Aero-Rennräder 2023 im Test: 8 Race-Räder

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Aero-Rennräder 2023 im Test: 8 Race-Räder

Schneller fahren mit der gleichen Leistung: Was bringen Aero-Rennräder? Wie alltagstauglich, komfortabel, robust sind sie? Acht Race-Modelle ab 4799 Euro im Vergleichstest.
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Die effizientesten Wege, um länger schneller Rad zu fahren, sind schlicht: mehr beziehungsweise besser trainieren – und abnehmen. Eine weitere, weniger anstrengende Option: besser auf dem Rad sitzen – „windschnittiger“. Denn: Hier besteht bei vielen Hobbyathleten noch Potenzial. Und: Dieses ist groß. Denn schon ab einer Geschwindigkeit von 20 km/h wird ein Radfahrer ganz überwiegend durch den Luftwiderstand abgebremst. Dessen „Bremskraft“ wächst exponentiell: Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h benötigt man rund 90 Prozent der Energie, um den Luftwiderstand zu überwinden. Das größte „Spar-Potenzial“ dabei birgt: man selbst. Denn der Mensch auf dem Rad ist für rund 75 Prozent des gesamten Luftwiderstandes verantwortlich – das Rennrad und seine Komponenten dagegen für „nur“ rund 25 Prozent.

Technisch betrachtet ist das Produkt aus Stirnfläche und cw-Wert entscheidend für den Widerstand. Die cw-Werte von Rennrad und Athlet liegen bei etwa 0,4-0,6. Mit einer optimierten Haltung lässt sich dieser Wert nur leicht verändern. Stärker beeinflussbar dagegen ist die Stirnfläche, also jene Fläche des Radsportlers, die als seine Querschnittsfläche in Strömungsrichtung dem Wind ausgesetzt ist.

Eine große Frage dabei lautet: Was bringt hier die Material-Optimierung? Unsere eigenen Windkanal-Messungen haben gezeigt: Der Einsatz von aerodynamisch optimierten Rahmen kann bei einer Geschwindigkeit von 40 km/h eine „Watt-Ersparnis“ von zehn bis 20 Watt bringen. Teils sogar noch mehr. Unser letzter Windkanal-Test zeigte, dass ein Fahrer mit einem Top-Aero-Rennrad bei 45 Kilometern pro Stunde rund 30 Watt weniger Leistung als auf dem „Referenz-Normal-Rennrad“ benötigt. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 35 km/h bleiben von den so „gesparten“ 30 noch 14 Watt „übrig“. Viel Potenzial findet man auch bei den Laufrädern: Besonders dann, wenn es zu dem sogenannten Segeleffekt kommt – wenn Seitenwind aufgrund der hohen Felgen eine „Anschubwirkung“ entfaltet. Jedoch zeigte sich auch in diesem Test, dass größere Felgenhöhen meist auch tendenziell mit einer erhöhten Seitenwindanfälligkeit einhergehen.

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Aerodynamik und Gewicht

Zu den am klarsten auf den Race-Einsatz ausgelegten Testrädern zählt etwa das Storck Aerfast.4 Comp. Der deutsche Hersteller „reizt“ die UCI-Vorgaben hinsichtlich der Rahmengeometrien am weitesten aus. Die Gabel ist extrem breit und flächig, auch das Steuerrohr bildet eine langgezogene Tropfenform. Die Sitzposition: tief, gestreckt, sportiv – der Dämpfungskomfort ist keine der ausgemachten Stärken des Aerfast.

Am anderen Ende des in diesem Testfeld vertretenen Ausrichtungs-Spektrums befindet sich das neue Liv Enviliv. Es ist die dritte Generation des Modells. Die Neuversion wurde vom „reinen“ Aero-Racebike hin zu einem aero-optimierten Allrounder weiterentwickelt. Im Test erwies sich das Enviliv als überraschend komfortabel, die Sitzposition als recht ausgewogen. Diese Entwicklung ist ein gewisser „Trend“ in diesem Testfeld. Die klar sportive Rahmengeometrie vieler Modelle wurde, zumindest durchschnittlich, ausgewogener, komfortabler und somit auch alltagstauglicher.

Aero-Rennräder, Test, Kaufberatung

Schneller fahren mit der gleichen Leistung: Aero-Rennräder machen es möglich

Inflation

Sehr leichte Räder sind in diesem Testfeld – naturgemäß – nicht dabei. Mit 7,59 Kilogramm Gesamtgewicht ist das Myvelo Verona das leichteste Testrad. Hier lässt sich eine immer stärkere Korrelation mit dem Preis feststellen. Nur die Top-Modelle vieler Hersteller nähern sich der Marke um sieben Kilogramm an.

Die günstigsten Räder, das Liv und das Canyon Aeroad CF SLX 7, wiegen 8,59 beziehungsweise 8,39 Kilogramm. Mit 11.499 Euro ist das neue Trek Madone SLR 7 das teuerste Rad in diesem Testfeld. Das Gewicht: 7,92 Kilogramm. Die Ausstattung: Eine Sram Force eTap AXS und hochwertige Bontrager-Aeolus-Carbon-Laufräder.

Die Inflation auf dem Radmarkt – und generell in der Wirtschaft – ist Thema des Leitartikels der Ausgabe 10/2022.

Diese Aero-Rennräder haben wir getestet

Marke Modell Preis Prädikat
Liv Enviliv Advanced 1 4799 Euro
Canyon Aeroad CF SLX 7 eTap 4999 Euro Kauftipp
Storck Aerfast.4 CompTestbrief 5199 Euro Race-Tipp
Cube Litening Aero C:68X Race 5499 Euro Race-Tipp
Myvelo Verona 5599 Euro
Fuji Transonic 1.1 6199 Euro
Stevens Arcalis 7234 Euro
Trek Madone SLR 7 AXS 11.499 Euro

Die ausführlichen Testberichte der Aero-Rennräder lesen Sie in der RennRad 6/2023. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.

Die getesteten Rennräder in der Bildergalerie

Liv Enviliv Advanced 1, Aero-Rennräder, Test, Kaufberatung

Liv Enviliv Advanced 1

Canyon Aeroad CF SLX 7 eTap, Aero-Rennräder, Test, Kaufberatung

Canyon Aeroad CF SLX 7 eTap

Storck Aerfast.4 Comp, Test, Kaufberatung

Storck Aerfast.4 Comp

Cube Litening C:68X Race, Aero-Rennräder, Test, Kaufberatung

Cube Litening C:68X Race

Myvelo Verona, Test, Kaufberatung

Myvelo Verona

Fuji Transonic 1.1, Aero-Rennräder, Test, Kaufberatung

Fuji Transonic 1.1

Stevens Arcalis, Test, Kaufberatung

Stevens Arcalis

Trek Madone SLR 7 AXS, Aero-Rennräder, Test, Kaufberatung

Trek Madone SLR 7 AXS

Am Test wirkten mit: David Binnig, Frederik Böna, Jan Zesewitz


Aero-Rennräder: Zahlen und Mythen

Zahlen, Wattwerte, CW-, CDA-, CRR-Wert. Die Aerodynamik ist ein zahlenlastiges und wissenschaftliches Feld im Radsport. Viele Tests sind aufwendig, kleinteilig – und oft teuer. Dabei ist der Fahrer für 75 Prozent, das Material für 25 Prozent des Widerstandes verantwortlich. Eine aerodynamische Sitzposition ist daher entscheidend für einen geringen Luftwiderstand. In der gebückten Unterlenkerposition mit angewinkelten Armen ist laut unseren Messungen bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h eine Leistung von 133,6 Watt nötig. In der aufrechten Oberlenkerposition mit durchgestreckten Armen sind für 30 km/h bereits 163,8 Watt nötig. Der Unterschied von rund 30 Watt, und damit das Watt-Spar- oder Geschwindigkeits-Potenzial, ist enorm. Mehr zum Thema Sitzposition & Aerodynamik: www.bit.ly/aero-sitzposition

Die von uns in verschiedenen Windkanal-Tests über mehrere Jahre gemessenen Unterschiede hinsichtlich des Materials – am Fahrer wie auch am Rad – können ebenfalls signifikante Unterschiede messbar machen. Eine für Viele vielleicht überraschende Erkenntnis: Die potenzielle Watt-Ersparnis von Aero-Kleidung ist nach unseren Tests fast viermal höher als jene von Aero-Laufrädern, während die Anschaffungskosten der getesteten Trikots und Einteiler deutlich geringer sind als die von Aero-Rennrädern oder -Laufrädern. Die Werte des Anbieters „Aerotune“, der Aero-Tests auch auf der Straße möglich macht, sowie umfassender Windkanaltests von Laufrädern, Helmen und Kleidung finden Sie in den kommenden RennRad-Ausgaben.


Aero-Details

  • Das konifizierte Steuerrohr des Trek Madone SLR 7 soll aerodynamische Vorteile bringen
  • Hohe Laufräder wie die Newmen SL R.65 des Cube Litening verringern den Luftwiderstand
  • Die extrem breite flächige Gabel des Storck Aerfast soll den Luftstrom effizienter leiten
  • Eine Aussparung am Sitzrohr wie beim Canyon Aeroad ist bei vielen Aero-Racebikes Standard
  • Kammtail-Rohrformen wie hier beim Fuji Transonic sind inzwischen an allen Modellen verbaut – sie bieten die besten Aero-Werte
  • Komfort & Aerodynamik – das auffällige IsoFlow-System des Trek bietet einen spürbaren „Flex“ und dient der Aerodynamik

Aero-Tests für Zuhause: Aerotune

Die Firma Aerotune bietet Aerodynamik- und Leistungstestung mittels einer neuentwickelten Digital-Plattform. „A faster you“ – lautet das Credo des deutschen Unternehmens. Die Möglichkeit zur umfassenden Erhebung von Werten zum Luftwiderstand ohne eine Windkanaltestung – sondern auf der Bahn oder Straße – wird auch von vielen Triathleten und Profi-Teams genutzt.

Der Testablauf

Für den Test muss sich der Fahrer bei Aerotune anmelden. Die Konnektivität ist mit dem Garmin IQ Store optimal. Dort gibt es die Aerotune-App zum Download. Zusätzlich benötigt man einen Geschwindigkeitssensor und ein Powermeter. Das Systemgewicht des Fahrers plus Ausrüstung muss ebenfalls in der Anwendung eingetragen werden. Im Anschluss gilt es, eine geeignete Teststrecke zu finden. Online finden sich Möglichkeiten für Strecken weltweit, inklusive einer Übersicht über die Genauigkeit der dort zu erwartenden Werte. Die Teststrecken sind je 1,5 Kilometer lang in einer Richtung und sollten mit gleichbleibenden Wattwerten in beide Richtungen und idealerweise zweimal absolviert werden. Nach den Fahrten und der Validierung der Daten zeigt die Auswertung in der App mehrere wichtige Parameter des Luftwiderstands wie den CdA-Wert an.

Zahlen zu Aero-Rennrädern und anderen Testprodukten finden Sie in den kommenden Ausgaben. Weitere Informationen und Hintergründe zum System finden Sie unter www.aerotune.com.


Windkandal-Tests

In den vergangenen Wochen waren wir mit Aero-Experten im Windkanal der Gemeinschaft für Strömungsmesstechnik, GST, in Immenstaad. Im Test: Aero-Laufräder um 60 Millimeter Felgenhöhe, Helme und Aero-Trikots. Die Ergebnisse der Tests finden Sie in den kommenden Ausgaben. Eine digitale Sonderausgabe zu allen ausführlichen Test- und Techniktests des vergangenen Jahres finden Sie unter www.bit.ly/test-spezial

Die RennRad-Windkanaltests wurden gemeinsam mit der Gesellschaft für Strömungsmesstechnik in Immenstaad am Bodensee, GST, unter der Leitung von Diplom-Ingenieur Volker Buchholz von der Hochschule OWL Lemgo und teils in Zusammenarbeit mit Jean-Paul Ballard, dem Aerodynamik-Experten und Gründer der Laufradmarke Swiss Side, durchgeführt. Weitere Informationen zu solchen Messungen gibt es hier: www.hs-owl.de/fb6www.gst-windkanal.de

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