Grundlagen-Training, Training, Stefan Kirchmair, Saisonplan
Grundlagen-Training auf der Straße vs. Sessions auf dem Rollentrainer

Saisonplan

Grundlagen-Training auf der Straße vs. Sessions auf dem Rollentrainer

Lange Grundlageneinheiten auf der Straße vs. kurze intensive Sessions auf dem Rollentrainer. Beide Wege können sehr effizient sein.
TEILE DIESEN ARTIKEL

Die Radmarathon-Saison 2022 ist vorbei. Viele Radsportler planen schon für den nächsten Sommer und setzen sich neue Ziele. In meiner Community wird die kommende Saison bei vielen Athleten anders aussehen als in den vergangenen Jahren. Denn: Der Ötztaler Radmarathon – für viele der Saisonhöhepunkt – findet 2023 nicht Ende August statt, sondern am 9. Juli. Es lohnt sich daher, früher als sonst wieder mit dem Training einzusteigen. Oft ist das Wetter im Herbst noch so gut, dass lange Trainingseinheiten im Grundlagenbereich möglich sind. Alternativ kann man auch „virtuell“ mit dem Training beginnen: auf einem Smarttrainer mit kurzen, intensiven VO2max- und EB-Einheiten in den eigenen vier Wänden. Oder auch mit virtuellen Online-Wettkämpfen. Alleine oder im Team, zusammen mit anderen Fahrern.

Lang und locker oder kurz und intensiv – man kann auf sehr unterschiedliche Art mit dem Training beginnen. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile. Die Anforderungen sind zwar sehr unterschiedlich, doch sie schließen sich nicht gegenseitig aus. Im Gegenteil: Beide Ansätze ergänzen sich. Das habe ich in den letzten Jahren an meiner eigenen Leistungsentwicklung deutlich gemerkt. Im Winter habe ich mit kurzen, intensiven Einheiten und Rennen beim Indoor-Training meine VO2max und den FTP-Bereich gesteigert.

Grundlagen-Training: Drinnen und draußen

Ab dem Frühjahr habe ich mich im Trainingslager und bei angenehmeren Temperaturen während langer Grundlageneinheiten auf meine Laktatbildungsrate fokussiert. Das Ergebnis: In den letzten beiden Jahren steigerte ich meine Leistungswerte und gewann mehrere Radmarathons. In diesem Sommer etwa den Arlberg Giro, den Dreiländergiro, La Marmotte und die L’Étape du Tour. Vor allem für Sportler, die den ganzen Sommer über fast nur lange Trainingseinheiten absolviert haben und wenige Rennen gefahren sind, lohnt sich das Kontrastprogramm im Winter.

Die kurzen, intensiven Trainingsreize auf dem Indoor-Trainer führen oft zu großen Leistungssteigerungen. So startet man im Frühjahr schon mit einer hohen maximalen Sauerstoffaufnahme, VO2max, und Functional Threshold Power, FTP, in die ersten Rennen auf der Straße.

Der zeitliche Trainingsumfang beim Indoor-Training ist noch dazu sehr überschaubar. Trainingseinheiten dauern fast nie länger als zwei Stunden – virtuelle Rennen sind meistens nach einer Stunde vorbei. Oft sind sie sogar deutlich kürzer. Und dennoch sehr effizient. Athleten, die ab dem Herbst hauptsächlich drinnen trainieren, sollten dagegen auch in der Vorbereitungsphase auf lange und lockere Einheiten im Grundlagenbereich setzen. Diese sind zwar prinzipiell auch auf einem Smarttrainer möglich, trotz der virtuellen Gemeinschaft bei sogenannten „Group Rides“ aber für viele eher eintönig. Immer nur kurze, intensive Trainingseinheiten und virtuelle Wettkämpfe können zudem schnell zu Übertraining führen.

RennRad 10/2022, Banner

Hier können Sie die RennRad 10/2022 als Printmagazin oder E-Paper bestellen

Ausdauer und Intervalle

Die größte Herausforderung bei Zwift-Rennen ist: Man muss dazu in der Lage sein, an das eigene Limit zu gehen. Denn Zwift-Rennen sind hart und fordernd. Doch vor allem für Fahrer, die frühe Saisonziele haben, lohnen sich diese maximalen Belastungsspitzen.

Auch in Rennen, die von Taktik geprägt sind, kann man durch virtuelle Wettkämpfe auf Zwift und anderen Plattformen profitieren. Wann attackiert man, wann bleibt man lieber im Windschatten, wann zieht man den Sprint an? All das kann man auch virtuell erlernen.

Gruppendynamik bei virtuellen Rennen

Im Vergleich zu anderen Plattformen wie Rouvy, TrainerRoad oder Bkool gibt es bei Zwift deutlich größere Starterfelder und mehr Wettkampfformate. Ein Beispiel für eine ganze Rennserie auf Zwift: die Zwift Racing League. Mehr als 5.000 Fahrer sind bei diesem Teamwettbewerb dabei. 2022 finden bereits ab dem 13. September die ersten Wettkämpfe statt. Wenn man hier von Anfang an konkurrenzfähig sein will, sollte man schon im Vorfeld virtuell einige Intervalle und Trainingsrennen absolviert haben.

Bei den virtuellen Rennen spielt die Gruppendynamik eine wichtige Rolle. Ein eingespieltes Team erhöht die Motivation und wirkt sich positiv auf die Leistungen jedes Einzelnen aus. In jedem Team sollte es einen Verantwortlichen geben, der für die Organisation, die Anmeldung und die Renntaktik zuständig ist. In der Zwift-Racing-League muss jedes Team aus mindestens vier Fahrern bestehen. Maximal können zwölf Fahrer nominiert werden.

In größeren Communities gibt es in der Regel bessere Möglichkeiten, auf das Leistungsniveau der einzelnen Fahrer einzugehen. So können Athleten mit ähnlichen Leistungsbereichen in gleiche und homogene Teams eingeteilt werden. In kleineren Teams gibt es dagegen oft ein sehr großes Leistungsgefälle. Im schlimmsten Fall kann es dazu kommen, dass ein starker Fahrer in eine höhere Liga aufsteigt und dann nicht mehr in seinem Team startberechtigt ist. Eine mögliche Folge: Das Team hat zu wenige Fahrer und kann nicht mehr an den Liga-Wettkämpfen teilnehmen. Schwächere Fahrer verlieren hingegen oft die Motivation, wenn sie in einer Kategorie mitfahren müssen, die zu hoch für sie ist. Meist verlassen sie das Team dann sehr schnell. Es ergibt daher wenig Sinn, einen schwächeren Fahrer in ein Team zu integrieren, nur um die notwendige Anzahl an Fahrern zur Verfügung zu haben. In der Regel existieren solche Teams nicht lange. Wer also virtuell an Wettkämpfen teilnehmen möchte, sollte sich zumindest am Anfang einem erfahrenen Team oder einer größeren Community anschließen, das in seiner Leistungsklasse genug weitere Fahrer hat.

Leistungstest

Wo man zu Beginn der Saisonvorbereitung steht, kann man vorab etwa bei virtuellen Testrennen oder bei einem Leistungstest herausfinden. Zwift bietet hierfür neben zwei FTP-Tests mit einer maximalen Belastung über je 20 Minuten auch einen sogenannten Ramp-Test an. Bei diesem Stufentest wird die Leistung jede Minute erhöht, bis man irgendwann nicht mehr kann. Bis zum Abbruch. Der Test dauert nur wenige Minuten, ist aber sehr fordernd. Doch um sich richtig einordnen und dann in einem passenden Team starten zu können, ist eine solche Standortbestimmung sehr zu empfehlen. Im besten Fall entsteht so über den Herbst und Winter ein Zusammenhalt innerhalb eines Teams, der sich dann auch im Frühjahr und Sommer draußen in der Realität fortsetzt.

Dasselbe gilt natürlich auch für „reale Social-Rides“, draußen, auf dem Renn- oder Gravelrad, mit Freunden.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 10/2022. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.


Stefan Kirchmair ist Ex-Radprofi, zweimaliger Sieger des Ötztaler Radmarathons und Radtrainer mit A-Lizenz. Er trainiert etliche Amateur- und Hobbytahleten und ist, unter anderem mit einer eigenen Community, im E-Race-Bereich aktiv. Mehr zu ihm und seinem Team finden Sie auch unter: www.kirchmair-cycling.com

Schlagworte
envelope facebook social link instagram