Corona, Covid-19, Ernährung
Interview: Ernährung und Training während der Corona-Krise

Keine Experimente bei der Ernährung

Interview: Ernährung und Training während der Corona-Krise

Durch das Corona-Virus wird nicht nur das öffentliche Leben eingeschränkt, sondern auch unser gewohntes Training verändert. Das wirkt sich auch auf die Ernährung aus. Die Ernährungswissenschaftlerin Judith Haudum erklärt, worauf es jetzt besonders ankommt.
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Am Olympia-Stützpunkt in Salzburg wird umgeplant: Die Olympischen Spiele finden nicht in diesem Jahr, sondern 2021 statt. Der Grund sind die Maßnahmen gegen das Corona-Virus. Dies betrifft auch die Sportwissenschaftlerin und Ernährungsberaterin Judith Haudum, die dort Radsportler und andere Ausdauerathleten betreut.

Ernährung und Training: individuell

Die Sportler gehen unterschiedlich mit dieser Situation, sagt sie. Zwar gönnen sich jetzt einige eine komplette Pause, doch die meisten trainieren weiter – für eine Zeit nach dem Virus. Dabei ist auch für Hobbyfahrer die passende Ernährung wichtig. Judith Haudum erklärt, was in der aktuellen Krise zum Thema Ernährung und Training sinnvoll ist – und was nicht.

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RennRad: Vor welchen Herausforderungen stehen Radsportler – Ihre Profis, aber auch Hobbyathleten – durch die aktuellen Ausgangsbeschränkungen während der Corona-Krise? Vor allem, wenn es um die Ernährung geht?

Judith Haudum: „Der Radsport ist eine Sportart, in der es sehr auf das Gewicht ankommt. Gerade in Extremsituationen, wie etwa aktuell in Spanien oder Italien, wo die Fahrer gar nicht draußen trainieren dürfen, verringern sich die Trainingsumfänge oft schnell und kurzfristig. Daher sollte die Energiezufuhr entsprechend angepasst werden. Der Energiebedarf ändert sich im Vergleich zu den längeren Fahrten draußen, daher sollte die Trainingsverpflegung angepasst werden.

Hinzu kommt, dass das Training inzwischen nahezu die einzige körperliche Aktivität ist. Wenn man am Tag zwei Stunden trainiert und 22 Stunden ruht, ist der Energieverbrauch deutlich geringer als zu anderen Zeiten. Das darf man nicht unterschätzen. Eine geringere Energiezufuhr ist daher sehr wichtig.“

Tipps zur passenden Ernährung bei Hobbyradfahrern

Was empfehlen Sie Hobbyradfahrern nun konkret?

An der Ernährungsplanung selbst sollte sich nicht zu viel ändern. Weiterhin empfehle ich zur Trainingsvorbereitung – meist zum Frühstück – kohlenhydratreiche Speisen: Müsli oder Vollkornbrot etwa. Zur Regeneration nach der Belastung empfehle ich ein Eiweiß-Shake, einen halben Liter Kakao oder Schokomilch oder die gewohnte Mahlzeit. Mit den beiden Mahlzeiten, die um das Training herumliegen, sollte die Trainingsanpassung unterstützt werden. Bei den übrigen Mahlzeiten kann man die Kohlenhydrate und die Energiezufuhr reduzieren, da man wahrscheinlich auch weniger Energie verbraucht. Ich empfehle nicht explizit auf den Low-Carb-Trend aufzuspringen, sondern durchschnittliche Portionen mit der gewohnten Menge an Kohlenhydraten und Eiweiß zu sich zu nehmen.

Salat und Gemüse zum Abendessen

Das Abendessen sollte beispielsweise öfter auf Salat und Gemüse aufbauen. Während der Belastung sollte das Training weiterhin unterstützt werden. Nachdem man allerdings vom Fahrrad gestiegen ist, kann die Energiezufuhr reduziert werden.

Welche Besonderheiten gibt es beim Indoor-Training?

Es gibt mehrere Faktoren, die man beim Indoor-Training bedenken muss. Zum einen sind die Intensitäten auch bei kürzeren Umfängen oft höher als bei einer Ausfahrt draußen. Zum anderen ist trotz eines geöffneten Fensters oder eines Ventilators der Flüssigkeitsverlust meist sehr viel höher. Diesen sollte man während der Belastung ausgleichen und im Vorfeld bereits viel trinken.

Umstellung der Ernährung und Diäten? Besser vermeiden

Wäre jetzt der geeignete Zeitpunkt für eine Diät beziehungsweise eine gezielte Gewichtsabnahme?

Es ist vor allem wichtig, bei drei Hauptmahlzeiten am Tag zu bleiben. Gerade wenn sich der Tagesrhythmus verändert, neigen Viele zu Zwischenmahlzeiten oder lassen das Frühstück weg und nehmen nur zwei Mahlzeiten zu sich. Davon rate ich ab. Gerade zur Gewichtsregulierung sind drei Mahlzeiten sinnvoll, da sie Heißhunger vermeiden und die Regelmäßigkeit für die körperliche Zusammensetzung empfehlenswert ist.

Drei Hauptmahlzeiten statt Snacks

Auf extreme Diäten zum Gewichtsverlust würde ich aktuell eher verzichten, da sie nach hinten losgehen können. Viele meiner Sportler kommen gerade in dieser Zeit auf mich zu und wollen bei der Ernährung Neues ausprobieren, beispielsweise die vegane Ernährung. Das ist in dieser Phase jedoch gefährlich. Einige wollen aktuell Gewicht verlieren und probieren daher verschiedene Methoden aus, vom Auslassen von Mahlzeiten bis hin zu anderen, extremeren Diät-Formen.

Stresssituationen für den Körper

In der aktuellen Phase, in Stresssituationen, neigt man dazu, ein gestörtes Essverhalten zu entwickeln. Das kann für Menschen, die viel Radfahren problematisch werden. Gerade wenn man auf der Waage anfänglich Erfolge sieht, wird man die Diät durchziehen. Wenn dann die Umfänge steigen, kann es zu gesundheitlichen Problemen kommen. Da ist Vorsicht geboten.

Viele greifen aktuell auch aus gesundheitlichen Gründen zu Nahrungsergänzungsmitteln. Ist das sinnvoll?

Ich würde empfehlen, keine Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen. Gerade jetzt kann man prima Zuhause kochen – und es gibt nichts besseres, als Nährstoffe über die Mahlzeiten aufzunehmen. Gerade auch, da einige Nahrungsergänzungsmittel in großen Mengen gesundheitsschädigend sein können oder die Trainingsleistung mindern. Vitamin-Präparate beispielsweise sind in hohen Dosierungen für Sportler nicht immer vorteilhaft.

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Die Expertin: Judith Haudum

Judith Haudum ist selbstständige Sportwissenschaftlerin und Ernährungsberaterin. Am Olympiastützpunkt in Salzburg ist sie vor allem für die Ernährung der Ausdauersportler zuständig. Im Radsport arbeitet sie Fahrern von Movistar, dem ProContinental-Team Alpecin-Fenix und den Damen-Teams Parkhotel Valkenburg und Team Tibco-SVB zusammen. Zuvor begleitete sie als Head of Nutrition das BMC-Racing-Team auf der World-Tour. Zudem lehrt sie an der Universität Salzburg sowie an der FH in Bern.

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