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Abstimmung von Training und Ernährung: Leistungsoptimierung durch Nahrung

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Abstimmung von Training und Ernährung: Leistungsoptimierung durch Nahrung

Leistungsreserven heben: Indem man Training und Ernährung aufeinander abstimmt. Wie man über seine Nahrung die Leistung optimiert. Low Carb & mehr.
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Die Ernährung ist zu einer Art Religion verkommen – oder vielmehr aufgebauscht worden. Dies gilt bei Ausdauersportlern in einem besonderen Maße. Empfehlungen, Anleitungen und „Geheimtipps“ für die „optimale und leistungsfördernde Ernährung“ gibt es zu Tausenden. Und jeden Tag kommen neue hinzu.

Die Realität ist jedoch: Ein allgemein gültiges Rezept existiert nicht. Die optimale Ernährung ist immer eine individuelle. Jedoch gilt auch: Wie das Training über die Ernährung optimiert werden kann, ist planbar.

Ernährung und Training: Die Intensität entscheidet

Ob lange Grundlagentrainings oder intensive Intervalle – die Belastung und auch die Energiebereitstellung sind komplett unterschiedlich. Daher sollte hier auch die Nährstoffzufuhr unterschiedlich ausgelegt sein.

Bei lockeren Grundlageneinheiten nur mit Kohlenhydraten zu arbeiten, ist genauso sinnfrei, wie harte Intervalle nur „auf“ Fett oder nüchtern zu absolvieren. Daher steht zu Beginn der Entscheidung zur Nährstoffzufuhr immer die Frage nach der Belastungsintensität. In dem – wissenschaftlich bewiesenen – sehr effizienten Modell des „polarisierten Trainings“ werden zum Beispiel 80 bis 90 Prozent des Umfangs in den unteren bis mittleren Grundlagenbereichen und zehn bis 20 Prozent in Form hochintensiver Intervalle absolviert. Diese Trainingsform ist für ambitionierte Radsportler aus meiner Sicht die beste Lösung – da sie sich recht gut mit einem erfüllten Familien- und Arbeitsalltag verbinden lässt. Um aus dieser Trainingsform das Optimum herauszuholen, gilt es einige Punkte zu beachten.

Da im polarisierten Training die meiste Zeit über in der tiefen Grundlagenzone trainiert wird, ist auch die Energiezufuhr vor allem auf Fett „aufgebaut“. Das Ziel dieser Ausdauer-Einheiten sollte zum einen sein, die Glykogenspeicher der Muskulatur langsam zu leeren und zum anderen nicht zu viel oxidativen Stress auszulösen. Daher ist hier vor allem auf eine sehr niedrige Intensität zu achten, die über einen langen Zeitraum aufrechterhalten werden kann.

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Fatloading-Einheiten

Vor diesen ausgewählten Trainingseinheiten gilt es darauf zu achten, dass die Nahrung primär aus Fetten und einem kleinen Teil Eiweiß besteht. Während der Trainingseinheit sollte regelmäßig Energie zugeführt werden – zum Beispiel in Form von Nüssen oder Mandeln. In den Trinkflaschen kann neben Wasser auch ein wenig Olivenöl oder MCT-Öl, mittelkettige Fettsäuren, mitgeführt werden. Der Geschmack ist keine Offenbarung – doch die Effizienz im Hinblick auf den Stoffwechsel stimmt.

Das Ziel sollte es sein, dem Körper schon während der Aktivität Energie zurückzuführen, damit zu einem späteren Zeitpunkt des Tages kein Heißhunger aufkommt. Lust auf Süßes, Salziges oder Brot ist oft ein Zeichen eines körperlichen Mangelzustandes. Dieser führt auf Dauer zu einer Reduktion der durch das Training ausgelösten Anpassungen. Zudem muss die Intensität bei solch einer Einheit tief sein, um die Trainingseffekte auf der Zellebene nicht zu beeinträchtigen. Wichtig: Sportler, die nach einer längeren Sportabstinenz wieder aufs Rad steigen, sollten noch keine Fatloading-Trainings machen. Hier ist es wichtig, dass zuerst vier bis fünf Wochen lang fast ausschließlich mit Kohlenhydraten gearbeitet wird, um die muskuläre Regeneration zu unterstützen – sonst kann es schnell zu Überlastungen und Heißhungerattacken kommen.

Was macht der Körper bei Fatloading?

Der Körper fährt, wenn Energiemangel herrscht, das Enzym AMPK hoch. Dieses sorgt für das Wachstum und die Neubildung von Mitochondrien – der Kraftwerke der Zellen. Damit verbessern sich sowohl die Fettverbrennung als auch die Sauerstoffaufnahme. Zudem werden bei einer solchen Fatloading-Einheit auch mehr Ketone gebildet, sodass der Körper lernt, diese effektiver zu nutzen.

Ketone sind – neben Proteinen, Kohlenhydraten und Fetten – der vierte Energieträger, der verstoffwechselt werden kann. Der Körper schüttet sie in der Regel in Hungerphasen aus. Britischen Forschern ist es gelungen, Ketonkörper quasi industriell herzustellen. Inzwischen kann man sie käuflich erwerben – zu sehr hohen Preisen. Top-Profiteams wie Ineos und Jumbo-Visma arbeiten teils seit Jahren mit Keton-Getränken.

Diese Anpassungen werden durch einen großen oxidativen Stress, hervorgerufen durch ein zu intensives Training, gestört. Somit ist eine tiefe Trainingsintensität zwingend. Nach der Trainingseinheit ist zu beachten, dass in den ersten Stunden danach die Kohlenhydratzufuhr noch reduziert bleiben sollte, um die Aktivität der AMPK-Enzyme möglichst hoch zu halten. Im Verlaufe des Tages oder am nächsten Tag sollte dann wieder auf die „normale“ individuelle Ernährung umgestellt werden.

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Intervalle und Kohlenhydrate

Das Gegenteil der sehr ruhigen Grundlageneinheiten bilden die sogenannten High-Intensity-Interval-Trainingseinheiten. Diese beanspruchen im polarisierten Training etwa zehn bis 20 Prozent der totalen Trainingszeit. Das Ziel soll und muss hier sein, den Körper über einen sehr kurzen Zeitraum maximal zu belasten. Voraussetzung dafür ist ein gut regenerierter Körper und eine Muskulatur, die über genügend Glykogen verfügt. Hier ist es entscheidend, dass schon vor der Trainingseinheit genügend Kohlenhydrate zugeführt werden. Beispiele für den Ablauf einer HIIT- sowie einer Grundlageneinheit finden sich weiter unten.

Zudem sollten hier auch während der Belastung Kohlenhydrate zugeführt werden, etwa in Form von Sportgetränken. Dass dadurch die Trainingseffizienz gesteigert werden kann, zeigen Studien unseres erpse Instituts. Durch die hohe Intensität und das Verbrennen der Kohlenhydrate entsteht Milchsäure. Davon zerfällt ein Teil zu H+-Ionen und der Rest wird zu Laktat. Der Körper wird also mit Säuren und Laktat konfrontiert. Ein Trainingsziel ist es, dass er lernt, diese besser abzupuffern, sie als Energiequelle zu verwenden oder abzutransportieren. Je besser er das kann, desto effizienter ist der anaerobe Stoffwechsel – und das Laktat kann als Substrat der aeroben Energiebereitstellung genutzt werden, insbesondere die Fasern des Herzens.

Dies ist ein entscheidender Vorteil, vor allem auch bei Radmarathons, wenn es lange bergauf geht oder wenn der Körper nach mehreren Stunden auf dem Rennrad an die Grenzen kommt. Es ist festzustellen, dass wir von beiden Systemen profitieren und auch beide Systeme trainieren sollten. Daher ist ein strikter Verzicht auf Kohlenhydrate genauso unsinnig wie die übermäßige Zufuhr vor Grundlageneinheiten. Generell geht es darum, für jeden eine individuelle Lösung zu finden, die sich auch mit dem eigenen Alltag vereinbaren lässt.

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Das richtige Training und die richtige Ernährung müssen für eine optimale Leistungssteigerung immer aufeinander abgestimmt sein

Regeneration und Erfolg

Voraussetzung für die trainingsinduzierten Anpassungen des Grundlagentrainings ist eine komplett regenerierte Muskulatur – vor allem bei einer fettlastigen Ernährung vor, während und nach dem Training. Sind die Muskeln nur ungenügend regeneriert, werden auch bei tiefen Intensitäten verhältnismäßig zu viele Kohlenhydrate als Energiequelle herangezogen.

Dies behindert das Mitochondrien-Wachstum und die Verbesserung der Sauerstoffaufnahme maßgeblich. Wenn die Muskulatur vor einem Grundlagentraining ungenügend regeneriert ist, empfiehlt sich auch hier die Gabe einer kleinen Menge an Kohlenhydraten, um den Körper weniger zu belasten.

Regeneration als wichtiger Schlüsselpunkt

Auch beim intensiven Training ist die Regeneration ein wichtiger Schlüsselpunkt. Ist die Muskulatur ungenügend regeneriert, sind maximale Belastungen nicht trainierbar. Ein Schwellentraining wäre in manchen Fällen noch möglich. Sinnvoller ist ein Training jedoch immer dann, wenn der Körper und die Muskeln gut regeneriert sind. In der ersten Phase der Trainingsplanung gilt es, den Fokus auf die Basis zu legen, das heißt, vor allem viele Grundlageneinheiten mit einer „fettlastigen“ Ernährung zu planen.

Ab und zu mit hochintensiven Intervallen zu arbeiten, ist auch in dieser Phase legitim. In der unmittelbaren Vorbereitung, zum Beispiel auf einen Radmarathon, gilt es, in den finalen zwei bis sechs Wochen vor dem Ereignis den Fokus vermehrt auf die Intervall-Einheiten zu legen und zudem die Ernährung eher kohlenhydratreich zu gestalten. Zu den empfohlenen Standard-Kohlenhydrat-Lieferanten zählen etwa Kartoffeln, Bananen oder Haferflocken. Das Ziel ist somit, den anaeroben Stoffwechsel hochzufahren und den Körper auch mit maximalen Belastungen zu konfrontieren.

Radmarathon-Ernährung

Während den letzten zwei bis sieben Tagen vor dem Wettkampf sollte auf eine eher hypokalorische Ernährung – ergo eine, die unter dem effektiven Kalorienbedarf liegt – geachtet werden. Dabei sollte auf einen hohen Fettanteil bei einer gleichzeitig reduzierten Kohlenhydratzufuhr Wert gelegt werden, um vor allem die Sauerstoffaufnahme nochmals zu maximieren.

In dieser Zeitspanne ist es wichtig, auf ein sehr tiefes Stresslevel im Alltag und eine ebenfalls niedrige Trainings-Intensität zu achten. Die finalen zwei bis drei Tage vor dem Wettkampf stehen dagegen im Zeichen der Kohlenhydrate. Es gilt, die Energiespeicher vor dem Wettkampf maximal zu füllen.

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Omega 3

Omega-3-Fettsäuren unterstützen die Regeneration und stärken das Immunsystem. Sie werden in die Membrane der Muskelzellen eingelagert, wirken entzündungshemmend und können einen positiven Einfluss auf die Verletzungsanfälligkeit haben. Enthalten sind sie etwa in Leinöl. Ein Tipp lautet, jeden Tag drei Teelöffel des Öls einzunehmen. Weitere „gute“ Fettquellen: Olivenöl, Kokosöl, Butter. Omega-6- sowie gehärtete Fettsäuren stehen dagegen in einer Relation zu Herzproblemen und -Infarkten sowie einer verminderten Muskelleistung. Meiden sollte man zudem eher Distel-, Soja-, Sonnenblumen- und Maiskeimöl.

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Train low – compete high

Ein weiteres Prinzip der Ernährung, um die Trainingseffekte zu maximieren und den Stoffwechsel zu optimieren: Grundlagentrainings mit möglichst wenigen Kohlenhydraten zuvor absolvieren, intensive Einheiten und Wettkämpfe dagegen mit einer zuvor möglichst großen beziehungsweise ausreichenden Kohlenhydrat-Zufuhr.

  • In der Basisernährung generell weniger Kohlenhydrate in Form von Nudeln, Reis, Brot und Kartoffeln essen.
  • Die Eiweiß- und Fettversorgung in jeder Mahlzeit optimieren.
  • Ausdauer-Trainingseinheiten bevorzugt mit weniger gefüllten Kohlenhydratspeichern durchführen.
  • Außerhalb der Wettkampfphase in den ersten zwei Stunden nach dem Training ein reines Eiweißgetränk ohne Kohlenhy­drate zuführen, um die Mitochondrien-Neubildung zu forcieren.
  • Die Kohlenhydratspeicher bereits drei bis fünf Tage vor dem Wettkampftag gut beziehungsweise maximal auffüllen.
  • „Sleep Low“. Ein Beispiel dazu: Man trainiert abends, zum Beispiel gegen 18 Uhr, und leert so seine Glykogenspeicher. Dann trinkt man einen Proteinshake. Eine halbe Stunde später isst man zu Abend Gemüse, Eier, zum Dessert dunkle Schokolade. Am nächsten Morgen trainiert man nüchtern, also noch vor dem Frühstück, 60 Minuten im Grundlagenbereich. Der Effekt: Der Fettstoffwechsel „läuft“ die ganze Nacht.
  • Wenn man in jenen Phasen den Kohlenhydratanteil seiner Ernährung reduziert, muss man parallel dazu den Fettanteil erhöhen – bei der abschließenden Abendmahlzeit auf mindestens 60 Prozent der Kalorienmenge.
Training, Wettkampf, Ernährung

Train low – compete high


Tipps für die richtige Ernährung: Der Experte

Gregory Grünig ist Diplom-Fitnesstrainer und Ernährungsdiagnostiker im Schweizer erpse-Institut. Die Ernährungsdiagnostik ist ein neuer Ansatz der Ernährungsberatung, der Bewegung, Sport und psychologische Elemente verbindet. | www.erpse-institut.com

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Tipps vom Diplom-Fitnesstrainer und Ernährungsdiagnostiker Gregory Grünig

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