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Grundlagen-Training: Wann, wo und wie lange?

"Viel hilft viel" - das ist vorbei

Grundlagen-Training: Wann, wo und wie lange?

Eine Weisheit, die so platt ist, dass sie zur Floskel wurde, lautet: Beim Radfahren geht es um Ausdauer. Der Winter und das Frühjahr sind die Zeit, um die Basis für die neue Saison zu legen. Deshalb heißt dieser Trainingsbereich auch „Grundlagenausdauer“. Sie ist die Basis, auf der man dann aufbauen kann.
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Für einen Radfahrer macht es kaum Sinn, intensive Einheiten ins Training aufzunehmen, wenn die Grundlagenausdauer noch nicht ausgebildet ist. Oder doch? In dieser Hinsicht hat sich in den vergangen Jahren sehr viel in der Forschung und im Trainingsalltag der Radprofis getan. Der aus der DDR übernommene Ansatz des „viel hilft viel“, lang und ruhig, ist längst überholt. Inzwischen fahren viele Radprofis schon früh im Jahr Intervalleinheiten. Das reine Grundlagen-Training haben viele deutlich zurückgefahren.

Schon vor Jahrzehnten setzten italienische Profis wie Fausto Coppi vor allem auf Intervalle.

Aktuell machte etwa das Team Sky um den zweimaligen Tour de France-Sieger Chris Froome mit seiner Trainingsmethode der „spiked efforts“ Schlagzeilen: Man fährt über einen längeren Zeitraum hinweg knapp unterhalb der anaeroben Schwelle und baut immer wieder simulierte Attacken ein, bei denen man mal „im roten Bereich fährt“. Nach diesen Attacken rollt man aber nicht aus, sondern fährt wieder im weiterhin intensiven Bereich knapp unterhalb der Schwelle weiter.

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Grundlagen-Training: kurz, intensiv

Was spricht nun für das kürzere intensivere Training? Zum Beispiel, dass es teilweise dieselben oder sogar stärkere Anpassungen des Körpers hervorrufen kann als langes Grundlagen-Training.

Wer regelmäßig seine Ausdauer trainiert, zwingt seinen Körper dazu, sich an solche langen Belastungen zu gewöhnen. Das Herz wächst, der Ruhepuls sinkt, die Zahl der Mitochondrien wächst, die Sauerstoffversorgung verbessert sich und vieles mehr.

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Trainingslehre: Neue Traditionen

Früher ging man davon aus, dass das intensive anaerobe Training und die dadurch hervorgerufenen hohen Laktatkonzentrationen die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, schädigten. Das scheint inzwischen ausgeschlossen. Auch Laktat an sich wird längst nicht mehr als schlecht, als zu vermeiden eingeschätzt. Laktat, das Salz der Milchsäure, das bei der anaeroben Energiegewinnung anfällt, wirkt als Signalmolekül – und damit als Trigger für die Anpassungen des Körpers an das Training. Landläufig gilt das Grundlagen- auch als das „Fettverbrennungstraining“. Denn der Anteil der verbrauchten Energie, die aus Fetten stammt, ist bei dieser Intensität relativ gesehen am höchsten.

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Inzwischen wurde jedoch auch gezeigt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. So hatten zwar die Probanden, die mit geringer Intensität trainiert hatten, in einer 20-wöchigen Studie der kanadischen Laval Universität mehr Kalorien (28.800) verbraucht als jene, die 15 Wochen lang intensiver trainiert hatten (13.800). Doch Letztere hatten signifikant mehr Körperfett verloren. Die Forscher schrieben das dem verbesserten Fettmetabolismus und der erhöhten Enzymaktivität zu.

Hochintensives Grundlagen-Training

Genau jene Effekte fanden Burgomaster und andere: Sie ließen ihre Probanden während sechs Wochen entweder HIIT (High Intensity)- oder im Grundlagenbereich trainieren, vier bis sechs 30-sekündige Sprints mit vierminütigen Pausen dreimal wöchentlich gegenüber 40 bis 60 Minuten mit 65 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme fünfmal wöchentlich.

Ergebnis: Das Level an oxidativen Enzymen, die mit einer verbesserten Energiegewinnung einhergehen, nahm bei beiden Trainingsgruppen in gleichem Maß zu. Perry und Kollegen wiesen bereits 2008 nach einem sechswöchigen HIIT-Programm nach, dass auch der Fettstoffwechsel durch das kurze hochintensive Training positiv beeinflusst werden kann.

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Die Intensitäts-Frage beim Training

Gilt nun also: Besser kurz und heftig als lang und ruhig? Sind die hochintensiven Intervalle dem traditionellen umfangbetontem Grundlagen-Training überlegen? Die Antwort lautet: Nein, so einfach ist es nicht.

Ein Radprofi trainiert jährlich zwischen 1.000 und 1.350 Stunden – und fährt in seiner Karriere durchschnittlich 400.000 bis 600.000 Kilometer. Die Grundlage, die „Basis“, auf der Profis ihre Intervalle und Rennen fahren, ist demnach eine völlig andere als bei „Normal-Radfahrern“.

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Trainingsintensität: Die Studienlage

In einer Studie von Zapico und Kollegen wurde die Trainingsintensität von spanischen U23-Fahrern im Zeitraum November bis Juni untersucht.

Zwischen dem Winter- und dem Frühlings-Mesozyklus kam es zu einem signifikanten Zuwachs des Trainingsumfangs – und zu einer Vervierfachung des intensiven Trainings um und über der anaeroben Schwelle. Erstaunlicherweise kam es jedoch zu keiner weiteren Zunahme der Kraftabgabe oder der maximalen Sauerstoffaufnahme.

Was bringt HIIT?

Die besten deutschen Nachwuchsruderer waren die Probanden einer Studie von Gullich und anderen, 27 der 36 Athleten gewannen in Untersuchungsjahr Medaillen bei den Junioren-Weltmeisterschaften.

Nach der 37-wöchigen Trainingsbeobachtung wurde konstatiert: Die Sportler blieben fast nur im Grundlagenbereich. 95 Prozent ihres Rudertrainings über blieben sie unter dem Level von zwei Millimol Blutlaktat und damit im aeroben Bereich. Forscher der Universitäten Agder und Oslo, Norwegen, haben die Ergebnisse vieler Studien zur Trainingsintensität verglichen.

Mit dem Ergebnis: Gerade bei weniger gut trainierten Menschen zeigten einige HIIT-Studien nicht die erhofften Effekte. Stattdessen empfehlen die Forscher, weiterhin auf das „normale“ Grundlagen-Training zu setzen – und intensivere Intervalle erst nach und nach und wohl dosiert als Ergänzungen einzusetzen. Denn selbst die meisten Elite-Ausdauer-Athleten gehen nach wie vor genau so vor: Sie absolvieren 75 Prozent oder mehr ihres Trainingsumfangs weit unterhalb ihrer anaeroben Schwelle.

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Intensität beim Grundlagen-Training: Die Kombination

Es geht also nicht um „lang und locker” oder „kurz und intensiv”, sondern um das intelligente Kombinieren der verschiedenen Trainingsformen. Gerade für Radsporteinsteiger ist das hochintensive Training nicht uneingeschränkt zu empfehlen.

Die sehr grobe und ungenaue Faustformel für Beginner lautet: Die Grundlage (Ga1) liegt zwischen 65 und 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Besser ist die Karvonen-Formel, bei der die Differenz zwischen der maximalen Herzfrequenz und dem Ruhepuls gebildet wird. Die Formel: Angestrebte HF=[(HFmax – HFruhe) x % der Belastungsintensität] + HFruhe. Am genauesten ist jedoch die Berechnung der Trainingszonen nach einem Leistungstest im Labor, in einem Insitut oder an einer Universität.

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Ganz kann keiner auf lange lockere Runden im Grundlagenbereich verzichten. Wer würde das auch wollen? Sie sind es, die das Radfahren ausmachen. Das Dahingleiten – das Genießen.

Trainingsideen für Grundlagen-Training im Radsport

1. Grundlagen-Ausdauer

3 Stunden GA1-Bereich, Dauerleistungsmethode

2. HIIT Sprints

30 x 6 Sekunden, 100 Prozent Intensität, Pausendauer 30 Sekunden

3. 20/40

Auch diese Intervalle lassen sich sehr gut an einem längeren Berg fahren: 20 Sekunden volle Belastung wechseln sich mit 40 Sekunden lockerem Treten ab. Dauer eines Durchgangs: fünf Minuten, zwei bis fünf Wiederholungen

4. 4 x 4

Vier Mal vier Minuten (später fünf Mal fünf) leicht oberhalb der anaeroben Schwelle bei 90 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Pausenlänge: zwei bis vier Minuten.

Wichtig: Vor und nach Intervallen empfiehlt sich dringend ein mindestens 20- bis 30-minütiges Warm- und Ausfahren. Auf solch intensives Training sollte in der Regel mindestens ein Ruhetag folgen.

Trainings-ABC

EB: Beim Training im Entwickungsbereich soll die Laktatelimination verbessert werden. Die Intensität beträgt zwischen 90 und 110 Prozent der IANS.

GA1: Grundlagenausdauer, rein aerobes Ausdauer- und Ökonomisierungs-Training. Die Belastung liegt bei 50 bis 77 Prozent der IANS. Die Trittfrequenz ist mit 80 bis 110 Umdrehungen pro Minute eher hoch.

GA2: Dieses ist etwas intensiver als GA1 und soll auch der verbesserten Kapillarisierung dienen. Die Intensitäten liegen zwischen 77 und 90 Prozent der IANS.

HIIT: Beim kurzen hochintensiven Intervalltraining wird etwa nach der Tabata-Methode im hoch anaeroben Bereich agiert.

IANS: individuell anaerobe Schwelle, die höchstmögliche Belastungsintensität am Gleichgewicht zwischen Laktatbildung und -abbau.

K1/K2: Intervalle, um die Laktattoleranz und Schnellkraft zu verbessern. Typische K1-Intervalle sind nur sechs Sekunden lang, somit fällt bei ihnen kein Laktat an. Im Gegensatz zu den oft rund einminütigen K2-Einheiten.

K3: Kraft mit Rad. Schwere Gänge, niedrige Trittfrequenz um 40 -60 Umdrehungen pro Minute bergauf. Die Krafteffekte des K3-Trainings sind umstritten.

KB: Kompensationsbereich. Hierbei geht es um die Regeneration. Die Intensität beträgt bis zu 50 Prozent der IANS.

Trainingsbereiche: Die deutsche Einteilung erfolgt nach KB, SB usw. US-amerikanische Autoren wie etwa Joe Friel nehmen inzwischen feinere Unterteilungen vor: Recovery, Aerobic, Tempo, Subthreshold, Superthreshold, Aerobic Capacity und Anaerobic Capacity.

SB: Verbesserung der VO2max sowie der anaeroben Leistungsfähigkeit und wird auch als Laktattoleranztraining bezeichnet. Hier werden Intensitäten von 110 Prozent der IANS realisiert.

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