Mecklenburger Seen Runde, Trainingstipps, Einblicke
Mecklenburger Seen Runde: Radmarathon, Jedermannrennen, Trainingstipps

Mecklenburger Seen Runde: 300

Mecklenburger Seen Runde: Radmarathon, Jedermannrennen, Trainingstipps

Das Erlebnis Langstrecke: 300 Kilometer nonstop durch den Nordosten Deutschlands, durch Natur, Wälder, Wiesen. Die Reportage vom Abenteuer Mecklenburger Seen Runde. Einblicke und Trainingstipps.
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Wir sitzen seit mehr als neun Stunden auf dem Rad, da taucht es auf, am Straßenrand, das Schild, auf dem die Zahl „50“ steht. 50 Kilometer sind es noch bis ins Ziel. Eine machbare Distanz. Eigentlich. An jedem anderen Tag – wenn wir nicht schon 250 Kilometer hinter uns hätten. Wir fahren in ein Waldstück, die Straße beginnt anzusteigen. Schon wieder. Der schmale Weg wird immer steiler. Zwölf, 13 Prozent Steigung. Nach wenigen hundert Metern haben wir auch diesen Hügel geschafft – und sind an der letzten Verpflegungsstation unserer Tour.

Ich weiß es schon seit Stunden: Ich lag falsch, so was von falsch. „Mecklenburg“, hatte ich gedacht, „das ist topfeben, da kann man schon mal 300 Kilometer am Stück Rad fahren“. Doch diese Runde im Nordosten Deutschlands ist so ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Die Landschaft ist abwechslungsreich. Ein Hügel folgt auf den nächsten. Wir sind im Norden Deutschlands. In der „Mecklenburgischen Schweiz“, im Zentrum des Bundeslandes. So erleben wir viele der Landes-Highlights auf dem Rad – an einem Tag. Denn wir sind heute Morgen an der Seenplatte gestartet, bevor wir gen Norden, in „die Schweiz“ fuhren.

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Dieser Artikel erscheint in RennRad-Ausgabe 1-2/2020

Mecklenburger Seen Runde: Langdistanz

Wir kamen bereits freitags, zwei Tage vor dem großen Tag, in Neubrandenburg an. Die fünfstündige Fahrt aus der Heimat, München, war lang, aber ruhig. Die Gespräche zu Hause verliefen in den Tagen und Wochen zuvor immer gleich: „Was, du willst 300 Kilometer mit dem Rad fahren? An einem Tag?“ „Ja.“ Die Reaktion: Ungläubigkeit und/oder Kopfschütteln. Dies sollte mein längster Tag auf dem Rennrad werden. Umgeben von schöner Natur, nicht in der Hektik eines Radrennens, sondern als soziales Miteinander, als ein Fahren mit Gleichgesinnten, mit Pausen und Verpflegung. Deshalb kam ich hierher. All dies habe ich hier gefunden. Bei der Mecklenburger Seen Runde. Das Konzept der Veranstalter ist einfach und erfolgreich, die Runde wunderschön. Mehr als 4200 Teilnehmer waren in diesem Jahr am Start. Neben der 300-Kilometer-Ultra-Distanz kann auch eine 90-Kilometer-Strecke absolviert werden.

Zudem findet ein kurzes Kinderrennen statt. Deshalb – und natürlich wegen des hohen Freizeitwerts der Region – eignet sich das Event ideal als Anlass für einen Familienausflug an die Seenplatte und in den Nordosten Deutschlands. Der Start- und Zielbereich ist in Neubrandenburg, direkt im Stadtpark. „Die beste Radfahrt deines Lebens“ nennen die Macher ihre Seen Runde. Für mich wird es ganz sicher die längste. Die Seen Runde gibt es seit 2013. Damals hatte Detlef Köpke die Idee, einen Radmarathon in seine Heimatregion Mecklenburg-Vorpommern zu holen. Inspiriert von der berühmten 300 Kilometer langen „Vätternrundan“ in Schweden rief er die MSR 300 ins Leben. Rund 2000 Menschen waren damals am Start. Inzwischen hat sich die Teilnehmerzahl mehr als verdoppelt. Wann man startet, ist den Teilnehmern überlassen. Somit gibt es hier kein Anstehen und Warten, keine Radfahrerstaus, keinen Stress. Wie bei einer Radtouristikfahrt kann man innerhalb eines definierten Zeitfensters losfahren, wann man will. Schon samstagsabends sind hier im Start- und Expobereich sehr viele Mountainbiker, Trekkingradfahrer und einige Rennradfahrer unterwegs – und abfahrbereit.

Manche Teilnehmer starten abends, um dann mit starken Akkulichtern am Rad das Erlebnis einer Nachtfahrt zu genießen oder um unterwegs eine Schlafpause zu machen. Die meisten jedoch, wie wir, starten morgens. Martin und ich entschieden uns für 6:50 Uhr als Startzeit. Der Himmel ist klar, die Luft ist kalt, rund zehn Grad. Die Wetterprognose: perfekt – Sonne und 22 bis 24 Grad am Nachmittag. Kurz nach dem Losrollen sehen wir bereits das erste Distanzschild am Straßenrand. Darauf steht eine sehr einschüchternde Zahl: 298. Zwei Kilometer sind geschafft. 298 sind es noch bis ins Ziel. Wir finden uns bald in einer größeren Gruppe wieder.

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Mecklenburger Seen Runde, Radmarathon, Jedermannrennen

Bei der Mecklenburger Seen Runde fährt man durch wunderbare Landschaften

Wellenreiten

Das Tempo ist schnell, aber recht gleichmäßig. Im Flachen zeigt der Tacho ab und an Zahlen von 39, 40, 41 km/h. Über die Wellen und kurzen Hügel „bügeln“ wir mit „der Scheibe“. Doch ob dieses Tempo, ob diese schweren Gänge durchzuhalten sind, 300 Kilometer lang? Nach rund 2:45 Stunden sind wir in Neustrelitz – und halten an der ersten Verpflegungsstation. Seit zwei Stunden hatte ich mich schon auf diese Tasse heißen Kaffees gefreut.

Noch sind wir frisch, noch ist es kühl. Uns kommt es so vor, als seien wir gerade erst aus Neubrandenburg losgerollt. Die Zeit und die Kilometer sind verflogen. Wir rollen weiter. Dann wird der Gegenwind immer stärker, bis die Strecke in Röbel an der Müritz die Richtung ändert. Die Kombination aus Tempo und Gegenwind sorgt dafür, dass unsere Gruppe bereits jetzt schon deutlich kleiner geworden ist. Auch jetzt folgen: kurze Wellen – viele davon. Hügel, die mehr als 100 Höhenmeter am Stück aufweisen, findet man hier nicht. Doch Dutzende von diesen, die alle je 20 bis 60 Höhenmeter haben, sorgen auf Dauer für einen ebensolchen Schmerz in den Beinen.

Das Höhenprofil der Mecklenburger Seen Runde sieht aus wie das Sägeblatt einer Laubsäge: Etliche kleine, nicht sehr hohe Hügel stellen sich den Radfahrern in den Weg. Ständig wird der eigene Rhythmus gebrochen. Bald kann man die Gänge nicht mehr „stehen lassen“. Bei der MSR 300 ist man viel mit der richtigen Gangwahl beschäftigt. Jedoch ist es die Natur, die für den vergossenen Schweiß entschädigt. Felder, Wiesen, etliche große, mittlere, kleine Seen, kleine Straßen, der Asphalt ist fast immer gut. Meist befahren wir ruhige Landstraßen, manchmal kleine Nebenstraßen. Doch ab und an kommt auch bei uns ein kurzes Paris-Roubaix-Gefühl auf.

MSR 300, Mecklenburger Seen Runde

 

MSR 300, Mecklenburger Seen Runde

 

 

Ruhe und Natur bei der Mecklenburger Seen Runde

Dann etwa wenn es über kurze Kopfsteinpflaster-Passagen geht. Hier hilft nur: schnell fahren. Je schneller man fährt, desto weniger stark spürt man die Schläge des Terrains unter seinen Reifen. Dennoch überstehen wir auch diese Herausforderungen ohne Defekte.

Die Seenrunde weist eine Klassikerstrecke auf. Sie ist eine Mischung aus Paris-Roubaix – flach, enge Sträßchen, Kopfsteinpflaster – und Flandernrundfahrt – viele kurze Hügel. Wobei die meisten der Wellen hier in Mecklenburg „flacher“ sind als jene in Belgien. Die Steigungsgrade liegen meist irgendwo zwischen fünf und acht Prozent. Die Beschilderung der Strecke ist perfekt, ein Verfahren ist fast unmöglich. Gleiches gilt für die Verpflegung. An den insgesamt vier Verpflegungsstationen warten nicht nur Energiespender, sondern auch kulinarische Genüsse. An der ersten Station holen viele Fahrer ihr Frühstück nach – mit frischem Brot, Käse, Wurst. An den anderen, später folgenden Stationen warten Suppen, Nudeln, Gebäck, Schokolade, Kuchen, belegte Brötchen, Bananen, Kohlenhydratgetränke, Kaffee und vieles mehr.

Auch an den Verpflegungsstellen kommt nie Hektik auf. Sowohl bei den Fahrern als auch bei den vielen Helfern ist die Laune extrem gut. Die oftmals leicht bis extrem verbissene und angespannte „Ich-muss-meine-Vorjahreszeit-unterbieten-Atmosphäre“, die man von Radmarathons kennt, gibt es hier nicht. Eher das Gegenteil davon. Dank der vier Verpflegungsstellen kann man sich auf der 300-Kilometer-Mammutstrecke immer wieder kleinere Teilziele setzen – und von Pause zu Pause denken. Durch die vier Stopps kann man sich die Strecke in vier gleichmäßige Abschnitte aufteilen, was die Herausforderung auch mental einfacher macht.

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Wind & Geschwindigkeit

Unsere Gruppe umfasst inzwischen rund 50 Fahrer. Einige Guides geben das Tempo vor. Wir fahren zügig, aber dennoch noch einigermaßen entspannt im Grundlagenbereich. Und genießen die Landschaft. Immer wieder kommen wir durch kleine Dörfer. Doch zwischen ihnen liegt viel Grün, viel Wald. Es geht auf und ab. Am Ende der Fahrt werden wir keinen einzigen richtigen „Berg“ bewältigt haben – aber dennoch rund 2000 Höhenmeter.

Wellen und Wind. Dies erleben wir hier den ganzen Tag. Außerhalb der Ortschaften und abseits des Schutzes der Bäume sind Seiten-, Rücken- oder Gegenwinde der Dauerzustand. Die Tour ist eine Reise durch die Zeit. Wir passieren immer wieder kleine Ortschaften, in denen die Zeit stehen geblieben scheint. Es ist schon kurz vor 16 Uhr, als wir durch Alt Schönau rollen. Immer wieder holen wir andere Radfahrer ein. Sie fahren in Gruppen, zu zweit oder allein. Die meisten auf Rennrädern, einige auf Gravel- oder Mountainbikes, einige auf Trekking- und Stadträdern. Egal wie man auf der Strecke unterwegs ist – so gut wie jeder Passant am Straßenrand feuert einen an. Eine Art Mini-Tour-de-France-Atmosphäre.

Nach der letzten Verpflegungsstelle trägt uns der Rückenwind voran. Das Tempo ist konstant hoch. Es ist halb sechs. Ich sitze seit 6:50 Uhr auf dem Rad. Seit fast elf Stunden. In einer langen Abfahrt und mit über 50 km/h geht es dem Ziel entgegen: Neubrandenburg. Dem Stadtpark. Den Essensständen. Der Pasta. Dem Bier. Der Dusche. Dem Bett. Den Gedanken daran, in 365 Tagen wieder hier zu sein.


Langstrecke: Ernährungstipps

Während eines Langdistanzevents lautet ein Motto: Hauptsache Kohlenhydrate. Hier sollte jeder Fahrer zuvor im Training die für ihn optimale Strategie herausgefunden haben. Der zweite Leitsatz lautet: keine Experimente. Man sollte nur das zu sich nehmen, was man bereits ausprobiert hat. Denn nicht jeder verträgt jedes Gel oder jeden Riegel. Ziel der Verpflegung im Rennen ist es, die Flüssigkeits- und Mineralienverluste auszugleichen und pro Stunde etwa 60 bis 90 Gramm Kohlenhydrate aufzunehmen. Letzteres, also eine Aufnahme von rund 90 Gramm, ist nur möglich, wenn man verschiedene Kohlenhydratarten miteinander kombiniert, in diesem Fall Glukose und Fruktose. Das Wasser in der Trinkflasche sollte natriumreich sein – und kann zum Beispiel mit Apfelsaft im Verhältnis 2:1 oder 3:1 gemischt werden. Viele Riegel und Gels beinhalten neben Kohlenhydraten auch Koffein. Dieses kann sich positiv auf die Leistung auswirken.

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