Wattwerte
Windkanal-Test: Aero-Rennräder 2021 im Labor
in Test & Technik
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Alle zehn Aero-Modell-Räder dieses Testfeldes wurden in dem Windkanal der Gesellschaft für Strömungstechnik, GST, bei einer Windgeschwindigkeit von 45 Kilometern pro Stunde getestet. Dies ist die gebräuchliche Bezugsgeschwindigkeit für Zeitfahrer und Triathleten. Wobei klar ist, dass diese Geschwindigkeit für den „Durchschnitts-Hobbyathleten“ nicht auf Dauer umsetzbar ist. Da die erforderliche Leistung mit der Geschwindigkeit in der dritten Potenz steigt, lässt sich der Leistungsgewinn bei niedrigeren und höheren Geschwindigkeiten berechnen.
Mit einem Top-Aero-Rennrad aus diesem Testfeld benötigt ein Fahrer bei 45 Kilometern pro Stunde rund 30 Watt weniger Leistung als auf dem „Referenz-Normal-Rennrad“. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 km/h bleiben von den so „gesparten“ 30 Watt noch 14 Watt „übrig“. Aus den „gesparten“ 30 Watt im Beispiel bei 45 km/h werden bei einer Bergabfahrt mit 70 Kilometern pro Stunde ganze 113 „gesparte“ Watt.
- Die Berechnung: (35/45)³ * 30 Watt = 14 Watt
- Die Berechnung: (70/45)³ * 30 Watt = 113 Watt
Wie läuft der Windkanal-Test ab?
Die Laufräder wurden im Windkanal über Rollen angetrieben und drehten sich analog zur Windgeschwindigkeit ebenfalls mit 45 km/h. Der Prüfstand drehte sich bei den Messungen zwischen plus und minus 20 Grad, um Seitenwindverhältnisse darzustellen. Die Auswertungs-Software der GST berechnete abschließend die „gewichtete Leistung“ in Abhängigkeit der Anströmwinkel. Jeder einzelne Winkel wurde mit der dazugehörigen Leistung in dem Maß prozentual gewichtet, wie er auf der Straße realistisch vorkommt.
Die reine Frontalanströmung – ergo null Grad – kommt in der Praxis am häufigsten vor. Deshalb wird sie höher gewichtet als extreme Seitenwindverhältnisse. Die Messtoleranz des Windkanals für Messungen ohne Fahrer beträgt plus/minus 0,3 Watt. Die gewichteten Leistungen der Aero-Rennräder lagen zwischen 60 und 99 Watt, bei dem Referenz-Marathon-Rennrad sind es 113 Watt. Kleine Leistungswerte stehen dabei für eine bessere Aerodynamik.
Top-Werte im Windkanal: Das Simplon Pride II
Die besten Messwerte erreichte das neueste Modell in diesem Testfeld: Das Simplon Pride II bietet unter jedem Anströmwinkel den Top-Wert. Dabei profitert es von neuen, „lockeren“ UCI-Design-Bestimmungen, die unter anderem ein deutlich massiveres, optimiertes Steuerrohr erlauben. Dies war bisher nur bei Zeitfahrrädern möglich. 13 Watt weniger muss ein Fahrer mit dem Pride gegenüber dem nächstbesten Modell bei 45 km/h leisten.
Auch das zweitplatzierte Modell, das Cannondale SystemSix, überzeugt mit Top-Werten im Vergleich zu vielen anderen Modellen.
Vier weitere Räder liegen knapp auf den Plätzen dahinter, eines davon rangiert außer Konkurrenz: Das Canyon Aeroad in der Modellvariante von 2018 – mit Felgenbremsen. Als Vergleichsgrundlage testeten wir dieses „ältere“ und mit 7,06 Kilogramm in der Größe M sehr leichte Rad mit. Es zeigte sich, dass es hinsichtlich der Aerodynamik mit neueren Modellen wie dem Trek Madone, dem Merida Reacto und dem Specialized Tarmac „mithalten“ kann.
Ein weiterer entscheidender Parameter sind die Felgenhöhen der Laufräder. Die Hersteller setzen hier auf Höhen zwischen 35 und 64 Millimetern. Im Test zeigt sich: Je höher die Felgen sind, desto aerodynamischer – und seitenwindanfälliger – sind sie. Jedoch gilt auch: Ein aerodynamisch optimierteres Rennrad ist nicht automatisch „besser“ als ein anderes. Darum testeten wir die Räder, wie immer, auch sehr ausgiebig in der Praxis.
Die Ergebnisse des Windkanal-Tests: Aero-Werte
Simplon Pride II | 59,6 | 65,6 Watt |
Cannondale SystemSix Hi-Mod | 73,7 | 72,4 Watt |
Canyon Aeroad 2018 | Rim-Brake | 78,2 | 80,2 Watt |
Trek Madone SLR 9 | 78,9 | 77,3 Watt |
Merida Reacto Team-E | 79,0 | 77,4 Watt |
Storck Aerfast.Comp | 81,3 | 84,6 Watt |
Giant Propel Advanced Pro 1 | 81,5 | 82,0 Watt |
Specialized Tarmac SL7 | 82,9 | 79,2 Watt |
Scott Foil 10 | 89,6 | 85,7 Watt |
Lapierre Aircode DRS 7.0 | 94,4 | 91,2 Watt |
Basso Diamante SV | 99,4 | 93,7 Watt |
Canyon Endurace | Referenz-Rad | 112,9 | 103,3 Watt |
Der linke Wert gibt jeweils die gewichtete Leistung bei 45 km/h an. Der rechte Wert zeigt die Leistung bei null Grad, also bei einer Frontalanströmung, wie er in der Realität am häufigsten vorkommt. In der unteren Grafik sind die Ergebnisse für alle Anströmwinkel optisch klar sichtbar.
Das Kurz-Fazit: Das neue Simplon Pride ist in beiden Kategorien mit recht großem Abstand an der Spitze.
Die Aerodynamik-Messung: Die benötigte Leistung bei 45 km/h
In der Grafik ist die Leistung für 45 Kilometer pro Stunde über die Anströmwinkel von minus bis plus 20 Grad aufgetragen, gemessen wurde ohne Fahrer. Deutlich über den nahe beieinander-liegenden Kurven der Aero-Rennräder befindet sich die Kurve des Referenz-Rennrades Canyon Endurace CF SL 8 Disc. Diese Kurve zeigt einen typischen Verlauf für Rennräder mit flachen – am Testrad 23 Millimeter hohen Felgen – ohne einen Segeleffekt bei Seitenwind. Die geringste Leistung ist bei der Frontalanströmung nötig, da hier die angeströmte Stirnfläche am kleinsten ist.
Die benötigte Leistung nimmt mit größeren Winkeln und einer damit größeren Anströmfläche zu. Die unterste Kurve gehört zu dem klaren Aero-Sieger: dem neuen Simplon Pride II. Gewichtet „benötigt“ es bei 45 km/h 13 Watt weniger als das Cannondale SystemSix auf dem zweiten Platz. Die meisten weiteren Modelle liegen recht eng beieinander. Bei einigen Rennrädern ist der Segeleffekt der Laufräder deutlich zu sehen: Bei plus bis minus zehn bis 15 Grad weisen deren Leistungskurven je ein Minimum auf, wie es etwa an der Linie des Giant zu sehen ist.