Mehr Sicherheit im Straßenverkehr für Fahrradfahrer: Ein Kommentar

Kommentar: Wo die Politik versagt hat

Mehr Sicherheit im Straßenverkehr für Fahrradfahrer: Ein Kommentar

Radfahrer sind schwächer als Lastwagen, Autos und Motorräder. Egal, ob Schulkind, Pendler oder trainierender Rennradfahrer. Kommt es zum Zusammenstoß, ist klar, wer das Opfer sein wird.
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Dieses Jahr war reich an traurigen Meldungen aus dem Sport: Michele Scarponi, Nicky Hayden und Julia Viellehner kamen beim Training auf dem Rad ums Leben. Sie wurden nur 37, 36 beziehungsweise 31 Jahre alt. Aufsehen – zumindest für kurze Zeit – erregen immer nur einige prominente Namen. Die meisten Opfer bleiben anonym. Sie tauchen nur in einer kurzen Meldung auf – im Lokalteil, dem Polizeibericht oder der Verkehrsstatistik. Auch ohne die einzelnen bekannten Fälle von Scarponi, Hayden und Viellehner, ist völlig klar: Radfahren auf der Straße muss sicherer werden.

Sicherheit: Der Radfahrer hat weder Airbag noch Knautschzone

Radfahrer sind schwächer als Lastwagen, Autos und Motorräder. Egal, ob Schulkind, Pendler oder trainierender Rennradfahrer. Kommt es zum Zusammenstoß, ist klar, wer das Opfer sein wird. Der Radfahrer hat weniger als ein PS zur Verfügung – und weder Airbag noch Knautschzone. Auch deshalb gilt das Selbstschutzprinzip: Vorsichtig fahren, kein Risiko eingehen, Helm tragen, defensiv fahren, um Autofahrer nicht zu provozieren.

Fast alle Rad-, sind auch Autofahrer. Und haben somit Empathie dafür, im PKW nicht ständig aufgehalten werden zu wollen. Bei keinem geringen Teil der Autofahrer fehlt diese Empathie jedoch anscheinend. Fast jeder Rennradfahrer hat schon Situationen erlebt, die dies zeigen. Hupen, beschimpfen, schneiden, mit Absicht vor den Radlern stark abbremsen oder „der Klassiker“: mit weniger als einem halben Meter statt der vorgeschriebenen 1,5 Metern Seitenabstand und hoher Geschwindigkeit überholen. Natürlich finden sich auch unter den Rennradfahrern solche, die hohe Risiken eingehen, die sich und andere gefährden. Hier soll nicht die Schuld abgewälzt werden. Nur: Kommt es zur schweren Kollission, stirbt der Rad-, nicht der Autofahrer. Es fehlt das Verständnis für die Verletzlichkeit des Radfahrers. Viele sehen aus ihrem Wagen heraus nur ein in bunte Radkleidung gehülltes Hindernis – und nicht den Menschen, der darin steckt.

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Straßenverkehrsordnung: Die Politik muss endlich gegensteuern

Es gilt, Optimismus und Idealismus zugunsten der Realität zurückzustellen. Zwar appelliert Paragraph 1 der Straßenverkehrsordnung an „ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“. Doch diese fehlt im Alltag auf deutschen Straen leider oft. Ein weiteres großes Problem ist die schlechte oder oft kaum vorhandene Infrastruktur für den Radverkehr. Es braucht es in den Städten mehr klar gekennzeichnete Radwege. Viel zu oft teilen sich Autos und Fahrräder eine Fahrspur. Oder Jogger, Spaziergänger mit Hunden, langsame Radfahrer und Pendler oder Rennradfahrer kommen sich auf für alle freigegebenen, oft viel zu schmalen Wegen in die Quere. Würden die politischen Entscheidungsträger logisch und nachhaltig denken und, wäre ihnen klar, dass sie den Radverkehr fördern müssten. Allein schon aus Pragmatismus – aus finanziellen Gründen. Stichworte: Staus und ihr wirtschaftlicher Milliardenkosten, Feinstaub, CO2, „Zivilisationskrankheiten“ und ihre Milliardenkosten.

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Zum Schutz der Schwachen

Wenn auf den Straßen Vernunft und Rücksicht nicht ausreichen, dann müssen die Schwächsten geschützt werden. Es sind einige Reformen nötig. Außerorts gestaltet sich die Lage in der Regel etwas weniger kompliziert als in der Stadt. Viele Überlandstraßen sind breit ausgebaut. In vielen Fällen wäre genügend Platz für beide – Rad- und Autofahrer. Hier scheint vielen Verkehrsteilnehmern nicht klar zu sein, dass man auch mit Fahrrädern Straßen benutzen darf. Dafür reicht ein Blick in die Verkehrsordnung.

Dort steht auch, dass Radfahrer nicht jeden neben einer Straße führenden Weg benutzen müssen. Sondern nur Radwege, die durch ein blaues Schild als solche gekennzeichnet sind. Auch dies scheint Vielen nicht klar zu sein. Denn gerade in solchen Situationen – wenn sich Radfahrer auf der Straße bewegen, obwohl daneben ein anderer Weg verläuft – tritt bei nicht wenigen motorisierten Verkehrsteilnehmern die Überzeugung zu Tage, dass die schwächeren langsameren Verkehrsteilnehmer kein Recht hätten auf dieser „Straße für Autos“ zu fahren. Dass viele dieser kleinen Wege keine offiziellen Radwege sind, im Winter nicht geräumt werden oder etwa voller Rollsplitt sein könnten, kommt nicht jedem in den Sinn. Leider.

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Streitfall „Zweierreihe“

Ein wichtiges Beispiel: Erst bei mehr als 15 Radfahrern „im geschlossenen Verband“ darf in Zweierreihe nebeneinander gefahren werden. Hier sollte man bedenken: Lässt das Autofahrer den vorgeschriebenen seitlichen Abstand von eineinhalb Metern beim Überholen, dann kann er ohnehin oft nur überholen, wenn auch die Gegenfahrbahn frei ist. Und: Fahren beispielsweise acht Fahrer in Zweierreihe, ist der Überholweg nur halb so lang, wie wenn sie hintereinander fahren. Dass ein kürzerer Überholvorgang sicherer ist, ist logisch.

Was zudem den wenigsten bewusst ist: Fährt ein „geschlossener Verband“ von Radfahrern zusammen in eine Kreuzung ein, müssen die hinteren Fahrer auch dann den forderen folgen, wenn die Ampel zwischendurch bereits auf „Rot“ umgesprungen ist. Was kann man außer den Investionenen in die Radinfrastruktur und der Anpassung von Gesetzen noch tun? Umsicht üben alleine reicht nicht. Man muss Akzeptanz schaffen und zum Nachdenken anregen. Einsicht erfolgt durch vernünftige Reflexion.

Was hilft in puncto Sicherheit? Reden, reden, reden

Suchen Sie das Gespräch mit nicht-radelnden Nachbarn, Kollegen, Freunden und Verwandten. Geben Sie Einblick, wie bedrängt und gefährdet Sie sich auf der Straße fühlen. Erzählen Sie von Situationen, in denen es besonders brenzlig wurde. Fragen Sie die Autofahrer, wann sie sich von Radfahrern besonders gestört fühlen. Diskutieren Sie – auf Augenhöhe. Denn dann sehen Autofahrer im Radfahrer nicht das gesichtslose Hindernis, das Ärgernis in kunterbunten Funktionsklamotten. Sie sehen ein wertvolles Menschenleben.

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