Monat: Januar 2021

Radsport-Saison 2020: Jahresbilanz, Rückblick, Beste Fahrer

Radsport-Saison 2020, Rückblick, Bilanz, Fazit

21, 22, 25, 25, 25 Jahre alt – waren die Sieger der Tour de France, des Flèche Wallonne, des Giro d’Italia, der Flandernrundfahrt, Mailand-Sanremo, Strade Bianche. Ihre Namen: Tadej Pogačar, Marc Hirschi, Tao Geoghegan Hart, Mathieu van der Poel, Wout van Aert. Drei der ersten vier der Gesamtwertung des Giro 2021 waren maximal 25 Jahre alt: Jai Hindley, 24, wurde Zweiter – João Almeida, 22, Vierter. Dieser Giro steht symbolisch für den großen Wandel – für die eine große Entwicklung – in dieser so besonderen Radsport-Saison 2020: den Generationswechsel an der Weltspitze.

Es sind nicht nur ein, zwei, drei Supertalente, die Top-Ergebnisse einfahren und die älteren etablierten Fahrer verdrängen. Nein, dies ist eine größere, breitere Entwicklung. Dieser „Machtwechsel“ ist der eine rote Faden dieser Saison.

Corona bestimmt die Radsport-Saison 2020

Der andere lautet: Corona. Die Pandemie bestimmte den Rennkalender. Sie zwang auch den Radsport zu Veränderungen und viel Flexibilität. In einer „normalen“ Saison wäre alles anders. Doch 2020 gab es Frühjahrsklassiker im Herbst, viele Termin-Überschneidungen, Rennabsagen – und 104 Radrennen in 100 Tagen.

Die Saison war zweigeteilt. Der erste Teil endete mit der um einen Tag verkürzten Rundfahrt Paris-Nizza, die der deutsche Bora-Hansgrohe-Profi Maximilian Schachmann sensationell gewann. Der zweite Teil begann, nach dem ersten Lockdown, am 1. August – mit Strade Bianche, dem Klassiker über die staubigen Naturstraßen der Toskana. Und dem Sieg eines Fahrers, der große Teile der Saison dominieren sollte: Wout van Aert. Der Belgier, der im September 26 Jahre alt wurde, fuhr vier Tage später auf Rang drei von Mailand-Turin. Drei Tage danach gewann er sein erstes „Monument“: Mailand-Sanremo. Bei der Tour de France arbeitete er als Helfer seines Kapitäns Primož Roglič extrem viel – und gewann dennoch „im Vorbeigehen“ zwei Etappen im Massensprint. Seine Platzierungen bei den vier Rennen nach der Tour: Zweiter der Zeitfahr-WM, Zweiter der Straßen-WM, Achter bei Gent-Wevelgem, Zweiter der Flandernrundfahrt. Was für eine Saison.

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Jumbo-Visma dominiert die Radsport-Saison 2020

Van Aert ist Teil eines der dominierenden Teams dieser Saison: Jumbo-Visma. Die Fahrer der niederländischen Equipe gewannen insgesamt 23 Saisonrennen – darunter vier Etappen und die Gesamtwertung der Vuelta.

Bei der Tour de France dominierten die Fahrer in den gelb-schwarzen Trikots. Der Slowene Primož Roglič sah bis zum vorletzten Tag wie der Sieger aus. Bis ihm sein damals 21-jähriger Landsmann Tadej Pogačar das Gelbe Trikot noch abnahm. Er sorgte damit für eine Sensation.

Trotz dieser „Niederlage“ war Primož Roglič der erfolgreichste Fahrer dieser besonderen Saison. Er fuhr extrem konstant, gewann die Tour de l’Ain, eine Tour-Etappe, Lüttich-Bastogne-Lüttich und die Vuelta. Mit seinen zwölf Saisonsiegen ließ er sogar die meisten Sprinter hinter sich. Die vier schnellsten Fahrer dieser Saison heißen: Arnaud Démare, 14 Siege, Pascal Ackermann, acht Siege, Sam Bennett, sieben Siege, und Caleb Ewan, ebenfalls sieben Siege.

Etablierte und Newcomer

Das – in der Zahl der Siege gemessen – erfolgreichste Team 2020 heißt, wie sollte es anders sein: Deceuninck – Quick Step. Wie in den Vorjahren zeigten die Fahrer aus der belgischen Equipe gerade bei Eintagesrennen oft dominante Leistungen. Jedoch nahm die Zahl der Siege bei den größten, den bedeutendsten Rennen klar ab.

Julian Alaphilippes Sieg beim Pfeil von Brabant war der einzige größere „Klassiker-Sieg“ für das Team. Jedoch sicherte sich der Franzose ein anderes extrem wichtiges – wohl das wichtigste überhaupt – Eintagesrennen: das um den Weltmeistertitel. Das extrem schwere Rennen von Imola war symptomatisch für die Saison. Es lief ab wie viele wichtige Rennen: Alaphilippe attackierte bergauf, initiierte eine Gruppe, attackierte noch einmal – und kam, diesmal, durch. Auf den Plätzen: die versammelte Weltklasse dieser Saison. Wout van Aert, Marc Hirschi, Michał Kwiatkowski, Jakob Fuglsang, Primož Roglič.

Radsport-Saison 2020, Bilanz, Jahresbilanz

 

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Durchwachsene Saison für Deceuninck – Quick Step

Dennoch war es wohl eine „durchwachsene“ Saison für Deceuninck – Quick Step. Denn: Beide Topstars des Teams verletzten sich schwer. Alaphilippe kollidierte während der Flandernrundfahrt – in der ersten Gruppe fahrend – mit einem Motorrad und brach sich das Handgelenk. Und Remco Evenepoel stürzte während der Lombardei-Rundfahrt von einer Brücke – und brach sich das Becken.

Bis dahin war es seine Saison: Der damals 20-Jährige war bei vier Rundfahrten angetreten – und gewann alle vier. Die Zahl seiner Saisonsiege bis dahin: neun. Doch aus der Equipe fuhren sich noch weitere junge Fahrer ins Rampenlicht. Vor alllem einer: João Almeida. Der 22-jährige Portugiese trug 15 Tage lang das Rosa Trikot des Giro d’Italia. Auch der einzige Deutsche im Team Quick Step zeigte eine starke Entwicklung: Jannik Steimle, 24, gewann die Slowakei-Rundfahrt und erreichte bei seiner ersten Grand Tour, der Vuelta, einen dritten Etappenrang.

Zu den großen Gewinnern der Saison gehört auch das deutsche Team Sunweb. Auch wenn sie den Giro d’Italia noch am vorletzten Tag „verloren“. Mit Jai Hindley als Zweiter und Wilco Kelderman als Dritter kamen gleich zwei Sunweb-Profis auf das Podest der Gesamtwertung. Allein der junge Australier Hindley holte vier Saisonsiege – einen beim Giro sowie zwei Etappen und die Gesamtwertung der Herald Sun Tour in seiner Heimat.

Bei Sunweb entwickelte sich ein weiterer junger Fahrer zu einem Weltklasse-Athleten, zu einem jener Profis, die es bei den großen Eintagesrennen zu schlagen gilt: Marc Hirschi. Der 22-jährige Schweizer gewann sowohl eine Etappe der Tour de France als auch den Flèche Wallonne. Sein dänischer Teamkollege Sören Kragh Andersen steuerte gleich zwei souverän herausgefahrene Tour-Etappensiege zu der erfolgreichen Sunweb-Saisonbilanz von 16 Siegen bei.

Top-Talente der Radsport-Saison 2020

Das britische Team Ineos Grenadiers gehörte bis zum Start des Giro d’Italia zu den „Verlierern“ der Saison: Nach sieben Tour-de-France-Gesamtsiegen in den vergangenen acht Jahren kam der beste Ineos-Fahrer in dieser Saison nur auf den 13. Rang. Der viermalige Sieger Chris Froome war nach seinem schweren Sturz im Vorjahr noch nicht in Form. Geraint Thomas, der Tour-Sieger von 2018, wurde nicht nominiert.

Die Briten setzten auf einen alleinigen Kapitän: den Vorjahressieger Egan Bernal. Doch der Kolumbianer kämpfte mit Rückenproblemen – und beendete die Rundfahrt vorzeitig. Das eigentliche Saisonziel – die Tour – lief für das britische Team demnach katastrophal, auch wenn Michał Kwiatkowski und Richard Carapaz bei einer Bergetappe einen Doppelsieg herausfuhren.

Ineos Grenadiers rettet seine Radsport-Saison beim Giro

Doch dann kam der Giro d’Italia – und damit eine weitere Sensation. Ein weiterer Aufstieg dieser Saison. Jener des Tao Geoghegan Hart. Der 25-jährige Brite gewann zwei Etappen – und holte sich am letzten Renntag bei dem abschließenden Zeitfahren noch das Rosa Trikot. Es war der zweite Giro-Sieg für Ineos nach dem Erfolg von Chris Froome im Jahr 2018.

Als herausragend zeigte sich auch der aktuelle Zeitfahr-Weltmeister Filippo Ganna: Der erst 24-Jährige gewann alle drei Zeitfahren und eine schwere Bergetappe als Solist. Da auch der Ecuadorianer Jhonatan Narváez in Cesenatico eine Etappe gewann, kam das Team Ineos auf extrem beeindruckende sieben Giro-Tagessiege.

Auch die letzte Grand Tour des Jahres verlief erfolgreich für die britische Equipe: Richard Carapaz wurde – mit nur 24 Sekunden Rückstand auf Primož Roglič – Gesamtzweiter der Vuelta.

Radsport-Saison 2020, Bilanz, Jahresbilanz

 

 

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Deutsche Profis

Zu den großen Saison-Gewinnern zählen auch die Verantwortlichen des UAE Teams Emirates. Die Bilanz: 33 Siege – darunter der Gesamtsieg bei der Tour de France. Allein Tadej Pogačar gewann acht Rennen. Eine starke Saison 2020 zeigte auch das US-amerikanische Team EF Pro Cycling – auch wenn nicht alle Ziele erreicht wurden.

So blieb der Team-Kapitän Rigoberto Urán bei der Tour de France etwas hinter den Erwartungen: Der Kolumbianer wurde Achter. Doch einer der Überraschungsfahrer dieser Saison holte noch einen Etappensieg: Uráns Landsmann Daniel Martínez. Der 24-Jährige gewann zudem das Critérium du Dauphiné. Auch ein weiterer Klassement-Fahrer aus dem Team EF feierte 2020 seinen Durchbruch: Hugh Carthy. Der 26-jährige Brite gewann die Bergetappe am Alto de l’Angliru und wurde Gesamtdritter der Vuelta.

Verlierer

Zu den „Verlierern“ dieser Saison zählt dagegen etwa das spanische Movistar-Team. Die Bilanz: nur zwei Siege. Bei der Tour de France und der Vuelta kam Enric Mas je auf den fünften Platz. Der Co-Kapitän, der inzwischen 40-jährige Alejandro Valverde, wurde Zwölfter der Tour, Zehnter der Vuelta, Achter der WM – doch er gewann kein Rennen. Ganz hinten in der Team-Punktewertung der Saison finden sich auch die Equipes Israel Start-Up Nation, NTT und Cofidis. Das deutsche Team Bora-Hansgrohe erlebte während dieser Saison viele Höhen und Tiefen.

Gerade auch während des großen Saisonziels, der Tour de France: Der Vorjahresvierte und Kapitän, Emanuel Buchmann, ging angeschlagen in das Rennen, fand nie seine Form – und musste seine Gesamtwertungs-Ambitionen früh aufgeben.

Peter Sagans Serie reißt

Auch die „grüne Serie“ des Peter Sagan riss: Der Slowake verpasste den Gewinn seines achten Grünen Trikots. Er musste sich in dieser Wertung seinem früheren Bora-Teamkollegen Sam Bennett geschlagen geben. Doch ein Fahrer „rettete“ die Tour-Bilanz für das deutsche Team: Lennard Kämna gewann die 16. Etappe als Solist. Eine großartige Leistung zeigte auch der Österreicher Felix Großschartner, der ohne viel Team-Unterstützung bei der Vuelta auf Gesamtrang neun fuhr.

Konstant erfolgreich fuhr auch Pascal Ackermann: Der Sprinter gewann unter anderem zwei Vuelta-Etappen. 2021 wird er zum ersten Mal bei der Tour de France an den Start zu gehen – und sich damit einen Kindheitstraum erfüllen.

Eine gute zweite Saisonhälfte fuhr auch der deutsche Lotto-Soudal-Profi John Degenkolb: Er gewann eine Etappe der Luxemburg-Rundfahrt, wurde Neunter der Flandernrundfahrt, Sechster bei Gent-Wevelgem und Vierter bei De Panne. Sein Lieblingsrennen, Paris-Roubaix, wurde zunächst in den Herbst verlegt – und dann wegen steigender Corona-Infektionszahlen abgesagt. So wie zahlreiche andere Rennen, etwa das Amstel Gold Race, die Cyclassics Hamburg, die Tour de Romandie, die Tour de Suisse und die Deutschland Tour.

Die Radsport-Saison 2020 war eine ganz besondere, eine spektakuläre. Ob die nächste Saison eine „normalere“ wird, ist aktuell noch völlig offen.


Top-Fahrerinnen der Radsport-Saison 2020

Auch im Renn-Kalender der Frauen gab es viele Rennausfälle – doch etliche der großen Rennen konnten ausgetragen werden. Anders als bei den Männern blieb ein großer Generationswechsel aus.

Die 2020 dominierenden Fahrerinnen waren dieselben wie in den Vorjahren. Allen voran: die Niederländerinnen. Annemiek van Vleuten dominierte die Saison im Frühjahr und auch nach dem Re-Start: Im Februar gewann sie Omloop Het Nieuwsblad, im August Strade Bianche und die EM. Beim Giro Rosa führte sie nach sechs Etappen deutlich – und stürzte dann schwer. Mit einem gebrochenen Handgelenk schied sie aus und gewann dennoch kurz darauf Silber im WM-Rennen.

Radsport-Saison, Jahresbilanz, Frauen

In der Radsport-Saison der Frauen blieb der Generationswechsel aus

Dort dominierte Anna van der Breggen: Sie gewann den Titel im Straßenrennen und im Einzelzeitfahren und „erbte“ den Gesamtsieg beim Giro Rosa von ihrer Landsfrau. An der Spitze des UCI-Rankings standen am Ende der Saison ebenfalls erfahrene Athletinnen: Lizzie Deignan und Elisa Longo Borghini.

Doch auch junge Fahrerinnen streben an die Weltspitze. Allen voran: die 22-jährige Deutsche Liane Lippert. Die erfahrene Lisa Brennauer gewann den Saisonabschluss in Spanien, die Madrid Challenge, und konnte – ebenso wie Lippert – eine Reihe von Top-Ten-Ergebnissen einfahren.


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Tour de France 2021: Etappen, Strecke, Termin, Informationen

Etappen, Strecke, Informationen, Tour de France 2021

Dieses Mal warteten keine 1000 geladenen Gäste im Pariser Palais du Congrès mit Spannung auf die Präsentation der Tour de France 2021. Wegen der Corona-Pandemie stellte der Tour-Chef Christian Prudhomme die Große Schleife schlicht von einem Pariser Fernsehstudio aus vor.

Los geht es, und das war lange bekannt, am 26. Juni in der Bretagne. Genauer: in Brest. Die Entscheidung um den Gesamtsieg wird wohl auf den letzten Bergetappen in den Pyrenäen fallen. Dort stehen unter anderem der Col de Peyresourde während der 17. Etappe sowie der Col du Tourmalet und die Bergankunft von Luz Ardiden – während der 18. Etappe – auf dem Programm.

Bergetappen und Bergankünfte

Insgesamt sechs Bergetappen, doch „nur“ drei Bergankünfte – im Alpen-Skiort Tignes, am Col du Portet und in Luz Ardiden in den Pyrenäen – stehen im Etappenplan. Die anderen Bergetappen führen über den Col de la Colombière nach Le Grand-Bornand in den Alpen, zweimal über den Mont Ventoux in der Provence – einmal von Sault und einmal von Bédoin aus. Und am 15. Tag der Tour de France 2021 über den höchsten Punkt der Grande Boucle: den 2407 Meter hohen Port d’Envalira. Das Etappenziel liegt in Andorra-Stadt. In der Nähe des Gipfels des Envalira befindet sich die Gedenkstätte für den Tour-Gründer Henri Desgrange.

Fünf weitere Streckenabschnitte führen durch die Mittelgebirge und könnten gerade für Fahrer in Ausreißergruppen interessant werden. Neben den Bergen spielen bei dieser Tour de France auch zwei Einzelzeitfahren wichtige Rollen. Das erste umfasst 27 Kilometer – und wird im Rahmen der fünften Etappe von Changé nach Laval ausgetragen. Das zweite ist für den vorletzten Tag der Tour vorgesehen. Die Strecke: 31 Kilometer, von Libourne nach Saint-Émilion. Saint -Émilion wird bereits zum dritten Mal ein Etappenort sein.

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Zeitfahren und Berge

Vor genau 25 Jahren wurde dort ebenfalls ein Einzelzeitfahren entschieden. Der Sieger hieß: Jan Ullrich. Die damalige Strecke war mehr als doppelt so lang: 63,5 Kilometer. Ullrich gewann vor Miguel Indurain und Abraham Olano – und nahm seinem Teamkollegen Bjarne Riis, der Vierter wurde, mehr als zwei Minuten ab. Dennoch gewann der Däne diese Tour, vor Ullrich. Erik Zabel holte sich in diesem Jahr in Paris das Grüne Trikot, das er insgesamt sieben Mal gewinnen konnte.

Bei der Tour de France 2021 können sich die Sprinter über acht Flachetappen freuen. So haben Fahrer wie der deutsche Top-Sprinter Pascal Ackermann aus dem Team Bora-Hansgrohe, der 2021 sein Tour-Debüt geben soll, ausreichende Chancen auf Etappensiege. Auch er könnte sich in die Liste der Aspiranten auf das Grüne Trikot des besten Sprinters einreihen.

Die längste Etappe der Tour de France 2021

Die längste Etappe führt über 248 Kilometer von Vierzon nach Le Creusot. Die kürzeste Etappe – neben den beiden Zeitfahren – ist die 21. nach Paris. Die Distanz: 112 Kilometer.

Eine Schlüsselstelle der kommenden Tour dürfte der 1909 Meter hohe Mont Ventoux werden, der am 7. Juli gleich zweimal überwunden werden muss. Jener Schicksalsberg, der wie eine Geröllwüste wirkt. Er ist der Berg des Windes. Am 13. Juli 1967 erlangte der Mont Ventoux traurige Berühmtheit, als der Brite Tom Simpson eineinhalb Kilometer vor dem Gipfel erschöpft zusammenbrach und verstarb. Später stellte sich heraus, dass Simpson eine hohe Dosis von Amphetaminen im Blut hatte. Nicht nur deshalb zählt der Ventoux, dieser Monolith der Provence, heute zu den legendärsten Bergen des Radsports.

Die Tour de France 2021 wird eine für die Allrounder, auch da die Strecke so viele Zeitfahrkilometer wie lange nicht mehr vorsieht. Es ist eine Strecke, wie sie Fahrern wie Tom Dumoulin, dem ehemaligen Zeitfahrweltmeister und Giro-d’Italia-Sieger von 2017 entgegenkommen könnte. Oder zeitfahrstarken Allroundern wie Primož Roglič – oder seinem slowenischen Landsmann Tadej Pogačar. Der amtierende Tour-Sieger wird im Sommer erst 22 Jahre alt sein. Ein Jahr jünger als ein weiterer Top-Favorit: Egan Bernal, der Tour-Sieger von 2019.

Die Tour de France 2021 in Zahlen

  • 3383 Kilometer
  • 176 Rennfahrer
  • 58 Zeitfahrkilometer
  • 21 Etappen
  • 8 Flachetappen
  • 6 Bergetappen
  • 3 Bergankünfte
  • 2 Zeitfahren

Die Etappen der Tour de France 2021

Etappennummer Datum Wo wird gefahren? Streckenlänge
1. Etappe 26. Juni 2021 Brest – Landerneau 187 km
2. Etappe 27. Juni 2021 Perros-Guirec – Mûr-de-Bretagne 182 km
3. Etappe 28. Juni 2021 Lorient – Pontivy 182 km
4. Etappe 29. Juni 2021 Redon – Fougères 152 km
5. Etappe 30. Juni 2021 Changé – Laval (EZF) 27 km
6. Etappe 1. Juli 2021 Tours – Châteauroux 144 km
7. Etappe 2. Juli 2021 Vierzon – Le Creusot 248 km
8. Etappe 3. Juli 2021 Oyonnax – Le Grand-Bornand 151 km
9. Etappe 4. Juli 2021 Cluses – Tignes 145 km
Ruhetag 5. Juli 2021 Tignes
10. Etappe 6. Juli 2021 Albertville – Valence 186 km
11. Etappe 7. Juli 2021 Sorgues – Malaucène (über Mont Ventoux) 199 km
12. Etappe 8. Juli 2021 Saint-Paul-Trois-Châteaux – Nîmes 161 km
13. Etappe 9. Juli 2021 Nîmes – Carcassonne 220 km
14. Etappe 10. Juli 2021 Carcassonne – Quillan 184 km
15. Etappe 11. Juli 2021 Céret – Andorra-la-Vielle 192 km
Ruhetag 12. Juli 2021 Andorra
16. Etappe 13. Juli 2021 Pas de la Casa – Saint-Gaudens 169 km
17. Etappe 14. Juli 2021 Muret – Saint-Lary-Soulan (Col de Portet) 178 km
18. Etappe 15. Juli 2021 Pau – Luz Ardiden 130 km
19. Etappe 16. Juli 2021 Mourenx – Libourne 203 km
20. Etappe 17. Juli 2021 Libourne – Saint-Émilion (EZF) 31 km
21. Etappe 18. Juli 2021 Chatou – Paris Champs-Élysées 112 km

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Veränderung: Leitartikel zum Generationswechsel im Profi-Radsport

Tadej Pogačar, Tour de France 2020, Profi-Radsport, Veränderung, Generationswechsel

Es ist die ewige Geschichte des Kampfes zwischen David und Goliath – zwischen einem kleineren, jüngeren, vermeintlich schwächeren Herausforderer und einem großen, etablierten, mächtigen Gegner. Jeder Goliath wird einmal fallen. Gestürzt, verdrängt, abgelöst von einem David. Einem hungrigeren, härteren, besseren, einem früheren Außenseiter, einem „Newcomer“.

Wie er selbst einmal einer war – bevor er aufstieg und zum Goliath wurde. Dies ist die ewige Abfolge. In der Geschichte, der Politik, der Wirtschaft*. Klein gegen Groß, neu gegen alt, arm gegen reich, innovativ gegen träge, hungrig gegen satt, pragmatisch gegen abgehoben – dies ist der Plot vieler Aufstiege und Untergänge. Es ist jener der Relation zwischen Teilen Asiens und Westeuropa. Und jener der Tour de France 2020.

Dominatoren

Es ist ein Plot, den das Publikum liebt. Das Duell zweier Teams war vor dieser Tour einfach zu prognostizieren. Und es trat ein. Nur mit einem völlig unerwarteten Ausgang – und ohne den erwarteten Spannungsbogen: Dieser war kürzer und weniger dramatisch, als ihn viele prognostiziert hatten. Lange vor den finalen Bergetappen in den Alpen war das Duell entschieden – am Schlussanstieg der 15. Etappe. Egan Bernal, der Vorjahressieger, brach an dem 17 Kilometer langen Grand Colombier ein. Er verlor allein an diesem Berg 7:20 Minuten auf die Tagesbesten. Zum Start der 17. Etappe trat er nicht mehr an.

Sein Team Ineos, der Goliath in diesem Vergleich, hatte vor der Tour alles auf ihn gesetzt, auf den einen Kapitän, den 23-jährigen Kolumbianer, den Tour-Sieger des Vorjahres. Die beiden anderen potenziellen Kapitäne wurden nicht für den Tour-Kader nominiert: Chris Froome, der Tour-Sieger der Jahre 2013, 2015, 2016 und 2017 und Geraint Thomas, der Tour-Sieger von 2018. Das Team Ineos verfügt, angeblich, über einen Jahresetat von mehr als 40 – das Team Jumbo-Visma über einen von rund 20 Millionen Euro. Ineos verpflichtete vor dieser Saison mal eben den Giro-Sieger des Vorjahres, Richard Carapaz.

Kommt Ineos stärker zurück?

Mit Fahrern wie Michal Kwiatkowski, Dylan van Baarle und Jonathan Castroviejo hat man zudem einige der stärksten und erfahrensten Helfer, und mit Pavel Sivakov und Ivan Sosa – sowie ab 2021 Daniel Martinez und Tom Pidcock – vier der größten Rundfahrer-Talente im Team.

2012 begann die Ära der Equipe Ineos – vormals Sky – mit dem Tour-Sieg von Bradley Wiggins, dem ersten von sieben seither. 2020 endet sie – vorerst. Doch: Es ist noch völlig unklar, ob Egan Bernal und sein Team endgültig abgelöst werden. In dieser Tour wurden sie geschlagen – jetzt sind sie aufgewacht. Und werden Vieles ändern. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie stärker zurückkommen werden.

Neue Stars

Die Saison 2020 ist eine der Ablösungen – eine des Aufstiegs neuer Stars. Auch bei den Klassikern gilt: Die über Jahre dominierende Generation – um Van Avermaet, Terpstra, Sagan, Stybar, Nibali, Valverde – wird abgelöst von einer neuen.

Der stärkste Eintages-Fahrer dieses Jahres heißt: Wout van Aert. Der Belgier ist 26 Jahre alt, seit 2019 World-Tour-Profi, dreimaliger Cyclocross-Weltmeister, und auf allen Terrains Weltklasse. Er gewinnt Massensprints oder als Solist. Er zerlegt Pelotons in den Bergen wie im Flachen. Er siegt bei Zeitfahren wie bei welligen Rennen.

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Wout van Aert war einer der größten Gewinner auf der Profi-Tour 2020

Remco Evenepoel als ein Überfahrer der Zukunft

Gleich mehrere Fahrer der neuen Klassiker-Weltspitze kommen aus dem Querfeldeinsport: Van Aert, 26, Mathieu van der Poel, 25, Julian Alaphilippe, 28.

Ein potenzieller „Überfahrer“ der Zukunft ist erst 20 Jahre alt. Ein schwerer Sturz bei der Lombardei-Rundfahrt, bei dem er sich die Hüfte brach, beendete seine extrem erfolgreiche Saison, seinen kometenhaften Aufstieg: Remco Evenepoel trat 2020 bei vier Rundfahrten an – und gewann alle vier. Er wäre einer der Top-Favoriten für den Giro d’Italia gewesen. Für seine erste Grand Tour. Mikel Landa, der Vierte der Tour de France 2020, sagt über ihn: „Wir müssen jetzt noch so viele Rennen wie möglich gewinnen, denn in zwei, drei Jahren wird er unschlagbar sein.“

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Remco Evenepoel gilt als Überfahrer der Zukunft

Top-Talent Tadej Pogačar

Diese Aussage stammt von vor der Tour. Nach der Zielankunft von Paris hätte er sicher einen zweiten Fahrer miteingeschlossen: den Tour-de-France-Sieger, Tadej Pogačar. Der damals noch 21-Jährige war – bei seiner ersten Tour-de-France-Teilnahme – der einzige echte Gegner seines slowenischen Landsmanns Primož Roglič. Er war in den Bergen stets früh auf sich gestellt, fuhr meist im „Schatten“, und im Wind-Schatten, des übermächtigen alles erdrückenden Jumbo-Visma-Teams – und siegte letztlich als One-Man-Show. Mehr David-gegen-Goliath geht wohl nicht.

Pogačar ist schon jetzt ein Mann der Rekorde: 1. Er ist der jüngste Fahrer aller Zeiten, der die Tour und gleich drei Wertungstrikots gewann: das Gelbe, das Weiße, das Rot-Gepunktete. 2. Im Vorjahr holte er bei der Vuelta gleich drei Etappensiege, was noch keinem 20-Jährigen je bei einer Grand Tour gelang. 3. Er stellte gleich mehrere neue Bestzeiten an legendären Tour-de-France-Anstiegen auf – so etwa während der achten Etappe am Col de Peyresourde. An dem 9,7 Kilometer langen Anstieg attackierte er drei Mal. Die letzte Attacke saß. Er flog den Berg in 24 Minuten und 35 Sekunden hinauf.

In den 10:25 Minuten nach seinem Antritt leistete er, laut Berechnungen anhand seiner Strava-Daten, durchschnittlich 447 Watt – was 6,77 Watt pro Kilogramm Körpergewicht entspricht. Schon am zweiten Berg dieser Etappe, dem Port de Balès, fuhr er 30 Minuten lang durchschnittlich mit 404 Watt – 6,1 Watt pro Kilogramm. Am Peyresourde unterbot er die bislang schnellste je gemessene Auffahrt-Zeit deutlich. Um 45 Sekunden. Die alte Rekordzeit lag bei 25:20 Minuten – sie war von Alexander Vinokourov und Iban Mayo 2003 aufgestellt worden. In der „dunklen Ära“ des Profi-Radsports. Dem EPO-Zeitalter. Von zwei Profis, die beide des Dopings überführt wurden.

Rekorde, Rekorde

Auch an der Steigung nach La Planche des Belles Filles stellte Pogačar einen neuen Rekord auf – obwohl er zuvor bereits rund 30 Zeitfahr-Kilometer absolvierte und am Fuß des Anstiegs noch von seinem Zeitfahr- auf sein Straßenrad wechselte. Er überwand die extrem schweren 5,9 Kilometer in 16:10 Minuten. Laut der Plattform „Velofacts“ leistete er dabei durchschnittlich 6,5 Watt pro Kilogramm. Diese Zeitfahrleistung am vorletzten Tag der Tour brachte ihm seinen dritten Etappen- und den Gesamtsieg.

Und: Die Rekord-Zeit – ebenso wie am Col de Peyresourde, am Col de Marie-Blanque, am Pas de Peyrol und am Grand Colombier. Diese Leistungen triggerten viele Reaktionen: Erstaunen, Ungläubigkeit, Respekt, Begeisterung – und Verdächtigungen. Ist eine solche Tour „sauber“ möglich?

Schlimmer als Floyd Landis?

Eine Grundsatzfrage: Kann man „unmenschliche“ Leistungen und Doping-Vergehen anhand von Auffahrt-Zeiten und Watt-Werten entdecken beziehungsweise definieren? Antoine Vayer glaubt: ja. Er war einst Trainer des Festina-Teams, dessen Doping-Praktiken der Hauptauslöser für die Skandal-Tour 1998 waren.

Nach dem Zeitfahren der Tour 2020 stellte er ein Video ins Netz, im dem er Pogačars Leistung als „schlimmer als jene von Floyd Landis“ bezeichnete. Zitat: „Schaut euch Pogačars Entourage an. Ich hoffe, dass die Institutionen und die Polizei ihre Arbeit machen.“

Vayer führt seit Jahren Berechnungen zu den Bergauf-Leistungen der Tour-Profis durch. Nach diesen leisteten allein während der Tour de France 2012 vier Fahrer auf dem Weg nach La Planche des Belles Filles Werte zwischen 6,5 und 6,65 Watt pro Kilogramm. 2017 traf dies auf fünf Profis zu. 2019 sogar auf zwölf.

Der „Doping-Arzt“ Michele Ferrari – Szene- beziehungsweise Spitzname „Dottore EPO“ – soll bei seinem Kunden Lance Armstrong ab einer Schwelle von 6,7 Watt pro Kilogramm von einer „Tour-Sieg-Form“ ausgegangen sein. Was ist das natürliche Limit? Welche Leistung ist noch „menschlich“?

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Was ist das natürliche Limit?

Fakt ist: Die genauen Leistungswerte – ebenso wie das genaue Gewicht eines Fahrers – kennen nur die jeweiligen Team-Verantwortlichen und der Fahrer selbst. Zudem müssen diese Zahlen auch je in einen Kontext gesetzt werden – Stichworte: Taktik, Höhe, Vorbelastung, Windschatteneffekte, Windrichtung. All diese Parameter beeinflussen die Leistungsdaten und Auffahrzeiten.

Würde man einen bestimmten Leistungswert, wie etwa 6,5 Watt pro Kilogramm, als klaren Hinweis auf Doping definieren, wären viele Fahrer verdächtig. Gerade in diesem Jahr waren erstaunlich viele Fahrer erstaunlich schnell – so unterboten, laut „Climbing Records“, neben Pogačar auch Primož Roglič, Richie Porte, Mikel Landa und Nairo Quintana die bestehende Rekordzeit am Peyresourde.

System Radsport selbst schuld?

Natürlich hat sich das System Profi-Radsport diese Verdächtigungen auch selbst zuzuschreiben. Wegen seiner Intransparenz etwa. Und vor allem: Wegen seiner Inkonsequenz gegenüber in Doping verstrickten Personen.

All jene aufzuzählen, die aus einem Doping-System kommen, damit in Berührung kamen, darin involviert waren und dennoch heute noch wichtige Positionen im Radsport einnehmen, würde den Rahmen dieses Leitartikels sprengen. Leider.

Andrej Hauptman ist der Sportdirektor des UAE Team Emirates. Er gilt als „Entdecker“ Tadej Pogačars. Als Profi wurde er im Jahr 2000 vom Start der Tour de France ausgeschlossen, da sein Hämatokritwert bei über 50 lag. Gegen einen „Entdecker“ Rogličs, den Rad-Manager Milan Erzen, wurden im Rahmen der „Operation Aderlass“ Ermittlungen eingeleitet. Erzen war der Sportliche Leiter des Teams Adria Mobil, in dem Roglič seine Karriere begann.

Über Mauro Gianetti, den Leiter des Teams UAE sagte der Tour-Chef Christian Prudhomme bereits 2008: „Der Manager ist ein Mann von schlechtem Ruf.“ Damals leitete Gianetti das Team Saunier-Duval. Sein Fahrer Riccardo Ricco wurde als Führender der Bergwertung des Dopings überführt.

Mit Leonardo Piepoli wurde ein zweiter Saunier-Fahrer des EPO-Dopings verdächtigt, und später für zwei Jahre gesperrt. Das komplette Team zog sich von dieser Tour zurück. 2011 war die Equipe unter dem Namen Geox-TMC bei der Vuelta am Start – und gewann die Rundfahrt mit dem Spanier Juan Jose Cobo.

Verdächtig?

Nur wurde ihm dieser Titel, wie viele weitere Ergebnisse, 2019 aufgrund von Auffälligkeiten in seinem Blutpass aberkannt. Als Profi fiel Mauro Gianetti unter anderem durch einen Vize-Weltmeister-Titel auf. Und durch ein Ereignis während der Tour de Romandie 1998: Er stürzte ohne Fremdeinwirkung vom Rad. Der behandelnde Arzt sprach davon, Gianetti sei dem Tod nahe gewesen, da er ein Mittel namens Perfluorcarbon im Blut gehabt habe. Offiziell wurde ein durch eine Allergie hervorgerufener Schwächeanfall als Ursache genannt.

Im Zuge der „Aderlass“-Doping-Ermittlungen wurden die beiden slowenischen Ex-Radprofis Kristijan Koren und Borut Bozic je für zwei Jahre gesperrt. Die Zeitung „Le Monde“ analysierte, dass innerhalb von zehn Jahren 42 Prozent aller slowenischen World-Tour-Profis wegen Dopings suspendiert wurden – acht von 19. Im Leistungssport, nicht nur im Radsport, sind Extrem-Leistungen für Viele mit Zweifeln verbunden. Nachvollziehbarerweise.

Aber: Sollten nicht auch in diesem Bereich zwei Grundprinzipien einer freien demokratischen Gesellschaft erhalten bleiben? Die Unschuldsvermutung, bis Beweise erbracht wurden – und die Ächtung jeder Form der Sippenhaft-Verdächtigungen. „Von meiner Seite aus könnt ihr mir vertrauen. Ich habe nichts zu verstecken“, sagt Primož Roglič, der Mann, der einst der beste Ski-Springer der Welt sein wollte – und erst mit 26 Jahren endgültig zum Radsport wechselte.

Märchenhaft

Seine Geschichte ist eine des märchenhaften Aufstiegs. Ähnlich jener des Vorjahressiegers des wichtigsten Radrennens der Welt: Egan Bernal wuchs in Zipaquira auf, einem „Barrio“, in einem von der Guerilla gegründeten Armenviertel, 40 Kilometer nördlich der kolumbianischen Hauptstadt Bogota, 2650 Meter über dem Meer.

Sind solche Aufstiege – vom David zum Goliath – zu „schön“, um wahr zu sein? Wer weiß es? Es gilt: Das extrem ineffiziente Doping-Kontrollsystem zu reformieren. Es gilt: Viel mehr Zeit und Geld in die Aufklärung junger Athleten zu investieren. Es gilt: Überführte Doper und ihre Dealer und Hintermänner lebenslang aus dem System Profisport zu verbannen.

Doch was wäre der Sport letztlich – und was wäre das Leben – ohne den Glauben daran, dass solch „märchenhafte“ Aufstiege möglich sind?

*Ausnahmen sind Wirtschafts-Monopole. Weshalb diese von Kartellbehörden kontrolliert und gegebenenfalls zerschlagen werden (sollten). Aktuelle Goliaths wie Amazon, Facebook, Alphabet, Microsoft, Blackrock, Alibaba, Tencent und Co. haben eine Machtfülle erreicht, die in einem „normalen“ Wettbewerb wohl nicht wieder zu brechen ist. / Anmerkung: Die eingeleitete Untersuchung zu Doping-Verdächtigungen gegen Angehörige des Teams Arkea-Samsic während dieser Tour de France war zum Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 11-12/2020Hier können Sie die Ausgabe als E-Paper oder Printmagazin bestellen.


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