Istria300, Radmarathon, Bericht, Report
Istria300: Radmarathon in Istrien – Race-Report und Top-Touren

Saisonfinale

Istria300: Radmarathon in Istrien – Race-Report und Top-Touren

300 Kilometer und 5000 Höhenmeter. Meer, Sonne, steile Anstiege – das ist der Radmarathon Istria300. Der Renn-Report, Top-Touren & Tipps.
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Nach 245 Kilometern geht plötzlich nichts mehr. Hier, an dem – gefühlt – hundertsten Anstieg, kann ich den Top-Fahrern nicht mehr folgen. Es ist ein Leistungseinbruch, wie ich ihn selten zuvor erlebt habe. Zwölf, elf, zehn, neun km/h – ich werde immer langsamer. Dafür schlägt mein Herz immer schneller. Schweiß rinnt in meine Augen und tropft auf meinen Radcomputer. Die darauf angezeigten Wattzahlen kann ich kaum noch erkennen. Doch ich spüre auch so, dass sie fast 100 Watt niedriger sind als zuvor.

Zwei anderen Fahrern aus meiner Gruppe geht es offenbar ähnlich wie mir. Doch der Rest der Gruppe zieht immer weiter davon. Eine Top-Ten-Platzierung ist damit nicht mehr möglich. Aber vielleicht reicht es noch für eine Platzierung unter den Top 15? Es ist eine vage Hoffnung. Wahrscheinlicher ist wohl eher, dass bald immer mehr Fahrer von hinten aufschließen und ich nicht nur ein- und überholt, sondern komplett durchgereicht werde.

Sonne und Meer

Rund siebeneinhalb Stunden zuvor, 06:45 Uhr. Ich stehe, gemeinsam mit 2500 anderen Teilnehmern aus über 30 Nationen, im Startblock. Wir sind an der Küste, in Poreč. Das Meer ist 50 Meter von uns entfernt. Obwohl gerade erst die Sonne aufgeht, ist es bereits angenehm mild. In Deutschland und Österreich ist es an diesem 7. Oktober nasskalt und herbstlich. Hier, an der nördlichen Adria, ist es noch Sommer. Das Teilnehmerfeld ist prominent besetzt – und extrem stark.

Um mich herum stehen, unter anderem, der Paris-Roubaix-Sieger 2021, Sonny Colbrelli, und der ehemalige österreichische Biathlet und WM-Bronzemedaillen-Gewinner Julian Eberhard. Auch den Olympiasieger und mehrfachen Weltmeister im Skispringen Martin Koch, die Siegerin des Ötztaler Radmarathons 2022 Catherine Rossmann und Robert Müller, einen der besten Ultracycling-Sportler der Gegenwart, sehe ich im Startblock. Zudem gehören viele österreichische und slowenische Lizenzfahrer sowie Radmarathon-Spezialisten zu den Teilnehmern.

Als das Rennen um sieben Uhr beginnt, ist das Tempo nach der neutralisierten Startphase daher sofort hoch. Einige Teams halten die Geschwindigkeit so hoch, dass es keine Ausreißversuche gibt. Ich rolle im Windschatten mit und versuche, mich so gut es geht, zu schonen und Energie zu sparen für das, was noch kommt. Dadurch habe ich immer wieder die Möglichkeit, die mediterrane Landschaft um mich herum wahrzunehmen. Ich bin zum ersten Mal hier in Kroatien. Um mich herum sehe ich Palmen, Kakteen, Hügel, das Meer, alte kleine Dörfer mit Steinhäusern und etliche Eidechsen. Immer wieder muss ich an die französische Côte d’Azur denken.

Steil bergauf

Nach einer langen Abfahrt hinunter ans Meer werde ich nach rund 75 Kilometern aus meinen Gedanken gerissen. Denn: Es geht plötzlich steil bergauf. Vorne wird das Tempo angezogen. Das Feld zerfällt sofort in etliche Gruppen. Immer wieder zeigt mein Radcomputer 400 Watt an. Ich bin komplett am Limit. Zum Glück geht es vielen anderen Fahrern um mich herum genauso. Der Anstieg hat zwar nur rund 230 Höhenmeter – doch oben besteht das Hauptfeld nur noch aus etwa 50 Fahrern. Ich bin dabei. Noch. Denn die Abfahrt danach ist eine Grenzerfahrung für mich – und für mein Material.

In den steilen, engen Kurven mit etlichen Löchern und kleinen Steinchen fahre ich extrem vorsichtig – und verliere Position um Position. Plötzlich rutscht ein slowenischer Fahrer in einer Kurve vor mir weg und stürzt. Ich kann gerade noch in eine Hofeinfahrt ausweichen. Irgendwann habe ich diese Abfahrt überstanden. Doch meine Gruppe ist weg. Gemeinsam mit ein paar anderen abgehängten Fahrern versuche ich, die Lücke wieder zu schließen. Ich bin schon wieder am Limit. 400, 420, 430 Watt – irgendwann ignoriere ich die Leistungswerte einfach. Bereits wenige Kilometer später geht es wieder bergauf.

 

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Erschöpfung und Finale

Irgendwann, nach einer gefühlten Ewigkeit, sehen wir unsere ehemaligen Begleiter endlich vor uns. Wenige Minuten später sind wir wieder in der ersten Gruppe dabei. Der Radmarathon entwickelt sich immer mehr zu einem Ausscheidungsrennen – bergauf und bergab. Später sehe ich in der Strava-App, dass einige Segmente Namen wie „Hell in Croatia“ und „Danger! Go fucking slow and don’t die“ haben. Bergauf kann ich heute gut mit den stärksten Fahrern mithalten. Bergab werde ich fast jedes Mal nach hinten durchgereicht – oder sogar abgehängt. Immer wieder muss ich danach den Abstand nach vorne wieder zufahren. Zum Glück führt jede Abfahrt meistens direkt wieder in einen Anstieg und ich kann wieder aufschließen. Doch mir ist klar: Das kann ich nicht 300 Kilometer lang durchhalten. Dafür wird jede Steigung viel zu schnell gefahren.

Insgesamt 22 Anstiege enthält die Strecke laut meinem Radcomputer. Die meisten von ihnen beinhalten „nur“ etwa 200 Höhenmeter. Doch sie sind fast immer steil. Im Moment habe ich noch nicht einmal die Hälfte von ihnen bewältigt. Erschöpft bin ich schon jetzt – nach knapp der Hälfte der Gesamtstrecke. Einen kurzen Moment lang überlege ich sogar, ob ich nicht spontan auf die kürzere 235-Kilometer-Strecke abbiegen soll. Doch ich schiebe diesen Gedanken sofort wieder beiseite.

Nach der Streckenteilung wird das Tempo zum Glück deutlich niedriger. Zum ersten Mal seit der Startphase kann ich mich ein wenig erholen. Die Anstiege werden zwar nach wie vor sehr schnell gefahren, doch in den Abfahrten und auch in den kurzen Flachstücken ist die Geschwindigkeit nun deutlich moderater. Etwa 80 Kilometer vor dem Ziel attackieren dann fünf Fahrer und setzen sich ab. Während den folgenden 20 Kilometern gibt es nahezu kein einziges Flachstück mehr. Es geht entweder steil bergauf – oder bergab. Ein Zusammenarbeiten oder gar ein Windschattenfahren ist fast nicht möglich.

Jeder leidet für sich alleine

Jeder von uns leidet bergauf für sich alleine. Unsere Gruppe zerfällt weiter. 30, 25, 20, 15 Fahrer sind es nur noch um mich herum. Nach jedem Anstieg – und nach jeder Abfahrt – sind es wieder ein paar weniger. Und dann sehe ich sie plötzlich vor mir: eine Wand. Die Straße ist extrem schmal, extrem schlecht und vor allem – extrem steil. Mit meiner Übersetzung von 35-28 komme ich schon im unteren Teil des Anstiegs an meine Grenzen. Doch das schmale Sträßchen wird immer steiler. Der Fahrer vor mir beginnt Schlangenlinien zu fahren. 19, 20, 21 Prozent Steigung. In Schrittgeschwindigkeit und im Wiegetritt wuchte ich mich diese Rampe hinauf. Ein paar Minuten später bin ich oben.

Nach 235 Kilometern erreichen wir das längste Flachstück des heutigen Tages. Dessen Länge: gerade einmal etwas mehr als zehn Kilometer. Danach folgt einer der längsten, und mit „nur“ rund vier Prozent Steigung auch einer der flachsten Anstiege des Tages. Doch für mich ist er heute schlimmer als jeder steile Alpenpass. Nach einer gefühlten Ewigkeit komme ich irgendwann oben an – und halte zum ersten Mal an einer Verpflegungsstation. Zwei Becher Cola, zwei Gels – dann fahre ich weiter. Nach ein paar Minuten wirken der Zucker und das Koffein und ich fühle mich wieder etwas besser.

Auch der Rückweg nach Poreč bietet landschaftlich noch einmal extrem viel. Doch ich nehme kaum etwas wahr, so erschöpft bin ich. Zum Glück ist mein Vorsprung nach hinten groß genug. Nach neun Stunden und 23 Minuten rolle ich über die Ziellinie – auf Platz 13. Für mich bedeutet dieses Ergebnis einen sehr zufriedenstellenden Abschluss meiner Saison. Nicht im nasskalten Herbst in Deutschland, wie ich das aus der Vergangenheit kenne. Sondern bei sommerlichen 30 Grad am Meer.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 1-2/2024. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.


Istria300 – Event & Strecken

Aufgrund des mediterranen Klimas und des umfassenden Straßennetzes mit wenig Verkehr im Hinterland entwickelt sich Istrien immer mehr zu einer Top-Trainingslager-Destination, die ganzjährig fast perfekte Trainingsmöglichkeiten bietet. IstriaBike und BikeHoliday bieten inzwischen regelmäßige Trainingscamps für Rennradfahrer, Triathleten und Gravel-Biker an.

Der Radmarathon Istria300 führt von der Küste in Poreč über die gesamte Halbinsel an der Adria. Die Zahlen der Langstrecke: 300 Kilometer und 5300 Höhenmeter. In diesem Jahr fand der Radmarathon zum dritten Mal statt. Neben der Langstrecke gibt es auch noch zwei kürzere Varianten: eine mit 225 und eine mit 152 Kilometern. Unabhängig davon, für welche Distanz man sich im Vorfeld angemeldet hat, kann man auch während des Rennens noch entscheiden, welche Strecke man fahren möchte.

In diesem Jahr fand der Radmarathon am 7. Oktober statt. Der Termin 2024: 28.09.2024. Weitere Informationen zu den Strecken und dem Event finden Sie unter: www.istria300.com

Istria300, Panorama

Istrien ist eine optimale Radsport-Region


Hotel-Tipps

Valamar Diamant Hotel

Brulo 1/1
52440 Poreč
www.bit.ly/valamar-diamant

Das Hotel hat ganzjährig geöffnet. Seit einigen Jahren kommen viele Development-Teams für ein Trainingslager nach Istrien – und nächtigen dann meist im Valamar Diamant Hotel.

Valamar Parentino Hotel

Pical 1
52440 Poreč
www.bit.ly/valamar-parentino

Das Hotel hat von Mitte März bis Ende Oktober geöffnet. Im Juni 2024 soll hier ein großes Bike Center eröffnet werden. Dann wird es hier etliche Leih-Räder im Angebot geben.


Istrien: Top-Touren

Parenzana

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Zur Ostküste

  • Startort: Poreč
  • Distanz: 198 Kilometer
  • Höhenmeter: 2820 Höhenmeter
  • GPS-Link: bit.ly/ostküste
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