athletik-Training in Kombination mit wenigen, aber effizienten Schwimm-Einheiten habe ich mich über den Sommer zum mittelmäßigen Schwimmer entwickelt. Zu schwach für die Spitze. Zu stark, um beim Wettkampf als Letzter aus dem Wasser zu steigen. Meine Stärken liegen im Radfahren und im Laufen. Meine Devise: „Das Feld von hinten aufrollen“.

In Oberschleißheim hat man mich in die zweite Startgruppe gesteckt, die erst 45 ­Minuten nach den Top-Athleten der ersten Startgruppe ins Wasser darf. Als der Startschuss fällt, kraule ich los. Links erwischt mich ein Fuß am Kopf, an meinem rechten Fuß kratzt mich die Hand meines Hintermannes.

Nach 100 Metern im Wasser wird es ­ruhiger. Das Feld ist bereits geteilt. Vorne schwimmen die schnellen Freistilschwimmer, das Ende bildet eine Armada aus Brustschwimmern. Ich bin irgendwo dazwischen. Auf der Suche nach „Wasserschatten“. Denn: Den „Bruder“ des Windschattens beim Radfahren gibt es wirklich.

Bei der Olympischen Distanz im Triathlon beträgt die Schwimmdistanz 1,5 Kilometer.

Schwimmen beim Triathlon: Den Wasserschatten nutzen

Wenn der Vordermann durchs Wasser gleitet, wirbelt er Luftblasen mit unter die Wasseroberfläche. Das senkt dann den Wasserwiderstand hinter ihm. Mit dem Ergebnis: Der nachfolgende Schwimmer muss weniger Kraft aufbringen, um den Widerstand zu überwinden. Er kann Kraft sparen.

In einer Studie haben die Wissenschaftler Triathleten 750 Meter Schwimmen und anschließend 15 Minuten Radfahren lassen. Die eine Hälfte der Probanden sollte dabei im Wasserschatten schwimmen, die anderen Schwimmer durften dies nicht.

Das Ergebnis: Die Wasserschatten-Gruppe war beim anschließenden Radfahren um fast fünf Prozent schneller. Es machte dabei keinen Unterschied, ob die Triathleten direkt hinter dem Vordermann oder mit einem halben Meter Abstand schwammen.

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Brust, Kraul, Wasserschatten: Die Olympische Distanz schwimmen

Diese Vorteile des Wasserschattens mache ich mir bewusst und versuche, im aufgewühlten Regattabecken die Füße meines Vordermanns im Blickfeld zu behalten. Ohne Erfolg. Nach 500 Metern schwimme ich wieder alleine und sehne die Wende herbei.

Als nach 750 Metern die Boje auftaucht, hebe ich erleichtert den Kopf aus dem Wasser, um mich zu orientieren. Für ein paar Meter opfere ich meine miserable Kraultechnik und versuche brustschwimmend vorwärts zu kommen. Entgegen meiner Erwartung liege ich zu dem Zeitpunkt im hinteren Teil des ersten Drittels. Ich nehme die Arme wieder nach vorne und kraule weiter.

Ab und an wird mein Beinschlag durch eine kleine Berührung unterbrochen. Ich spüre mindestens einen Schwimmer an meinen Füßen. Er hat sich offenbar wie ich vorgenommen, den Wasserschatten auszunutzen. Im Gegensatz zu mir hat er dabei Erfolg. Nach 1,5 Kilometern habe ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Einige Zuschauer schreien meinen Namen. Ich reiße meine Badekappe samt Brille vom Kopf und stolpere los.

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Olympische Distanz, Teil 2: Radfahren

Mein Rad wartet ganz am Ende der Wechselzone auf seinen Einsatz. Das Ausziehen des Neoprenanzugs hatte ich zuvor nicht geprobt. „Was soll schon schiefgehen?“, habe ich mir eingeredet. Der Reißverschluss klemmt, das Innenfutter klebt auf der Haut. Mühsam schäle ich mich aus dem Neopren, nehme kurz den Transponder zur Zeitnahme vom Fuß, um den Anzug komplett auszuziehen.

Im nächsten Moment greife ich mit zittrigen Händen meinen Radhelm, setze ihn auf und schließe den Riemen. Ich binde mir die Startnummer um und nehme mein Rad vom Ständer und laufe los. Die Schuhe hatte ich bereits eingeklickt am Rad befestigt.

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„Jetzt beginnt das eigentliche Rennen. Jetzt musst du es ihnen zeigen“, sagt eine innere Stimme zu mir. Ich stürme an der Kampfrichterin vorbei aus der Wechselzone und springe aufs Rad. Meine Füße sind noch feucht und wollen den Eingang in die Radschuhe nicht finden. Ich wanke kurz zur Seite und merke, wie ich nur knapp einer Kollision mit einem anderen Athleten entgehe. Ich erschrecke und trete los.

Drei Pedalumdrehungen habe ich geschafft, als mir beim Blick auf meine Füße ein imaginärer Blitz durch den Körper zuckt. Mein Transponder zur Zeitmessung fehlt. Ich muss ihn in der Wechselzone liegen gelassen haben.

Triathlon, Radfahren: Neustart

Notbremse. Panik. Beide Hände ziehen die Bremshebel mit maximaler Kraft. Direkt vor einem Kampfrichter komme ich zum Stehen. Die Trillerpfeife in seinem Mund hat dieselbe Farbe wie seine Warnweste. Der Ton ist schrill. Doch mein innerer Schmerz ist schlimmer. Ich schreie ihn an: „Mein Chip liegt in der Wechselzone!“

Ich drehe mich um und sehe Sportler für Sportler auf die Räder springen und auf mich zufahren. Mir wird klar: Gegen die Fahrtrichtung zurück in die Wechselzone zu gelangen, ist keine Option. Dann sagt der Kampfrichter diese verhängnisvollen Worte: „Spring drüber!“.

Ich realisiere seine Aufforderung sofort, lehne mein Rad ans Absperrgitter und versuche darüber zu klettern. Der Weg zurück in die Wechselzone, zurück zu meinem Transponder führt nur über dieses Gitter. Das Gitter der Schande.

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Transponder, Gitter und Wechselzone

Als ich mit beiden Beinen auf der anderen Seite angekommen bin, sprinte ich los. Ich suche meinen Platz in der Wechselzone, an dem ich zuvor den Neoprenanzug und den Transponder abgelegt hatte. Das Adrenalin schießt durch meinen Körper und verhindert einen klaren Gedanken. Ich bin bereits am Ende der Wechselzone und muss wieder ein paar Meter zurück. Erst dann erblicke ich meinen Neoprenanzug. Daneben liegt das Fußband mit dem Transponder.

Ich greife mir das Band, binde es so fest wie möglich um meinen Knöchel und sprinte wieder los. Vorbei an der Kampfrichterin am Ausgang der Wechselzone. Sie schaut mich erschrocken an, traut sich aber nicht zu fragen, weshalb ich ohne Rad aber mit Zeitfahrhelm aus der Wechselzone stürme.

Es folgen die – gefühlt – schnellsten 100 Meter meines Lebens. Zurück zu meinem Rad, das am Absperrgitter neben dem Kampfrichter in gelber Warnweste lehnt. „Danke!“ schreie ich ihm zu und springe aufs Rad. Zwischen unserer ersten und unserer zweiten Begegnung liegen etwa zwei Minuten. Zwei Minuten, die ich durch einen extrem dummen Wechselfehler liegen gelassen habe.

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Erfahrungen bei der Olympischen Distanz: Radfahren im Rhythmus

Im Vergleich zu diesem Mega-Malheur beim Wechsel verläuft der Rest meiner Triathlon-Premiere unspektakulär. Die acht Radrunden fahre ich mit den Beinen meines Lebens, in der schnellsten Zeit meines Lebens. Für die 39 Kilometer zeigt mir mein Bordcomputer 56:20 Minuten. Mehr als 40 Kilometer pro Stunde. Zumindest hier liege ich im selbstgesteckten Zeitplan.

Kurz vor der Wechselzone springe ich vom Rad und schiebe es an seinen Platz. Jetzt kommt die Disziplin, die viele Triathleten hassen, und die meine stärkste Disziplin ist: das Laufen. Wenn ich eines vergleichsweise gut kann, dann ist es Laufen.

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Olympische Distanz, Teil 3: Laufen

Doch die ersten Meter aus der Wechselzone fühlen sich unrund an. Meine Oberschenkel gleichen einem Wackelpudding, den man gerade frisch aus dem Kühlschrank nimmt. Zumindest fühlen sie sich so an. Ich renne zaghaft los.

Der Kopf gibt den Takt vor, die Beine folgen. Schmerzen? Eigentlich kaum. Aber schneller Laufen ist dennoch keine Option. Zehn Kilometer können extrem lang sein. Wer am Anfang „überpaced“, für den werden sie zur Qual. Ich habe ohnehin keine Orientierung, wo ich gerade im Rennen liege. Meine Uhr habe ich schon vor dem Schwimmen abgelegt.

Erst als ein Radfahrer auf der Laufstrecke neben mir auftaucht und mir erklärt, dass ich der Führende der zweiten Startgruppe bin, weiß ich, dass ein Podestplatz noch möglich sein könnte. Ich erhöhe noch einmal meine Frequenz und beschleunige. Ein paar Läufer springen hektisch zur Seite, als ich sie überrunde.

Bei der letzten Disziplin – dem Laufen – werden die letzten Kraftreserven aufgebraucht.

Unter 2 Stunden: Premiere der Olympischen Distanz gemeistert

Nach exakt 1:58:48 Stunden ist meine Premiere vorbei. Ich überquere die Ziellinie und stütze die Hände auf meine etwas wackligen Knie. Dann setze ich mich auf eine Bierbank im Zielbereich und atme tief durch.

Wenige Augenblicke später steht der Kampfrichter in der gelben Warnweste vor mir, vor der Bank, auf der ich sitze. „Spring drüber“, müsste ich ihm eigentlich jetzt sagen. Herauskommt ein einziges Wort, während ich tief durchatme und ihm dabei zunicke: „Danke.“

Die Triathlon-Kolumne 2018 des RennRad-Magazins:

1: Neue Ziele – stärker zurückkommen nach einer Verletzung

2: Wettkämpfe und Streckenlängen beim Triathlon: Formatfrage

3: Tipps für ein effizienteres Training: Im Trainingslager

4: Ernährungsstrategien für Triathleten: Low Carb, Train Low, Superfoods

5: Aerodynamik auf dem Rennrad beim Triathlon: Sitzposition, Tipps und Tricks

6: Zeitfahrhelme im Windkanal-Test: Welcher Helm bringt mir die beste Aerodynamik?

7: Olympische Distanz: Erfahrungswerte und Probleme eines Triathlon-Einsteigers

8: Fe226 Aeroforce Sleeved Tri Suit: Triathlon-Einteiler im Härtetest

9: Cervélo P3 – Triathlon-Klassiker im Test: Fahrverhalten, Gewicht, Preis

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