Kommentar Über Höflichkeit
Kommentar: Höflichkeit im Radsport

Höflichkeit im Radsport

Kommentar: Höflichkeit im Radsport

Ein Kommentar über die Höflichkeit von David Binnig.
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Dieser Kommentar handelt von Höflichkeit – und von sich wandelten Umgangsformen. Im Radsport gibt es viele ungeschriebene Gesetze. Wer Lizenzrennen fährt, lernt diese sehr, sehr schnell. Oder bekommt große Probleme in einem Fahrerfeld. Auf den Straßen kann man nicht voraussetzen, dass alle Radfahrer alle „guten Umgangsformen“ kennen. Aber es gibt ja noch nicht einmal mehr eine Basis der Höflichkeit.

Aktuelles Beispiele Nummer eins: Man fährt Rennrad, überholt einen anderen Rennradfahrer, grüßt ihn, wird nicht zurückgegrüßt. Derjenige hängt sich wortlos in den Windschatten, man fährt höflicherweise sein normales Tempo weiter, zeigt Richtungswechsel und Schlaglöcher an. Bis man gen Schleichweg nach Hause abbiegt. Man zeigt dies an, rollt vor der Kurve neben dem anderen her, schaut ihn an, er schaut zurück, eine Sekunde, bevor er wieder geradeaus schaut und weiterfährt. Kein Danke, kein Gruß, kein Kopfnicken, kein nichts. Dies war kein Einzelfall.

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Höflichkeit vs. Individualismus

Beispiel Nummer zwei: Das Thema Grüßen. Wenn man heute Rad fährt, begegnen einem viele Menschen, die vor sich hin oder einen anstarren, weiterpedalierend, keine Miene verziehend, auch kein einziger Finger bewegt sich auch nur einen Millimeter vom Lenker. Nach Jahren des Beobachtens habe ich beschlossen, eine kleine soziologische „Studie“ dazu durchzuführen. Während drei je zwei- bis dreistündigen Ausfahrten im Münchner Süden. Das Studiendesign: Bei einer Fahrt zählte ich alle Rennradfahrer, die mich zuerst grüßten – bei zwei Fahrten zählte ich alle Rennradfahrer, die zurückgrüßten, nachdem ich sie gegrüßt hatte. In die Grüßwertung ging jedes Fingeranheben vom Lenker sowie jedes Kopfnicken ein. Bei der Auswertung wurden je die Zahl der Grüßer mit der der Nicht-(Zurück)-Grüßer in Relation gesetzt.

Die Ergebnisse: Von jenen Rennradfahrern, die gegrüßt wurden, grüßten rund 35 Prozent zurück. Zuerst, also von sich aus, grüßten rund zehn Prozent der rennradfahrenden Probanden. Ein Desaster. In meinen Augen. Weitere Beobachtungen: Frauen grüßen eher noch seltener als Männer – genau wie Fahrer, die neue teure „Edel-Radkleidung“ bestimmter Marken tragen. Wer schnell und guttrainiert beziehungsweise nach Lizenzfahrer aussieht, grüßt tendenziell öfter.

Natürlich ist dies eine „Witz-Studie“, die weder valide noch objektiv ist. Dennoch haben diese Beobachtungen meine zuvor selbstauferlegte Gleichgültigkeit erschüttert. Ich wurde im Radsport anders sozialisiert. Die Ergebnisse der kleinen Studie haben wir auf der RennRad-Facebook-Seite geteilt. Das Feedback zeigte klar, dass dieses Verhalten kein regionales Phänomen ist. Es ist ein sozial-gesellschaftliches. Man teilt ein wunderschönes Hobby, man ist an der Natur, man könnte offen sein, zumindest höflich. Doch diese Zeiten sind wohl vorbei. Es herrscht die Zeit des auf den GPS-Computer oder das Smartphone-Starrens, die Zeit des sich selbst Vermessens, des ständigen Kosten-Nutzen-Abwägens, des sich für seine Leistung digital Aufmerksamkeit Sicherns. Es herrscht die Zeit des puren Individualismus.

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