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Kasper Asgreen: Sieger der Flandern-Rundfahrt im Portrait

Danish Dynamite

Kasper Asgreen: Sieger der Flandern-Rundfahrt im Portrait

Attacken, Taktik und ein Sprint: Kasper Asgreen wurde zum Siegfahrer bei der Flandern-Rundfahrt. Werdegang, Training und Erfolge – der Däne im Portrait.
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Noch 400 Meter – und zwei Fahrer, die um den Sieg kämpfen. 300 Meter. 250. Fast gleichzeitig treten sie an, an der 100-Meter-Markierung liegen sie gleichauf. Dann gibt Mathieu van der Poel auf. Er war der große Favorit in diesem Zweier-Sprint. Doch sein Gegner ist nach den 260 Kilometern der Flandern-Rundfahrt der frischere, der stärkere Fahrer: Kasper Asgreen.

Der Sieg bei diesem Monument des Radsports ist der bislang größte in der Karriere des 26-jährigen Dänen. Nur zehn Tage zuvor gewann er einen anderen belgischen Klassiker, die E3 Classic, als Solist. Seit drei Jahren fährt Kasper Asgreen für das Deceuninck-Quick-Step-Team, seither verbessert er jedes Jahr seine Ergebnisbilanz. Seine Karriere begann jedoch bei einem kleineren Continental-Team in Deutschland.

An der Deutschen Bergstraße sieht Rolf Heutling den Sieg von Kasper Asgreen am Fernseher – und freut sich über den Erfolg seines ehemaligen Fahrers. Gemeinsam mit Danilo Carocci leitete er von 2013 bis 2015 das Continental-Team MLP-Bergstraße. Er kennt Asgreen aus dieser Zeit. Der Däne hatte sich bei seinem Team beworben, nachdem er das Juniorenalter verlassen hatte und U23-Fahrer wurde. Er war unerfahren, aber ehrgeizig. „Wir haben anfangs gezögert, ihn ins Team zu nehmen. Wir waren eine kleine Mannschaft mit fast ausschließlich deutschen Fahrern. Aber uns hat seine Entschlossenheit imponiert. Kasper wusste schon damals genau, was er wollte“, sagt Heutling. Die ersten Rennen waren schwierig, Asgreen machte viele Fehler. „Wir haben ihm beigebracht, wie man ein Rennen liest, wie man richtig taktiert.“

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Training und Zeitfahren

Damals beeindruckte Asgreen seine sportlichen Leiter durch seinen Trainingsfleiß. Im Birkenauer Tal an der Bergstraße hatte ihm Danilo Carocci damals eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Gemeinsam habe man dort eine Küche eingebaut. Asgreen habe sich wohlgefühlt.

Nach dem Training wurde in der teameigenen Werkstatt oft am Material getüftelt. „Kasper hat gern experimentiert“, sagt Robert Heutling. An seinem Zeitfahrrad habe er Holzklötzchen am Lenker montiert, um eine bessere Position zu erzielen. „Das Rad habe ich heute noch. Kasper und ich haben immer noch Kontakt.“

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Wie Kasper Asgreen entdeckt wurde

Nach seiner Zeit beim Team MLP-Bergstraße ging Kasper Asgreen zurück nach Dänemark zum Team Virtu Cycling von Bjarne Riis. Nach zwei Jahren entdeckte ihn Patrick Lefevere und holte ihn zu Quick-Step. Als U23-Fahrer überzeugte Asgreen vor allem als Zeitfahrer: Er gewann 2017 eine Etappe der Tour de l’Avenir und trug vier Tage lang das Führungstrikot.

Mit einer Größe von 1,92 Metern und einem Gewicht von 75 Kilogramm hat er ideale Voraussetzungen für die Klassiker. „Ich habe ihn zwei-, dreimal gesehen und gleich gemerkt, dass er großes Potenzial hat“, sagt Patrick Lefevere. „Er ist ein Fahrer von Format, mit eisernem Willen, einer, der bis zum letzten Meter kämpft, nie aufgibt, hart wie Stahl.“

Seit April 2018 trägt Asgreen das Trikot von Deceuninck-Quick-Step. Er konnte sich schnell in der Mannschaft etablieren. Er überzeugte zunächst als tempofester Helfer bei Rennen wie der Kalifornien-Rundfahrt und der Vuelta. Bei der unter anderem Mannschaftszeitfahren umfassenden Hammer-Rennserie zeigte er sein Zeitfahr-Talent. Zudem gewann er, zusammen mit Laurens De Plus, Yves Lampaert, Bob Jungels, Niki Terpstra und Maximilian Schachmann, 2019 in Innsbruck den Weltmeistertitel im Mannschaftszeitfahren.

Kasper Asgreen: Klassiker-Erfolge

2019 fuhr er sein erstes Klassiker-Top-Ergebnis ein: Bei der Flandern-Rundfahrt wurde er hinter dem – ebenfalls überraschenden – Solosieger Alberto Bettiol Zweiter. Er war einer der aktivsten Fahrer des Tages, animierte Ausreißergruppen, schloss Lücken im Feld – und hatte am Ende dennoch noch genug Kraft, um kurz vor dem Ziel die Verfolgergruppe hinter Bettiol zu attackieren und auf das Podium zu fahren. Den zweiten Platz belegte er auch bei den Europameisterschaften im Einzelzeitfahren. 14 Sekunden war Asgreen in Alkmaar langsamer als der junge Belgier Remco Evenepoel.

Wenig später wurde er dänischer Meister im Zeitfahren und gewann die dritte Etappe der Deutschland Tour im Sprint vor Jasper Stuyven. Zudem war er in jenem Jahr Etappensieger und Gesamt-Dritter der Kalifornien-Rundfahrt. 2020 zeigte er bei Kuurne-Brüssel-Kuurne endgültig die Qualitäten, die ihn auch in diesem Frühjahr auszeichnen: taktisches Gespür, Kampfgeist und eine außergewöhnliche Ausdauerleistung im Finale. Während sich die meisten Teams auf einen Massensprint bei dem belgischen Klassiker einstellten, griff Asgreen an. Und gewann am Ende als Solist. Die Sprinter-Teams konnten ihn nicht mehr einholen.

Siege auf der WorldTour

Beim E3-Preis von Harelbeke fuhr er in diesem Frühjahr seinen ersten von zwei WorldTour-Siegen heraus. Wout van Aert, Mathieu van der Poel und sein Teamkollege Julian Alaphilippe waren die Top-Favoriten für die Klassiker des Frühjahrs. Doch es war Kasper Asgreen, der gleich zwei der belgischen Kopfsteinpflaster-Rennen gewann. In dem 205 Kilometer langen Rennen fuhr der Däne immer wieder Attacken. 70 Kilometer vor dem Ziel setzte er sich ab. 50 Kilometer fuhr er allein an der Spitze, allein im Wind, allein über zahlreiche Kopfsteinpflaster-Passagen.

Der anfangs komfortable Vorsprung wurde geringer, je näher sich das Rennen auf das Ziel in Harelbeke zubewegte. Schließlich stellte ihn eine Verfolgergruppe um den Olympiasieger Greg van Avermaet und den Top-Favoriten Mathieu van der Poel. Mit dabei waren auch zwei seiner Teamkollegen, Florian Sénéchal und Zdeněk Štybar. Trotz seiner langen Solofahrt griff Asgreen im Finale noch einmal an, fünf Kilometer vor dem Ziel. „Wir waren als Team in der Überzahl“, sagte Asgreen nach dem Rennen. „Jeder von uns wusste genau, was er zu tun hat, und wir haben das perfekt umgesetzt. Ich wusste, dass ich in einem Sprint keine Chance haben würde, also musste ich es noch einmal probieren.“

Zehn Tage nach dem Sieg in Harelbeke feierte er den wohl größten Erfolg seiner Laufbahn, den Sieg bei der Flandern-Rundfahrt, einem der fünf Monumente des Radsports. Die Vorentscheidung fiel rund 35 Kilometer vor dem Ziel, als der letzte Ausreißer, der Schweizer Stefan Bissegger, eingeholt wurde.

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Der größte Sieg des Kasper Asgreen

Danach attackierte der Vorjahressieger Mathieu van der Poel, gefolgt von Wout van Aert, Julian Alaphilippe und Kasper Asgreen. Die großen Namen dieses Frühjahrs waren unter sich. Asgreen zeigte, wie schon in der Woche zuvor, dass sich sein taktisches Gespür seit den Tagen im Team Bergstraße enorm verbessert hat. Ebenso seine individuelle Stärke und die seines Teams. Während Alaphilippe attackierte, konnte der Däne im Windschatten seiner Konkurrenten bleiben und reagieren.

Van der Poel attackierte am Oude Kwaremont, 17 Kilometer vor dem Ziel. Der Niederländer distanzierte alle Konkurrenten – bis auf Asgreen. Die beiden erwiesen sich in der Schlussphase als ebenbürtig. Bei dem 254-Kilometer-Rennen zeigte er einmal mehr seine enorme Stärke im Finale. „Ich weiß nicht, ob ich der Beste war, aber ich hatte gute Beine. In den letzten Wochen war ich in guter Form, darum hatte ich Selbstvertrauen“, sagte der 26-Jährige nach dem Rennen. „Es war ein sehr hartes Rennen, wir sind beide am Limit gewesen.“

Am Ende gewann der stärkere Fahrer, aber auch der – in diesem Rennen – klügere. Kasper Asgreen konnte bei den früheren Attacken Kräfte sparen, er bewies Geduld, markierte die richtigen Antritte und sprintete im Finale vom Hinterrad des favorisierten Niederländers. Asgreens Entwicklung seit seiner Zeit bei dem kleinen deutschen Team Bergstraße ist enorm – und noch lange nicht zu Ende.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 6/2021. Hier können Sie die Ausgabe als E-Paper oder Printmagazin bestellen.


Kasper Asgreen im Steckbrief

Team Deceuninck-Quick-Step
Geboren 08.02.1995 in Kolding/Dänemark
Größe / Gewicht 1,92 Meter/75 Kilogramm

Erfolge von Kasper Asgreen

  • 2021 Flandern-Rundfahrt
  • 2021 E3 Saxo Bank Classic
  • 2020 Kuurne-Brüssel-Kuurne
  • 2019 Etappensieger Deutschland-Tour
  • 2019 Etappensieger Kalifornien-Rundfahrt
  • 2019 2. Flandern-Rundfahrt
  • 2019 2. Etappe Tour de France
  • 2019 3. Gesamtwertung Kalifornien-Rundfahrt
  • 2018 Weltmeister Mannschaftszeitfahren
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