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Tour de France 2022: Corona, Verletzungen, Drama – Nachbericht

Corona, Verletzungen, Drama

Tour de France 2022: Corona, Verletzungen, Drama – Nachbericht

Die deutschen Fahrer waren bei der Tour de France 2022 ohne Glück – und Corona beeinflusste das Renngeschehen auf mehreren Ebenen. Nachbetrachtung.
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Corona war in diesem Jahr der größte Feind der Tour de France. Mehr als ein Dutzend Fahrer wurden aus dem Rennen genommen, weil sie an Corona erkrankt waren. Das beeinflusste das Rennen extrem. Der große Favorit der Großen Schleife, Titelverteidiger Tadej Pogacar musste schon vor dem Auftakt in Kopenhagen auf seinen wichtigen Helfer Matteo Trentin verzichten. Während der Tour wurde auch der Neuseeländer George Bennett positiv auf das Coronavirus getestet und musste ebenso aufgeben wie der Norweger Vegard Stake Laengen. Auch Edelhelfer Rafal Majka wurde positiv getestet, durfte das Rennen aber gemäß Reglement weiterfahren. Doch dann erlitt er bei einem Tritt ins Leere einen Muskelfaserriss und musste aufgeben. Und auch Marc Soler musste wegen Zeitüberschreitung auf der 16. Etappe die Heimreise antreten. Marc Hirschi war längst nicht im Vollbesitz seiner Kräfte und auch Mikkel Bjerg schwächelte. So blieb Pogacar in der alles entscheidenden Tour-Woche durch die Pyrenäen einzig der US-Amerikaner Brandon McNulty, der sich in den Bergen für seinen Kapitän aufopferte. Das reichte nicht.

Das Team von Jumbo-Visma konnte anders als in den letzten beiden Jahren seine Überlegenheit voll ausspielen. Überragend war einmal mehr der Belgier Wout van Aert. Nach drei zweiten Plätzen feierte er auf der vierten Etappe einen Tagessieg und schlüpfte vorübergehend ins Gelbe Trikot, das er nach dem sechsten Abschnitt gegen Grün tauschte. In Lausanne feierte er seinen zweiten Teilerfolg, er jubelte beim Zeitfahren und gewann das Grüne Trikot in Paris mit einem so großen Vorsprung wie vor ihm noch niemand. 480 Zähler hatte er, 230 mehr als der Zweite Pogacar.

Das Aus von Primoz Roglic

Primoz Roglic, erneut vergeblich angetreten, um die Tour zu gewinnen, musste das Zepter an seinen jüngeren Teamkollegen Jonas Vingegaard übergeben. Nicht Corona sorgte beim Vuelta-Sieger für das vorzeitige Aus, sondern die Folgen eines Sturzes. Zur 15. Etappe trat Roglic nicht mehr an, um seine Verletzungen zu heilen und seine Kräfte neu zu mobiliseren für die Spanien-Rundfahrt, die vermutlich wieder das Trostpflaster für den ehemaligen Skispringer wird.

Mit Steven Kruijswijk verlor Vingegaard vor den Pyrenäen einen zweiten wichtigen Helfer, aber da hatte der Däne schon mehr als zwei Minuten Vorsprung, musste Pogacar nicht mehr angreifen, sondern nur auf dessen Attacken reagieren. Das machte es ein wenig leichter, obwohl die Berge der Pyrenäen deswegen nicht weniger steil waren.

Auf der letzten Pyrenäen-Etappe beeindruckte der schmächtige Däne mit einem Schluss-Solo auf den letzten vier Kilometern, als er antrat und Pogacar nicht mehr folgen konnte und vergrößerte seinen Vorsprung auf über dreieinhalb Minuten. Diese Etappe nach Hautacam war vor allem ein großes Spektakel. Unentwegt attackierte der am Ende zweitplatzierte Pogacar schon am vorletzten Berg das Gelbe Trikot, ehe es auf der halsbrecherischen Abfahrt vom Col de Spandelles zum großen Drama kam. Erst verhinderte Vingegaard (25) mit einem gekonnten Manöver einen Sturz, dann kam sein Rivale aus Slowenien in einer Kurve zu Fall. Doch Vingegaard zeigte wahre Größe und wartete auf seinen Rivalen, der – mit zerfetzter Radhose und aufgeschürftem Bein – dem Dänen aus Dank die Hand reichte.

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Die Männer der Tour de France: Wout van Aert, Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar

Geraint Thomas überzeugt

Hinter den beiden überragenden Männern dieser Tour überzeugte auch Geraint Thomas als Gesamtdritter. Der britische Tour-Sieger von 2018 hatte aber nie eine Chance, an Vingegaard oder Pogacar vorbeizuziehen, obwohl er auch mit einer starken Mannschaft angereist war. Sein Vorgänger in der Liste der Tour-Sieger, Chris Froome, musste zwar wegen Corona in den Pyrenäen vorzeitig austeigen, aber sein dritter Platz in L`Alpe d´Huez erinnerte an alte Zeiten. Im Ziel zeigte sich der Brite sehr emotional und war hochzufrieden, dass er so eine starke Leistung bot.

Die Franzosen warten auch nach dieser Tour weiter auf einen Gesamtsieger, doch boten David Gaudu als Gesamtvierter und Romain Bardet als Siebter eine starke Vorstellung. Christophe Laporte holte den einzigen Tour-Etappensieg für Frankreich und einen weiteren für sein Team Jumbo-Visma.

Bora-hansgrohe hätte Aleksandr Vlasov gern auf dem Podium platziert, doch der Russe stürzte auf der sechsten Etappe, verlor auf dem Weg hinauf nach La Planche des Belles Filles wertvolle Zeit und fiel im weiteren Verlauf der Tour sogar aus den Top-Ten. Aber er kämpfte sich wieder hinein und belegte in Paris einen sehr guten fünften Platz.

Drama um Lennard Kämna

Staunen und weinen konnte man mit Lennard Kämna, der mehrfach um einen Etappensieg kämpfte und sogar nach dem Gelben Trikot griff. Doch irgendwann war es zuviel für den Bremer, der schon den Giro in den Beinen hatte, und er gab vor den Pyrenäen auf, nachdem er sich auch noch erkältet hatte.

Teamkollege Nils Politt jagte ebenfalls vergeblich seinen zweiten Etappensieg hinterher, zeigte sich aber als großer Kämpfer und wurde dafür einmal auch mit der roten Rückenummer des aktivsten Fahrers geehrt. Max Schachmann kam trotz eines Sturzes immer besser in Schwung, aber zum Etappensieg reichte es diesmal leider nicht.

Mehrfach in Ausreißergruppen zu finden war der bergfeste Georg Zimmermann, der auf der Alpenetappe nach Megeve sogar Sechster wurde und sich in der gesamten Tour gut präsentierte.

John Degenkolb und Alexander Krieger sowie Jonas Rutsch leisteten wertvolle Teamarbeit. Geschkes Teamkollege Max Walscheid musste wegen Corona vorzeitig aufgeben, so dass nur sieben Deutsche da Ziel in Paris errreichten. Der Beste von ihnen: Georg Zimmermann auf Platz 44.

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