Grundlagen- oder HIT-Training: Welches ist das richtige Training?

Grundlagen- oder HIT-Training?

Grundlagen- oder HIT-Training: Welches ist das richtige Training?

Welches ist das richtige Training für Sie? Grundlagen- oder HIT- Training? Wir stellen beide Trainingsmethoden vor!
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Rückblende

In den siebziger und achtziger Jahren gehörte die DDR zu den stärksten Radsportnationen auf Straße und Bahn. Westdeutschland hatte zwar immer wieder talentierte Sportler, konnte jedoch nicht mit dem kleinen Nachbarn mithalten. Nach der Wende verteilten sich die Ostsportler und ihre Trainer über das gesamte Bundesgebiet und brachten quasi im Gepäck eine ausgeklügelte Trainingsmethodik mit, die nachweislich erfolgreich war. Zentrales Element dieser Methodik war das Grundlagentraining – große Umfänge bei geringer Intensität. Im Westen arbeitete man nach unterschiedlichen Konzepten, vor allem aber deutlich ungeplanter. Ein talentierter Rennfahrer aus NRW erinnert sich an seine Juniorenzeit Ende der achtziger Jahre: „Wir machten im Kader damals regelmäßig Laktatuntersuchungen. Im Training sollten wir mit 4 mmol Laktat oder der entsprechenden Herzfrequenz fahren. Eine Weile habe ich so trainiert, doch bei einem Durchschnittstempo von über 35 km/h war ich nur noch kaputt.“

Italien fährt schnell!

Doch schon in den achtziger und neunziger Jahren trainierten einige Nationen intensiv. Insbesondere italienische und belgische Straßenprofis fuhren selten länger als vier Stunden, dafür aber intensiv und schnell. Das ist auch heute noch so. Bei dieser Art des Trainings wird der aerob-anaerobe Mischstoffwechsel angesprochen, bei dem der Energieumsatz viel höher ist und der Fettstoffwechsel nicht annähernd so stark beansprucht wird. Die Trainingsbelastung und damit die Ermüdung sind insgesamt höher einzustufen. Mit diesem kurzen und harten Training fuhren italienische Profis sehr erfolgreich. Vereinfacht ausgedrückt scheint es also mindestens zwei, wenn nicht sogar mehrere Wege zur Topform zu geben. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass diese Profis vor ihrer Profilaufbahn meist etwa zehn Jahre oder länger Kilometer gesammelt haben und somit auch eine ausgezeichnete Grundlagenkapazität besitzen.

Was ist Grundlagentraining?

(GA) ist laut Definition ein rein aerobes Training mit einem hohen Fettverbrennungsanteil an der Energiebereitstellung. Die Belastung liegt meist unter 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz und die Laktatkonzentration steigt selten über 2,5 mmol/l Blut. Der Körper geht keine Sauerstoffschuld ein, und der Stoffwechsel befindet sich in einem stabilen Gleichgewicht. Die Trittfrequenz ist mit 80–110 eher hoch, und die gleichmäßige Dauermethode wird am häufigsten angewendet. Das Ziel des Grundlagentrainings besteht darin, die Laktatproduktion auch bei mittleren Intensitäten zu reduzieren und höhere Leistungen unter aeroben Stoffwechselbedingungen zu erzielen. GA-Trainingseinheiten sind durch große bis sehr große Umfänge mit geringer Intensität gekennzeichnet. Trainiert man mehrere Stunden pro Woche die Grundlagenausdauer, nimmt die Kapillarisierung in den Muskeln zu, und die Zahl der Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen, steigt.

Zu Zeiten Jan Ulrichs hat das Team Telekom nicht selten 300 Kilometer lange Einheiten im Frühjahrstrainingslager absolviert. Diese überlangen Einheiten sollen insbesondere den Fettstoffwechsel verbessern und dabei auf zellulärer Ebene die Voraussetzungen für die aerobe Energiebereitstellung verbessern. Auch die Regenerationsfähigkeit und die Belastungsverträglichkeit werden stark verbessert. Das Trainingsrezept für Rundfahrtspezialisten ist einfach: Im Saisonverlauf wird monatelang nur die Grundlagenausdauer trainiert und erst wenige Wochen vor dem Saisonhöhepunkt die Intensität durch spezielle Trainingseinheiten und durch Rennen erhöht.
Tatsächlich fuhren in den neunziger Jahren selbst manche Bahnspezialisten wie der 1000-Meter-Olympiasieger José Moreno aus Spanien enorme Umfänge. Für eine Belastungszeit auf der Bahn von gerade einer Minute legte Moreno etwa 30.000 Kilometer im Training zurück.

 

Grundlagentraining
Pro
–    Überdosierung schwieriger
–    Einfache Planung
–    Einfach umzusetzen
Contra
–    Sehr zeitaufwändig
–    Langweilig
–    Spritzigkeit geht verloren
–    Oftmals Stagnation der Leistungsentwicklung
HIT-Training
Pro
–    Zeitersparnis
–    Schnellerer Formanstieg
–    Stärkere Hormonantwort
–    AbwechslungsreichContra
–    Sehr belastend
–    Höheres Verletzungs- und Infektionsrisiko
–    Überdosierung häufig
–    Maximales Leistungsniveau wahrscheinlich limitiert
–    Funktioniert am besten nach einigen Jahren GA-Training

Vollgas mit HIT

Heute ist das HIT-Training in aller Munde. Das sogenannte Hochintensitätstraining oder High-Intensity Training legt den Schwerpunkt auf hochintensive Trainingsbelastungen und nutzt niedrigintensives Training nur noch zur Regeneration. Inspiriert durch andere Sportarten wie zum Beispiel Leichtathletik, Schwimm- oder Kraftsport, setzen sich auch im Radsport zunehmend HIT-Programme durch und halten Einzug in den Profibereich.

Beim Hochintensitätstraining wird selten und kurz, dafür aber hochintensiv trainiert. Doch ist das wirklich alles neu oder vielleicht doch nur ein alter Hut? Schon in den neunziger Jahren trainieren italienische Profis mit den berüchtigten 40/20-Intervallen. 40 Sekunden Belastung gefolgt von 20 Sekunden Erholung. Und auch Fausto Coppi kombinierte hochintensives Training mit Riesenumfängen. Was genau man beim HIT-Training macht, ist nicht festgeschrieben. Die Spanne reicht von zehn Intervallen à 60 Sekunden mit maximaler Leistung über 30 Wechselbelastungen von 30 Sekunden mit sehr hoher Intensität und 30 Sekunden Ausrollen bis hin zu 100 Wiederholungen von ganz kurzen Antritten. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, und die Wissenschaft hat bisher nur wenige Methoden überprüfen können.

Was sagt die Wissenschaft?

Wissenschaftler haben an wenig trainierten Probanden herausgefunden, dass ein intensives Training mit minimalem Zeitaufwand zu einem sehr viel schnelleren Leistungsanstieg führt als niedrigintensives Grundlagentraining. „Zehn einminütige Sprints auf einem Radtrainer mit einer Pausendauer von einer Minute, dreimal in der Woche, funktionieren beim Training genauso gut, wie viele Stunden konventionellen Radfahrens im weniger anstrengenden Bereich“, sagt Professor Gibala von der McMaster Universität in Hamilton (Kanada). Es scheinen dabei sogar die gleichen zellulären Mechanismen angesprochen zu werden wie beim Grundlagentraining. Höhere Belastungsreize ziehen dabei eine ausgeprägte Hormonantwort nach sich.

Uneinig ist sich die Wissenschaft allerdings bezüglich der Frage, ob Hochtrainierte in ähnlichem Maße auf die intensiven Belastungen ansprechen wie die Probanden der meisten Studien, die zwar gesund, aber nicht besonders ausdauertrainiert sind. Ebenso ist völlig ungeklärt, ob man mit beiden Konzepten die individuell höchste Leistungsfähigkeit erreichen kann oder ob der Leistungsolymp dann doch eher dem Grundlagenkonzept mit gelegentlichen Belastungsspitzen vorbehalten ist. Für das Hochintensitätstraining könnte allerdings auch sprechen, dass viele Rennfahrer nur dann richtig in Form kommen, wenn sie möglichst viele Rennen fahren. Und Rennen sind in den meisten Fällen intensiv. Allerdings liegt vor der Saison in der Regel eine ausgeprägte Phase des Grundlagentrainings. Doch dazu in der übernächsten Ausgabe mehr.

Und nun?

Die Quintessenz ist die Daseinsberechtigung beider Trainingsformen. Wer wenig Zeit hat und gesund ist, kann auch mit HIT seine Form konservieren und in Maßen aufbauen. Wer jedoch Zeit hat, kombiniert am besten ein umfangsorientiertes Training mit regelmäßigen und häufigen hochintensiven Intervallen. Ganz wichtig: Ruhe und Regeneration sind jetzt noch entscheidender. Mit ein wenig Erfahrung und Körpergefühl katapultiert man seine Leistung so auf ein neues Level. Bei Erkältungen sollte man auf keinen Fall intensiv trainieren, denn hochintensives Training kann viel leichter zu Herzmuskelentzündungen führen.

 

So geht’s
Für eine anstrenge HIT-Einheit auf dem Rad braucht man gerade einmal eine Stunde. Nach einem 20-minütigen Einrollen folgt der Hauptteil, der 20 bis 30 Minuten dauert. Das Ausfahren sollte ebenfalls nicht vergessen werden, hier reichen zehn bis 20 Minuten. In den Intervallpausen wird ganz entspannt weitergetreten. HIT-Training lässt sich übrigens auch auf der Rolle perfekt durchführen. Auch leichte Steigungen bieten sich für die Intervallarbeit an.

Subjektiv trainieren
Sauerstoffaufnahme und Leistung sind nur für die wenigsten Sportler messbar, die Herzfrequenz reagiert bei kurzen Belastungen zu langsam, deshalb wird subjektiv entweder maximal (100%) oder etwas darunter (90%) belastet, ohne die genaue Vorgabe eines Parameters. Je nach Trainingszustand und Trainingshäufigkeit werden ein bis drei Einheiten pro Woche eingeplant, die Grundlageneinheiten werden entsprechend reduziert, an den intensiven Tagen entfällt das Grundlagentraining völlig. Auch die Blockbildung über zwei Wochen mit acht bis zehn Einheiten macht Sinn. Grundsätzlich sollte man sich die Zeit nehmen und verschiedene Formen ausprobieren.
Programmvorschläge
a) 10x  1 min 90-100%; Pausendauer 1 min
b) 20 x 30 sec 90-100%; Pausendauer 30 sec
c) 30 x 6 sec 100%; Pausendauer 24 sec
d) 6 x 4 min Zeitfahrtempo; Pausendauer 2 min

 

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