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Kommentar: Cyclocross in Deutschland

Cyclocross in Deutschland: Verpasste Chancen

Kommentar: Cyclocross in Deutschland

Gast-Beitrag: Die deutsche Beteiligung an der Cyclocross-WM in Belgien ist dürftig. Obwohl es mit Stefanie Paul eine engagierte Kandidatin gab, wurde sie vom Bund Deutscher Radfahrer nicht nominiert. Ein Symptom der schlechten Behandlung des Crosssports in Deutschland. Ein Kommentar.
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Cyclocross führt in Deutschland seit Jahren ein Schattendasein. Und das nicht erst seit die erfolgreichen Zeiten der Weltmeister Klaus-Peter Thaler und Mike Kluge in den 1980er- und frühen 90er-Jahren vorbei sein. Hanka Kupfernagel wurde zwischen 2000 und 2008 vier Mal Weltmeisterin, Philipp Walsleben wurde U23-Weltmeister im Jahr 2009. Noch immer liegt Deutschland im Medaillenspiegel bei Cross-Weltmeisterschaften mit 14 Gold-, 18 Silber und 11 Bronze-Medaillen auf dem vierten Rang.

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Cyclocross: Früher eine Erfolgsgeschichte

Diese Erfolgsgeschichte hätte man weiter schreiben können. So wie unsere Nachbarn Belgien und die Niederlande, die genau in dieser Zeit die Weichen gestellt haben für eine erfolgreiche Entwicklung des Cross-Sports. Die Aussage des Bundes Deutscher Radfahrer, der Cross-Sport sei nicht olympisch und damit nicht förderungswürdig, wird dort gänzlich anders gesehen. Dort wurde insbesondere auf die aufstrebende Disziplin Cyclocross gesetzt. In anderen Ländern wie den USA zieht man nach.

Weltweit haben sich die Fahrrad-Hersteller auf den Cyclocross Sport eingestellt und neue Cyclocross Räder entwickelt. Zudem hat die UCI die Weltcup-Rennen auf dem amerikanischen Kontinent ausgebaut und es wurden die ersten Weltmeisterschaften in den USA ausgetragen.

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Stefanie Paul wurde vom BDR nicht für die Cyclocross-WM nominiert.

Cross-Nationen Belgien und Niederlande

Belgien und die Niederlande haben am Cross-Sport festgehalten und haben Top-Talente wie Mathieu van der Poel und Wout van Aert – heute zwei Ausnahme-Athleten – hervorgebracht. Und wie sich zeigt, dominieren sie nicht nur Cyclocross-Rennen, sondern bringen auch herausragende Ergebnisse auf der Straße – bei Klassikern und Etappenrennen – hervor.

Der BDR hat es versäumt, ähnliche Erfolgsjahrgänge zu fördern. Beispiel: Die WM 2009 in Hoogerheide. Das U23-Rennen der Männer. Philipp Walleben wird Weltmeister, Christoph Pfingsten gewinnt Silber, Marcel Meisen, Sascha Weber und Ole Quast fahren ebenfalls Top-Ergebenisse ein. Der BDR gewinnt die Nationenwertung bei dieser WM.

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Warum wurden diese Ergebnisse nicht genutzt, um den Cross-Sport zu fördern? Meiner Meinung nach ein klares Versäumnis des damaligen BDR-Trainers, Patrick Moster. Er ist heute BDR-Leistungssportdirektor und damit für die WM-Nominierung im Cyclocross verantwortlich. Warum man hier andere Prioritäten setzt, erschließt sich mir nicht.

Vielleicht sollte man sich beim BDR mal hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg für den Cross-Sport noch zeitgemäß ist und warum man eine unter den Sportlern beliebte und für die Ausbildung junger Sportler wichtige Sportart derart verkümmern lässt.

Man verliert immer mehr den Anschluss zu anderen Nationen. Ein weiteres, positives Beispiel ist Großbritannien: Dort findet man beispielsweise einen Tom Pidcock, Weltmeister bei den Junioren und in der U23 im Cross, der wie van Aert und van der Poel sehr erfolgreich auf der Straße fährt.

Welche Strategie verfolgt der BDR beim Cyclocross?

Beim BDR wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Hier setzt man den Junioren-Sportlern seit Jahren die Pistole auf die Brust: „Entscheide Dich – Cross oder Straße.“ Beides geht anscheinend nicht.

Viele vielversprechende Namen haben ihre Cross-Karriere so sehr früh beendet: Silvio Hertklotz, Leo Appelt, Juri Hollmann, Tom Lindner oder Niklas Märkl, um nur einige aktuelle Namen zu nennen. Wenn man diesen Sportler die Wahl gelassen hätte, ob sie weiterhin Cross fahren wollen, vielleicht hätte der BDR hier jetzt auch einen Weg für den Erfolg eines Pidcock, van der Poel oder van Aert geebnet?

Man muss als Trainer oder als Leistungssportdirektor natürlich ein Ziel und dazu eine Strategie haben, um einen Weg zu gehen. Nach meinem Eindruck gibt es weder das eine noch das andere. Dabei halten sich Top-Straßensportler selbst im Winter mit den Cross-Sport fit und bereiten sich auf internationale Rennen vor. Um nur ein paar Namen zu erwähnen: Zdenek Stybar und Marianne Vos, beide selbst mehrfache Cross-Weltmeister, Fabio Aru oder Heinrich Haussler.

Stefanie Paul, BDR, Cyclocross, WM

Deutschland stehen fünf Startplätze bei dem WM-Rennen der Frauen zu. Der BDR nutzt nur einen.

Der geplatzte Traum der Stefanie Paul

Wenn man dann über den schwierigen Weg einer Stefanie Paul liest, die sich nicht ausbremsen lässt, weder durch die Pandemie noch durch die Steine die ihr durch den BDR in den Weg gelegt werden, fragt man sich als begeisterter Cross-Sportler: Wie hoch muss das Engagement eines Sportlers oder einer Sportlerin noch sein, bis der BDR dies erkennt und den Einsatz würdigt? Selbst wenn es kein Ergebnis unter den ersten Zehn werden sollte – warum wird eine Sportlerin nicht nominiert, selbst wenn sie zu allen notwendigen Rennen vorab in Eigenregie gereist ist und dies auch bei der WM tun würde? Dieser ganze Fall ist mehr als ein Armutszeugnis.

17 andere Verbände schaffen es, SportlerInnen in vier Klassen bei der WM in Ostende an den Start zu stellen. Trotz der Corona-Pandemie und obwohl Cyclocross nicht olympisch ist. Zudem unterscheidet der BDR anscheinend zwischen Elite-Männern und Elite-Damen. Wie ist es sonst zu erklären, dass bei ähnlichen Ergebnissen ein Mann bei einer WM starten darf und eine Frau nicht?

Ich möchte hier nicht persönlich werden. Ich bin leidenschaftlicher Cross-Sportler und begleite den Cross-Sport seit Jahren als Sportler und Trainer und habe seit 1987 einige BDR-Trainer auf diesem Wege kennengelernt. Das „Engagement“ für den Cross-Sport hat aber mittlerweile – seit ich mich erinnern kann – einen neuen Tiefpunkt erreicht.

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