Elektronische Schaltgruppen im Test: Shimano Dura Ace Di2, Campagnolo Super Record EPS und Sram Red eTap

Im RennRad-Test: Elektronische Schaltgruppen

Elektronische Schaltgruppen im Test: Shimano Dura Ace Di2, Campagnolo Super Record EPS und Sram Red eTap

Shimano Dura Ace Di2, Campagnolo Super Record EPS und die neue Sram Red eTap: In unserem Radtest geht es um die elektronischen Top-Gruppen, verbaut an drei High-End-Rädern. Ein Vergleich.
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Ein leichter Tastendruck und schon gleitet die Kette vom kleinen auf das große Kettenblatt. Immer gleich präzise, egal ob man bergauf schaltet oder die Finger nach vier Stunden Fahrt in nasser Kälte kaum mehr zu bewegen sind – elektronische Gruppen arbeiten immer gleich. Außer der Akku ist leer. Aber selbst dieses potenzielle Problem stellt sich angesichts von Akkureichweiten von teilweise 4000 Kilometern nur bei einem Versagen des Faktors Mensch.

2009 brachte Shimano die erste seiner elektronischen Di2-Schaltungen auf den Markt. Schon damals zeigte die Gruppe keine Schwächen. Das elektronische Schalten brachte einen Quantensprung. Bis heute hat eine starke Evolution stattgefunden. Die Italiener von Campagnolo, die auch schon sehr früh mit elektronischen Schaltungen experimentiert hatten, haben nachgezogen. Jetzt kommt der dritte große Komponentenkonzern mit einem neuen Konzept auf den Markt: Sram mit seiner eTap.

Die Besonderheit: Es fehlt einiges. Zum Beispiel sämtliche Kabel. Die Schaltbefehle werden per Funk übertragen. Die Energie kommt von kleinen Knopfzellen. Klingt einfach, ist aber eine echte Innovation. Unser Vergleichstest zwischen den elektronischen Konzepten von Campagnolo, Shimano und Sram sollte zeigen, wo deren Stärken und Schwächen liegen. Als Testfazit kann schon hier festgehalten werden: Alle drei Systeme sind ausgereift. Alle drei  bestechen durch schnelle saubere Schaltvorgänge und lange Akku-Laufzeiten. Im Gegensatz zu mechanischen Gruppen sind auch für den Schaltvorgang des Umwerfers keine Kräfte aufzubringen.

Evolution

Campagnolo bringt aktuell die nächste Evolutionsstufe der EPS auf den Markt, die neue „V3“-Steuereinheit. So hat nun auch das Steuerkästchen am Vorbau einen Ladeanschluss, das Design wurde aerodynamisch verbessert, der Akku passt nun in jeden Rahmen oder Sattelstütze, eine mehrfarbige LED-Anzeige zeugt vom aktuellen Akkustand.

Die etablierten EPS- und Di2-Gruppen zeigten auch im Dauertest keine Schwächen. Selbst an Cyclocrossrädern hatten unsere Tester sie bereits im Dauereinsatz – durch Kälte, Matsch und Schnee. Bei diesem aktuellen Test kamen die  elektronischen Top-Gruppen an entsprechenden Rennrädern zum Einsatz: auf den Renneinsatz getrimmten Top-Rennern.  Die Sram eTap findet man derzeit noch nicht an vielen Rädern. Eines der ersten ist das Pinarello Dogma F8w. Mit Sicherheit werden einige Hersteller in der kommenden Zeit nachziehen.

Ebenfalls weniger verbreitet ist die Campagnolo Super Record EPS. Sie ist eine seltene „Luxusgruppe“ und überwiegend nur an Rädern der absoluten Oberklasse zu finden. Am weitesten verbreitet im Vergleich der elektronischen Top-Gruppen ist mit Sicherheit die Dura Ace Di2 von Shimano. Für den Endverbraucher mit dem nicht ganz so großen Geldbeutel gibt es bereits heute mit der elektronischen Ultegra oder der Athena günstigere Alternativen. Doch gerade beim Faktor „Preis für elektronisches Schalten“ wird sich in den kommenden Jahren sicher noch viel erfreuliches tun.

Meinung von Ludwig Bestler (Redakteur Test und Technik)

„Die eTap hat das Zeug, viele Käufer zu gewinnen. Gerade durch ihre einfache Montage wird sie viele Fans finden. Selbst Rahmen könnten anders gestaltet werden, da die ganze Kabelführung entfällt. Shimanos Di2 und Campagnolos EPS schenken sich in Sachen Schaltpräzision nicht viel. Die Di2 ist noch etwas leichtgängiger und sanfter. Bei Campa sind die Gangwechsel generell etwas härter und knackiger, doch überzeugt hier die leichte Individualisierung, etwa der Schaltgeschwindigkeit per Smartphone-App. Die Campa-Bremsen sind etwas giftiger als die der Konkurrenten.“

Die Sram eTap ist der Herausforderer auf dem Markt der elektronischen Schaltgruppen. Die Batterien in Umwerfer und Schaltwerk sollen bis zu 1000 Kilometer oder rund 60 Stunden auf dem Rad halten. Das Wiederaufladen dauert rund 50 Minuten. In jedem Schalthebel sind kleine CR2032 Batterien verbaut, die einfach zu wechseln sind. Die drahtlose Kommunikation der Komponenten untereinander erfolgt über „Airea“, das 128-Bit verschlüsselt ist. Schaltwerk und Umwerfer haben einen Mechanismus eingebaut, der Sturzschäden minimieren soll: Bei einer harten Berührung geben beide Teile nach, statt starr zu bleiben.

Gefühlt waren die Schaltvorgänge teilweise minimal langsamer als bei den EPS- und Di2-Schaltwerken. Zwischen einem Kettenblattwechsel und dem Gangwechsel hinten vergeht bauartbedingt etwas Zeit. Dies könnte aber vermutlich höchstens Rennfahrer stören. Gut gefallen die neuen kleinen Zusatzschalter: die Blips. Diese sind über sehr dünne Kabel mit den Schaltern verbunden und können überall am Lenker oder einem Lenkeraufsatz angebracht werden, insgesamt vier Stück, zwei pro Seite. Weiterhin positiv: Die eTap-Teile sind mit den mechanischen Sram-Gruppen voll kompatibel. Die Hebel, Umwerfer und Schaltwerk sind also einfach nachrüstbar. Das kabellose Schalten könnte beeinflussen, wie Räder aufgebaut werden. Man braucht keine Löcher mehr im Rahmen, keine Zuganschläge oder Kabelhalterungen.

Qual der Wahl

Auch bei der Campagnolo EPS-Gruppe gefiel uns das haptische Feedback, das man als Fahrer bekommt. Von hinten hört man bei jedem Schaltvorgang ein sattes Klack. Zudem kann man sich auch mit den Campa-Hebeln kaum verschalten. An diesen gefällt – neben der Haptik – auch das einfache und schnelle Multishifting. Bei Shimanos Di2-Hebeln könnte ein Verschalten potenziell passieren, da die kleinen Schalter nebeneinander liegen. Allerdings hat man auch diese Schaltbewegungen schnell automatisiert. Die Ergonomie der Hebel ist Geschmackssache, alle drei sind recht schmal und auch für kleine Hände gut zu greifen. Bei Shimano erhält der Fahrer das geringste taktile Feedback. Doch die Schaltvorgänge an sich sind bei der Di2 am weichsten und geschmeidigsten. Die Dura Ace arbeitet absolut schnell und zuverlässig – und das langfristig. Sie war schon bei ihrer ersten Präsentation ein ausgereiftes Produkt, das jeden unserer Tester überzeugte.

Kurzcheck der Gruppen: Die Unterschiede

Modell Positiv Negativ
Campagnolo EPS gutes haptisches Feedback, Ergonomie der Bremsschalthebel, einfaches und vielfältiges Set-Up (Schaltgeschwindigkeit, Zahl der Gänge beim Multishifting etc) durch die neue kostenlose MyCampy-App, lange Batterielaufzeiten, mechanisch, aber Teil der Gruppe: sehr leistungsstarke Bremsen teilweise ruppigere Schaltvorgänge, umständliches Aufladen (in der alten V2-Version), Preis
Shimano Di2  leichtgängigste Schaltvorgänge, leise, perfekte Kettennachführung des Umwerfers, sehr lange Batterielaufzeiten, einfaches und schnelles Laden Verschalten potenziell möglich, geringes haptisches Feedback
Sram Red eTap Montage: keine Kabel, alle Positionierungen möglich, weniger potenzielle Verschleißteile und –Stellen, einfache Bedienung, Verschalten kaum möglich, sehr variabel durch Blips, neue Möglichkeiten für Rahmenbauer jedes Element braucht eine eigene Batterie, mehr Batteriestände sind im Blick zu halten, potenzielle Funksignalstörungen, hintere Schaltvorgänge gefühlt minimal langsamer, aktuell: nur kompatibel für Kassetten bis 28 Zähne

Überblick

Schaltwerk, Umwerfer und Griffe sind elektronisch gesteuert. Bremsen, Kurbeln etc. sind mit denen aus den mechanischen Baureihen identisch. Die Campagnolo Super Record EPS Gruppe wiegt 2044 Gramm, die Dura Ace 9070 Di2 2034 Gramm und die Red eTap 1933 Gramm. Die eTap liegt bei einem Komplettpreis von 2691 Euro – und damit auf dem Niveau von  Shimanos Dura-Ace Di2. Die EPS-Gruppe liegt hier sogar noch einmal deutlich darüber, bei rund 4000 Euro.

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