Ausdauertraining, Trainingstipps, Training
Ausdauertraining: Trainingsinhalte, Pläne, Hintergründe, Methoden

Ausdauer

Ausdauertraining: Trainingsinhalte, Pläne, Hintergründe, Methoden

Sie ist die Basis von allem: die Ausdauer. Was bewirkt das Grundlagentraining? Wie kann man es effizient gestalten? Wie und wann nutzt man es am besten für den Formaufbau? Antworten vom Radlabor.
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Viel hilft viel? Grundlage bedeutet Monotonie? Diese überlieferten „Trainingsweisheiten“ sind falsch. Natürlich gilt weiterhin: Radfahren kommt von Radfahren. In Relation zu den meisten anderen Sportarten bleibt der Radsport trainingsintensiv. Doch in der Trainingswissenschaft hat sich in den vergangenen Jahren extrem viel bewegt. Dank dieser Erkenntnisse kann das Ausdauertraining für viele – und auf allen Leistungsniveaus, vom Einsteiger bis zum Profi – deutlich abwechslungsreicher und zeiteffizienter gestaltet werden.

Im Winter lautet die oberste Priorität für viele Radsportler: Kilometersammeln. Diese Grundlage soll das Fundament für die kommende Saison bilden. Der Grundlagenbereich „GA1“ liegt zwischen 50 und 74 Prozent der individuellen anaeroben Schwelle. Mit diesen langen ruhigen Ausdauereinheiten soll die Basis der Höchstleistung in der Saison gelegt werden. Ohne dieses Fundament ist es kaum möglich, bei langen Rennen und Radmarathons im Sommer Topleistungen abzurufen.

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„Das Ausdauertraining“ gibt es nicht

Die gute Nachricht ist: „Das Ausdauertraining“ gibt es nicht. Es ist immer ein individuelles – und es kann extrem vielseitig gestaltet werden. Die Diskussionen unter Trainingswissenschaftlern sind endlos – und noch längst nicht beendet. Zusammengefasst stehen zwei Trainingskonzepte im Mittelpunkt: HIIT versus HVT. Ergo: High-Intensity Interval Training gegen High Volume Training. Zu Deutsch: kurzes intensives Intervalltraining gegen langes ruhiges Grundlagentraining.

Bei Letzterem bewegt man sich in der Regel im wenig intensiven Bereich unterhalb der sogenannten „Laktatschwelle“, also bei rund 60 bis 75 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme. Beim HIIT hingegen absolviert man typischerweise kurze Intervalle – mit einer Dauer von 30 Sekunden bis zu acht Minuten – bei einer Intensität von 90 bis 100 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme. Die Pausengestaltung variiert je nach der Länge des Intervalls zwischen einer und fünf Minuten.

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Ruhig vs. intensiv

Die Effekte: Ein langes Grundlagentraining verbessert das muskuläre Zusammenspiel, die Anzahl und Größe der Mitochondrien – der „Kraftwerke“ der Zellen – und die Enzyme des ATP- beziehungsweise Kohlenhydrat-Stoffwechsels. Dadurch können Energiereserven besser verarbeitet und länger aufrechterhalten werden. Zu den weiteren wichtigen Anpassungen zählen eine herabgesetzte Herzfrequenz durch ein vergrößertes Schlagvolumen, eine verbesserte Kapillarisierung und eine Steigerung des Hämoglobinwerts. Dadurch kann mehr Sauerstoff im Blut transportiert werden, was zu einer Leistungssteigerung beiträgt. Zudem passen sich die roten „langsamen Ausdauer-Muskelfasern“ des Typs I so an die Belastung an, dass sie auch bei höheren Intensitäten effizienter arbeiten.

Das hochintensive HIIT-Training dagegen wirkt stärker auf die „schnellen“ weißen Typ-II-Muskelfasern. Die Effekte auf das Herz-Kreislaufsystem sind – laut einiger Studien – denen des Grundlagentrainings sehr ähnlich, teilweise sogar besser. Doch bei der Interpretation dieser Ergebnisse sollte man eines beachten: Die meisten dieser Studien werden mit untrainierten Probanden durchgeführt – bei diesen sind die Anpassungen erwartbar größer. So haben etwa Forscher der kanadischen McMaster-Universität die Effekte von Grundlagen- und Intervalltraining miteinander verglichen. Sie ließen ihre Probanden während sechs Wochen entweder HIIT oder im Grundlagenbereich trainieren. Die Trainingsinhalte: vier bis sechs 30-sekündige Sprints mit vierminütigen Pausen dreimal wöchentlich gegenüber 40 bis 60 Minuten Grundlagentraining mit 65 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme fünfmal wöchentlich. Das Ergebnis: Das Level an oxidativen Enzymen, die mit einer verbesserten Energiegewinnung einhergehen, nahm bei beiden Trainingsgruppen in gleichem Maß zu.

Die Intensitätsfrage beim Ausdauertraining

Für Intervalle gilt in der Regel: je kürzer, desto härter. Der Frage nach den Effekten verschiedener Intervalldauern gingen Forscher der Universität Lillehammer in Norwegen nach. Sie verglichen die Auswirkungen von „traditionellen“ Fünf-Minuten-Intervallen im Entwicklungsbereich mit denen von nur 30-sekündigen High-Intensity-Intervallen. Die Probanden, 16 gut trainierte Radsportler, wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Beide absolvierten je ein zehnwöchiges Intervall-Trainingsprogramm. Eine Gruppe fuhr pro Einheit viermal fünf Minuten und leistete dabei im Durchschnitt 324 Watt pro Intervall. Die andere leistete bei den nur 30 Sekunden kurzen Intervallen durchschnittlich 363 Watt.

Der „Workload“ und die wahrgenommene Anstrengung waren bei beiden Gruppen gleich. In den abschließenden Leistungstests zeigte sich, dass die Probanden der HIIT-Gruppe ihre aerobe Leistungsfähigkeit um durchschnittlich 8,7 Prozent gesteigert hatten. Jene der EB-Gruppe zeigten keine signifikanten Leistungsverbesserungen.

Zwar ließen diese eine Verbesserung in der Leistungsabgabe von fünf Prozent erkennen – jedoch lag der Leistungszuwachs der HIIT-Trainierenden deutlich höher: bei zwölf Prozent. In dem durchgeführten 40 Kilometer langen Abschlusszeitfahren war ihre Durchschnittsleistung ebenfalls um zwölf Prozent höher als vor der Trainingsphase. Die EB-Gruppe zeigte hier eine Verbesserung von nur vier Prozent.

In der Praxis hat sich längst bestätigt, dass es nicht heißen sollte HIIT versus HVT, sondern HIIT und HVT. Also lang und ruhig und kurz und hart. Auf die optimale Mischung kommt es dabei an. Denn beides ergänzt sich hervorragend. Dies haben nicht nur Studien gezeigt, sondern auch die praktischen Erfahrungen vieler Top-Athleten der WorldTour wie der Jedermann- und der Radmarathonszene.

Polarized Training, Schwellentraining, Training, Ausdauertraining

Zwei zentrale Trainingsmethoden: Polarized Training und Schwellentraining

Polarized Training

Die beiden Trainingsformen schließen sich nicht aus oder stehen in Konkurrenz zueinander, sondern wirken zusammen – als sogenanntes „polarisiertes“ oder „Polarized“ Training. Eine grobe Regel lautet: 80 Prozent des Umfangs sollten im Grundlagenbereich und 20 Prozent im intensiveren und HIIT-Bereich absolviert werden. In einer groß angelegten Studie wurden 48 Ausdauer-Athleten – Triathleten, Skilangläufer, Läufer und Radsportler – verschiedenen neunwöchigen Trainingsprogrammen unterzogen.

Die Ergebnisse: Die größten Zuwächse bei der aeroben Leistungsfähigkeit erzielten jene Sportler, die nach der Polarized-Training-Methode trainiert hatten – 11,7 Prozent im Durchschnitt. Mit großem Abstand folgt die High-Intensity-Interval-Gruppe – mit einer Verbesserung um 4,8 Prozent. Auch bei den Parametern Maximalleistung und Zeit bis zur Erschöpfung verbesserten sich die polarisiert trainierenden Athleten klar am stärksten: um 17,8 Prozent im Vergleich zu einer Verbesserung von 8,8 Prozent in der HIIT-Gruppe – und zu keinen signifikanten Zuwächsen bei den vorrangig nach der Grundlagenmethode trainierenden Sportlern.

Schwellentraining

Dem Polarized Training steht eine weitere Trainingsmethode gegenüber: das Schwellentraining.

Bei dieser Methode sind die Einheiten so gewählt, dass sie fast ausschließlich zwischen den beiden Laktatschwellen stattfinden. Das Schwellentraining ist damit dauerhaft intensiv. Belastungen in wenig intensiven sowie in hochintensiven Trainingsbereichen finden kaum statt. Die Effektivität des Schwellentrainings ist wissenschaftlich bewiesen – jedoch ist diese Methode physisch wie psychisch enorm fordernd. Das Training wird von den meisten früher oder später als zu anstrengend und langweilig empfunden. Der polarisierte Ansatz sorgt für deutlich mehr Abwechslung, ist mental weniger hart und so auf Dauer besser durchzuhalten. Und: Das Risiko, in den Übertrainingsstatus zu geraten, ist bei einem dauerhaften Schwellentraining deutlich größer, und zwar dann, wenn die Regeneration nicht ausreichend ist und man sich „in den Keller trainiert“.

Bei einem Polarized-Training-Ansatz dagegen wird ein Großteil des Trainings in einem Intensitätsbereich absolviert, der „angenehm“ ist. Sprich: Man kann die Zeit auf dem Rad auch genießen, da man weit von seinem „roten Bereich“ entfernt bleibt. Der Formaufbau: Hat man als Hobbyathlet die Zeit, sollte man lange und lockere Einheiten fahren, beispielsweise, indem man das Wochenende ausgiebig nutzt. Bei wenig verfügbarer Zeit sollte auf intensive und hochintensive Intervalle zurückgegriffen werden. Unter der Woche, wenn es früher dunkel wird, bieten sich Intervalle auf dem Rollentrainer zu Hause an.

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Nachhaltigkeit

Folgt man der 80:20-Regel, ist klar, dass man die langen Einheiten im Grundlagenbereich nicht durch ein „Mehr“ an Intervalltraining ersetzen kann. Wichtig bei der Trainings- und Saisonplanung ist das Wissen um die „Nachhaltigkeit“ seiner Form: Denn zwar zeigen viele wissenschaftliche Studien, dass die Effekte des Intervalltrainings oft stärker sind als die des Grundlagentrainings – doch solche in kurzer Zeit aufgebauten Formzuwächse und körperlichen Adaptionen bauen sich auch in einer deutlich geringeren Zeit wieder ab. So ist etwa das Leistungsniveau eines hauptsächlich nach der HIIT-Methode trainierenden Sportlers nach einem zweiwöchigen Familienurlaub ohne Radtraining in der Regel deutlich geringer als das eines vergleichbaren Athleten, der seine Grundlage mit langen lockeren Einheiten kontinuierlich aufgebaut hat.

Auch für denjenigen, der seinen Schwerpunkt auf regelmäßige Intervalltrainings setzen will, gilt – trotz der relativen Kürze der Einheiten –, dass die Trainingsumfänge und -intensitäten nur nach und nach behutsam gesteigert werden sollten. Man tastet sich quasi an die steigenden Belastungen heran und hört dabei auf die Signale seines Körpers – statt sich stur an Trainingsvorgaben zu halten oder, noch schlimmer, sich an anderen zu orientieren. Die Schwelle von einem optimal harten, fordernden und damit auch effizienten Formaufbau zu einem Abrutschen in das gefürchtete Übertraining ist schmal.

Intervalltraining, Ausdauertraining, Ausdauer, Training

Tipps für effizientes Intervalltraining

Intervalltraining: Tipps

Auch deshalb ist gerade bei Hobbyathleten, die stark auf ein Intervalltraining setzen, die, neben dem Training, andere Seite der Leistungsmedaille enorm wichtig: die Regeneration. Intensive Intervalle in einem nicht ausreichend erholten Zustand zu absolvieren, mindert deren Effektivität und birgt das Risiko, in eine negative Leistungsspirale zu geraten.

Eine grobe Richtlinie ist es, mit etwas längeren und weniger intensiven Intervallen zu beginnen, zum Beispiel mit dreimal sechs Minuten im sogenannten Entwicklungsbereich an der anaeroben Schwelle. Von dieser Basis ausgehend kann man nach und nach die Anzahl der Wiederholungen steigern – auf sechsmal sechs Minuten. Mit der Zeit kann man dann die Intervalldauer verkürzen und stattdessen die Intensität erhöhen. Gleiches gilt für die in der Regel noch einmal deutlich kürzeren High-Intensity-Intervalle: Hier kann man etwa mit kurzen All-out-Sprints – fünfmal sechs Sekunden mit 100 Prozent Intensität und je 30 Sekunden aktiver Pause dazwischen – beginnen und sich danach auf fünfmal 15 Sekunden mit je 30 Sekunden aktiver Pause steigern.

Man beginnt demnach damit, nach und nach das Intensitätslevel zu steigern – und „tastet“ sich somit nach und nach an höhere Intensitäten heran. Die folgenden Trainingspläne geben Beispiele. Sie umfassen je vier Wochen und sind – links – auf „Normalfahrer“ mit einem beschränkten Zeitbudget und – rechts – auf ambitionierte Athleten wie etwa Radmarathonfahrer ausgerichtet.

Detaillierte Trainingspläne für ein systematisches Ausdauertraining finden Sie in der RennRad 3/2020. Hier können Sie die Ausgabe als Print oder E-Paper bestellen.


Die Trainingsbereiche

KB: Kompensationsbereich

  • Kompensationsbereich für die aktive Erholung nach harten Einheiten
  • Lockere Ausfahrten sehr geringer Intensität bis 75 Minuten
  • Bis 50 % der anaeroben Schwelle

 GA1: Grundlagenausdauer 1

  • Grundlagenausdauer für langes und moderates Training
  • Mittlere und sehr lange Einheiten ohne Zeitbeschränkung,
    möglichst stetig
  • Beispieleinheit: 180 Minuten bei 65 % mit 5-mal 10-Sekunden-Sprints
  • 51–74 % der anaeroben Schwelle

GA2: Grundlagenausdauer 2

  • Der Tempobereich zwischen GA1 und den hohen Intensitäten
  • Belastungsdauer 10 bis 60 Minuten, vor allem zur Rennvorbereitung
  • 75–90 % der anaeroben Schwelle

Sweetspot-Training

  • Der „Punkt“ bei oberer GA2- und unterer EB-Intensität
  • Sehr effektiv für lange Belastungen mit 12 Minuten oder mehr
  • Beispieleinheit: 2-mal 20 Minuten bei 88 % mit 10 Minuten Pause
  • 88–93 % der anaeroben Schwelle

EB: Entwicklungsbereich

  • Entwicklungsbereich: Liefert starke Reize um die IANS und kann je nach Intensität 8–60 Minuten gehalten werden
  • Beispieleinheit: 3-mal 10 Minuten mit 8 Minuten bei 90 % und
    2 Minuten bei 102 % der IANS
  • 90–105 % der anaeroben Schwelle

 SB: Spitzenbereich

  • Spitzenbereich: Hochintensive anaerobe Belastungen, die nach kurzer Zeit zur Erschöpfung führen
  • Beispieleinheit SB1: 5-mal 5 Minuten bei 105–110 % IANS mit je
    5 Minuten aktiver Pause
  • Beispieleinheit SB2: 30/10 Over Unders mit 6 × 30 Sekunden bei 130–140 % der IANS im Wechsel mit 10 Sekunden lockerem Pedalieren, bis zu vier Wiederholungen
  • 105–120 % der anaeroben Schwelle
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Ausführliche Trainingspläne für ein Ausdauertraining findet Ihr in der RennRad 3/2020


Lesetipps – Studien

Laursen, P. B. (2010). Training for intense exercise performance: High-intensity or high-volume training? [Elektronische Version]. Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports, 20(2), 1–10.

Seiler, S., & Hetlelid, K. J. (2005). The impact of rest duration on work intensity and RPE during interval training [Elektronische Version]. Medicine & Science in Sports & Exercise, 37(9), 1601 –1607.

Seiler, S. & Sjursen, J. E. (2004). Effect of work duration on physiological and rating scale of perceived exertion responses during self-paced interval training [Elektronische Version]. Scandinavian journal of medicine & science in sports, 14(5), 318–325.

Seiler, S., & Tønnessen, E. (2009). Intervals, Thresholds, and Long Slow Distance: the Role of Intensity and Duration in Endurance Training [Elektronische Version]. Sportscience, 13(13), 32–53.


Die Experten

Das Radlabor wurde 1997 im wissenschaftlichen Umfeld der Universität Freiburg zusammen mit dem Olympiastützpunkt Freiburg-Schwarzwald gegründet. Im Radlabor wurden die wissenschaftlichen Grundlagen gelegt, um die Themen Leistungsdiagnostik, Pedalkräfte und Sitzposition auf dem Fahrrad im Detail zu untersuchen. Mittlerweile werden die dort entwickelten Systeme unter dem Namen „Smartfit“ bei Radhändlern weltweit als Bike-Fitting-Tools genutzt. Heute liegt der Anspruch des Radlabors darin, jeden Menschen, egal auf welchem Rad, individuell zu beraten. Die Standorte sind in Frankfurt, Freiburg und München. Die Trainingspläne stammen von Tanja Willersinn. Die Sportwissenschaftlerin ist die Laborleiterin des Standortes Freiburg. Weitere Informationen gibt es auf der Radlabor-Website.

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