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Regeneration und Ernährung: Lebensmittel für eine effiziente Erholung

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Regeneration und Ernährung: Lebensmittel für eine effiziente Erholung

Essen und Erholung: Lässt sich die Regenerationszeit mit natürlichen Lebensmitteln verkürzen? Tipps und Einblicke.
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„Ein Training, das wirken soll, muss wehtun.“ Was martialisch klingt, beinhaltet Wahres. Denn: Eine wirksame Trainingsbelastung führt zu Mikrorissen in der Muskulatur. Muskelschmerzen, Muskelkater und eine zeitweise reduzierte Muskelkraft sind die Folgen. Diese Entzündungsreaktionen klingen normalerweise innerhalb weniger Tage wieder ab. Eine optimierte Ernährung kann dabei helfen, die Regenerationszeit deutlich zu verkürzen. Dies ist die eine gute Nachricht – gerade für Hobbysportler, deren Regeneration stress-, berufs- oder familienbedingt oft eingeschränkt ist.

Die andere gute Nachricht lautet: Man braucht keine Nahrungsergänzungsmittel. Eine ausgewogene, bedarfsgerechte Ernährung mit natürlichen Lebensmitteln reicht aus. Sie ist eine Grundvoraussetzung für eine schnelle Regeneration.

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Ernährung für die optimale Regeneration

Innerhalb der Regenerationsernährung gilt es zunächst zwischen drei Zielen zu unterscheiden: Während erstens die Rehydrierung und zweitens die Wiederauffüllung der Glykogenspeicher für eine schnelle Erholung direkt im Anschluss an eine Trainingsbelastung essenziell sind, zielen drittens die Muskelregeneration beziehungsweise der Muskelaufbau auf eine langfristige erfolgreiche Adaption an den Trainingsreiz.

Problematisch wird es dann, wenn sich der Körper nicht mehr vollständig erholen kann. In diesem Fall steigt die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten und Sportverletzungen. Um dies zu verhindern, gilt es, eine günstige Nährstoffauswahl zu treffen. Mit welchen natürlichen Substanzen der Regenerationsprozess unterstützt werden kann, zeigt die folgende Auswahl.

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Eiweiß und Muskulatur

Wie bereits in vielen Studien gezeigt wurde, stimuliert die Gabe von hochwertigem Eiweiß direkt im Anschluss an die Belastung die Muskelproteinsynthese. Gerade in intensiven Trainingsphasen sollte eine Eiweißzufuhr von bis zu zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag erfolgen.

Je kürzer die Zeit zwischen dem Trainingsreiz und der Proteinaufnahme, desto besser. Denn: Der Körper kann die Aminosäuren, aus denen das Eiweiß besteht, für die Reparaturprozesse in der Muskulatur einsetzen.

Eine große Metaanalyse der University of Alabama kam 2019 zu dem Ergebnis, dass die Zufuhr von verzweigtkettigen Aminosäuren, den BCAAs, im Anschluss an eine Trainingseinheit die Auswirkungen von Muskelkater- oder Muskelschmerzen erheblich reduzieren kann. Als besonders wirksame Aminosäure hat sich dabei Leucin erwiesen.

Ist Milch für eine gute Regeneration förderlich?

Der Ernährungsexperte Dr. Wolfgang Feil empfiehlt etwa die Zufuhr von 3000 Milligramm Leucin nach dem Training, in Kombination mit sechs Gramm Arginin. Letzteres bewirkt laut Feil einerseits ein Abpuffern von Ammoniak und andererseits die Ausschüttung des regenerationsbeschleunigenden Wachstumshormons HGH sowie von Testosteron. Als „Goldstandard“ gilt das Whey- beziehungsweise Molkenprotein, das einen hohen Leucinanteil aufweist. Milch, auch wenn sie inzwischen zu einem umstrittenen Lebensmittel wurde, enthält sowohl Molkenprotein, das die Proteinsynthese anregt, als auch Casein, das den Muskelabbau verhindert.

Weitere hochwertige Proteinquellen natürlichen Ursprungs sind Eier, Fleisch und Fisch. Hochwertiges pflanzliches Eiweiß inklusive Arginin findet man zum Beispiel in Sojaprotein, Quinoa, Nüssen oder Hülsenfrüchten wie Kichererbsen und Bohnen. Um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen, gilt es jedoch auf die richtige Kombination pflanzlicher Proteinquellen zu achten.

Kohlenhydrate und Energiespeicher

Wenn es darum geht, die Regeneration zwischen kurz aufeinanderfolgenden Trainingseinheiten zu optimieren, kommt den Kohlenhydraten eine Schlüsselrolle zu – vor allem beim schnellen Auffüllen der Glykogenspeicher.

Häufig empfohlen wird die Aufnahme von einem bis 1,2 Gramm Kohlenhydraten pro Kilogramm Körpergewicht direkt im Anschluss an eine harte Belastung. Zudem konnten Forscher der Deutschen Sporthochschule in Köln 2019 bei der Aufnahme von Kohlenhydraten in Kombination mit Proteinen unter anderem eine Milderung von Muskelschädigungen nachweisen. Da das ausgeschüttete Insulin die Aminosäure-Aufnahme fördert, kommt das Eiweiß schneller in den Zellen an. Zur Beschleunigung der Regeneration empfiehlt es sich, Kohlenhydrate und Proteine im Verhältnis von 3:1 bis zu 5:1 aufzunehmen. In Bezug auf das Körpergewicht werden 0,2 bis 0,4 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde im Anschluss an eine Belastung empfohlen. Der Glykogenaufbau wird dadurch beschleunigt und der Proteinaufbau im Muskel stimuliert.

Für einen 70 Kilogramm schweren Sportler bedeutet diese Empfehlung konkret: bis zu 84 Gramm Kohlenhydrate und 28 Gramm Eiweiß. Günstige natürliche Lebensmittelkombinationen dazu bieten zum Beispiel Kartoffel-Quark- oder Milch-und-Getreide-Gerichte – etwa das klassische Haferflocken-Naturjoghurt-Müsli oder 400 Milliliter Schokomilch, die wohl günstigste Variante eines „Recoverydrinks“.

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Lebensmittel für eine effiziente Regeneration: Antioxidantien und Zellen

In den vergangenen Jahren gab es eine Vielzahl von neuen Studien zur Wirkung von Antioxidantien nach dem Training. Antioxidantien schützen die Zellen vor sogenannten freien Radikalen,  bei denen es sich um besondere Sauerstoffatome handelt, die etwa die DNS in den Mitochondrien, den „Kraftwerken“ der Zellen, schädigen. Deshalb werden vielfach Nahrungsergänzungsmittel, die hochdosierte Antioxidantien enthalten, angepriesen – und vielfach gekauft. Doch: Die wissenschaftlichen Beweise für ihre Wirkung fehlen in der Regel.

Die Ernährungswissenschaftlerin Stephanie Mosler wies 2017 in einem Artikel in der Sportärztezeitung darauf hin, dass eine Antioxidantien-Zufuhr über Nahrungsergänzungsmittel die trainingsbedingte Bildung körpereigener Antioxidantien sogar behindert. Fakt ist: Besonders gut nimmt der Körper Antioxidantien aus natürlichen Lebensmitteln auf. Natürliche Antioxidantien, wie sie etwa in Sauerkirschen enthalten sind, können den Regenerationsprozess beschleunigen und reduzieren Muskelkater.

Studien der Northumbria University

Zu diesem Schluss kommen mehrere Studien der Northumbria University, Großbritannien. Eine davon wurde an 16 gut trainierten männlichen Radrennfahrern durchgeführt. Über sieben Tage hinweg bekamen die Probanden zweimal täglich ein Getränk aus einem Konzentrat der Montmorency-Sauerkirsche – beziehungsweise ein Placebo-Getränk. Das Kirschsaftgetränk entsprach dabei einem Äquivalent von 90 ganzen Montmorency-Kirschen. Die Probanden bekamen die Getränke im Rahmen eines hochintensiven Radtrainings, das ein Drei-Etappen-Rennen simulieren sollte. Die getesteten Blutproben ergaben, dass die Entzündungs- und oxidativen Stress-Marker bei den Montmorency-Probanden deutlich geringer ausfielen als bei jenen aus der Kontrollgruppe. Punktuell war der gemessene oxidative Stress um bis zu 30 Prozent niedriger.

Die Studie bestätigte damit die Ergebnisse vorheriger Untersuchungen derselben Wissenschaftler, die bei Startern des London-Marathons 2015 durchgeführt wurden. Dabei konnte eine deutliche Reduktion von Muskelschmerzen und Muskelkater im Anschluss an den Marathonlauf aufgezeigt werden. Diese Effekte des Kirschkonzentrats könnten in dem hohen Gehalt an bestimmten Pflanzeninhaltsstoffen wie Anthocyane und Quercetin sowie den Vitaminen C, E und Carotinoiden begründet sein. Bei dem Radsport-WorldTour-Team Jumbo-Visma soll Montmorency-Extrakt bereits regelmäßig zum Einsatz kommen.

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Schwarze Johannisbeeren

Natürlich sind hier noch weitere größere Studien nötig, um endgültige Schlüsse zu ziehen. Auch weitere Beerensorten, zum Beispiel Blaubeeren und Johannisbeeren, weisen antioxidative Eigenschaften auf. Sie enthalten unter anderem Phenolsäure, Tannine und Flavonoide, Ascorbinsäure und Carotinoide.

Als besonders leistungs- und regenerationsfördernde Beeren gelten schwarze Johannisbeeren. In einer 2014 im „Journal of the International Society of Sports Nutrition“ veröffentlichten Studie der Universität von Chichester, Großbritannien, wurde gezeigt, dass die Beeren die Leistung von trainierten Radfahrern um bis zu 8,6 Prozent steigern sowie die Fettverbrennung um bis zu 27 Prozent verbessern konnten.

Die Forscher attestieren den Beeren eine gefäßerweiternde Wirkung. Bei den getesteten gut trainierten Radsportlern wurde zudem eine Steigerung des Blutstroms um 20 bis 35 Prozent festgestellt. Die Muskeln ermüden somit langsamer und müssen weniger beansprucht werden, um eine gewisse Leistung zu erbringen. Auch die Regeneration wird von einer verbesserten Durchblutung sehr deutlich unterstützt.

Gewürze und Kräuter

Gewürze geben einer Mahlzeit nicht nur eine feine Note. Einige von ihnen können Sportlern zu einer schnelleren Regeneration verhelfen, zum Beispiel Zimt, Pfeffer, Chili, Kurkuma oder Ingwer. Die aktuellen Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die regelmäßige Einnahme von Ingwer Muskelkater und Muskelschmerzen reduzieren kann.

Dafür verantwortlich ist das im Ingwer enthaltene Gingerol. Von einer regelmäßigen Ingwereinnahme profitiert zudem das Immunsystem. Ingwer fördert die Bildung von Glutathion, dem wichtigsten wasserlöslichen Antioxidans im menschlichen Körper. Es unterstützt die Funktion der weißen Blutkörperchen und damit die Abwehr von Krankheiten.

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„Regelmäßiger Kurkuma-Konsum beschleunigt nicht nur die Regeneration, sondern fördert auch das Denkvermögen.“

Die Wirkung von Curcumin

Curcumin heißt der Inhaltsstoff in Kurkuma, der bereits in diversen Studien im Bereich der Wundheilung, Diabetes, Arthrose und der Krebstherapie erforscht wurde. Curcumin unterdrückt im Körper das entzündungsfördernde Eiweiß NF-KB. Einige Studien deuten darauf hin, dass die tägliche Aufnahme von mindestens 200 Milligramm Curcumin Muskelschmerzen und -verletzungen lindern kann. Darüber hinaus fördert Curcumin die Bildung von Kollagen im Körper und unterstützt so die Regeneration.

Zudem beeinflusst es die Gehirnaktivität positiv, indem es mit dem Enzym Acetylcholinesterase interagiert. Das Enzym wird vor allem für die Übertragung von Informationen von einer Synapse einer Nervenzelle zur anderen benötigt. In Zimt stecken Hunderte pflanzlicher Substanzen. Neben der entzündungssenkenden Eigenschaft hilft Zimt dabei, die Glukoseaufnahme in die Muskulatur zu fördern, aber gleichzeitig den Blutzuckerspiegel zu senken beziehungsweise stabil zu halten. In einer weiteren Studie wurde gezeigt, dass der Blutzuckerspiegel nach einer Portion Milchreis mit Zimt weniger ansteigt als nach einer Portion Milchreis ohne Zimt. Die effektive Tagesdosis Zimt beträgt typischerweise ein bis sechs Gramm oder etwa ein halber bis zwei Teelöffel Zimt pro Tag. Wichtig ist, dabei auf die „richtige“ Art des Zimts zu achten. Die Gesundheitseffekte von Ceylon-Zimt sind denen anderer Arten überlegen. Auch Chili und Pfeffer sollten bei Sportlern zum Einsatz kommen.

Scharfes Essen für eine gute Regeneration?

Laut der Forschungsgruppe Dr. Feil kann der Pfeffer-Inhaltsstoff Piperin die Aufnahmefähigkeit und Wirkung von Nährstoffen aus der Nahrung um bis zu 1000 Prozent erhöhen. Demnach könnte ein mit Pfeffer gewürzter Salat so stark wie zehn ungepfefferte Salate „wirken“. Die beste Wirkung entfaltet frisch gemahlener Pfeffer.

Wer scharfes Essen bevorzugt, kommt an Chili nicht vorbei. Die darin enthaltene Substanz Capsaicin soll eine doppelt schmerzsenkende Wirkung haben. Einerseits verhindert sie die Schmerzweiterleitung, andererseits deaktiviert sie den Vanilloid-Rezeptor, der eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Schmerzen und Entzündungsprozessen im Körper spielt.

Stoffwechsel und Körperfett

Die Folge: Chili senkt das Schmerzempfinden und Entzündungen. Plus: Chili kurbelt den Fettstoffwechsel an. In einer 2018 veröffentlichten Studie bekamen 75 Probanden entweder täglich vier Milligramm Capsaicin oder ein Placebo-Produkt. Das Resultat nach der zwölfwöchigen Behandlung: Die Gruppe der Probanden, die regelmäßig das im Chili enthaltene Capsaicin einnahm, verlor im Durchschnitt fast sechs Prozent Körperfett.

Auch grüne Kräuter sind wertvoll. Sie können auf natürliche Weise Entzündungen senken und schmerzstillend wirken. So enthalten Minze, Thymian, Majoran, Oregano, Basilikum und Rosmarin die entzündungssenkenden Stoffe Ursolsäure, D-Limonen und Luteolin. Auch Petersilie, Koriander, Kreuzkümmel, Anis, Kerbel und Fenchel sorgen mit ihren Wirkstoffen Anethol, Apigenin und Polyacetylen für einen positiven Gesundheitseffekt.

Gibt es die Wunderzutat für eine effiziente Regeneration?

Das Fazit: Die eine „Wunderzutat“ oder die „Regenerationspille“ gibt es nicht. Es ist die Mischung aus vielen frischen, natürlichen Lebensmitteln und ihren Inhaltsstoffen, die Verletzungen vorbeugen und den Regenerationsprozess beschleunigen kann.

Natürliche Lebensmittel wie Eier, Kirschen, Johannisbeeren und eine große Auswahl an Gewürzen sind nach der aktuellen Studienlage in der richtigen Anwendung Regenerationsbeschleuniger. Einige Nahrungsergänzungsmittel hingegen wirken sich sogar negativ auf die Regeneration aus.

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