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Ronde van Vlaanderen: Vorschau auf die Flandern-Rundfahrt

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Ronde van Vlaanderen: Vorschau auf die Flandern-Rundfahrt

Radrennen sind in Belgien mehr als nur Sport-Ereignisse. Sie sind ein Teil der Kultur. Eine Vor- und Rückschau auf eines der größten Rennen des Jahres: die Flandernrundfahrt.
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100 Meter vor dem Ziel sind zwei Fahrer an die Spitze, sie sprinten genau nebeneinanderher. Es sind die beiden Topfavoriten. 55, 56 km/h – keiner kann sich vom anderen lösen, nach 243 Kilometern und 5:43 Stunden auf dem Rad. Zentimeter entscheiden, eine Reifenbreite: Mathieu van der Poel gewinnt vor Wout Van Aert. Dieses Rennen ist einer der Höhepunkt der ganzen Saison – und der langjährigen Rivalität zwischen zwei Supertalenten. Dieses Rennen war ein Drama, ein Spektakel, ein Fest. Dies war eines der traditionsreichsten, größten, wichtigsten Radrennen der Welt: die Flandernrundfahrt. Die Ronde.

Die Idee zu diesem Rennen entstand vor 109 Jahren. Der Tour-de-France-Sieger von 1912, der Flame Odile Defraye, überzeugte den Verleger der Sportzeitung „Sportwereld“, Karel Van Wijnendaele, ein Rennen nach diesem Vorbild zu organisieren. 1913 fand die erste „Ronde“ statt.

Erster Sieger der Ronde van Vlaanderen

Paul Deman hieß der erste Sieger: ein 24-jähriger Belgier, dessen Popularität durch diesen Sieg in seiner Heimat wuchs. Während des Ersten Weltkriegs leistete er Kurierdienste für die belgische Armee: Er versteckte geheime Nachrichten in seinem Goldzahn und transportierte sie auf dem Fahrrad von Belgien in die neutralen Niederlande. Kurz vor dem Kriegsende wurde er von den Deutschen verhaftet und zum Tode verurteilt. Die US-Amerikaner retteten ihn schließlich. Nach dem Krieg wurde er mit dem französischen Croix de Guerre und mehreren belgischen Orden ausgezeichnet.

Und: Er gewann Paris-Roubaix und begann, Fahrräder zu produzieren. Noch heute ist ein Sieg bei der Flandernrundfahrt gerade für viele Flamen der Höhepunkt ihrer Karrieren. Achiel Buysse, Brik Schotte und Rik Van Steenbergen prägten ab den 40er-Jahren eine große Ära des belgischen Radsports.

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Siegerliste der Ronde

In der Siegerliste der Ronde stehen zudem Rik Van Looy, Eddy Merckx, Walter Godefroot, Johan Museeuw und Tom Boonen. Die größten Namen der belgischen Radsportgeschichte. Insgesamt 69 Mal gewannen belgische Fahrer die Ronde bislang.

Doch seit dem dritten Sieg von Tom Boonen – womit er gemeinsam mit fünf anderen Profis Rekordsieger der Ronde ist – konnte nur ein Belgier in Oudenaarde feiern: Philippe Gilbert im Jahr 2017. Klassikerspezialisten aus anderen Nationen gewannen im vergangenen Jahrzehnt häufiger: Fabian Cancellara war dreimal erfolgreich, auch Niki Terpstra und Peter Sagan triumphierten. Ein Belgier war im Vorjahr, als die Flandernnundfahrt im Oktober stattfinden musste, nahe dran. Wout Van Aert verlor den Zielsprint gegen den Niederländer Mathieu van der Poel – in einem Rennen, das Geschichte schrieb.

Steil, steiler, Hellingen

Nicht nur aufgrund des ungewohnten Termins im Herbst, sondern vor allem deshalb, weil es ein spannendes, ein dramatisches Rennen war. Der wohl stärkste Fahrer des Feldes war: Julian Alaphilippe, der Weltmeister. Seiner Attacke am Taaienberg konnten nur van der Poel und Van Aert folgen. Doch 35 Kilometer vor dem Ziel endeten Alaphilippes Rennen, und seine Saison, tragisch. An letzter Position der Dreiergruppe fahrend prallte er auf ein auf der Strecke parkendes Begleitmotorrad, stürzte und brach sich das rechte Handgelenk.

Koppenberg, Oude Kwaremont, Muur van Geraardsbergen, Paterberg, Bosberg. Diese Namen kennt so gut wie jeder Radsportfan. Diese Anstiege sind durch die Flandernrundfahrt ebenso Legenden geworden wie die Fahrer, die auf dem Kopfsteinpflaster dieser „Hellingen“ attackierten.

Strecke der Ronde van Vlaanderen

Die Strecke veränderte sich im Laufe der Jahre immer wieder. Bei den vergangenen Austragungen waren der Oude Kwaremont und der Paterberg die finalen Anstiege des Rennens. „Der Oude Kwaremont ist kein normaler Anstieg. Es ist extrem wichtig, schon unten in der ersten oder zweiten Reihe zu sein, um in die richtige Position zu kommen, denn ab hier folgt ein Hügel dem anderen. Wenn du da hinterherfährst, kommst du nie mehr vor. Es ist ein Gesetz, dass der Sieger aus der Gruppe der ersten Zehn kommt, die als Erste über die Kuppe gehen“, sagt Peter Van Petegem, der Flandern-Sieger von 1999 und 2003. Er kennt jeden Hügel dieser flämischen Ardennen.

Die Anstiege hier sind meist nicht länger als zwei Kilometer, aber bis zu 22 Prozent steil, wie der Koppenberg. Sie sind – in normalen Jahren – von Zuschauermassen bevölkert. Das Kopfsteinpflaster, die „Kasseien“, erschwert die Auffahrt zusätzlich. Die Mauer von Geraardsbergen ist der wohl fotogenste der Hellingen: An ihrem höchsten Punkt steht eine kleine Kapelle, die vor dem Rennen mit Schleifen und Trikots geschmückt wird.

Doch die „Muur“ ist nicht in jedem Jahr ein Teil der Strecke. Es kam aufgrund der Zuschauermassen immer wieder zu Unfällen an diesem Anstieg, daher wurde er zwischenzeitlich aus dem Programm gestrichen. Bis 2011 war die Muur ein Teil des Rennfinales. Wird es 2021 wieder zu dem Duell kommen – Van Aert gegen van der Poel? Zumindest zählen beide wieder zu den absoluten Top-Favoriten. Im Rennen der Frauen zählt auch eine Deutsche zu den Sieganwärterinnen: Lisa Brennauer. Im Vorjahr wurde sie Vierte – hinter Chantal van den Broek-Blaak, Amy Pieters und Lotte Kopecky.

Die Ronde 2021 wird wohl wie jede Ronde: ein Radsportfest.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 4/2021. Hier können Sie die Ausgabe als E-Paper oder Printmagazin bestellen.

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