Radschuhe, Wissenschaft, Neues aus der Forschung
Radschuhe: Welcher Schuh passt zu welchem Fuß?

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Radschuhe: Welcher Schuh passt zu welchem Fuß?

Komfort, Gewicht, Passform und mehr: Radschuhe müssen viele Kriterien erfüllen. Welcher Schuh passt zu welchem Fuß? Ein wissenschaftlicher Einblick.
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Sattel, Lenker, Pedale – dies sind die Kontaktpunkte zwischen dem Menschen und der Maschine. Doch nur unter den Füßen sind das Wesen und die Materie während des Radfahrens fest verbunden: Indem die Radschuhe an den Füßen des Fahrers in die Pedale „eingeklickt“ werden. Hier findet die Kraftübertragung statt, hier wird „gezogen“ und „gedrückt“, hier haben viele Radsportler immer wieder Probleme – etwa bezüglich des Komforts beziehungsweise der Passform ihrer Schuhe.

Was müssen „die idealen“ Radschuhe leisten? Leicht, komfortabel und robust sollen sie sein, und eine steife Sohle sollen sie haben. Doch welche Kriterien die wichtigsten sind, ist individuell: abhängig vom Fahrertypen und den eigenen Ansprüchen.

Und: Welcher Schuh passt zu welcher Fußform? Tendenziell orientieren sich die meisten Rennradschuhe noch immer an dem italienischen „Businessleisten“: Dieser ist eher schmal und für einen „spitzen“ Vorderfuß und somit für die sogenannte „griechische Fußform“ gedacht. Mehr als die Hälfte der Europäer hat jedoch die „ägyptische Form“ – und damit einen eher breiten Vorderfuß.

Radschuhe: Tragekomfort und Breite

Viele müssen sich somit damit abfinden, dass ihre Füße nicht der modischen „Idealproportion lang und schmal“ entsprechen. Und: Die Füße werden in der Regel mit zunehmendem Alter breiter. Zu den Folgen des Tragens zu schmaler Radschuhe zählen unter anderem das Fußbrennen an der Außenseite und das Verspannen der Plantarfaszie, was zu einem Brennen im Fußgewölbe führt.

Eine Studie von Dettori und Novell untersucht das Auftreten von Unterschenkel- und Fußverletzungen aus einer Meta-Analyse von nicht traumatischen Verletzungen auf dem Rad. Die Athleten berichteten selbst über ihre Schmerzniveaus – die Daten wurden über Mehrtagesrennen von 545 Kilometern bis zu 7242 Kilometern Länge erhoben. Die Prävalenz von Unterschenkel- und Fußverletzungen wurde in den drei Gruppen mit unterschiedlicher Belastung mit sieben, 13 beziehungsweise 22 Prozent, bei einer Inzidenzrate von 24 Prozent, angegeben.

In den vergangenen Jahren haben immer mehr Hersteller auf diese Diskrepanz reagiert. So hat etwa Shimano die Fußleisten seiner Radschuhe bereits vor einigen Jahren geändert und bietet die Modelle nun in den Varianten „normal“ und „breit“ an. Gleiches gilt für den Hersteller Fizik – und auch die Mavic-Radschuhe sind in der jüngeren Vergangenheit insgesamt klar breiter geworden.

Radschuhe und die Steifigkeit der Sohle

Ein anderes viel diskutiertes Thema vor dem Radschuhkauf lautet: die Steifigkeit der Sohle. Hier gilt: Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass eine möglichst hohe Sohlen-Steifigkeit nur der möglichst verlustfreien Kraftübertragung dient – und somit primär für sehr ambitionierte Rennfahrer von Vorteil ist.

Dieser Logik folgend, kaufen viele weniger ambitionierte Radsportler günstigere Schuhe mit mehr oder weniger „weichen“ Nylonsohlen, da sie sich davon einen höheren Tragekomfort versprechen. Doch: Eine zu starke Verwindung der Sohle wirkt sich auf die Supinationsstellung der Beinachse aus. Dies führt bei Radsportlern nicht selten zu einer Überlastung an der Fußaußenseite. Eine potenzielle Folge können Fuß- und Knieschmerzen sein.

Oliver Elsenbach, der Gründer von Solestar, erklärt dieses Phänomen im RennRad-Interview: „Wenn sich die Sohle nicht verbiegt, bleibt der Fuß stabiler und ermüdet weniger. Anders beim Obermaterial: Hier hängt der Komfort häufig vom Material ab. Es gilt: An Punkten der Kraftübertragung sollte der Oberschuh maximal fest sein. Sensible Fußbereiche ohne Funktion für die Kraftübertragung sollten weicher gepolstert sein. Die meisten Druckstellen gibt es im Bereich des „Mittelfußkopfs fünf“, außen vorne. Das liegt oft an der falschen Pedaleinstellung, der Fuß drückt zu sehr seitlich gegen den Schuh. Diese Kraft sollte eigentlich in den Vortrieb und nicht in den Fuß geleitet werden.“

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Steifigkeit und Sohlenmaterial der Radschuhe

Sportmediziner und Orthopäden der Universität Potsdam verglichen in einer Studie die Effekte einer Carbon-Schuheinlage mit einer Standard-Einlage hinsichtlich der plantaren Druckverteilung im Radschuh. Elf beschwerdefreie Triathleten wurden als Probanden für die Studie ausgewählt. Sie fuhren auf einem Ergometer mit unterschiedlichen Kadenzen – 60 und 90 Umdrehungen pro Minute – und mit unterschiedlichen Belastungen, 200 und 300, Watt.

Die Athleten absolvierten zwei Durchgänge: einmal mit Radschuhen mit einer Standard-, einmal mit den gleichen Schuhen, aber mit einer Carbon-Einlage. Während der Belastung wurden die Haupt-Druckpunkte am Fuß gemessen.

Die Ergebnisse: Die Spitzendruckbelastung im Gesamtfuß lag im Mittel bei 200 Watt im Bereich von 70 bis 75 Kilopascal – und bei 300 Watt bei 85 bis 110 Kilopascal. Die Spitzendruckbelastung war mit der Carbonsohle um 4,1 Prozent gegenüber der Standardsohle reduziert. Bei Sohlen mit Carbonfasern sitzt der Fuß sicherer und unbeweglich in der gewünschten Position und Ausrichtung – unabhängig von der Belastung. Die Forscher maßen auch den Spitzendruck an verschiedenen Stellen des Fußes. Im Rück-, Mittel- und Vorfuß war der Druck mit den Carbonsohlen signifikant geringer als mit den Standardsohlen. An den Zehen ist es andersherum.

Für Standard- und Carbonsohlen galt bei den Messungen: Der Spitzendruck ist im äußeren Bereich des Vorfußes um 59 beziehungsweise 34 Prozent gegenüber dem inneren und zentralen Bereich des Vorfußes erhöht. Die plantare Fußsohle wird durch das steife Material gegenüber einer Standardeinlegesohle nicht übermäßig belastet. Bei einer individuellen Anpassung an die Fußform können Fußregionen sogar entlastet werden. Als Fazit konstatieren die Forscher: Die individuelle Form und Anpassung scheinen für den Komfort wichtiger zu sein als die Steifigkeit und die Verwindung der Sohle.

Individuelle Fußstellung

Manche Radschuh-Hersteller – wie zum Beispiel Northwave oder Scott – machen auf ihren Sohlen Angaben über den sogenannten Steifigkeitsindex. Doch diese Zahlen, die in der Regel zwischen eins und zehn liegen, sind keine objektiven vergleichbaren Steifigkeitswerte, sondern nur Richtwerte der Hersteller für ihr jeweiliges Sortiment.

Somit ist ein solcher Index auch nicht mit einer bestimmten Einheit wie zum Beispiel „Millimeter pro Newtonmeter“ verbunden, sondern ein bloßer allgemeiner Orientierungswert. Generell gilt: Optimal ausgewählte Radschuhe und speziell an den individuellen Fuß angepasste Einlegesohlen, etwa aus Carbon, können Schmerzen vermeiden und sowohl den Tragekomfort als auch die Kraftübertragung verbessern.

Einer der „Vorreiter“ unter den Rennradschuh-Herstellern für den „europäischen Normalfuß“ ist die Firma Lake. „Die ‚Standard-Fußform‘ in Mitteleuropa hat sich in den vergangenen zehn Jahren stark verändert,“ sagt etwa Christian van Asten von Lake Shoes im RennRad-Interview. Auch bei Fizik und Sidi hat man sich unter anderem auf „breitere“ Modelle spezialisiert.

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Eine flexiblere Sohle bedeutet oft nicht ‚mehr Komfort‘: Eine zu starke Verwindung wirkt sich auf die Supinationsstellung der Beinachse aus – und kann zu einer klaren Überlastung an den Fußaußen-seiten führen

Radschuhe: Was bedeutet das Label „weit“?

Doch: Das Label „weit“ bedeutet nicht immer, dass der Schuh tatsächlich für breite Füße gemacht ist. Oftmals wird damit nur eine breitere Form als jene der „Standardschuhe“ benannt.

Anders als beim Laufen ist beim Radsport die vollständige Auflage des Fußes auf der Schuhsohle wünschenswert. Denn: Dies ermöglicht die Übertragung der Kraft aus dem Oberschenkel über die gesamte Fußfläche. Während man beim Laufen das Fußgewölbe für die Stabilisierung des Fußes und der Abrollbewegung benötigt, ist dies beim Radfahren nicht der Fall. Einlegesohlen können hier dafür genutzt werden, um „Fehlstellungen“ des Fußes auszugleichen. Die universellen, nicht „auf Maß“ gefertigten Einlegesohlen sind in der Regel auf höhere oder eher abgesenkte Fußgewölbe ausgelegt – und gleichen diese Hohlräume entsprechend aus.

Zeigen die Zehen eher nach außen, spricht man etwa von einer „Valgus-“, zeigen sie eher nach innen von einer „Varus-Stellung“. Viele erinnern sich dabei womöglich an die Pronationsstütze bei Laufschuhen, doch ist das Prinzip hier ein anderes: Diese Unterstützung gleicht ein Kippen des gesamten Fußes nach innen oder außen aus – während ein Varus- oder Valgusfuß eher eine Drehung beschreibt. Um zu analysieren, welche Stellung die eigenen Füße haben, kann sich der Gang zu einem Bike-Fitter empfehlen. Einige Hersteller haben sich zudem auf die Produktion eines Schuhtyps festgelegt, so sind etwa Specialized-Modelle immer Varus-Schuhe.

Der Radschuhkauf

Leider ist die Kaufberatung nicht in allen Läden optimal. Ob ein Schuh wirklich passt, stellt sich oftmals erst nach einigen Kilometern auf dem Rad heraus. Für Menschen, die hier immer wieder Probleme haben, könnte sich der Weg zu einem auf das Thema spezialisierten Bike-Fitter lohnen. Denn oftmals können Probleme bereits durch den Einsatz einer speziellen Einlegesohle oder eine Änderung der Pedalplattenstellung gelöst werden.

Der erste Indikator dafür, ob der Schuh passt, lautet: Sohle raus, Fuß drauf. Wenn der Fuß links und rechts nicht weit über die Sohle ragt, ist die Breite richtig. Vorne sollten allerdings nicht mehr als fünf Millimeter Platz sein. Sonst ist der Schuh zu groß und der Fuß rutscht. Dies wird dann oftmals durch ein zu festes Zuziehen der Verschlüsse kompensiert, was aber wiederum zu Schmerzen am Oberfuß führen kann.

Wenn der Test mit der Sohle gut aussieht, dann gilt: den Schuh anziehen und einige Kniebeugen machen. Drückt der Schuh irgendwo, ist dies ein schlechtes Zeichen. Die Ferse sollte fest umschlossen, der Mittelfuß muss stabilisiert sein. Auf den Mittelfußgelenken innen und außen darf kein Extradruck entstehen. Im Idealfall ist in einem Fachgeschäft vor dem Kauf zudem ein kurzes Testfahren auf einem Rollentrainer möglich. Jetzt nicht ungeduldig werden und hoffen, dass der Schuh später schon passen wird. Denn nach den ersten Praxiseinsätzen und dem Anschrauben der Cleats ist ein Umtauschen in der Regel nicht mehr möglich. Deshalb gilt beim Radschuhkauf: Zeit lassen beim Einkauf – und genau sein.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 9/2021. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.


Die Fußbreite: Der Test

Auch wenn die Angabe der Schuhgrößen und -breiten keiner einheitlichen Regelung unterliegt, geschweige denn es den genormten Fuß gibt, ist es zuerst wichtig zu wissen, ob der eigene Fuß eher schmal oder eher breit ist. Bei der Ermittlung können ein Blatt Papier, ein Stift und ein Maßband helfen.

  • Das Blatt Papier vor einer Wand auf den Boden legen.
  • Den einen Fuß so auf das Blatt Papier stellen, dass die Ferse knapp die Wand dahinter berührt.
  • Nun das Körpergewicht nach vorne bewegen, ohne den Fuß anzuheben. Die Ferse muss dabei fest auf dem Boden stehen.
  • Dann den Umriss des Fußes mit dem Stift abzeichnen.
  • Danach je die längste und die breiteste Stelle des Fußes messen und je fünf Millimeter in der Länge dazuzählen.
  • Die ganze Prozedur mit dem anderen Fuß wiederholen.

Hersteller, Form und Schnitte: Orientierungshilfe für Radschuhe

Sidi Sixty Schmaler Fuß Normaler Rist
Sidi Ego Mega Breiter Fuß Hoher Rist
Giant Surge Pro Normaler Fuß Normaler Rist
Lake CX238 Breiter Fuß Normaler Rist
Lake CX403 Normaler Fuß Normaler Rist
Lake CX241 Breiter Fuß Hoher Rist
Shimano RC1 Normaler Fuß Niedriger Rist
Shimano RC3 Normaler Fuß Niedriger Rist
Shimano RC902 Normaler Fuß Normaler Rist
Shimano RC902 Wide Breiter Fuß Normaler Rist
Fizik Tempo Overcurve R4 Regular Normaler Fuß Hoher Rist
Fizik Tempo Overcurve R4 Wide Breiter Fuß Hoher Rist
Crono CR1 Normaler Fuß Normaler Rist
Bontrager XXX Normaler Fuß Normaler Rist
Mavic Cosmic Utlimate III Normaler Fuß Normaler Rist

 

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