Rennmaschine: Das neue Filante SLR ID2
Mehr Speed
in Test & Technik
Es geht bergauf. Wieder einmal. Der Anstieg ist nicht besonders steil. Rund zwei Kilometer mit etwas mehr als 100 Höhenmeter. Die durchschnittliche Steigung: 5,3 Prozent. Der Straßenbelag ist neu und in einem sehr guten Zustand. Es ist ein Anstieg, den man noch auf dem großen Kettenblatt und mit einer recht hohen Geschwindigkeit fahren kann – und bei dem die Aerodynamik eine vergleichsweise große Bedeutung hat.
Ich nehme den Schwung aus dem Flachstück zuvor mit, beschleunige noch einmal und fahre im Sitzen so schnell wie möglich bergauf. 370, 380, 390 Watt – Ich werde immer schneller. Nach etwas mehr als viereinhalb Minuten bin ich oben, auf dem höchsten Punkt der Via Giuseppe Lorenzoni. Später sehe ich bei Strava, dass ich mir die Bestzeit an dem Anstieg geholt habe.

Hügel & Dörfer
Ich bin in den sogenannten Prosecco Hills im Nordosten Italiens, in der Region Venetien. Landschaftlich ist die Gegend geprägt von seinen sanften Hügeln, Weinbergen und kleinen Dörfern. Gemeinsam mit rund 30 anderen Journalisten wurde mir gestern das neue Aero-Race-Modell von Wilier Triestina vorgestellt, das Filante SLR ID2. Heute dürfen wir das Rad auf einer Strecke mit rund 80 Kilometern und etwa 1000 Höhenmetern so intensiv testen, wie wir möchten. Ich nehme mir vor, mit dem neuen Filante an meine eigenen Grenzen zu gehen. Ich will wissen, wie schnell das Rad wirklich ist, wenn ich es mit maximaler Intensität fahre.
Die Vorgängerversion, das Filante SLR, wurde im Jahr 2020 vorgestellt. Der Brite Mark Cavendish gewann damit den fünften Tagesabschnitt der Tour de France 2024 und stellte mit seinem insgesamt 35. Etappensieg einen neuen Rekord auf. In jenem Jahr stattete Wilier Triestina noch das Team Astana Qazaqstan mit Rädern aus. Seit 2025 ist das Team Groupama-FDJ mit den Rädern des italienischen Herstellers unterwegs.

Gemeinsam mit der französischen Equipe wurde in den vergangenen Monaten das neue Filante entwickelt. Das wichtigste Ziel bei dessen Entwicklung: eine deutliche Verbesserung der Aerodynamik, ohne negative Auswirkungen auf die Rahmensteifigkeit und das Gewicht. Laut Wilier soll das neue Rad dabei helfen, die „schnellste Version von dir selbst“ zu werden.
Das Ergebnis: Laut Wilier wurde der Luftwiderstand im Vergleich zum Vorgänger um 13,6 Prozent gesenkt. Bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h soll das Filante SLR ID2 rund 14 Watt weniger Leistung benötigen. Über eine Distanz von 70 Kilometern entspricht das einer Zeitersparnis von etwa einer Minute und 45 Sekunden bei gleicher Leistung. Ermittelt wurden diese Ergebnisse im Windkanal von Silverstone.

Flaschenhalter & Gabel
Optisch fallen vor allem die speziell entwickelten und aerodynamisch geformten Flaschen sowie die recht großen Halter auf. Beide gehören zum neuen Aerokit-System, das gemeinsam mit Elite konzipiert wurde. Es integriert Flaschen und Halter aerodynamisch in den Rahmen, bietet ein Gesamtvolumen von 1100 Millilitern und reduziert laut Wilier den Luftwiderstand im Vergleich zu herkömmlichen Systemen um mehr als zwei Drittel.
Im Praxistest boten die neuen Halter den speziellen Flaschen einen sehr guten Halt. Auch auf sehr unebenen Straßen besteht nicht die Gefahr, dass eine Flasche aus der Halterung fällt. Das Befüllen der beiden Flaschen ist jedoch etwas komplizierter: Durch die spezielle Form und einen schrägen Boden kann man sie nicht einfach hinstellen und befüllen, sondern muss sie dabei festhalten.

Zudem ist die Öffnung so klein, dass ich im Testverlauf mein Kohlenhydratpulver irgendwann nur noch über einen Trichter in die Flasche gegeben habe. Beide Halter können auch mit normalen, runden Fahrradflaschen genutzt werden. Vorne ist jedoch durch die aerodynamische Form nicht genug Platz für die Höhe einer 750-Milliliter-Flasche.
Auch das Cockpit wurde aerodynamisch überarbeitet: Der neue F-Bar-ID2-Lenker nutzt das Optimized-Ergonomic-Flare-Design mit einem rechtwinkeligen Flare von drei Zentimetern zwischen dem Ober- und dem Untergriff. An meinem Testmodell in der Rahmengröße L beträgt die Breite 370 im Ober- und 400 Millimeter im Unterlenker. Der Vorbau ist 110 Millimeter lang. Im Test überzeugte das neue Cockpit durch seine durchdachte Ergonomie, zudem erwies es sich als sehr verwindungssteif.

Gabel & Sitzstreben
Bei der neuen Gabel wurde auf NACA-Profile zurückgegriffen – aerodynamisch optimierte Rohrquerschnitte mit einer Tropfenform, die den Luftwiderstand reduzieren sollen. Im Vergleich zum Vorgänger wurde die Gabel etwas breiter und zudem so gestaltet, dass sie den Luftstrom gezielt über den Vorderreifen und den Bremssattel führen soll. Zusätzlich reduziert wird der Luftwiderstand durch eine integrierte, verdeckte Steckachsen-Klemmung.

Am Heck fallen vor allem die Sitzstreben auf. Diese setzen recht tief am Sitzrohr an und verlaufen in einem sanft nach außen gewölbten Bogen zum Hinterbau. Diese Formgebung vergrößert, laut Wilier, die seitliche Steifigkeit und verbessert zugleich die aerodynamische Anströmung des Hinterrads. Der tiefe Ansatz reduziert die Stirnfläche, während die leicht außen geführte Linie der Streben den Luftstrom entlang der Beine des Fahrers ruhiger hält. Gleichzeitig soll die Konstruktion zur Vibrationsdämpfung beitragen, da sie vertikale Schwingungen besser absorbiert.

Bei der Entwicklung der Sattelstütze orientierten sich die Wilier-Ingenieure am Konzept der hauseigenen Supersonica-Zeitfahrrad-Serie: Im Vergleich zum Vorgänger wurde sie deutlich schlanker. Ihr tropfenförmiges Profil reduziert den Luftwiderstand, während eine gezielt abgestufte Wandstärke für eine kontrollierte Nachgiebigkeit sorgt. Dadurch kann die Stütze vertikale Schläge und Vibrationen ausgleichen, ohne die Torsionssteifigkeit zu beeinträchtigen.
Dämpfungseigenschaften & Ausstattung
In der Praxis erwiesen sich die Dämpfungseigenschaften des Filante SLR ID2 angesichts seiner Aero-Ausrichtung als sehr gut. Die tief ansetzenden Sitzstreben und die neu entwickelte Sattelstütze bieten einen gewissen „Flex“ und somit Komfort. Den meisten Komfort ermöglichen jedoch die 30 Millimeter breiten Vittoria-Corsa-Reifen, die an meinem Testmodell tubeless montiert sind und dadurch mit einem recht geringen Luftdruck gefahren werden können.

Im Testverlauf überzeugten die Pneus mit einem geringen Rollwiderstand und sehr viel Grip in den Kurven – auch bei Nässe. Maximal können bis zu 34 Millimeter breite Reifen verbaut werden. An meinem Testmodell sind die Reifen auf hochwertigen und verwindungssteifen Kleos-RD-50-Laufrädern des Wilier-Tochter-Unternehmens Miche montiert. Diese wiegen 1455 Gramm und erwiesen sich trotz ihrer 50 Millimeter hohen Felgen als überraschend wenig seitenwindanfällig.
Generell ist die Ausstattung an meinem Testmodell extrem hochwertig. Der Prologo-Nago-R4-Pas-Sattel punktet mit seiner hochwertigen Verarbeitung, seiner Ergonomie und seiner hohen Langstreckentauglichkeit. Die Sram-Red-AXS-Schaltgruppe überzeugt auch am neuen Filante SLR ID2 mit ihrer Schaltperformance und der Ergonomie der Schalt- und Bremsgriffe.

Die Übersetzung ist mit 48/35 vorne und einer 10-36-Kassette hinten sehr breit, bergtauglich und überraschend einsteigerfreundlich gewählt. Der Rahmen ist zudem UDH-kompatibel und kann mit Einfach- und Zweifachantrieben mit Kettenblättern bis 56 Zähnen gefahren werden. Die Scheibenbremsen mit den 160-Millimeter-Discs vorne und hinten überzeugten mit ihrer hohen absoluten Bremspower und ihrer feinen Dosierbarkeit unter allen Bedingungen.
Geometrie & Fahrverhalten
Das Geometriekonzept basiert auf dem AccuFit-System, das eine präzise Anpassung an verschiedene Körpergrößen ermöglichen soll. Mit sechs Rahmengrößen, mehreren Vorbau- und Sattelstützenoptionen ergeben sich über 400 Fitting-Kombinationen. Bei einer Körpergröße von 185 Zentimetern, einem vergleichsweise kurzen Oberkörper und recht langen Beinen passte mir das Filante SLR ID2 in der Rahmengröße L sofort recht gut.
Einzig der 110-Millimeter-Vorbau ist mir etwas zu lang. Die Sitzposition fällt, passend zur Ausrichtung, recht tief und sportiv, jedoch nicht zu extrem aus. Die Laufruhe ist durch den vergleichsweise langen Radstand sehr gut. Auch bei sehr hohen Geschwindigkeiten neigt das Wilier nie zur Nervosität. Gleichzeitig ist die Agilität durch die recht kurzen Kettenstreben und den eher steilen Lenkwinkel auf einem sehr hohen Niveau. Der Fahrspaß in kurvenreichen Abfahrten ist damit hoch.
Etwa zwei Stunden nach meiner Strava-Bestzeit komme ich wieder am Hotel und am Ausgangspunkt der Testfahrt an. Insgesamt habe ich nicht einmal zweieinhalb Stunden für die mehr als 80 Kilometer lange Strecke gebraucht. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit: 33,6 km/h.
Da ich deutlich schneller wieder zurück bin als erwartet und noch etwas Zeit bis zum Abendessen bleibt, fahre ich gemeinsam mit einem italienischen Kollegen noch etwas weiter. Wir wollen den nur rund zehn Kilometer weit entfernten Passo San Boldo mit seinen 18 Serpentinen, fünf davon in übereinanderliegenden Kehrtunneln, hinauf fahren. Die Daten des Anstiegs: sechs Kilometer, 470 Höhenmeter, 7,8 Prozent durchschnittliche Steigung.

Hier können Sie die RennRad 10/2025 als Printmagazin oder E-Paper bestellen
Mein Testmodell wiegt rund 7,5 Kilogramm. In der Dura-Ace-Di2-Version mit einer kleineren Kassette und in der Größe M liegt das Gesamtgewicht laut Wilier bei rund 7,1 Kilogramm. Damit gehört es nicht zu absoluten Leichtgewichts-Modellen. Angesichts seiner Aero-Ausrichtung liegt das Gewicht jedoch noch voll „im grünen Bereich“. Das merke ich auch am Passo San Boldo.
Das Filante SLR ID2 fährt sich, gefühlt, nicht wie ein reines Aero-Modell, sondern eher wie ein sportiver Allrounder. Vor allem im Wiegetritt macht sich zudem die hohe Rahmensteifigkeit positiv bemerkbar. Laut Wilier konnte diese im Vergleich zum Vorgängermodell noch einmal erhöht werden. Für das Materialdesign werden Carbonfasern der Typen T800, T1100 und M46JB verwendet, die in Zusammenarbeit mit Toray entwickelt wurden.

Farben & Preise
Angeboten wird das neue Filante zunächst in den Farbvarianten Pure White, Solar Bronze, Aurora Blue, Lunar Grey und Eclipse Black. Das Rahmenset mit Aerokit-System und Computerhalterung kostet 5800 Euro. Das günstigste Komplettrad mit einer Shimano-Ultegra-Di2-Schaltgruppe ist für 9700 Euro erhältlich, das Top-Modell mit Campagnolos Super Record 13 und Miche-Klos-50-RD-Laufrädern für 13.100 Euro. Der Preis des von mir gefahrenen Modells mit Sram-Red-AXS-Gruppe und integriertem Powermeter: 12.900 Euro.
Stärken & Schwächen
+ Rahmensteifigkeit
+ Allround-Eigenschaften
+ Laufruhe
+ Agilität
– Preis
+/- Trinkflaschen
