Ernährung, Robert Gorgos, Bora-Hansgrohe, Interview
Ernährung, Regeneration und Leistung: Robert Gorgos im Interview

Kohlenhydrate & Leistung

Ernährung, Regeneration und Leistung: Robert Gorgos im Interview

Seit sechs Jahren berät er die Profis des Teams Bora-Hansgrohe in Sachen Ernährung. Vor vier Jahren gründete er eine Sport-Ernährungsfirma mit, Ministry of Nutrition: Robert Gorgos im Interview über typische Ernährungsfehler, die Regeneration und Leistungspotenziale.
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RennRad: Herr Gorgos, die gefahrenen Geschwindigkeiten bei den Profi-Rennen nehmen zu, die Durchschnittsleistungen werden immer höher – auch wegen dem Faktor Ernährung?

Robert Gorgos: Ja, die sehr guten Leistungen im Profibereich und die Leistungszuwächse sind sicher auch mit einer verbesserten Ernährung zu erklären. Dies betrifft vor allem die Kohlenhydrat-Aufnahme.

Die ganze Charakteristik der Radrennen hat sich geändert: Es wird oft schon viel früher schnell und hart gefahren. Umso wichtiger ist die optimierte Energiezufuhr. Die Zeiten, in denen Rennfahrer während langer Trainingseinheiten oder gar im Rennen extra wenig gegessen haben, sind lange vorbei. Der Anstieg des Kohlenhydrat-Verbrauchs in der Relation zu steigenden Watt-Werten passiert exponentiell. Ergo hat man während Rennen und hochintensiven Einheiten, die nach dem Prinzip des „Polarized Trainings“ regelmäßig absolviert werden, einen immensen Verbrauch.

Für die Radprofis kennen wir je den individuellen Verbrauch genau, da wir hier die Software „Sentiero“ nutzen, die alle relevanten Daten – wie Laktatwerte, die VO2max, die ventilatorische Schwellen et cetera – kombiniert und in einer Grafik zusammenfasst. So bekommt jeder Athlet seine eigene Ernährungsempfehlung, die genau zum Verbrauch passt. Zu einer von vielen weiteren kleinen Maßnahmen zählt zum Beispiel, dass die Sportler am Tag vor wichtigen Wettkämpfen und am Renntag selbst die Zufuhr von Ballaststoffen stark reduzieren.

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Ist ein Low-Carb-Ansatz für Athleten geeignet?

Vor einigen Jahren setzten unter anderem die Profis des damals dominierenden Teams Sky um den Tour-Sieger Chris Froome einen Low-Carb-Trend – mit einer teils stark verminderten Kohlenhydrat-Aufnahme. Wie stehen Sie zu dieser „Diät“?

Von Low-Carb Ansätzen halte ich nichts – ich sehe den Sinn darin nicht. Möglicherweise kann so der Fettstoffwechsel für extreme Ausdauer-Distanzen etwas verbessert werden, aber auch das ist wissenschaftlich umstritten. Fakt ist, dass langanhaltende Low-Carb-Diäten die Kohlenhydrat-Aufnahme verschlechtern können. Das ist genau das, was man als Radsportler absolut nicht will.

Bei dem Thema Kohlenhydrat-Aufnahme hat sich in den vergangenen Jahren in der Sport- und der Ernährungswissenschaft viel verändert. Einst gingen die Wissenschaftler davon aus, dass man maximal 60 Gramm pro Stunde aufnehmen kann, dann erhöhte sich dieser Wert auf 90 Gramm – und aktuell wird eine Aufnahmefähigkeit von bis zu 120 Gramm diskutiert.

Die gute Nachricht ist: Die Kohlenhydrat-Aufnahme kann man gut trainieren. Vor allem sollte man dann, wenn es sportlich darauf ankommt, sicher gehen, dass man beide Zucker-Transport-Systeme des Körpers nutzt: das Glukose- und das Fruktose-System – über ersteres kann man sicher bis 60 Gramm, über zweiteres bis zu 30 Gramm pro Stunde aufnehmen. Das sollte bei jedem möglich sein. Wenn man den Prozess dann auch noch ausgiebig trainiert, kann man eventuell auch noch deutlich mehr aufnehmen.

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Nahrungsaufnahme während des Wettkampfs ist ein zentraler Leistungsfaktor

Verträglichkeit bei der Ernährung von Ausdauer-Athleten

Ein anderes, leider recht häufiges Problem beim Thema Energie-Aufnahme ist die teils schlechte Verträglichkeit. Sehr viele Ausdauer-Athleten leiden während langer intensiver Einheiten oder Wettkämpfen an Magen- oder Verdauungsproblemen.

Die Probleme hinsichtlich der Verträglichkeit liegen oft an den zugesetzten Aroma- und den Süßstoffen und der Zitronensäure. Extrem wichtig ist es, seine Renn-Ernährung schon lange vor den Wettkämpfen im Training zu testen – und nicht am Tag der Tage neue Energie-Gels, -Riegel und -Pulver, sondern das, von dem klar ist, dass man es gut verträgt, zu sich zu nehmen. Die Energie-Aufnahme sollte also trainiert werden – bereite nach dem Motto „train the gut“ den Magen auf eine während des Rennens sehr hohe Kohlenhydrat-Aufnahme vor.

Während der Entwicklung der MoN-Produkte haben wir dazu viele Verträglichkeitstests gemacht. Wir setzen teils auch Ananas-Extrakte ein, da diese Frucht durch ihren Enzym-Gehalt beruhigend auf den Magen wirken kann. Man sollte generell immer seine „Auf-dem-Rad-Verpflegung“ an die Intensität und die Dauer der Belastung anpassen. Unser Slow-Carb-Pulver empfehlen wir zum Beispiel primär für ruhige Grundlageneinheiten und auch dann vor allem zum Trainingsbeginn. Weil es bis dato kein ideal verträgliches Produkt gab, dass man jeden Tag ohne jedes gesundheitliche Problem – zum Beispiel für den Darm oder die Zähne – nutzen kann, haben wir vor vier Jahren MoN gegründet.

Was macht MoN anders als die Konkurrenz?

Schon damals war der Markt für Sporternährung recht gesättigt und hart umkämpft. Wie begann damals die Produktentwicklung und was machen Sie anders als die Konkurrenz-Firmen?

Am Anfang stand ich bei uns zu Hause in der Küche und habe mit der Briefwaage die verschiedenen Pulver abgewogen. Wir hatten das Glück, dass wir schon früh viele Top-Sportler als Tester hatten.

Die Grundidee lautete schon zu Beginn: Wir machen Produkte, die man jeden Tag einnehmen kann, ohne seiner Gesundheit zu schaden. Für die meisten Probleme sind, wie schon angedeutet, drei Arten von Stoffen verantwortlich, die fast allen Sportnahrungsmitteln zugesetzt sind: Aromastoffe, Süßstoffe, Zitronensäure. Letztere hat einen niedrigen pH-Wert und bringt dadurch auf Dauer oft Probleme für die Zähne mit sich. Wir verzichten auf all das und verwenden nur natürliche Zutaten. Wenn bei uns etwas von „Frucht“ auf der Packung steht, dann ist auch wirklich echte Frucht darin – zum Beispiel Kokosnuss-Wasser.

Zeitpunkt der Kohlenhydrat-Aufnahme

Welche Rolle spielt generell der Zeitpunkt, das Timing der Kohlenhydrat-Energie-Aufnahme – auch und gerade aus der Sicht eines Amateur- beziehungsweise Hobbyathleten?

Das Kohlenhydrat-Timing würde ich nicht unbedingt empfehlen, denn es bringt oft viel Stress mit sich und birgt Risiken. Viele unterschätzen auch ihren Verbrauch. Schon bei ruhigen Grundlageneinheiten verbraucht man oft 200, 250, 300 Gramm Kohlenhydrate. Bei Top-Athleten spielt zudem das Insulin eine eher geringe Rolle. Ihre Insulinempfindlichkeit ist meist sehr hoch – und während der Trainingseinheiten kommt es zu so gut wie keinen Anstiegen.

Ein Vorgehen könnte zum Beispiel sein, während langer GA1-Trainings anfangs seine Zucker-Zufuhr etwas knapper zu dosieren, dabei auf langsam vom Körper verwertete Slow-Release-Kohlenhydrate zu setzen – und diese dann später im weiteren Verlauf der Einheit durch andere Arten zu ersetzen und parallel die „Dosis“ zu erhöhen. Das Prinzip des Carbo-Loadings, eine Art „Ladephase“ mit einer erhöhten Kohlenhydrat-Aufnahme, würde ich jedem ambitionierten Sportler vor einem Wettkampf empfehlen. Das gilt sowohl für lange Radmarathons als auch für kürzere Rundstrecken-Rennen.

Es ist grundsätzlich immer besser, mit vollen Glykogen-Speichern zu starten. Jedoch würde ich von extremen Ausprägungen wie etwa der Saltin-Diät eher abraten und stattdessen sanftere Varianten ausprobieren, bei denen man zum Beispiel zehn Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht zu sich nimmt. Klar ist jedenfalls: Kohlenhydrate sind der limitierende Faktor der Wettkampfleistung.

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Robert Gorgos berät das Team Bora-Hansgrohe in Ernährungsfragen

Regeneration und Proteine

Zwei andere Stichworte: „Regeneration“ und „Proteine“ – gehört beides zusammen? Und wie sinnvoll sind die berühmten Recovery-Shakes nach einem Rennen oder harten Training?

Auch hier gilt: Mehr hilft nicht mehr. Es kommt immer auf den individuellen Bedarf an. Je mehr Muskelmasse man hat und je härter und länger das Training ist, desto höher ist der Bedarf. Bei Ausdauersportlern liegt er oft im Bereich von 1,5 bis zwei Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht.

Das Timing spielt dabei eine wichtige Rolle, denn unmittelbar nach den Trainingseinheiten beziehungsweise intensiven Belastungen kann und sollte man den sogenannten Open-Window-Effekt nutzen: Dann, in den ersten rund 30 Minuten nach dem Belastungssende, ist der Körper besonders „empfänglich“ für die aufgenommenen Nährstoffe. Somit wird der Regenerationsprozess unterstützt und der Trainingsreiz kann besser verarbeitet werden, was natürlich positiv für die Leistung am nächsten Tag ist.

Die Aufnahme von hochwertigem Eiweiß, oft rund 20 bis 25 Gramm, hat sich hier als effizient erwiesen. In flüssiger Form werden die Aminosäuren schneller aufgenommen, deshalb können Protein- beziehungsweise Recovery-Shakes nach dem Training oder Wettkampf Sinn ergeben. Eine weitere Handregel wäre etwa die Empfehlung, in jede größere Mahlzeit mindestens eine Proteinquelle zu integrieren. Schon damit kann der Bedarf in der Regel gedeckt werden.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 5/2023Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.


Ministry of Nutrition

Seit dieser Saison setzt das deutsche WorldTour-Team Bora-Hansgrohe auf die Sporternährungs-Produkte von Ministry of Nutrition, MoN Sports. Sämtliche Produkte enthalten keine künstlichen Zusatzstoffe, sondern stattdessen nur wenige speziell ausgewählte Zutaten, die auf eine optimale Verträglichkeit ausgerichtet sind, und in vielen Fällen hohe Echtfruchtanteile. Das Slow-Carb-Pulver enthält etwa Isomaltulose, eine Kohlenhydratquelle, die langsam ins Blut geht. Die Zutaten: 88,4 Prozent Isomaltulose, zehn Prozent Sauerkirschfruchtpulver aus Maltodextrin und Schattenmorellensaftkonzentrat, Mineralstoffe. www.mon-sports.com

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