Schlaf, Leistung, Regeneration, Training
Schlaf und die Auswirkungen auf Regeneration und Leistung

Schlaf & Leistung

Schlaf und die Auswirkungen auf Regeneration und Leistung

Auf jedes Training muss die nötige Regeneration erfolgen: Einblicke in den physischen und psychischen Leistungsfaktor Schlaf.
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Müdigkeit gehört zu vielen Gesellschaften. So hat eine großangelegte US-amerikanische Studie gezeigt, dass ganze 65 Prozent der Bevölkerung nicht auf die medizinisch empfohlenen sieben bis neun Stunden Schlaf pro Nacht kommen. In Deutschland leiden rund 4,8 Millionen Menschen an Schlafstörungen, wie eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung zeigte.

Aufgrund hormoneller Schwankungen sind Frauen tendenziell noch häufiger von Schlafproblemen betroffen als Männer. Inzwischen sind zudem viele dieser Probleme auf Technologien zurückzuführen, mit denen man zu jeder Tages- und Nachtzeit online und erreichbar ist, vor allem: das Smartphone.

Sportler werden im Schlaf besser

Viele Menschen denken, dass sie durch Schlaf etwas verpassen – jedoch verpassen sie durch das Wachbleiben sehr viel mehr. Denn: Schlafen zählt zu den „produktivsten“ Dingen, die man zur Steigerung seiner Leistungsfähigkeit tun kann. Sportler werden nicht während einer Trainingseinheit besser, sondern danach – auch und vor allem im Schlaf.

Der Stand der Forschung zeigt klar: Wer zu wenig Schlaf bekommt, weniger als sieben Stunden pro Nacht, schneidet in fast allen Tests – hinsichtlich der Aufmerksamkeit, der Kognition und der Anstrengungsbereitschaft – schlechter ab als Menschen, die ausreichend schlafen.

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Katabol und anabol

Erstaunlicherweise sind nicht alle körperlichen Prozesse, die während des Schlafs ablaufen, gänzlich erforscht. Klar erscheint, dass sowohl wichtige kognitive und emotionale Prozesse verarbeitet werden als auch muskuläre Reparatur-Prozesse ablaufen. In der Regel durchlaufen Menschen während einer Nacht vier unterschiedliche Schlafphasen, die sich immer wieder in 60- bis 90-minütigen Zyklen wiederholen.

Viele der wichtigsten regenerativen Prozesse finden in den Schlaf-Stunden sieben bis neun statt, auf die Viele verzichten. Gerade für die Optimierung der Leistungsfähigkeit ist die Regeneration – und damit der Schlaf – unverzichtbar. Für Profi-Athleten ist der Schlaf in der Regel genauso wichtig wie ihre härtesten Trainingseinheiten.

Sport bedeutet Stress und versetzt den Körper in einen „katabolen“ Zustand: Muskelstrukturen weisen nach harten Einheiten Mikrorisse auf, das „abbauende“ Hormon Cortisol wird freigesetzt. Hört man auf seinen Körper und gibt ihm die so wichtigen Erholungspausen, schaltet er vom katabolen in den anabolen Zustand: In dieser finden die muskulären Reparaturprozesse statt.

Rund 75 Prozent der menschlichen Wachstumshormone werden im Schlaf freigesetzt. So etwa das anabol wirkende Hormon HGH. Der Körper adaptiert sich an den Trainingsstress – in Form einer „Überkompensation“. Dies ist die Ursache der Leistungsverbesserungen durch einen Trainings-Regenerations-Prozess.

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Welchen Einfluss hat Schlaf auf die sportliche Leistung, Robustheit gegen Verletzungen und Erschöpfung?

Schlaf als Wachstums-Katalysator

Der Schlaf wird als Katalysator für das körperliche Wachstum angesehen – und ist daher die effektivste Methode der Regeneration. Nach einer halben Stunde Schlaf beginnt das System mit der „Erneuerung“: Wachstumshormone wie Testosteron und Somatropin, die für das Muskel- und Knochenwachstum unerlässlich sind, durchfluten nach der ersten REM-Phase den gesamten Körper und bleiben auf einem erhöhten Level im Blut, bis man wieder erwacht. Sie fördern die Proteinsynthese, die Neubildung von Proteinen, die für muskuläre Reparaturprozesse zuständig sind.

Die höchste Wachstumshormon-Konzentration tritt in der Regel zwischen 22 und zwei Uhr im Körper auf. Eine verlängerte Schlafdauer hat demnach positive Wirkungen auf den Körper und die Produktion von anabolen Hormonen – wie auch auf das Gehirn und das Gedächtnis.

Wenig Schlaf: Massenphänomen

Schlafprobleme und Schlafmangel sind Massenphänomene. Neben den direkten bestehen auch indirekte Einflüsse eines gestörten Schlafs auf die sportliche Leistungsfähigkeit. Durch das Wissen über ihr schlechtes Schlafverhalten vor Wettkämpfen ergibt sich für die betroffenen Sportler häufig ein weiterer Nachteil.

Die Effekte des Schlafverhaltens auf die physische und psychische Leistungsfähigkeit von Spitzenradsportlern war das Thema einer Studie der Universität Heidelberg. Die Forscher um Daniel Erlacher begleiteten unter anderem vier Nachwuchs- und Profiteams während fünf Etappenrennen. Dabei wurden die Radsportler befragt – und ihre Hirnströme, die Aufschluss über die Schlafqualität und -quantität geben können, wurden mittels mobiler Ein-Kanal-EEG-Rekorder aufgezeichnet. Ihre Wettkampfleistung wurde je von den Fahrern und den Sportlichen Leitern bewertet.

Die Ergebnisse: Tendenziell ergab sich ein Zusammenhang zwischen dem Tiefschlafanteil und der physischen Erschöpfung im Rennen am nachfolgenden Tag. Die Athleten, die größere Tiefschlafanteile aufwiesen, berichteten über eine geringere physische Erschöpfung im Rennen. Dem Tiefschlaf wird unter anderem die Funktion der physiologischen Regeneration zugesprochen und dürfte dadurch diesen Befund erklären. Zudem war auffällig, dass für einige Fahrer die objektiven Schlafparameter zum Teil eine deutliche Schlaffragmentierung aufwiesen.

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„Wachstumshormone wie Testosteron und Somatropin, die für das Muskel- und Knochenwachstum unerlässlich sind, durchfluten nach der ersten REM-Phase den gesamten Körper und bleiben auf einem erhöhten Level im Blut, bis man wieder erwacht.“

Schlaf und Leistung

Mit dem Thema Schlaf bei vielbeschäftigten Athleten befasste sich auch eine Studie der Stanford University 2011. Die Forscher untersuchten Merkmale für spielerische Kompetenzen wie Sprunggeschwindigkeit, Treffsicherheit und Reaktionszeit von Basketballspielern nach jedem Training. Über vier Wochen hinweg sollten die Athleten ihre üblichen Schlafgewohnheiten beibehalten. Nach Ablauf dieser Zeit wurden die Spieler gebeten mindestens zehn Stunden pro Nacht zu schlafen. Im Anschluss wurden die Tests wiederholt.

Die festgestellten Leistungssteigerungen waren extrem hoch: In allen Punkten verbesserten sich die Spieler um mindestens vier Prozent – ihre Reaktionszeit verkürzte sich signifikant. Dieselben Forscher wiederholten das Studiensetting mit Leistungsschwimmern. Die Ergebnisse waren sehr ähnlich. Auch die Schwimmer zeigten klar verbesserte Leistungen, nachdem sie ihre Schlafdauer verlängert hatten.

Mehr Schlaf würde demnach bedeuten: mehr Leistung. Zu wenig beziehungsweise schlechter Schlaf können klar negative Auswirkungen auf die sportliche Leistungsfähigkeit haben. Ein Schlafmangel kann zudem die Parameter Schmerzwahrnehmung, Entzündungen und Immunität beeinträchtigen.

Darüber hinaus können Veränderungen des Glukosestoffwechsels als Folge von chronischem, partiellem Schlafentzug zu Veränderungen des Kohlenhydratstoffwechsels, des Appetits, der Nahrungsaufnahme und der Proteinsynthese führen. Diese Faktoren können letztlich einen negativen Einfluss auf den Ernährungs- und den Stoffwechselstatus haben. Ergo gilt: Chronischer Schlafmangel mindert nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern begünstigt auch die Gewichtszunahme.

Hormone und Abnehmen

Dies zeigten mehrere Studien – so auch eine Untersuchung, die am National Institute of Health Chicago durchgeführt wurde. Dafür wurden für zehn gesunde Erwachsene nach dem Zufallsprinzip entweder 5,5 Stunden Schlaf oder 8,5 Stunden pro Nacht eingeplant. Parallel dazu wurde allen Teilnehmern eine mäßig kalorische Einschränkung zugewiesen.

Die Ergebnisse: Im Vergleich zu den Teilnehmern, die 8,5 Stunden pro Nacht schliefen, verloren die Teilnehmer, die nur 5,5 Stunden schliefen, weniger Körperfett und mehr fettfreie Körpermasse. Zudem wiesen sie weniger günstige Veränderungen der Stoffwechselhormone sowie eine schlechtere Substrat- und Energieverwertung auf. Weiterhin verspürten diese Teilnehmer ein stärkeres Hungergefühl.

Die Daten deuten darauf hin, dass ein Mangel an ausreichendem Schlaf in Verbindung mit einer verminderten Nahrungsaufnahme die metabolischen Effekte der Kalorieneinschränkung negativ beeinflussen kann. Die Experten stellten weiterhin fest, dass das Hormon Ghrelin, ein sogenanntes Hungerhormon, durch den Schlafentzug ansteigt. Die Insulin-Sensitivität sank durch den Schlafmangel um rund 30 Prozent. Somit könnte dies potenziell langfristig zu einer Insulinresistenz und zu einer Entwicklung einer Typ-2 Diabetes führen.

Schlafmangel beeinflusst diätische Interventionen

Die Fettzellen der Teilnehmer ähnelten schon nach nur vier Tagen Schlafentzug denen fettleibiger Menschen. Diese und weitere Studienergebnisse bestätigen, dass Schlafmangel die Wirksamkeit häufig angewandter diätischer Interventionen negativ beeinflussen kann. So können etwa höhere Ghrelin-Konzentrationen die Speicherung von Fett erleichtern.

Das Fazit: Zu wenig Schlaf bringt die Appetit-Hormone aus dem Gleichgewicht. Der Spiegel des Sattmacher-Hormons Leptin sinkt – jenes des das Hungergefühl auslösenden Hormons Ghrelin steigt. Ausreichender Schlaf wirkt somit als stoffwechsel- und diätunterstützend. Und als „Mittel“ gegen Heißhunger.

Die Empfehlung der Forscher lautet: mindestens sieben Stunden Schlaf pro Nacht. Der Schlaf ist die wichtigste Regenerationsmaßnahme – und unerlässlich für die physische und psychische Leistungsfähigkeit. Schlafmangel mindert nicht nur die sportliche und die kognitive Leistungsfähigkeit, sondern schadet auch der Gesundheit. Der Körper „wächst“ und erneuert sich im Schlaf – auf mehreren Ebenen.

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Die Schlaf-Phasen

Die Einschlafphase

Der Übergang von Wachheit zum Schlaf. Der Körper beginnt sich zu entspannen. Die Atmung verlangsamt sich. Blutdruck und Körpertemperatur sinken.

Die leichte Schlafphase

In dieser Phase kommt der Körper noch mehr zur Ruhe. Durch leichte Störungen erwacht man jedoch wieder schnell. Durchschnittlich verbringt man rund 50 Prozent der gesamten Schlafenszeit in dieser Phase.

Die Tiefschlafphase

In der Tiefschlafphase befindet sich der Körper in tiefster körperlicher Entspannung. Viele Körperfunktionen sind auf ein Minimum reduziert: Das Herz schlägt langsamer, die Atmung ist flach, die Körpertemperatur gering. Diese Phase ist besonders wichtig für physische Reparaturprozesse. Auch weil viele Wachstumshormone ausgeschüttet werden, die für die Regeneration der Zellen und des Immunsystems entscheidend sind.

Die REM-Phase im Schlaf

Die Abkürzung REM steht für rapid eye movement, schnelle Augenbewegungen. Diese Schlaf- ist auch als Traumphase bekannt. Im REM-Schlaf findet die unterbewusste Verarbeitung von Gedanken, Gefühlen und Ängsten statt. Nur rund 20 bis 25 Prozent der gesamten Schlafdauer verbringt man in dieser Phase. Mit der Verlängerung der Schlafdauer wächst auch der Anteil des REM-Schlafs.

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Überblick über die verschiedenen Schlaf-Phasen


Schlaf und Regeneration: Tipps

  • Kein Koffein mehr nach 17 Uhr
  • Kein Handy, Tablet, Laptop in Bettnähe
  • Stets zur selben Zeit zu Bett gehen
  • Nicht zu spät zu Abend essen
  • Stets Lüften und die Temperatur regulieren

Powernap

Für viele Profiathleten gehören sie zum Alltag: kurze Powernaps. „Nickerchen“ am Tag. Das Prinzip: Schnell einschlafen, rund zehn bis 25 Minuten lang ruhen und schlafen. Die Erholungseffekte – physisch wie psychisch – sind wissenschaftlich bewiesen.

Doch Vorsicht: Man sollte nicht zu lange schlafen, um nicht in die REM- oder Tiefschlafphase zu geraten, da sonst die „Aktivierung“ danach schwierig wird. Wer länger schlafen will, sollte besser den kompletten 90 Minuten dauernden Schlaf-Phasen-Zyklus einmal durchlaufen.

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