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Berg-Training: Tipps & Trainingspläne für das spezifische Training

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Berg-Training: Tipps & Trainingspläne für das spezifische Training

Frühling, die ersten Radmarathons und ein Ziel: die Berg-Bestzeit. Tipps für das Spezifische Training vom zweifachen Sieger des Ötztaler Radmarathons und Radtrainer mit A-Lizenz Stefan Kirchmair.
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Die ersten warmen Tage, die ersten Ausfahrten „kurz-kurz“: Der Schnee schmilzt auf den Gipfeln der Alpenpässe – und gibt die hochalpinen Serpentinenstraßen wieder frei. Für einige bedeutet die Radsaison 2022 – voraussichtlich – die erste „normale“ Saison nach zwei Jahren Pandemie. Viele haben als Ziel die Teilnahme an Radmarathons. Ob die Tour de Kärnten, der Rad-Marathon Tannheimer Tal, der Ötztaler Radmarathon oder der Gran Fondo Nove Colli – all diese Events vereint: eine anspruchsvolle bergige Strecke. Die Schwerpunkte im Berg-Training für lange Anstiege sind Intervalle im Bereich des Sweetspots und der individuellen aerob-anaeroben Schwellenleistung – der IANS. Gerade wer die längsten, steilsten, höchsten Pässe fahren will, sollte sich auf diese Belastung vorbereiten und die Dauer und Intensität der spezifischen „Berg-Intervalle“ allmählich steigern.

Training zu Hause

Für dieses Training benötigt man nicht unbedingt lange Anstiege vor der eigenen Haustür. Es bieten sich unterschiedliche Methoden an, um dennoch die Leistung am Berg zu steigern. Die Trittfrequenz ist ein sehr wichtiger Faktor. Diese fällt bergauf meist eher niedrig aus. Die Kombination aus stetiger Anstrengung und niedriger Trittfrequenz ist charakteristisch für konstante steile Abschnitte. Dies sollte auch gezielt trainiert werden. Gegenwind eignet sich beispielsweise für die Simulation. Mit einem entsprechend dicken Gang kann etwa das K3-Training absolviert werden, bei dem man im GA2- bis EB-Bereich mit geringen Trittfrequenzen von 50 bis 60 Umdrehungen Intervalle von mehreren Minuten Dauer fährt.

Doch es ist nicht sinnvoll, in der Ebene grundsätzlich die Trittfrequenz zu verringern und nur mit dicken Gängen zu trainieren. Dies ist belastend für die Gelenke, die Muskulatur ermüdet schneller und die „Spritzigkeit“ geht verloren. Vielmehr sollte, sowohl im Flachen als auch am Berg, die Trittfrequenz in der Regel möglichst hoch ausfallen. Auch für den Radmarathon sollte deshalb eine „bergtaugliche“ leichte Übersetzung – etwa mit einer Kompaktkurbel und einem Zahnkranz mit hinten bis zu 34 Zähnen – gewählt werden.

Indoor-Training

Eine weitere Möglichkeit, das Training bergspezifischer zu gestalten, ist, auf dem Indoor-Trainer zu fahren. Wie auch bergauf, muss man hier durchgehend treten, kann also nicht – ob bewusst oder unbewusst – zwischendurch „rollen lassen“ und sich damit kurzzeitig erholen. Es gilt, diese Pausen auch im Training zu reduzieren und möglichst konstante Wattwerte zu leisten. Mit modernen Trainingscomputern, mit Trittfrequenz- und Wattmesssystem kann man sich die Rollphasen bewusst machen und die Leistung im Nachhinein genauer analysieren.

Auch diejenige Muskulatur, die bergauf besonders stark beansprucht wird – besonders die hinteren Oberschenkel und die Gesäßmuskulatur – kann gezielt trainiert werden. So lässt sich auf der Rolle das Vorderrad oder die Gabel etwas erhöht einstellen, um so die Bergposition zu simulieren. Alternativ gibt es auch Trainings-Systeme, die Steigungen „indoor“ dynamisch simulieren können, etwa den Smarttrainer Wahoo Kickr Climb. In den Wochen vor einem Radmarathon oder einer geplanten Tour in den Bergen sollten etwa zwei bis drei solcher spezifischer Bergeinheiten wöchentlich in den Trainingsplan aufgenommen werden.

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Position und Sauerstoffversorgung

Eine besonders effektive Kombination: hochintensives VO2max-Training und mittlere Intensitäten im GA2-bis EB-Bereich. In Verbindung mit ruhigen langen Grundlagen-Ausfahrten werden so die maximale Sauerstoffaufnahme-Kapazität, die effiziente Sauerstoffnutzung und der Fettstoffwechsel verbessert. Neben der richtigen, kontinuierlichen Vorbereitung sind zwei Faktoren für die Berg-Leistung entscheidend: Die Sitzposition und die Pacing-Strategie. Da die Aerodynamik am Berg weniger wichtig ist, kann eine eher aufrechte und „offenere“ Position eingenommen werden. Der Vorteil: Der Brustkorb bekommt so mehr Platz und man kann ein größtmögliches Atemvolumen ausnutzen.

Gerade auf hohen Pässen ist dies extrem wichtig, da ab einer Höhe von etwa 2000 Metern über dem Meeresspiegel die Luft merklich „dünner“ wird und man somit weniger Sauerstoff pro Liter eingeatmeter Luft zur Verfügung hat. Eine ruhige, tiefe und rhythmische Atmung ist hierbei wichtig, um Seitenstechen vorzubeugen und die Sauerstoffversorgung sicherzustellen. Als Anpassung dafür arbeiten vor allem Profis gezielt mit einem Höhentraining. Das Prinzip: Der Körper reagiert auf den Sauerstoffmangel mit einer vermehrten Produktion von roten Blutkörperchen – den Erythrozyten. Diese binden und transportieren den vorhandenen Sauerstoff. Je mehr rote Blutkörperchen vorhanden sind, desto effizienter kann dieser zu den Muskeln transportiert werden: Man wird leistungsfähiger. Auch für Hobbyathleten ergibt es Sinn, sich drei bis vier Wochen vor einem größeren Saisonziel in die Berge zu begeben, um sich zu akklimatisieren und am Berg einen gewissen „Flow“ zu entwickeln.

Pacing im Berg-Training

Zu Letzterem kann auch die richtige Herangehensweise, das Pacing, beitragen. Ein Grundsatz: Wer zu schnell beginnt, bekommt später Probleme. Puls, Atmung, Muskulatur erholen sich zwar von einem zu schnellen Start, aber die eingegangene Sauerstoffschuld kann oft nur durch eine deutliche Leistungsverringerung kompensiert werden. Belastungsspitzen gilt es daher so gut es geht zu vermeiden. Die Leistungsabgabe sollte gleichmäßig sein. Eine Möglichkeit: moderat – etwa im GA2-Bereich –zu beginnen und das Tempo gegebenenfalls ab der zweiten Hälfte des Anstiegs zu erhöhen.

Stehen mehrere Anstiege an, ist es sinnvoll, die Strategie danach auszurichten. Sind drei etwa gleich lange Berge geplant, sollte man beispielsweise den ersten Berg im mittleren bis oberen GA2-Bereich und den zweiten im oberen GA2- bis unteren EB-Bereich fahren. Am letzten Berg kann man allmählich das Tempo steigern und auf den letzten Kilometern „all-out“ fahren. So „überzieht“ man anfangs nicht und holt dennoch das Beste aus sich heraus.

Berg-Training: Tipps & Trainingspläne

Schneller bergauf – neben der monatlich erscheinenden Kolumne von Stefan Kirchmair finden Sie Trainingspläne für Berufstätige in unserem 16-seitigen Gratis-Beileger der Ausgabe 4/2022.

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Stefan Kirchmair ist zweifacher Ötztaler-Radmarathon-Sieger und Radtrainer mit A-Lizenz. Seine Erfahrungen gibt er gerne an alle Radsportbegeisterten weiter. Für Fragen stehen er und sein Team zur Verfügung. Weitere Informationen zu Stefan Kirchmair finden Sie auch auf www.kirchmair-cycling.com sowie auf der entsprechenden Facebookseite.

Seine Online-Race-Community finden Sie unter anderem auf Strava: www.strava.com/clubs/Kirchmair-Cycling

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