Monat: August 2022

Doping, Profisport, Statistiken: Zahlen und Hintergründe

Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard, Brandon McNulty, Doping, Leitartikel

25 Jahre ist es her, dass Deutschland zu einer Radsportnation wurde. Kurzfristig. Ein junger Held war emporgestiegen – und hatte als erster Deutscher überhaupt das größte und für Nicht-Radsportfans wohl einzige bedeutende Radrennen der Welt gewonnen: die Tour de France. Jan Ullrich war damals 23 Jahre alt. Man, die Medien und die Gesellschaft, ging davon aus, dass er die Tour über Jahre hinweg dominieren würde. Es kam alles anders. Er stieg weit hinauf – und fiel umso tiefer. Die Medien waren erst extrem begeistert, euphorisch und vergleichsweise distanzlos und dann umso enttäuschter. Die ARD ging gar so weit, Trikotsponsor von Ullrichs damaligem Team Telekom zu werden.

1998 war Willy Voet, ein Betreuer des Teams Festina, noch mit einem Kofferraum voller Dopingmittel durch Frankreich gefahren. Um das Jahr 2005 verspritzte der niederländische Profi Thomas Dekker, der einst als „Wunderkind“ des Radsports galt, sein Blut über den Boden eines Hotelzimmerbades – bei dem verzweifelten Versuch, sich selbst einen Beutel voller Eigenblut per Infusion „einzutrichtern“.

2006 folgte der sogenannte Fuentes-Skandal. Durch die „Operación Puerto“ der spanischen Behörden wurde ein ganzes Doping-System aufgedeckt. Auf der berühmten Kundenliste des Dr. Eufemiano Fuentes standen, angeblich, rund 200 Namen. Darunter neben 60 Radsportlern auch Leichtathleten, Tennis- und Fußballspieler. Nur 50 Athleten wurden identifiziert – alles Radsportler.

Ist der Profi-Radsport „sauberer“ geworden?

Seither hat sich viel verändert. Der Profi-Radsport ist mit Sicherheit „sauberer“ geworden. Seit 2008 ist ein biologischer Pass im Profi-Radsport obligatorisch. Dabei werden die Ergebnisse aus Blut- und Urintests zu einem biologischen Profil des Sportlers zusammengetragen. Dies soll einen Hinweis darauf geben, ob manipuliert wurde – auch wenn das genaue Mittel nicht zu erfassen ist.

2011 wurde die „No Needle Policy“ eingeführt. Diese verbietet den Fahrern alle Arten von Injektionen, ergo alle „nicht medizinischen“ Spritzen. 2013 wurde diese Regel noch einmal verschärft.

In Sachen Anti-Doping-Kampf kann man aktuell eine extrem beeindruckende Erfolgsbilanz vorweisen: In den vergangenen 20 Monaten wurde kein einziger WorldTour-Profi positiv getestet. Dafür gibt es drei potenzielle Erklärungen: 1. Der Profi-Radsport ist zu 100 Prozent sauber. 2. Das Testsystem ist dysfunktional. 3. Eine Kombination aus beidem.

Tests und Abschreckung

Seit zwanzig Monaten ist eine neue Test-Agentur für den Radsport zuständig. Jahrelang nahmen Abgesandte der Stiftung „Cycling Anti-Doping Foundation“, CADF, die Kontrollen beziehungsweise Tests vor. Anfang 2021 verkündete der Radsport-Weltverband UCI dann deren Ausbootung. Die noch junge „International Testing Agency“, ITA, wurde eingesetzt. Seitdem wurde kein Profi aus der ersten Liga des Radsports mehr des Dopings überführt.

Der UCI-Präsident David Lappartient kommentiert diese Bilanz mit: „Wir wären naiv, wenn wir glaubten, es gäbe keinen Betrug mehr. Glaubwürdigkeit kann in fünf Minuten verloren gehen. Und dann dauert es zwanzig Jahre, sie wiederaufzubauen.“ Das Ziel des Kontrollsystems sei es nicht, möglichst viele positive Tests zu generieren. Sondern potenzielle Betrüger von Beginn an abzuschrecken.

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Leistungen sind enorm angestiegen

Fakt ist: Die Leistungen der Top-Profis bei den großen Rennen sind in den vergangenen Jahren wieder enorm angestiegen. Bei den Top-Profis, gerade während der Grand Tours, sieht man: An den Pässen und langen Anstiegen sind die aktuellen Auffahrzeiten – der Wert wird „VAM“ genannt, „velocità ascensionale media“, und definiert die Zahl der Höhenmeter, die man in einer Stunde zurücklegen kann – vergleichbar mit jenen der Top-Fahrer Ende der 90er- und Anfang der 2000er-Jahre. Ergo: während der EPO-Doping-Hochphase.

Der frühere Team-Festina-Trainer und jetzige „Dopingjäger“ Antoine Vayer hat dazu Skalen errechnet, die zeigen sollen, welche Leistungen realistisch, oder wie er es nennt, „noch menschlich“ und welche „mutantisch“ sind. Leistungen am Berg zwischen 430 und 450 Watt kategorisiert er als „Wunder“. Mehr als 450 Watt können demnach nur „Mutanten“ treten.

Peter Leo, der damalige Trainer des Continental-Teams KTM-Tirol und Mitautor von mehr als 25 wissenschaftlichen Studien zu den Leistungen beziehungsweise Leistungsfaktoren und Entwicklungen im Radsport, bilanzierte gegenüber RennRad: „Diese Einschätzungen teile ich – Vayers Werte und Skalen sind definitiv realistisch. Es gibt demnach noch immer Leistungen, die man objektiv eigentlich nicht mehr erklären kann.“ Den ganzen 16-seitigen Hintergrundartikel zu Leistungswerten, Talententwicklung und Training finden Sie in der RennRad-Ausgabe 8/2022.

Die historische Rekordzeit von Tadej Pogačar

Tadej Pogačar setzte während der Tour de France 2020 eine historische Rekordzeit am Col de Peyresourde. Mit 24:35 Minuten war er an dem legendären Anstieg 45 Sekunden schneller als Iban Mayo und Alexander Vinokourov im Jahr 2003. Beide sind überführte Doper. Pogačar fuhr den Anstieg mit einer geschätzten Leistung von 429 Watt, was etwa 6,5 Watt pro Kilogramm entspricht.*

Wobei die Vergleichbarkeit schwierig ist. Die Faktoren lauten: Wind, Taktik, Ermüdung, Material. Thibaut Pinot, der französische Radprofi aus dem Team FDJ, sprach im Frühjahr dennoch von einem „Radsport der zwei Geschwindigkeiten“. Er bezog sich damit unter anderem auch auf den Ge- beziehungsweise Missbrauch von Schmerzmitteln im Peloton.

Cian Uijtdebroeks, 19, eines jener Top-Talente, die direkt von der Juniorenklasse in die WorldTour wechselten, meldete sich nach seinem dritten Rennen als Radprofi, der Saudi-Tour, zu Wort: „Jeder macht damit, was er will. Wenn ich im Finale von einem Fahrer geschlagen werde, der drei Gramm Paracetamol eingenommen hat, bin ich frustriert. Ich habe nicht vor, meine langfristige Gesundheit für die kurzfristige Leistungsfähigkeit aufs Spiel zu setzen.“

Die Kontroverse um Rafael Nadal

Im Juni dieses Jahres kam es zu einer Kontroverse um die Art und Weise eines großen Sieges – im Tennis: Rafael Nadal, 36, gewann zum 13. Mal die French Open. Es war sein 22. Grand-Slam-Titel. Der Spanier leidet seit Jahren am Müller-Weiss-Syndrom, einer degenerativen Knochenkrankheit, bei der sich Teile des Kahnbeins zurückbilden.

Nach dem Turnier sagte er: „Ich will nicht darüber sprechen, wie viele Spritzen ich bekommen habe, aber ja, vor jedem Spiel brauchte es einige, um den Nerv zu betäuben.“ Sein Leibarzt verabreichte ihm wohl Dutzende von Kortison-Injektionen. Eine Praxis, die im Radsport wegen der dort geltenden No Needle Policy so nicht möglich wäre. „Was Nadal gemacht hat, wäre im Radsport unmöglich“, sagte der Radprofi, studierte Philosoph und Tour-de-France-Achte von 2021, Guillaume Martin, in einem L’Équipe-Interview. „Bist du krank oder verletzt, dann fährst du nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob dies Nadals Gesundheit hilft. Wenn das ein Rad-Profi macht, wird er sofort gesperrt. Und selbst wenn nicht, brandmarken ihn alle als Doper. Einfach, weil unserer Sportart dieses Klischee anhaftet. Die Leute feiern nun Nadal, weil er die Schmerzen unterdrückt. Gleiches gilt für Zlatan Ibrahimović, der sein Knie fitspritzen ließ. Sie gelten als Helden, obwohl sie dafür Substanzen benötigen, die komplett am Limit sind. Und der Tour-Sieger wird systematisch des Dopings beschuldigt, ganz egal, was er macht.“

Schmerzmittel und die Dopingliste

Viele Schmerzmittel stehen nicht auf der Dopingliste. „Im Prinzip geht es dabei jedoch um eine Leistungssteigerung“, sagte der Sportmediziner Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln. „Bei einer hohen Belastung erreichen Sportler eine Schmerzgrenze. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln versuchen viele, diese Grenze zu verschieben, um länger Leistung zu bringen.“

Doch das Thema Schmerzmittel-Missbrauch ist nur ein Randbereich des großen Ganzen. Der Anti-Doping-Kampf ist ein Hasel-Igel-Spiel. Ein Wettlauf, in dem der Igel immer schneller ist. Dabei ist man aktuell noch am Anfang der Forschung zu einem potenziellen „Gamechanger“. Dieser lautet: CRISPR/CAS. Diese Technologie erlaubt das gezielte „Herausschneiden“ und Manipulieren von DNA-Strukturen.

Neben dem direkten Eingriff in Genstrukturen existiert eine „einfachere“ Variante des Gen-Dopings: Der Einsatz von Mitteln, die auf die Gen-Expression wirken.

Wie wird das System ausmanövriert?

Doch: Das bestehende System kann bereits mit deutlich weniger Aufwand umgangen beziehungsweise ausmanövriert werden. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Mikrodosierungen, leichte Modifizierungen, die bei einer Analyse nicht mehr auffallen, neusynthetisierte Testosteron-Varianten, Wachstumshormone wie IFG-1, Epitestosteron, Peptidhormone.

Jahr für Jahr führt weit weniger als ein Prozent aller Trainingskontrollen der NADA zu positiven Tests. „Die Wirkung schon bekannter Dopingmittel kann durch die Zugabe anderer Medikamente verstärkt werden – dadurch werden Sportler kurzfristig leistungsfähiger und sie können mit diesen Mitteln unter der detektierbaren Schwelle dopen. All dieses Wissen hat sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit kumuliert“, sagt Professor Perikles Simon von der Universität Mainz in einem Spiegel-Interview.

Er galt jahrelang als einer der Top-Anti-Doping-Forscher. Zuletzt arbeitete er an Nachweisen für Gen-Doping-Substanzen. Bis er sich aus diesem Bereich – aus dem Anti-Doping-Kampf – komplett zurückzog. „Dabei ist mir letztlich klar geworden, dass es zurzeit sinnlos ist, über diesen Extrembereich des Hightech-Dopings nachzudenken. Die Vielfältigkeit, selbst mit alten Ladenhütern zu dopen und damit das Testsystem zu umgehen, ist auch ohne die neuen Methoden exorbitant. Ich könnte immer weiter forschen. Aber an der Grundaussage, dass rund die Hälfte aller Spitzenathleten gegen die Regeln verstoßen, würde sich hierdurch nichts ändern. Auch die Substanzen, mit denen die Athleten dopen, sind aus anderen Quellen hinlänglich bekannt. Es gibt also keinen Forschungsbedarf mehr für mich. Ich habe in all den Jahren nichts erreicht. Nichts, außer vielleicht Kontraproduktives, weil ich das System in Teilen mitgestützt habe.“

Dieser Leitartikel erschien in der RennRad 9/2022Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.

* 2022 fielen etwa die Leistungen während der 17. Etappe am Col d‘Azet auf: Drei Fahrer fuhren dort in ihrer eigenen Liga – Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard und Brandon McNulty. McNulty fuhr den kompletten Anstieg von vorne – und leistete dort geschätzte 6,58 Watt pro Kilogramm für 22:24 Minuten. Am Ende waren die Top-Drei des Tages an diesem Pass 2:30 Minuten schneller als Marco Pantani, Jan Ullrich und Richard Virenque 1997.


Leitartikel von Chefredakteur David Binnig aus 2022

Rennräder und Gravelbikes: Unterbringung und Schutz

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Kein Fahrradschloss ist wirklich sicher. Dabei geht es gar nicht immer um den Diebstahl. Bei vielen Delikten spielt der Spaß am puren Vandalismus eine wichtige Rolle. Fahrräder, die nicht „geknackt“ werden können, werden demoliert, verschleppt oder anderweitig missbraucht. Es sind nicht nur extrem kostenintensive Fahrräder, denen dieses Schicksal blüht. Umso wichtiger ist es, das Rad richtig unterzubringen und abzuschließen. Was sollte man dabei beachten, welche Möglichkeiten gibt es?

Der Klassiker: Hausflur

Studenten und alle mit einer kleinen Einzimmerwohnung kennen das Problem: Das Mietshaus hat keinen Fahrradkeller. Also kommt das Rad diebstahlsicher mit ins Zimmer. Geparkt zwischen Bett, Schreibtisch und Gummibaum ist es zumindest sicher vor Diebstahl. Dem Rad schadet dieser Parkplatz nicht, der Gemütlichkeit schon. Spätestens wenn ein Date ansteht, wird das Rad deshalb doch in den Hausflur verbannt. Wichtig: Es sollte abgeschlossen sein. Denn gerade in Mietshäusern mit vielen Wohnparteien hat man nicht im Blick, wer da alles herumschleicht. Wichtig ist auch, dass keine Fluchtwege blockiert werden.

Die meisten Hausratversicherungen bieten eine Fahrradklausel an. Bei Diebstahl, Vandalismus, Sturz und Unfall ist der Schaden von der Versicherung abgedeckt. Das bedeutet aber auch, dass das Rad nachweislich immer abgeschlossen und/oder in einem abgeschlossenen Raum untergebracht sein muss. Ein gutes Fahrradschloss ersetzt die Versicherung also nicht.

Eleganter: Garage oder Fahrradgarage

Praktischer ist es, wenn ein Stellplatz in der Garage oder im Fahrradkeller zur Verfügung stehen. Sind diese Räume allgemein zugänglich (wie in Mietanlagen üblich), sollte das Fahrrad auch hier unbedingt abgeschlossen werden.

Fahrradständer in der Garage oder im Carport beugen Wildparken vor – besonders wichtig ist das, wenn neben den Fahrrädern des Nachwuchses auch noch ein oder zwei Autos im Carport Platz finden sollen.

Kein Platz? Kein Problem!

Zum Glück sind Rennräder und Gravelbikes sehr leicht. Die sportlichen Fahrräder hebt man leicht mit einer Hand. Da bietet sich eine Aufhängung an der Wand oder an der Decke an. Damit ist auch in der kleinsten Garage ausreichend Platz für das sportliche Rad. Für Alltagsstrecken, zur Arbeit etwa oder zum Einkaufen, sind Rennräder ohnehin nicht geeignet.

Neben den vertikalen Wandhaltern gibt es inzwischen auch Fahrradhalter, die einfach aufgestellt werden. Die erinnern optisch ein bisschen an einen Hutständer und können durchaus für mehrere Räder ausgelegt sein. Sie nehmen etwas mehr Platz weg als der Fahrradhalter, der in der Wand oder an der Decke verschraubt wird, ist aber gerade bei Mietverhältnissen vorteilhaft. Wichtig: Beim Kauf der Halterung immer die maximale Tragkraft der Halterung, die Reifenbreite des Rads und die Art der Aufhängung beachten! Nicht jedes Rad macht jede Art der Halterung mit.

Vor Staub und Schmutz schützen

Wer sein Fahrrad liebt, der pflegt es. Werden Räder über den Winter im Keller oder in der Garage eingelagert, sollten sie immer fachgerecht abgedeckt sein. Die sogenannten Bikeparkas (Fahrradhüllen) halten Staub und Schmutz fern, schützen den Lack und lassen das Rad darunter trotzdem atmen. Hochwertige Produkte sind luftdurchlässig, sodass sich an Griffen, Sattel und anderen Weichteilen kein Moder bilden kann.

Bitte nicht mit der Foliengarage verwechseln: Das ist eine wetterfeste Abdeckung, die das Rad bei Regen im Fahrradständer vor der Tür trocken hält. Diebstahlschutz bietet die Foliengarage nicht. Hochwertige Räder sollten immer mit einem Bügelschloss oder einem Faltschloss gesichert werden, denn diese sind besonders schwer zu knacken.

Höhentraining: Effekte, Risiken, Hintergründe

Höhentraining, Stelvio, Stilfser Hoch, Höhenmeter, Berge

Sie leben fernab von Städten, Dörfern, anderen Menschen – 2100 Meter über dem Meer. An einem Ort, den ein 50-Kilometer-Anstieg vom Rest der Welt, vom Alltag, von der „Zivilisation“ trennt. Und das wochenlang. Der Name des Ortes lautet: das Hotel Parador. Seine Umgebung: ein Hochplateau unterhalb des Pico del Teide, des höchsten Bergs der kanarischen Insel Teneriffa – und des gesamten spanischen Staatsgebiets. Sein Gipfel erhebt sich 7500 Meter über den Meeresboden.

Trainingslager

Damit ist der Teide der dritthöchste Inselvulkan der Erde. Und er ist in fast jedem Winter Heimat beziehungsweise der Standort für viele der besten Radprofis der Welt. Vor allem die Fahrer des Teams Sky, heute Ineos Grenadiers, machten diese Region als Trainingslager-Destination bekannt. Die größte Besonderheit dort ist weder das Wetter noch die Ruhe, sondern: die Höhe. Und damit: die dünne Luft. Höhentrainingslager gehören, gerade im Ausdauerbereich, bei Profisportlern schon seit Jahrzehnten dazu.

Hochgebirgsbedingungen bereits vorher in einem Höhentrainingslager erlebt zu haben, kann helfen, Leistungseinbußen bei einem Saisonhöhepunkt – sei es die Tour de France oder der Ötztaler Radmarathon – zu vermindern. Zudem kann ein Höhentrainingslager zeitlich befristet zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit unter Normalbedingungen führen. Doch: Auf dem Weg dorthin, zum Leistungszuwachs, gibt es Risiken. Welche Parameter verändern sich mit zunehmender Höhe, wie passt sich der Körper daran an – und wie wirkt sich diese Anpassung auf die Leistung des Sportlers aus?

Auf Seehöhe beträgt der Sauerstoffanteil der Luft rund 21 Prozent. Dieser Wert bleibt grundsätzlich konstant – in der Höhe nimmt der Luftdruck jedoch ab und reduziert damit den absoluten Sauerstoffgehalt in der Luft, sodass auf rund 2000 Metern über dem Meer nur noch rund 17 Prozent Sauerstoff verfügbar sind. Da kalte Luft weniger Feuchtigkeit speichert als wärmere und zusätzlich auch der Wasserdampfdruck abfällt, ist die Atemluft in der Höhe sehr trocken. Um den Wasserhaushalt im Training ausgeglichen zu halten, ist es daher umso wichtiger, ausreichend zu trinken.

Mit der Höhe vermindern sich die Dichte und der Druck der Luft. Während die geringere Luftdichte für die Leistung eher von Vorteil ist, da dadurch der Luftwiderstand geringer wird, ist folgender Faktor deutlich gewichtiger: der niedrigere Luftdruck. Denn mit diesem sinkt der Sauerstoffpartialdruck. Dieser berechnet sich, indem der Luftdruck mit dem Volumenanteil des Sauerstoffs multipliziert wird. Auf Meereshöhe beträgt der Luftdruck 1013,25 Hektopascal. Auf 2000 Metern über dem Meer sind es mit 783,8 Hektopascal nur noch 77,4 Prozent des Ausgangswertes – auf 3000 Metern, mit 689,4 Hektopascal, sogar nur 68,0 Prozent.

Höhentraining, Höhenmeter, Berge

Ein Höhentrainingslager sollte drei bis fünf Wochen vor dem Saisonhöhepunkt abgeschlossen sein.

„Dünnere“ Luft und Anpassungen

Der Körper kann durch die Abnahme des Sauerstoffpartialdrucks in der Luft bei einem Atemzug weniger Sauerstoff aufnehmen –und versucht, diesen Sauerstoffmangel zu kompensieren: Die Atemfrequenz und -tiefe erhöhen sich. Das Atemminutenvolumen nimmt zu. Zudem steigt die Aktivierung des Sympathikusnervs –und mit ihr die Herzfrequenz und die Menge des Blutes, das pro Minute durch den Körper transportiert wird. Da dieser Ausgleich des Sauerstoffanteils im Blut nicht dauerhaft aufrechterhalten werden kann, beginnt der Körper nach etwa zwei bis fünf Tagen, sich auf andere Weise anzupassen: durch eine verbesserte Kapillarisierung und die Steigerung der Blutproduktion.

Zwar wird schon zu Beginn des Höhentrainings bei vielen Sportlern ein Anstieg des Erythrozyten- und Hämoglobinanteils festgestellt – dieser ist allerdings auf ein vermindertes Plasmavolumen zurückzuführen. Ein tatsächlicher Anstieg der Erythrozytenanzahl ist erst nach etwa ein bis zwei Wochen nachzuweisen. Entscheidend für diese Anpassungen ist unter anderem: die Dauer des Aufenthalts in der Höhenlage. In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die Hämoglobinmasse in einer Höhe von rund 2000 Metern über dem Meer um rund ein Prozent pro 100 Stunden Aufenthalt ansteigt. Durch die erhöhte Hämoglobinmasse verbessert sich die maximale Sauerstoffaufnahme, VO2max, die als Indikator für die Ausdauerleistungsfähigkeit gilt. Zu einer Leistungsverbesserung tragen potenziell auch die gesteigerte Kapillarisierung der Muskulatur und Veränderungen des Muskelstoffwechsels bei.

Die leistungssteigernden Effekte von Höhentrainingslagern wurden bereits in zahlreichen Studien gezeigt. Im Fokus einer Untersuchung von Forschern der Universität des Australian Institute of Sport in Canberra: Das Schwimmen während und nach einem dreiwöchigen Trainingslager auf 2300 Metern Höhe. Eine Woche nach der Rückkehr aus dem Trainingslager wurde bei den Elite-Schwimmern ein durchschnittlicher Anstieg der Hämoglobinmasse um 4,4 Prozent festgestellt. Nach rund fünf Wochen sank die Hämoglobinmasse wieder auf den Ausgangswert. Die durchschnittliche Leistungsfähigkeit der Athleten war am vierten Tag des Trainingslagers mit einer Veränderung von minus 3,1 Prozent deutlich vermindert. Danach verbesserte sie sich bis zur dritten Woche nach dem Aufenthalt kontinuierlich auf bis zu plus 2,8 Prozent im Vergleich zum Ausgangswert. Bis zur fünften Woche blieb sie auf einem höheren Niveau.

Das Prinzip „Live High – Train High“

Ergo gilt: Wer in der Höhe trainieren will, sollte dies extrem planvoll und zielgerichtet tun. Das Zeitfenster der potenziell erhöhten Leistungsfähigkeit ist kurz. Demnach sollte ein solches Trainingslager im Zeitraum von rund drei bis fünf Wochen vor dem Saisonhöhepunkt abgeschlossen sein. In dieser Studie wurde die „Live High – Train High“-Methode angewandt, die aber nur eine Variante des Höhentrainings darstellt. Miłosz Czuba und seine Kollegen von der „Jerzy Kurkuczka Acadamy of Physical Education“ in Katowice, Polen, verglichen für ihre Studie die Höhentrainingsmethoden „Live High – Train Low“ und „Live Low – Train High“ miteinander.

Das Höhentraining wurde in einem Höhenzelt mit einer reduzierten Sauerstoffzufuhr simuliert. Der Sauerstoffanteil der Luft wurde auf 16,3 Prozent gesenkt, was einer Höhe von rund 2300 Metern über dem Meer entspricht. Die Probanden, 30 hochtrainierte Mountainbike-Athleten, wurden in drei Gruppen eingeteilt: Je zehn Fahrer wurden einer der beiden Methoden und weitere zehn der Kontrollgruppe zugeteilt. Alle Sportler absolvierten über vier Wochen hinweg das gleiche Trainingspensum. Vor und nach der Maßnahme wurden Bluttests durchgeführt. Zudem mussten die Fahrer ein simuliertes 30 Kilometer langes Zeitfahren sowie einen Rampentest absolvieren, um ihre VO2max zu bestimmen.

Höhentraining, Höhenmeter, Berge

Die optimale Höhe für ein Höhentrainingslager liegt zwischen 1500 und 2500 Metern

Verbesserungen der Vo2max und der Leistungsfähigkeit

Die Ergebnisse: Bei beiden Trainingsgruppen wurden Verbesserungen der VO2max und der Leistungsfähigkeit festgestellt – von 3,5 beziehungsweise 6,7 Prozent für Live-Low-Train-High- und 4,4 beziehungsweise 5,9 Prozent für die Live-High-Train-Low-Gruppe. Für beide Gruppen wurden im Vergleich zu den Kontrollprobanden deutliche Verbesserungen der aeroben Kapazität festgestellt – doch nur die Athleten der LH-TL-Gruppe wiesen einen erhöhten Hämoglobinwert auf. Die Forscher schlussfolgerten daraus, dass beide Konzepte zu einer Leistungssteigerung führen können, aber wohl unterschiedliche Anpassungsmechanismen stattfinden.

Ein Höhentrainingslager ist meist mit einem recht großen Aufwand verbunden – sowohl zeitlich, das Training sollte im besten Fall mehr als zwei Wochen dauern, als auch finanziell. Die Übernachtungsmöglichkeiten in großer Höhe sind begrenzt und teils recht hochpreisig. Zudem muss während eines Höhentrainingslager „anders“ trainiert werden: vorsichtiger und in der Regel mit geringeren Intensitäten.

Trainingsffekte und Risiken

Der Ablauf: Extrem wichtig ist es, zum Beginn des Aufenthalts in der Höhe eine Akklimatisierungsphase einzuhalten – auf rund 1800 Metern Höhe sollte diese zwei bis vier Tage umfassen. Die Trainingsdauer sollte in dieser Phase, ebenso wie die Intensität, sehr gering sein. Gerade während dieser Zeit sind Probleme wie leichte Kopfschmerzen, Müdigkeit und trockene Schleimhäute nicht selten. Diese sollten jedoch schnell abflauen. Tun sie das nicht, sollte dies ein Alarmzeichen sein. Generell gilt: Je höher man lebt beziehungsweise trainiert, desto größer sind die Belastungen für den Körper. Und desto größer ist das Risiko für potenzielle Probleme.

Auch die ersten Tage nach einem solchen Trainingslager können nicht effektiv für wirksame Trainingseinheiten genutzt werden. Eine, teils medial beworbene, potenzielle Alternative ist: ein mietbares Hypoxie-Zelt. In einem solchen kann durch eine Sauerstoffreduktion mittels eines Generators Höhenluft simuliert werden. Dies ist jedoch meist recht kostenaufwendig und die für Anpassungen notwendige Zeit im Höhenzelt zu erreichen ist nicht immer möglich. Zu den weiteren „Risiken“ eines Höhentrainingslagers zählt die Erkenntnis aus zahlreichen Studien, die da lautet: Es ist nicht für jeden. Viele Untersuchungen zeigen extrem heterogene Leistungseffekte und -entwicklungen nach Höhentrainingsmaßnahmen. Dies wird meist darauf zurückgeführt, dass es auch in Sachen Höhenadaptionen des Körpers sogenannte „Non-Responder“ gibt – Menschen, deren Körper sich gar nicht oder nur in sehr geringem Maß an die Höhenluft anpasst.

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Übertraining

Zudem steigt in der Höhe auch das Risiko, in den Übertrainingszustand zu geraten. Denn: Das Einhalten der individuell richtigen Intensitäten ist elementar. Wer etwa seine Intervalle auf Seehöhe mit Herzfrequenzen zwischen 160 und 170 Schlägen absolviert, könnte 2000 Meter über dem Meer feststellen, dass für dieselbe Leistung 15, 20 oder gar 25 Herzschläge mehr notwendig sind. Sowohl das Monitoring der Blutwerte als auch genau auf den eigenen Leistungsstand angepasste Trainingsinhalte sowie eine darauf abgestimmte Ernährung sind demnach gerade in einem solchen Umfeld extrem sinnvoll. Dies sind: Bedingungen, wie sie Profi-Athleten haben.

Wer als Amateur- beziehungsweise Hobbyathlet mit dem Gedanken spielt, ein Höhentrainingslager zu absolvieren, sollte sich im Vorfeld über die Kosten und den Aufwand im Klaren sein. Und beachten, dass die Leistungssteigerung nicht bei jedem eintritt – und, selbst wenn sie das tut, nur für einen begrenzten Zeitraum anhält. Ob eine solche Maßnahme sinnvoll ist, hängt zudem von den eigenen Ambitionen, den Anforderungen des Saisonziels und der verfügbaren Zeit ab.

Ein potenzieller Einstieg in das Höhentraining kann die Life-High-Train-Low-Methode sein: In der Höhe übernachten, im Tal trainieren. Mögliche Reiseziele dafür: Livigno, auf etwa 1800 Metern Höhe. Oder: der Teide auf Teneriffa, auf rund 2200 Metern. Gängig für solche Trainingslager sind Höhen zwischen 1800 und 2800 Metern. Geht man noch höher hinauf, steigt das Risiko für eine stark verschlechterte Regeneration und Schlafstörungen stark an. Die gängige optimale Dauer: drei bis vier Wochen. Dies kann das Gesamthämoglobin um bis zu acht Prozent steigern. Eine solche Steigerung kann zu einer Erhöhung der VO2max um bis zu vier Prozent führen. Für das Höhentraining gilt dasselbe Prinzip wie für vieles – jenes, das bereits die Geschichte des Ikarus verdeutlichte: Wer hoch hinauswill, kann viel gewinnen – oder sich verbrennen und abstürzen.

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Tipps für ein erfolgreiches Höhentrainingslager


Tipps fürs Höhentrainingslager

  • Trainingsexperten empfehlen für ein gezieltes Höhentrainingslager etwa 250 Stunden Gesamtaufenthalt in der Höhe. Je nach der Trainingsmethode sollten Sie mindestens zehn Tage bis zwei Wochen dafür einplanen.
  • Es wird eine Höhe von 1500 bis 2500 Metern empfohlen. Darunter ist der Höheneffekt zu gering, darüber ist dieser meist zu belastend, um qualitativ hochwertige Trainingseinheiten durchführen und Effekte erzielen zu können.
  • An den ersten Tagen sollten Sie auf die Regeneration viel Wert legen und das Training nur langsam aufbauen. Der Körper braucht eine gewisse Zeit für die Anpassung und ist zu Beginn sehr großem Stress ausgesetzt.
  • Das Höhentrainingslager sollte in der Regel etwa drei bis fünf Wochen vor dem geplanten Saisonhöhepunkt abgeschlossen sein.
  • Informieren Sie sich über die verschiedenen Trainingskonzepte und passen Sie die Methode an Ihr Ziel an. Mehr: www.radsport-rennrad.de

Rennrad-Einsteiger: Geometrie, Ausstattung, Preis-Leistung

Rennrad-Einsteiger, Geometrie, Ausstattung, Preis-Leistung, Tipps, Kaufberatung

Leere Verkaufsräume in den Radläden, lange Lieferzeiten bei Direktversendern – viele Rennrad-Modelle sind ausverkauft, einige Hersteller können nicht oder erst spät liefern. Und: Die Preise steigen, unter anderem wegen der Materialknappheit, der Frachtkosten und der Inflation, aber zu einem Teil auch wegen der hohen Nachfrage nach Fahrrädern. Umso schwieriger kann es sein, das richtige, das individuell passende Renn- oder Gravelrad zu finden – besonders als Einsteiger. Worauf es bei der Auswahl ankommt und welche Fehler zu vermeiden sind, zeigt unsere Übersicht.

Größe, Geometrie, Rahmenmaterial, Ausstattung, Fahreigenschaften, Variabilität, Preis-Leistungsverhältnis. Was bietet der Markt? Wie finde ich das Richtige? Wo lohnt es sich zu sparen?

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Wissenswertes zum Preis-Leistungsverhältnis

Preis und Leistung

„Ein gutes Rennrad kostet mindestens 2000 Euro.“ Derartige pauschale Aussagen sind selten hilfreich, sondern können die Auswahl unnötig einschränken. Das Thema der – leider – enormen Preis-Inflation haben wir in einem Kommentar der RennRad-Ausgabe 1/2022 thematisiert.

Günstige Preise können etwa durch die Verarbeitung teilweise günstigerer Materialien – etwa Aluminium statt Carbon – erreicht werden.

Ein Rennrad mit einer soliden Ausstattung, etwa Shimano- oder Sram-Komponenten, ist bei einigen Herstellern bereits für weniger als 800 Euro erhältlich. Beispiele sind das Scott Speedster 50 für 799 Euro, das Trek Domane AL 2 für 794 Euro oder das Giant Contend für 749 Euro. Das günstigste Gravelbike von Decathlon, das Triban GRVL 120, kostet 629,99 Euro.

Die Top-Modelle vieler Hersteller – in der Version, wie sie von Profis der höchsten Rennklassen gefahren werden – kosten ein Vielfaches davon. Der Preis des Specialized S-Works Tarmac SL7: 12.799 Euro. Der des BMC Teammachine SLR01 One: 13.299 Euro. Zehn dieser Hightech-Rennräder haben wir für die RennRad-Ausgabe 1/2022 ausführlich getestet.

Rennrad-Kauf: Woher kommen die Preisunterschiede?

Preisunterschiede können unter anderem durch unterschiedliche Vertriebsmodelle, den Entwicklungsaufwand, die Materialqualität und auch durch die Preispolitik einzelner Hersteller zustande kommen.

Ein wichtiger Preisfaktor ist das Rahmenmaterial – ein anderer: die Komponenten. Hier hat sich in den vergangenen Jahren extrem viel getan. So arbeiten etwa Shimano-Di2- oder Sram-Etap-Gruppen elektronisch und teilweise oder komplett kabellos. Elektronische Schaltgruppen finden sich bereits an einigen Rennrädern der Preisklasse um rund 3000 Euro.

Komfort vs. Sport

Rennrad ist nicht gleich Rennrad. Der Markt hat sich enorm ausdifferenziert. So ist etwa ein Endurance- beziehungsweise Marathonrad auf lange Strecken und einen hohen Fahrkomfort ausgerichtet. Dies lässt sich zum einen durch eine spezielle Rahmengeometrie – mit einem längeren Steuerrohr und einem kürzeren Oberrohr – erreichen, was eine aufrechtere Sitzposition ermöglicht.

Flexibilität in der Sattelstütze, im Sitzrohr und in den Sitzstreben können durch spezielle, oft filigrane Rohrformen oder Carbonfasern und deren Verarbeitung erreicht werden.

Auch 28 bis 32 Millimeter breite, dämpfende Reifen und die für geringe Luftdrücke besonders geeignete Tubeless-Technologie – bei der der Reifen ohne Schlauch montiert werden kann – können Vibrationen und Erschütterungen effektiv dämpfen.

Rennrad-Typen für Einsteiger

Diese Rennrad-Typen sind aufgrund des höheren Komforts, des weniger direkten Handlings und der weniger sportiven Sitzposition oftmals besonders für Anfänger geeignet.

Auch bei Touren mit langen Bergauffahrten profitieren viele von einer entspannteren, aufrechten Sitzposition. Viele Modelle sind explizit für den Einsatz auf ruppigeren Untergründen und zum Teil für kompakte Schotterstraßen ausgelegt – sie können teils sogar wie Gravelbikes eingesetzt werden.

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Was gibt es bei der Geometrie zu beachten?

Geometrie

Zur Geometrie: Ein längerer Radstand – dieser bezeichnet die Distanz zwischen der Vorderrad- und der Hinterrad-Achse – trägt zu einer höheren Laufruhe bei. Allerdings kann die Agilität dadurch etwas geringer ausfallen. Wer zudem insbesondere bergige Touren fahren möchte, sollte auf eine Übersetzung achten, die ausreichend „leichte“ Gänge bietet. Eine Kompaktkurbel, klassischerweise mit Kettenblättern mit 50 und 34 Zähnen sowie einer Kassette mit 30- bis 34-Zähne-Ritzeln sind der Standard.

Marathonräder werden mit Rahmen aus Aluminium oder Carbon sowie aus robusten „Klassiker“-Materialen wie Stahl oder Titan angeboten.

Beispiele für diese Radgattung sind etwa die Modellreihen: Canyon Endurace, Rose Reveal, BMC Roadmachine, Giant Defy, Merida Scultura Endurance, Scott Addict SE, Storck Fascenario, Trek Domane, Fuji Gran Fondo, Cube Attain, Simplon Kiaro, Storck Fascenario, Cannondale Synapse, Specialized Roubaix, Lapierre Pulsium.

Was macht Aero-Rennräder aus?

Im Gegensatz dazu stehen etwa die Aero-Rennräder. Sie sind auf den Renneinsatz, eine hohe Geschwindigkeit und eine optimierte Aerodynamik ausgelegt.

Die Rahmengeometrie und die Sitzposition sind sportiver – sowohl was das Handling, als auch was die Sitzposition betrifft, sind Erfahrung und Gewöhnung nötig. Der Sitzwinkel fällt in den meisten Fällen deutlich flacher und gestreckter aus als bei einem Endurance-Rennrad. Durch flächigere Rohrformen, Hochprofillaufräder und die Integration der Kabel und Leitungen für die Bremsen und die Schaltung wird der Luftwiderstand verringert.

Aero-Rennräder sind besonders dann die richtige Wahl, wenn man vor allem schnell fahren will oder an Straßen-Rennen teilnehmen möchte. Einsteiger sollten die sehr sportive Sitzposition nicht unterschätzen und sich mit vielen kürzeren Fahrten an eine „aggressive“ Sitzposition gewöhnen.

Beispiel-Modellserien für aerodynamisch optimierte Rennräder lauten etwa: Canyon Aeroad, BMC Timemachine, Giant Propel, Merida Reacto, Scott Foil, Storck Aerfast, Trek Madone, Fuji Transonic, Cube Litening, Simplon Pride, Cannondale SystemSix, Lapierre Aircode, Basso Diamante SV, BH Aerolight.

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Leichtgewicht und Radgattungen

Bergauf zählt bei der Ausrüstung vor allem ein geringes Gewicht. Messungen ergaben, dass man bei einer Leistung von 250 Watt mit einem um ein Kilogramm leichteren Rad ab einer Steigung von 4,4 Prozent Vorteile gegenüber einem Aero-Rad hat.

An einer sechs-prozentigen Steigung „spart“ eine Gewichtsverminderung von 0,5 Kilogramm an einem ursprünglichen Systemgewicht von 85 Kilogramm bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 km/h eine Leistung von 1,2 Watt – von ursprünglich 236 Watt. Somit erhöht sich die Geschwindigkeit um 0,1 km/h.

In den vergangenen Jahren verlor das Gewicht bei neuen Serien-Rennrädern etwas an Bedeutung – wegen des Fokus’ auf die Aerodynamik, die auf vielen Strecken von größerer Bedeutung ist und wegen der Schreibenbremsen, die deutlich schwerer sind als Felgenbremsen. Das UCI-Gewichtsminimum von 6,8 Kilogramm erreichen vor allem auf die Leichtigkeit ausgerichtete Top-Modelle.

Auch viele aktuelle Allround-Leichtgewicht-Modelle wie etwa das Specialized Tarmac SL7 oder das Trek Emonda sind weitgehend aero-optimiert, für Scheibenbremsen ausgelegt und teils serienmäßig mit Aero-Hochprofil-Laufrädern ausgestattet. Dennoch sind einige Leichtgewicht-Modelle weiterhin auch mit Felgenbremsen-Systemen erhältlich.

Typische Modell-Serien: Specialized Aethos, Trek Émonda, Merida Scultura, Giant TCR, BH Ultralight, Canyon Ultimate, Rose XLITE, KTM Revelator Alto, BMC Teammachine, Scott Addict, Benotti Vial Evo.

Gravelbikes: Stärken und Einsatzgebiete

Gravelbikes haben ganz andere Stärken – und Einsatzgebiete: Sie sind „Räder für alle Fälle“, für Schotter, Waldwege, Trails und Asphalt. Die Reifen sind oft stark profiliert und zwischen 35 und 50 Millimeter breit. Die meisten Gravelbikes weisen eine eher komfortorientierte Geometrie auf, wie sie auch viele Endurance-Rennräder ausmacht. Oft können, etwa durch spezielle Bohrlöcher, Packtaschen für Bikepacking-Touren besonders gut angebracht werden. Durch einen zweiten Laufradsatz, auf dem schmalere, kaum profilierte Straßen-Reifen montiert sind, können Gravelbikes auch den klassischen Rennrad-Einsatzbereich abdecken.

Gravelbikes sind oft mit nur einem Kettenblatt ausgestattet, das in der Kombination mit einer großen Bandbreite der Ritzel der Kassette viele „leichte“ Gänge bietet. Die Aerodynamik und ein geringes Gewicht liegen dabei weniger im Fokus. Je nach Ausrichtung kann man etwa zwischen renn-, bikepacking-, und komfortorientierten Gravelbikes unterscheiden.

Beispielmodelle: Canyon Grizl oder Canyon Grail, Rose Backroad, BMC Urs, Giant Revolt, Merida Silex, Scott Addict Gravel, Storck Grix, Trek Checkpoint, Fuji Jari, Cube Nuroad, Specialized Diverge oder Specialized Crux, Cannondale Topstone, Liv Devote.

Rennrad-Einsteiger, Geometrie, Ausstattung, Preis-Leistung, Tipps, Kaufberatung

Auswahl des geeigneten Rahmenmaterials

Rahmenmaterial: Aluminium und Carbon

Welches Rahmenmaterial ist für die eigenen Einsatzbereiche und das Budget das sinnvollste? Je nach dem verwendeten Werkstoff können Rennräder robuster, leichter oder steifer sein.

Die beiden bekanntesten und am häufigsten verwendeten Materialien sind Aluminium und Carbon. Stahl oder Titan werden bei den Serienmodellen großer Hersteller kaum eingesetzt. Alu-Rahmen sind oftmals günstiger, aber deutlich schwerer als Carbon-Modelle. Für eine hohe Stabilität und eine hohe Steifigkeit muss die Dicke und der Querschnitt der Aluminiumrohre erhöht werden, wodurch das Gewicht steigt.

Nicht alle Rohrformen, insbesondere flächige Aero-Formen, lassen sich dabei so gut umsetzen wie mit Carbonmaterial. Bei der Produktion von Carbonrahmen werden Kohlenstoffasern mit verklebendem Harz zu Platten verarbeitet und durch Hitze und Druck in die gewünschte Form gebracht. Dadurch werden sie oft in einem Stück gefertigt, während bei anderen Werkstoffen einzelne Rohre verbunden werden.

Ab einem Komplettrad-Preis rund 2000 Euro überwiegt der Anteil der Carbonrahmen auf dem Rennrad-Markt klar. Carbon weist eine besonders hohe Steifigkeit auf, wodurch es sich weniger stark verwindet und die Kraft besonders effizient übertragen kann. Es kann so verarbeitet werden, dass es in eine Richtung flext und somit den Komfort erhöht, während es in andere Richtungen besonders verwindungs- oder seitensteif ist und eine direkte Kraftübertragung ermöglicht.

Stahl und Titan

Die Werkstoffe Stahl und Titan stehen für Robustheit, Komfort und Haltbarkeit. Der Dämpfungskomfort solcher Metallrahmen ist aufgrund einer stärkeren Nachgiebigkeit oftmals hoch. Rennräder mit Stahl-Rahmen sind teilweise auch in den unteren Preisbereichen erhältlich. Titan ist sogar korrosionsbeständig.

Der Nachteil: der in der Regel hohe Preis. Neben dem Rahmen haben auch die Laufräder einen großen Einfluss auf das Gewicht eines Rennrads. Aluminium-Laufräder sind robust und oft günstiger, aber häufig schwerer und weniger steif als Carbon-Modelle. Aerodynamisch optimierte Hochprofil-Felgen mit Höhen von mehr als 35 Millimetern sind in der Regel aus Carbon gefertigt.

Scheibenbremsen und Komponenten

Felgenbremsen oder Scheibenbremsen? Breite oder schmale Reifen? Einfach- oder Zweifach-Antrieb, viele „leichte“ Gänge? Elektronische oder mechanische Schaltung? Lenkerbreite, Vorbaulänge, Sattelstützendesign, Sattelmodell – viele Ausstattungsvarianten und Kombinationen sind möglich. Viele Hersteller statten inzwischen die meisten ihrer Modelle serienmäßig mit hydraulischen Scheibenbremsen aus. Rennräder mit Felgenbremsen sind weiterhin erhältlich, jedoch ist die Auswahl eingeschränkt. Beide Systeme haben Vor- und Nachteile, jedoch ist unter anderem die Bremsleistung bei Nässe bei Scheibenbremsen in der Regel deutlich besser.

25 Millimeter – so breit sind die Reifen der meisten aktuellen Rennräder in der Regel. Oft sind auch 28, 30 oder 32 Millimeter breite Reifen montiert. Möglich wurde dies vor allem durch Scheibenbremsen. Denn bei ihnen fallen die Felgenbrems-„Zangen“ weg, durch die das Reifenvolumen naturgemäß eingeschränkt wird. Entsprechende Rahmendesigns lassen sich mit modernen Carbon-Rahmenformen und Verarbeitungstechniken leichter umsetzen.

So kann beispielsweise im Winter ein breiterer, profilierter Reifen gefahren werden, dann können auch mit vielen Rennrädern Gravelstrecken befahren werden. Hinsichtlich des Rollwiderstandes sind die Nachteile etwas breiterer Reifen meist sehr gering. Die Vorteile hinsichtlich des Komforts, des Grips und des Pannenschutzes – durch eine breitere Auflagefläche und einen geringeren Luftdruck – sind jedoch hoch. Auch das Tubeless-System, bei dem die Reifen ohne Schlauch montiert werden, trägt dazu bei.

Wer flexibel sein möchte, der sollte auf eine große Reifenfreiheit des Rahmens achten. Bei Modellen mit Scheibenbremsen ist diese, abhängig vom Rahmendesign, in der Regel größer als bei Rennrädern mit Felgenbremsen. Die Größe der Laufräder bei Rennrädern beträgt 28 Zoll beziehungsweise 700C. Im Gravelbereich und bei kleineren Rahmengrößen mancher Hersteller – etwa bei Canyon – findet man auch den Durchmesser von 27,5 Zoll, auch 650B genannt. Diese Laufräder stehen für einen kleineren Wendekreis und damit mehr Agilität. Eine Kurbelgarnitur mit zwei Kettenblättern ist der Standard bei Rennrädern.

Gruppe und Übersetzungen

Besonders bei Gravelbikes sind, wie bei Mountainbikes, oftmals Einfach-Antriebe montiert. Die bei Rennrädern am häufigsten verbauten Kettenblattkombinationen sind bei dem Hersteller Shimano die Kompakt-, Semikompakt-, oder klassischen Kurbeln mit 50 und 34, 52 und 36, oder 53 und 39 Zähnen vorne und eine Kassette mit elf Ritzeln mit elf bis meist 25, 28 oder 30 Zähnen. Die Hersteller Sram und Campagnolo bieten seit Jahren Kombinationen mit Zwölf-Ritzel-Kassetten an. Dadurch kann die Bandbreite an Gängen steigen und die „Sprünge“ zwischen den Gängen können geringer ausfallen. Mehr Ritzel ermöglichen auch bei Einfach-Kurbeln die gleichen Effekte. Da hierbei der Umwerfer an den Kettenblättern entfällt und die Gänge nur über das Schaltwerk an der Kassette gewechselt werden, ist weniger Material nötig, wodurch sich die Wartung vereinfachen kann.

Neu ist die Kombination einer Einfachkurbel und einer zusätzlichen Nabenschaltung, die der Hersteller Classified anbietet. Durch ein zweites „virtuelles“ Kettenblatt kann man ähnliche Bandbreiten wie mit einer 2×11-Gruppe erreichen und zugleich von einem geringeren Verschleiß der Nabenschaltung profitieren.

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Auf die Wahl der passenden Komponenten kommt es an

Nabenschaltung beim Rennrad?

Eine reine Nabenschaltung wird bei Rennrädern bisher nicht verbaut. Durch moderne Schaltwerksdesigns werden Ritzelpakete für Zwölffach- oder sogar für 13-fach-Kassetten ermöglicht. Zwölffach-Kassetten sind bei Sram, Campagnolo und bei den neuesten Modellen der Shimano-Gruppen Standard. Ein Vorteil von Zweifachkurbeln ist die größere Bandbreite an Gängen.

Bei einem klassischen Rennrad lohnt sich für Viele eine Zweifachkurbel, um auch bei Geschwindigkeiten von mehr als 25 km/h und unterschiedlichen Steigungen stets einen zur jeweiligen Trittfrequenz passenden Gang wählen zu können. Wer ein Gravelbike für den harten Offroadeinsatz sucht, wählt oftmals Einfachoptionen.

Alternativ kann man etwa eine Rennradkurbel mit einem größeren MTB-Ritzelpaket kombinieren, um bergauf ausreichend große Ritzel zur Verfügung zu haben. Um stets die individuell ausreichend hohe Trittfrequenz zu erreichen, empfiehlt sich im hügeligen Terrain eine Kompaktkurbel und eine größere Kassette, etwa mit der Option 11-32. Neben der Übersetzungsvariante ist die Wahl der Schaltung vor allem eine Preisfrage. Oft bieten Hersteller ihre Räder mit der gleichen Rahmenqualität in verschiedenen Ausstattungsvarianten an.

Unterschiede der Rennrad-Gruppen

Worin unterscheiden sich die Gruppen? Neben einem schnelleren und präziseren Schaltverhalten ist auch das Gewicht entscheidend – rund 500 Gramm liegen oft zwischen Einsteiger- und Top-Gruppen. Teils werden hochwertige Carbonteile verbaut, um diesen Gewichtsvorteil zu erreichen – etwa an den Kurbelarmen oder den Schalthebeln.

Vergleichsweise neu sind die gravelspezifischen Schaltgruppen – Shimano GRX, Campagnolo Ekar und die XPLR-Varianten der Sram-Gruppen – sie sind etwa besonders widerstandsfähig gegen Erschütterungen und bieten eine große Bandbreite an. Im Rennradbereich erwies sich in unseren Tests etwa die mechanische Shimano-105-Gruppe als besonders preis-leistungsstark.

Tipps für Rennrad-Einsteiger: Lenker, Sattel und Co.

Der „richtige“ passende Lenker kann viel zu einer optimalen Abstimmung des Rennrads auf die Sitzposition und die gewünschten Fahreigenschaften beitragen. Zu beachten ist jedoch, dass ein Tausch je nach der Verlegung der Schaltzüge und Bremskabel mit Aufwand und Kosten verbunden sein kann.

Je nach der Rahmengröße variiert die „Standard“-Lenkerbreite meist zwischen 40 und 44 Zentimetern. Größere Fahrer mit breiteren Schultern sollten auch breitere Lenker wählen. Wer eine aerodynamischere Sitzposition anstrebt und auf die größere Stabilität, die ein breiterer Lenker oft bietet, verzichten kann, kann einen schmaleren in Betracht ziehen. Als Faustformel kann hier gelten: Die Lenkerbreite entspricht der Schulterbreite, also der Distanz zwischen den Schulterknochen.

Auch die Streckung und die Tiefe des Lenkers, beschrieben als „Reach“ und „Drop“ sowie die Rohrformen haben Einfluss auf die Sitzposition und die Griffergonomie. Dämpfende, oftmals dickere Lenkerbänder können den Griffkomfort erhöhen. Für Gravelbikes gelten bei den Lenkern oft andere Dimensionen. Lenker, die für den Gravel-Einsatz spezialisiert sind, sind in der Regel etwas breiter. Durch seitlich ausgestellte Lenkerenden – dieses Design wird als „Flare“ bezeichnet – ist die Position in der Unterlenkerhaltung noch breiter. Ob ein Lenker auch während langer Ausfahrten passt, lässt sich durch Ausprobieren oder durch Hinweise aus einem professionellen Bike-Fitting herausfinden.

Ein weiterer entscheidender Kontaktpunkt zwischen dem Menschen und dem Rennrad ist der Sattel. Viele Fahrertypen kommen nur mit einzelnen Sattelmodellen oder speziellen Formen zurecht. Welche dies sind, lässt sich durch Ausprobieren beim Händler, durch Druckmessungen oder ähnliche Verfahren herausfinden.

Bei der Wahl des richtigen Sattels kommt es auch auf die Sitzknochenbreite an. Je nachdem, wie weit die Sitzhöcker voneinander entfernt sind, muss der Sattel schmäler oder breiter ausfallen. Bei der Polsterung kommt es weniger auf die Dicke des als auf die Dichte an. Oft bieten scheinbar „härtere“ Sättel eine langanhaltende und effektive Dämpfung. Auch Carbon-Schalten oder -Streben können besonders viel Dämpfung bieten. Aussparungen in der Mitte können für eine Entlastung im Sitzbereich sorgen. Die Sattelstütze kann, etwa durch eine runde oder eine D-förmige Rohrform sowie eine Kröpfung zusätzlichen Dämpfungskomfort bieten.

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Der Einsatzbereich spielt eine entscheidende Rolle bei der Auswahl

Rennrad-Kaufberatung: Auswahl und Einsatzbereiche

Wofür soll das Rennrad vor allem eingesetzt werden? So lautet – neben der nach dem verfügbaren Budget – eine der entscheidenden Fragen vor dem Kauf.

Folgende Fragen können helfen, die Auswahl des passenden Modells einzugrenzen:

  • Wird das Rad eher in flachen oder bergigen Regionen gefahren? Für häufigere Bergtouren ist, logischerweise, ein speziell auf die Aerodynamik ausgerichtetes Rennrad weniger vorteilhaft als für flache Strecken.
  • Soll das Rad für Wettkämpfe, für den täglichen Pendelweg oder für die lange Trainingsausfahrt am Wochenende genutzt werden?
  • Wo und wann soll das Rad gefahren werden? Ein Marathon- oder Endurance-Rennrad ist für viele Typen eine gute Wahl, wenn man ein solides und recht komfortables Rennrad für verschiedene Einsatzbereiche sucht. Die Reifenfreiheit und damit der Dämpfungskomfort und sogar die Allroad-Tauglichkeit sind oft größer als bei anderen Modellen. Für sportive Pendelfahrten und Bikepackingeinsätze können hingegen Befestigungsmöglichkeiten für Taschen oder Schutzbleche sinnvoll sein.
  • Auf welchem Untergrund wird das Rad gefahren? Wer ausschließlich auf asphaltierten Straßen fahren möchte, muss sich über Gravelbikes keine Gedanken machen. Wer allerdings auch über Schotter- oder Feldwege fahren möchte, sollte sich überlegen, wie groß der Anteil dieser Wege an seinen Touren ist. Einige Rennräder, insbesondere „Endurance“-Modelle, bieten Platz für 32 Millimeter breite Reifen. Andersherum: An Gravelbikes, an denen 45 Millimeter breite Reifen montiert sind, können auch schmalere Straßen-Reifen aufgezogen werden. Für diese Flexibilität eignet sich ein zweiter, mit einer Kassette und Bremsscheiben fahrbereit ausgestatteter, Laufradsatz besonders gut.
  • Ein Rad zum Reisen? Bikepacking ist einer der großen Outdoor- und Fahrrad-Trends. Wer Gepäck mitführen will, achtet etwa auf viele Befestigungsmöglichkeiten. Viele Räder bieten Bohrungen für drei Flaschenhalter, Taschen an beiden Gabelseiten oder sogar einer Tasche am Oberrohr. Große Taschen am Sitzrohr oder am Lenker benötigen in der Regel keine speziellen Zusatz-Bohrungen.

Tipps für Rennrad-Einsteiger: Rahmen und Größen

Welche Rahmengröße ist die passende? Angaben zur Größe des Rennrades findet man entweder in den gängigen internationalen Einordnungs-Größen – S, M, L – oder in den klassischen Rahmengrößen, die etwa der Sitzrohrlänge entsprechen.

Die Zahl – 49, 52, 54 et cetera – gibt die Länge des Sattelrohres der entsprechenden Größe an. Diese Größen sind jedoch nicht immer einheitlich, die Angaben unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller. Dies führt dazu, dass bei einem Neukauf die Rahmengröße individuell kontrolliert werden sollte. Viele Hersteller bieten dafür Größenrechner an.

Die Wahl des Rades rein anhand der Körpergröße zu bestimmen, ist nicht ratsam. Denn die Beinlänge und die Oberkörperlänge sind bei der Wahl der passenden Rahmengröße getrennt voneinander zu beachten. Generell kann man sich an einer Größenbestimmung über die Innenbeinlänge und die Körpergröße orientieren.

Stack und Reach

Zwei wichtige Größen der Rahmengeometrie sind dabei Stack und Reach – und das Verhältnis dieser Größen zueinander. Stack bezeichnet die senkrechte Distanz zwischen dem Tretlager und der Höhe des oberen Endes des Steuerrohrs. Reach bezeichnet die waagrechte Distanz zwischen dem oberen Ende des Steuerrohr und dem Lot durch das Tretlager. Das Stack-to-Reach-Maß definiert, wie sportiv und gestreckt die Sitzposition ausfällt. Stack-to-Reach-Maße unter 1,45 lassen auf einen sportiv orientierten Rahmen schließen, Werte von mehr als 1,55 weisen auf eine aufrechte, komfortorientierte Sitzposition hin.

Eine andere gute Möglichkeit, die richtige Größe zu finden, ist ein Bikefitting – die Analyse der Sitzposition und von Längen und Winkeln – vor dem Kauf. Davon ausgehend wird dann die passende Rahmengröße bestimmt und auch auf die gemessenen Werte eingestellt.

Für ein umfangreiches Bikefitting muss man mit Kosten von etwa 200 Euro rechnen. Die Investition lohnt sich oftmals, denn so kann man Schmerzen und einer falschen Belastung vorbeugen. Auch für Einsteiger ist ein Bikefitting zu empfehlen, bevor man sich an falsche oder weniger effiziente Sitzpositionen gewöhnt.

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Kauf im Fachhandel oder Online?

Worauf muss ich beim Rennrad-Kauf achten? Online-Shop und Radladen

Direkt-Versandhändler wie Rose und Canyon erhöhen sukzessive ihre Marktanteile. Auch Rennräder vieler anderer Marken können in Onlineshops erworben werden.

Für den Kauf beim Händler im Fahrradgeschäft spricht: Das Rad kann angesehen und probegefahren oder zumindest probegesessen werden. Jedoch betreiben auch einige Versender inzwischen eigene Ladengeschäfte. Ein Händler kann ein direkter Ansprechpartner vor Ort sein.

Im Schadensfall oder wenn es um die regelmäßige Wartung des Rades geht, kann das ein großer Vorteil sein. Aufgrund des großen Verkaufsanstieges der letzten Jahre bieten einige Händler nur noch für die Marken einen Service, die sie auch selbst führen. Ein Rennrad, das beim lokalen Händler gekauft wurde, kann in der Regel auch dort repariert werden.

Ein Vorteil der Direktversender ist der teils günstigere Preis für ein vergleichbares Modell mit einer vergleichbaren Ausstattung. Hinsichtlich der individuellen Beratung haben die Versender mit Chats oder Hotlines aufgeholt. Die Vor-Ort-Beratung und oftmals den Vergleich verschiedener Marken bieten hingegen vor allem die Händler in den Radläden.

Risiko beim Rennrad-Gebrauchtkauf

Wie bei vielen anderen Produkten kann man auch bei Fahrrädern durch einen Gebraucht-Kauf viel Geld sparen. Doch: Was gibt es zu beachten und wie groß ist das Risiko? Durch einen oder vielleicht sogar mehrere Vorbesitzer zahlt man für ein Rennrad weit weniger als den – vormaligen – Neupreis. Auch, wer ein nicht mehr aktuelles Modell als „Traumrad“ identifiziert hat, muss oft auf dem Gebrauchtmarkt suchen. Allerdings ist hier vor allem für Rennrad-Einsteiger Vorsicht geboten. Nicht jeder Verkäufer hat die bisher gefahrenen Kilometer des Rades korrekt ermittelt und angegeben oder „vergisst“ es, alle Stürze und mögliche nicht sichtbaren Schäden anzugeben.

Besonders bei Rahmen oder Komponenten aus Carbon können unbemerkte Beschädigungen bestehen: So können etwa durch Stürze Haarrisse im Rahmeninneren entstehen, die von außen nicht erkennbar sind. Auf jeden Fall sollte das Rennrad genau begutachtet und probegefahren werden. Nach dem Kauf des Rades, einigen Monaten Training und der Verbesserung der Fitness kommen bei Vielen die ersten Fragen nach potenziellen Verbesserungen am Rad auf.

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Das Zusammenspiel von Gewicht, Aerodynamik und Steifigkeit

Leichter und schneller

Wo lohnt es sich am meisten, zu investieren – und wo sind die Vorteile oft nur gering? Die Verbesserung eines Rennrades betrifft in der Regel zwei Größen, die eng miteinander verbunden sind: Das Rad soll leichter und schneller werden. Muss eine geringere Masse bewegt werden, reicht eine geringere Leistung aus, um auf eine bestimmte Geschwindigkeit zu gelangen – vor allem bergauf. Auf vielen Strecken, die weniger Höhenmeter aufweisen, ist für viele Fahrertypen die Bedeutung der Aerodynamik höher als die des Gewichts. Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass weniger Gewicht auch zu höheren Geschwindigkeiten bei gleicher Leistung führt, wenn die Strecke bergauf führt. Steifere Komponenten können die Effizienz der Kraftübertragung verbessern.

Gewicht, Aerodynamik, Steifigkeit – alle drei Faktoren können am Rennrad besonders effektiv durch Laufräder beeinflusst werden. Die größten Verbesserungen erreichen Einsteiger und Fortgeschrittene aber in den meisten Fällen ohne Geld auszugeben. Die Aerodynamik wird zu mindestens 70 Prozent vom Fahrer und dessen Haltung auf dem Rad beeinflusst. Das Gewicht des Athleten beträgt immer ein Vielfaches des Rennrads.

Und: Die absolute Leistungsfähigkeit und die Ausdauer lassen sich durch ein individuelles, strukturiertes und langfristiges Training verbessern – etwa mit unseren Tipps ab der Seite 86 dieser Ausgabe. Ein Spruch, der dem für Viele größten Radsportlers aller Zeiten Eddy Merckx zugeschrieben wird, lautet: „Don’t buy upgrades, ride up grades.“ Also: Anstiege hinauffahren und trainieren, statt besseres Material zu kaufen. Beides hat seine Wirkung – das eine mehr, das andere weniger.

Rennrad-Gebrauchtkauf: Worauf muss ich achten?

  • Wie ist der Allgemeinzustand des Rades? Kleinere Kratzer oder Macken im Lack sollte man genau ansehen. Deren Entstehung sollte man nachvollziehen können, um einzuschätzen, ob dabei auch andere Beschädigungen entstanden. Sieht das Rad gepflegt aus?
  • Sind vor Ort noch weitere Fahrräder zu sehen, an denen sich der grundsätzliche Umgang mit dem Fahrrad erahnen lässt? Wie sieht es beim Verkäufer in der Garage oder dem Radkeller aus?
  • Ist Rost erkennbar? Dann stand das Rad möglicherweise draußen, was auf einen nicht optimalen Umfang hinweisen könnte. Sind Dellen am Rahmen zu sehen, dann sollte man nicht kaufen.
  • Probefahrt: Sind Geräusche zu hören? Wackelt etwas? Wenn ja, sollte man dies besprechen und mögliche Reparaturen einschätzen.
  • Wie ist der Zustand der Verschleißteile? Diese können getauscht werden, die Kosten dafür sollten aber einkalkuliert werden.
  • Laufleistung des Rades: Passt die Angabe zum Zustand des Rades? An den Verschließteilen lässt sich auch die Mindest-Laufleistung eines Rennrads einschätzen. Häufig werden bei gut erhaltenen gebrauchten Rennrädern 500 bis 1500 Kilometer angegeben. Trifft dies zu, sollten kaum Verschleißspuren zu sehen sein.
  • Generell gilt: Vorsicht bei Carbon. Beschädigungen, etwa feine Haarrisse, sind nicht immer von außen zu erkennen.

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Diesen und weitere Artikel rund ums Thema Rennrad finden Sie in der RennRad-Ausgabe 03/2022. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.

Nils van der Poel: Eisschnelllauf-Olympiasieger und sein Rennrad-Training

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48 km/h ist seine Durchschnittsgeschwindigkeit – eine, mit der er sich den Weltrekord holt. 12:30.74 Minuten braucht er für 10.000 Meter. Auf Eis. Er gewinnt damit Olympisches Gold, mit fast 14 Sekunden Vorsprung auf den Zweiten. Eine Welt.

Die Eisschnelllauf-Wettkämpfe der Winterspiele von Tokio waren der Höhe- und der Endpunkt seines dreijährigen Trainingsprogramms. Eines Programms, das er jetzt – inklusive aller Trainingspläne – veröffentlichte. In einem 62-seitigen Bericht, der fast schon ein Buch ist. Der Grund für diese Transparenz lautet, wie er schreibt: „Ich wünsche mir auch, dass sich der Sport weiterentwickelt und dass meine Rekorde gebrochen werden. Ich werde nicht derjenige sein, der schneller als 6.00 beziehungsweise 12.30 Minuten läuft, aber vielleicht tut das jemand anderes. Für diejenigen, die das wollen, habe ich dieses Dokument geschrieben. Es ist im Grunde eine Zusammenfassung meines Trainings vom Mai 2019 bis zum Februar 2022.“ Es ist: ein Geschenk.

Formaufbau

Nils van der Poel ist kein „gewöhnlicher“ Profi-Athlet. Er ist anders, er redet anders, er trainiert anders, er lebt anders. Nach den Winterspielen 2018 beendete er seine Eisschnelllauf-Karriere zum ersten Mal, und ging zum Militär. Denn: Er hatte den Spaß an seinem Sport verloren. Das Training war ihm zu monoton. So monoton, dass es ihn, wie er sagte, „ankackte“. Für ein komplettes Jahr absolvierte er keinerlei spezifische Trainingseinheiten und betrat keine Eisfläche.

Im Mai 2019 startete er einen Neubeginn. An dessen Ende, im Februar 2022, erreichte er alles, was er erreichen konnte. Und mehr. Er war in seiner eigenen Liga. Und verkündete danach sein endgültiges Karriereende als Eisschnellläufer zum Jahresende 2022. Was danach kommt?

Nils van der Poel und Jumbo-Visma

Im März berichteten mehrere Medien über das Interesse der WorldTour-Teams Jumbo-Visma und EF Education First an dem Schweden. Sollte er Radprofi werden, müsste er sein Training wohl nur wenig umstellen. Denn: Der Eisschnelllauf-Olympiasieger über 5000 und 10.000 Meter trainiert während weiter Phasen des Jahres rund 30 Stunden pro Woche auf dem Rennrad. Diesem Trainingsprofil nach zu urteilen, absolviert er 98 Prozent seiner Gesamt-Trainingszeit auf dem Rad.

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Wechselt Nils van der Poel vom Eisschnelllauf zum Radsport ins Team Jumbo-Visma?

Diese, und sehr viel mehr Zahlen und Fakten, sind in seinem Werk nachzulesen. Dessen Titel: „How to skate a 10k, and also a half 10k“ – Wie man einen Zehn-Kilometer-Lauf eisschnellläuft, und zudem noch einen halben. „Mein Trainingsprogramm ist sehr, sehr einfach, nichts Spezielles – aber mitunter brutal hart“, schreibt er. „Ich machte nur, was ich begriff. Ich kaufte dafür kein teures Equipment, denn Eisschnelllaufen besteht für mich schlicht aus einer einbeinigen Kniebeuge, die man immer und immer mit einer fast maximalen Herzfrequenz durchführt.“

Das Tagebuch, wie auch sein Trainingsprozess, begann im Mai 2019. Nils van der Poel war zu diesem Zeitpunkt, wie er sagt, „wie jeder andere junge Soldat. Ich war okay im Fitnessstudio, machte Kniebeugen mit 125 Kilogramm und konnte zehn Kilometer in 40 Minuten laufen.“ Auf diesem Fitnesslevel begann er seinen Weg – mit zwei Olympischen Gold-Medaillen endete er 32 Monate später, im Februar 2022. Es war ein extremer Weg. Ein Weg, der extrem anders war als das, was man von einem Profisportler, vor allem einem Olympiasieger, erwartet hätte.

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Nils van der Poel mit seinen zwei Olympischen Goldmedaillen

Ausdauer und Kraft

Noch ungewöhnlicher ist wohl nur die Transparenz, mit der Van der Poel sein Trainingsprogramm für jeden zugänglich macht. Er schildert seine Philosophie, seine Trainingsumfänge, die Intensitäten – und vieles mehr. Er schreibt: „Viele Profiathleten sagen, dass sie, weil sie Profis sind, so viel trainieren können, wie sie wollen – und bauen deshalb auch Krafttraining, Dehnübungen, Trainingswettbewerbe, Koordinationsübungen und noch mehr in ihr Alltags-Training ein.

Aber: Alle Trainingseinheiten werden auf Kosten anderer, effizienterer Einheiten – oder auf Kosten der Erholung nach diesen Einheiten – durchgeführt. Ja, der Kraftraum ist warm und schön, überall gibt es Spiegel, damit du dein hübsches Gesicht und deine attraktiven Muskeln sehen kannst. Aber um sich dem Weltrekord zu nähern, ist es wahrscheinlicher, dass man dem eher dadurch näherkommt, seine anaerobe Schwelle auf dem Rad um 50 Watt zu erhöhen, als sich bei der freien Kniebeuge mit der Hantel auf der Schulter um 50 Kilogramm zu steigern. Aber wenn ich zurückblicke, wären wohl fünf Minuten Core-Training und Stretching pro Woche klug gewesen, zumindest zur Verletzungs-Prophylaxe. Ich habe fast immer nach einem 5-2-Tage-Trainingsprogramm trainiert: fünf Tage Training, dann zwei Tage Pause. Meine Ruhetage waren normalerweise an den Wochenenden. Auf diese Weise konnte ich normal leben und mit meinen Freunden etwas unternehmen. Normalerweise habe ich an den Ruhetagen überhaupt nicht trainiert. Ich ruhte sowohl meinen Geist als auch meinen Körper aus. Aber wenn meine Freunde Ski fahren oder wandern gehen wollten, ging ich mit ihnen.

Aerobe Saison, Schwellen, spezifische Saison

Mein Jahres-Trainingsprogramm war in drei große Phasen und eine kleine Zusatz-Saison unterteilt: Erst kam die „aerobe Saison“, dann die „Schwellen“- und dann die „spezifische Saison“. Danach folgte die kurze „aerobe Saison 2.0“. Mein Ziel war es, während des Sommers 2021 wöchentlich 33 Stunden Rad zu fahren. Meist in Form von drei Sieben-Stunden- und zwei Sechs-Stunden-Fahrten.

Um etwas Abwechslung reinzubekommen, startete ich bei ein paar Langdistanz-Wettkämpfen. Zum Beispiel: bei einem 100-Kilometer-Lauf, einem 280-Kilometer-Extremlauf über fünf Tage oder einer 600-Kilometer-Nonstop-Radfahrt.

Auf dem Rennrad fuhr ich anfangs mit durchschnittlich rund 200 Watt und kam dann schnell auf 250 Watt. Diesen Bereich behielt ich bei. Manchmal fuhr ich auch härter, aber 250 Watt über sechs bis sieben Stunden genügte normalerweise als Herausforderung.

Die aerobe Saison war für mich die entspannteste Zeit. Ich trainierte zwar am längsten, aber am wenigsten intensiv. Deshalb lebte ich außerhalb des Trainings freier – sofern ich die Energie dazu hatte. Wenn ich zum Beispiel von Donnerstag bis Sonntag eine kleine Reise mit meinen Freunden machen wollte, habe ich eben an den vier Wochentagen davor insgesamt 30 Stunden trainiert. Vier Tage Training, vier Tage frei. Das war nur während dieser besonderen Phase möglich.

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Wie trainiert Olympiasieger Nils van der Poel?

Schwellensaison: Intervalle

Ich habe die Schwellensaison im August begonnen. Ihre Dauer: rund zehn Wochen. Während dieser Phase habe ich den Trainingsumfang auf 25 Stunden pro Woche reduziert – und versucht, so viele dieser Stunden wie möglich an der Schwelle zu absolvieren. Dabei habe ich die Intensität anfangs recht niedrig angesetzt und mich dann nach und nach gesteigert. Ich begann die Schwellensaison mit Einheiten wie: sechs mal acht Minuten, mehrmals pro Woche. Diese Belastung habe ich so schnell wie möglich gesteigert – auf acht Stunden pro Woche mit Einheiten wie viermal 30 Minuten und sechsmal 15 Minuten.

Ich habe auch ein paar Mal versucht, mehr als acht Stunden pro Woche so intensiv zu trainieren, aber das ging jedes Mal nach hinten los. Meist habe ich im Laktatbereich von etwas unterhalb vier Millimol pro Liter trainiert. Mit dem Ziel, das Gesamtschwellenvolumen zu erhöhen. Heute glaube ich, dass ich mit einer etwas höheren Intensität von genau vier Millimol mit einer etwas geringeren Trainingszeit dasselbe hätte erreichen können. Vielleicht wäre das sogar effizienter gewesen.

Meine Schwellen-Einheiten habe ich auf dem Rennrad absolviert – weil es dem Eisschnelllauf ähnelt und wegen der einfachen Leistungs-Messung in Watt. Ich habe meist zu Beginn der Woche noch nicht alles gegeben, sondern wollte bis zum Freitag meine Motivation, und meine Leistungsfähigkeit, hochhalten. Um zu wissen, wie hart zu hart ist, musste ich natürlich ein paar Mal meine Grenzen austesten. Mein Ziel für diese Rennrad-Schwellen-Trainingssätze lag bei 390 bis 420 Watt. Wenn ich nicht in der Lage war, meine normalen Wattzahlen zu halten – wenn meine Leistung um mehr als mehr als drei Prozent geringer als normal war –, entschied ich mich oft dafür, das Training abzubrechen und zwei Tage Pause zu machen. Ich habe so hart trainiert, dass ich mich damit abgefunden habe, meinem Körper Ruhe zu gönnen, wenn er es verlangte.

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Einheiten, Intensität, Intervalle

Leistungsfähigkeit halten

Um meine Wattzahlen im Verlauf einer normalen Trainingswoche zu halten, habe ich die Trainingszeit an der Schwelle von Tag zu Tag etwas verkürzt. Zudem absolvierte ich auch die Grundlagenfahrten weniger intensiv, mit nur noch rund 220 Watt. Das Ziel während dieser Phase war, so viel Zeit und Energie wie irgend möglich in das Training an der Schwelle zu investieren. Auf diese Phase folgte: die spezifische Saison. Ergo: die Zeit der Wettkämpfe auf dem Eis.

Zwischen den Eisschnelllauf-Rennen ging es vor allem darum, die Leistungsfähigkeit zu erhalten und möglichst schnell und optimal zu regenerieren. Während der Ausdauer-Saison habe ich wie wohl jeder andere 25-Jährige öfter mal ein paar Bier getrunken, aber als die Intensität der Einheiten zunahm, nahm auch mein Alkoholkonsum ab. Denn: Wenn ich viel trinke, schlafe ich zu wenig. Ich empfand einen guten ausreichend langen Schlaf auch im Winter als wichtiger als das Alkoholtrinken.

Aber: Ab und zu ist aus meiner Sicht eine Party nötig, um mental etwas abzuschalten und den Kopf wieder freizubekommen. Die größte Herausforderung meines ganzen Trainingsprogramms war es, immer weiter machen zu wollen. Immer und immer wieder Lust zu haben, zu trainieren. Für mich ist klar: Motivation ist der Schlüssel. Wenn mich etwas motiviert, stufe ich es mental als gut ein. Manchmal brauchte es dafür zwischendurch mal ein Bier. Oder acht Bier.“

Dieser Artikel erschien in der RennRad 9/2022Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.


Nils van der Poel: Der Athlet

Der Eisschnellläufer Nils van der Poel ist nicht mit dem niederländischen Radprofi Mathieu van der Poel verwandt. Der Schwede hat jedoch niederländische Wurzeln. Van der Poel war in seiner Jugend bereits erfolgreicher Eisschnellläufer.

2015, mit 19 Jahren, wandte er sich erstmals vom Sport ab, da er in dem „stupiden täglichen Training“ keinen Sinn mehr sah. Nach einem Jahr Pause, in dem er verschiedene Ausdauersportarten ausprobierte, kehrte er zurück.

2018 pausierte er erneut und wurde vom schwedischen Biathlon- und Langlauftrainer Wolfgang Pichler zur Rückkehr bewegt. Bei den Weltmeisterschaften in Heerenveen 2021 gewann er die Goldmedaillen über 5000 und über 10.000 Meter. Bei den Olympischen Spielen gewann er über diese beiden Distanzen ebenfalls Gold und verbesserte den Weltrekord über 10.000 Meter und den Olympischen Rekord über 5000 Meter. Nun will er seine Karriere auf dem Eis beenden – und könnte Profiradsportler werden.

Abwechslungsreiche, effiziente und nicht „stupide“ Trainingspläne mit verschiedenen Zeitaufwänden finden Sie in jeder RennRad-Ausgabe und gesammelt in unserem digitalen Trainingsspezial.


Alternativ-Training

Ausdauer und Kraft, Grundlage und Intervalle – draußen, drinnen, Rennrad, Mountainbike, Cyclocrosser, Joggen, Schwimmen, Skitouren, Fitnessstudio: All dies gilt es, miteinander zu verbinden und zu kombinieren.

Inzwischen haben viele Studien gezeigt, dass auch Phasen intensiven Krafttrainings die Ausdauerleistung nicht negativ beeinflussen müssen.

So etwa eine aktuelle Studie norwegischer Forscher: Die Probanden, gut trainierte Radsportler, zeigten nach einem elfwöchigen zusätzlichen Kraftprogramm – je dreimal vier bis zehn Wiederholungen pro Übung – keine Veränderung in ihrer maximalen Leistung, die anhand von 40-minütigen „All-out-Tests“ verglichen wurde. Zweimal pro Woche ging es für je 30 bis 40 Minuten in den Kraftraum – absolviert wurden unter anderem Übungen an der Beinpresse und freie Kniebeugen.

Die Probanden verbesserten ihre maximale Sauerstoffaufnahme, steigerten die Muskelmasse – und nahmen dennoch nicht signifikant an Gewicht zu.

Alpe d’Huez: Vorbereitung auf Rekordversuch beim legendären Anstieg

Alpe d'Huez, Stefan Kirchmair, Saisonhöhepunkt, Training

Meine Herzfrequenz steigt und steigt – auf 190 Schläge pro Minute. Mein Trikot ist komplett geöffnet, Schweiß tropft auf das Display meines Radcomputers. Ich schaue nicht darauf. Ich will keine Zahlen sehen. Sie zu fühlen genügt. Sie lauten: elf, zwölf, 13 – Prozent Steigung. Ich fahre bergauf, zwischen den Kehren 17 und 16. Dies ist ein mythischer Anstieg – jener nach L’Alpe d’Huez.

Dies ist der Tag der Tage. Der Tag meines großen Saisonziels in diesem Jahr. Noch neun Kilometer bergauf. Schon im Vorjahr lautete mein Plan: hier eine neue Bestzeit aufstellen. Die Auffahrzeiten lassen sich mittels der App Strava miteinander vergleichen. Die aktuelle Bestzeit hat ein gewisser Romain Bardet inne. Der Team-DSM-Profi stellte sie 2018 während der Tour de France auf. Seine Zeit für dieses Strava-Segment: rund 36 Minuten. Schon im Vorjahr bereitete ich mich lange darauf vor – doch dann musste ich den Rekordversuch auf dieses Jahr verlegen. Auf diesen Sommer. Auf heute.

Rückschläge

Mein Frühjahr 2022 verlief leider gar nicht wie geplant – ein Wirbelbruch verhinderte meine Teilnahme an der „Zwift“-E-Racing-Weltmeisterschaft im März und ruinierte auch meinen bis dahin sehr guten Trainingsaufbau mit unzähligen Testläufen an der virtuellen Variante meines großen Saisonziels – der „Alpe du Zwift“ auf der Trainingsplattform Zwift. Erst ab Mai kam ich langsam wieder in Tritt und musste meine Form völlig neu aufbauen. Dies gelang mir vor allem durch viele VO2max- und EB-Einheiten: kürzere Intervalle rund um die individuelle anaerobe Schwelle IANS. Ab Juni konnte ich das Training der Laktatbildungsrate fokussieren. Das alles fiel mir nicht immer leicht: Ich kannte meine Watt-Werte aus den vergangenen Jahren und spürte, dass ich meinem Ziel noch „hinterherhinkte“.

Doch jeder kleine Fortschritt brachte mir auch weitere Motivation – und rechtzeitig zum Beginn der Radmarathon-Saison lief es endlich besser. Die Höhepunkte meiner ersten Saisonhälfte: der Dreiländergiro, La Marmotte in den französischen Alpen und die L’Étape du Tour – an deren Ende der Anstieg nach Alpe d’Huez auf dem Plan stand. Ich hoffte, dass ich bis dahin fit genug für einen Rekordversuch wäre, doch ich wusste auch aus Erfahrung, dass mir noch immer rund 20 Watt zu meiner Bestleistung fehlten. Dennoch konnte ich den Dreiländergiro als Solist gewinnen – dank Verbesserungen an anderen Details als der „reinen“ Leistung: Ich fuhr ein optimiertes Rad, trug einen Zeitfahranzug und hatte mein Ernährungskonzept im Vergleich zu 2019 deutlich verbessert. Am Ende bedeutete dies: 4:50:41 Stunden für die 168 Kilometer und 3300 Höhenmeter – Streckenrekord. Direkt von Nauders aus ging es weiter in die Schweiz, ich trainierte noch drei Tage und reiste dann nach Frankreich, nach L’Alpe d’Huez. Das Ziel: mit frischen Beinen am nächsten Tag den Rekordversuch angehen.

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L’Alpe d’Huez: Plan vs. Realität

Die Realität: An diesem Tag fand ein Bergrennen über die berühmten 21 Kehren statt: „La Grimpée“. Ein Massenstart im Tal in Le Bourg-d’Oisans mit rund 200 Teilnehmern und nach einem kurzen Flachstück direkt hinein in den Anstieg. Die Anmeldung war noch bis eine Stunde vor dem Start geöffnet. Ich hatte noch vier Stunden Zeit. Was tun? Es gab viele Fragen zu klären: Wie verhält sich das Wetter? Der Wind? Meine Form? Um 16 Uhr stand ich am Start des Rennens. Im Tal war es heiß, 30 Grad. Ich wusste: Der Wind würde mir auf der ersten Geraden frontal entgegenwehen.

Ich überlege mir eine Pacing-Strategie. Sollte ich hinten starten, um wenigstens am Anfang etwas Windschatten zu haben? Oder würde so langsam gestartet bis zum Einstieg, dass die ersten 20 bis 30 Sekunden zur Rekordzeit an dieser Stelle verloren gingen? Ich entscheide mich für den Start am hinteren Ende des Feldes – und finde mich dennoch zum Beginn des Anstiegs an der Spitze wieder. Ich trete knapp 420 Watt bis zur ersten Kehre – zu viel. Ich reduziere auf 400 Watt und versuche von diesem Moment an, die maximal mögliche Leistung zu halten.

Im unteren Teil des Anstiegs spüre ich die drückende Hitze, meine Herzfrequenz steigt sprunghaft an, doch ich höre auf mein Körpergefühl und fahre kontrolliert weiter. Kehre um Kehre. Nach 20 Minuten wird mir klar, dass ich leicht überzogen habe. Der Anstieg ist noch immer steil – und meine Leistung sinkt langsam, aber stetig. Meine Atemfrequenz ist am Limit, mein Brustkorb fühlt sich an wie zugeschnürt. Im Ort Huez überhole ich den Linienbus, was meinen Rhythmus etwas bricht. Ein Vorteil der Steigung nach L’Alpe d’Huez: Das „Herunterzählen“ an jeder Kehre motiviert. Ich sehe die Fünf-Kilometer-Marke und das Schild mit „Kehre Nummer vier“. Ich versuche, meinen Rhythmus wiederzufinden, zu beschleunigen – doch die Leistungsdaten sind längst nicht mehr in dem Bereich vom Beginn. Ich versuche, 360 Watt zu halten. Vergeblich.

Das Finale: Schmerz und Triumph

Ich verliere die Hoffnung: Für den Streckenrekord kann das auf keinen Fall reichen. Ich beginne zu rechnen – ich hatte keine Vergleichszeiten auf meinen Radcomputer. Doch ich habe Bardets Zeiten im Kopf. Die Durchschnittsgeschwindigkeit des Franzosen lag bei unter 19 km/h. Ich blicke auf meinen Radcomputer: 19,1 km/h. Das ist die Motivation, die ich für die letzten drei Kilometer bis zu „meinem“ Zielstrich, dem Ende des Segments, benötige.

Die Zuschauer vor den Cafés am Straßenrand jubeln mir zu. Dann erreiche ich das Ende des Segments. 36:17 Minuten gilt es zu schlagen – auf meinem Fahrradcomputer stehen 36:30 Minuten. Für den Moment ist mir das völlig egal – ich bringe die letzten Meter hinter mich. Der Zielstrich bei „La Grimpée“ ist an einer anderen Stelle als bei den Tour-de-France-Etappen. „Jetzt darf nichts mehr passieren, kein Auto, keine Fußgänger, die die Absperrung missachten“, denke ich und fahre über die Linie. Ich rolle aus und kehre um. Meine Lunge brennt noch immer. Die Nächstplatzierten erreichen das Ziel – war ich schnell genug? Meine durchschnittliche Wattleistung lag bei knapp über 380 Watt.

Erst zurück im Hotel kann ich meine Zeit abgleichen: Es hat gereicht. Ich habe die Bestzeit. Um wenige Sekunden und – angesichts der anstehenden Tour-de-France-Etappe nur wenige Wochen später – wohl auch nur für kurze Zeit. Aber für diesen Moment treten die Schmerzen in den Hintergrund und ich spüre: Glück und Erleichterung. Nach dieser schwierigen Vorbereitung im Frühjahr, nach dieser spontanen Entscheidung, an dem Rennen teilzunehmen, hat es geklappt. Welch ein Wahnsinn.

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Stefan Kirchmair ist zweimaliger Sieger des Ötztaler Radmarathons und Radtrainer mit A-Lizenz. Er trainiert etliche Amateur- und Hobbytahleten. Mehr zu ihm und seinem Team finden Sie auch unter: www.kirchmair-cycling.com

Sport und der Einfluss auf motorische Fähigkeiten: Studie

Sport, Motorik, Wissenschaft, Studie

Vom Tippen auf dem Smartphone bis zum Schuhebinden – fast alle unserer alltäglichen Aktivitäten benötigen ein gewisses Maß an motorischen Fähigkeiten. Etliche Studien zeigten bereits, dass sportliche Aktivitäten zu einer starken Aktivität des Hippocampus im Gehirn führen können.

Die neuronalen Prozesse dort sind für die zeitliche Abfolge von Bewegungsabläufen verantwortlich. Demzufolge sollten sie das Erlernen motorischer Fähigkeiten begünstigen.

Sport und motorische Abläufe: Studie

Eine Gruppe Neurowissenschaftler der Universität Genf untersuchte in einer neueren Studie* den bislang weniger erforschten Einfluss des Sports auf das Bewegungsgedächtnis, ergo auf das korrekte Verarbeiten und Wiedergeben motorischer Abläufe.

Die Forscher untersuchten 15 gesunde Männer, die jeweils vor und nach einer intensiven oder moderaten Sporteinheit einen Reaktionstest absolvierten, der auf einer Abfolge verschiedener Tastenkombinationen beruht.

Während dieser Übung wurde ein Funktions-MRT durchgeführt, um die Gehirnaktivität zu messen. Zudem wurden den Probanden Blutproben entnommen. Nach einer Auftaktsitzung, bei der die Gesundheitsdaten der Teilnehmer erhoben wurden, gab es drei derartige Sitzungen im Abstand von rund ein bis zwei Wochen.

Ergebnis der Studie

Das Ergebnis: Die Probanden, die zwischen den beiden Tests eine intensive Einheit – mit 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz – absolvierten, konnten ihre motorischen Fähigkeiten signifikant steigern. Jene, die mit moderaten Intensitäten – von rund 60 Prozent der Maximal-Herzfrequenz – trainierten, konnten diese ebenfalls tendenziell steigern. Das MRT zeigte eine gesteigerte Aktivität im Hippocampus der Probanden.

Das Fazit: Sportliche Aktivität scheint das motorische Lernen zu begünstigen.

*Studie: Bosch et al., 2020

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Studien zu Erkenntnissen der Trainingslehre

Proteine: Einfluss von tierischen und pflanzlichen Eiweißen
Welchen Effekt hat Atemmuskel-Training auf die Leistung?
Mehr Energie durch L-Citrullin
Natron und der Effekt auf die sportliche Leistungsfähigkeit
Länger leben durch Bewegung
Brunnenkresse und der Effekt auf die Regeneration
Kreatin-Supplementierung und die Effekte auf Muskulatur und Gehirn
Proteine: Sind pflanzliche Proteinquellen so effektiv wie tierische?
Mehr Bewegung dank Fitnesstrackern
Cleat-Position und Muskelbelastung
Kaffee-Konsum und seine Auswirkung auf die Sterblichkeit
Die Wirkung von Sport in der Krebs-Therapie
Auswirkungen von Radsport auf das Sex-Leben
Erschütterungen beim Radfahren
Ausdauersport und Gefäße
Einfluss des Alters auf den Fettstoffwechsel
Asthma: Auswirkungen von Ausdauersport
Mehr Leistung durch Nitrate

Langdistanz: Vom Rennrad-Einsteiger zum Ultra-Langdistanz-Athleten

Langdistanz, Jonathan Both, Reportage

3:10 Uhr morgens, drei Grad Celsius, 21 km/h im Flachen bei Gegenwind aus Nordwesten. Es ist ein Wind, der mich lange – viel zu lange – begleiten wird. Und das für einen großen Teil der nächsten 15 Stunden. Heute ist der Tag der Tage. Mein längster Tag auf dem Rad. Meine Tour: von München nach Seeheim-Jugenheim an der hessischen Bergstraße. Fast nonstop.

Nach einer Stunde habe ich die Stadt von Südosten bis in den Nordwesten durchquert und ihre letzten Häuser hinter mir gelassen. Ich fahre durch die Dunkelheit in Richtung Augsburg und erlebe keine Überraschung: Ich kenne das Fahren in der Nacht und in der Kälte. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei nur 23,5 km/h. Ich fahre von einem kleinen Dorf ins nächste neben dunklen Feldern und Wiesen durch den noch dunkleren Wald. Es riecht nach Grün und nach dem Harz der Bäume. Die Straßen sind leer. Ich bin allein.

Leere, Weite und Langdistanz

Vor knapp drei Stunden klingelte mein Wecker. Um 2:30 Uhr. Meine Ausrüstung ist gepackt, die Powerriegel sind in handliche Viertel vorgeschnitten in der Rahmentasche. Als Ergänzung habe ich noch eine Süßkartoffel gekocht, verpackt und verstaut. Nach einem Kaffee, Müsli und einer Banane setze ich mich auf mein Rennrad. Um kurz vor 6:30 Uhr erreiche ich wie geplant Augsburg. Als ich die Stadt hinter mir lasse, habe ich 80 Kilometer hinter mir. Die Sonne schiebt sich über den Horizont. Es wird wärmer. Sechs, acht, zehn Grad.

Dies ist meine wohl zehnte Langdistanz-Tour – meine erste Radfahrt, die mehr als 200 Kilometer lang ist. Bis 2015 habe ich gar keinen Sport gemacht. Durch den Münchner Firmenlauf 2016 begann ich zu laufen. 2019 lief ich den ersten von bislang zwei Marathons. Die Anzahl der Halbmarathons kann ich nicht mehr aufzählen.

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Langdistanz-Ziele

Vor drei Jahren saß ich zum ersten Mal auf einem Rennrad. Heute ist es ein wichtiger Teil meines Lebens, meines Seins, meines Entspannens und Erlebens. Ich habe mich dazu entschieden, die „Coronazeit“ zu nutzen, um von einem durchschnittlichen Rennradfahrer zu einem Ultra-Ausdauer-Athleten zu werden. Meine ersten Langdistanz-Touren-Ziele stehen – nach einem Blick auf die Karte – schnell fest: 360 Kilometer an einem Tag zu meinen Eltern nach Seeheim-Jugenheim an die hessische Bergstraße, von München an den Gardasee an einem Tag, von München nach Prag an einem Tag und als Abschluss des Jahres so schnell wie möglich von München nach Flensburg. Und wofür?

Als Vorbereitung auf die richtig langen Strecken – und für mein erstes Ultralangdistanz-Rennen im Laufe des Sommers 2022. Der Plan steht. Nur der Weg dorthin ist noch unklar. Wie muss ich trainieren? Und noch wichtiger: Wie kann ich das Training mit meinem Vollzeitjob, meiner Familie, meinen Freunden, meinem Alltag vereinbaren? Noch immer habe ich nicht alle Antworten gefunden. Noch immer bin ich auf der Suche. Ich lerne gerne von den Besten.

Deshalb setze ich mich mit den besten Langdistanz-Radsportlern auseinander – mit Menschen wie Sean Conway, Nicole Reist, Jonas Deichmann, Christoph Strasser. Und ich stelle fest, dass fast alle dasselbe „Erfolgsgeheimnis“ haben: mentale Stärke, das passende Mindset, ein klares Ziel, strukturiertes Training.

Mein Bruder Joshua, der Personal Trainer für Ausdauersportler ist, unterstützt mich auf meinem Weg. Mit seiner Hilfe absolviere ich im Frühjahr einen Laktat-Leistungstest. Ausgehend von meiner zu diesem Zeitpunkt aktuellen Functional Threshold Power, FTP, von 278 Watt schrieb mir Joshua einen für mich optimalen Trainingsplan zur Vorbereitung auf eine Langdistanz-Fahrt. Während des Winters wechselte ich meine Trainingsschwerpunkte zwischen dem Rennrad, dem Ergometer und dem Laufen ab – und verbesserte meine Halbmarathonzeit auf 1:29 Stunden.

Langdistanz, Jonathan Both, Reportage

Langdistanzen sollte man vorab in Zeiträume einteilen. So kann man sich mental von einem Zwischenziel zum nächsten ‚hangeln‘

Ernährung und Berge

Noch immer ist es früh am Morgen. Ich rolle neben der Donau entlang, erreiche Dillingen – und komme nach 120 Kilometern in eine erste kleine Krise. Die Straßen gen Heidenheim führen meist leicht bergan mit zwei, drei, vier Prozent Steigung. Der Gegenwind wird immer stärker. Ich bin so langsam unterwegs, dass ich die schöne Landschaft um mich herum genießen könnte. Doch mein Blick ist immer nur auf die drei, vier Meter Asphalt vor mir gerichtet.

Während der kurzen Abfahrten spüre ich die Kälte – und irgendwann spüre ich plötzlich noch etwas anderes: Hunger. Ich habe einen absoluten Anfängerfehler gemacht: nicht frühzeitig ans Essen zu denken. Wenn man auf dem Rad den Hunger spürt, kann es schon zu spät sein. Ein Hungerast und damit ein Leistungseinbruch ist nahe. Doch ich kann ihn – mithilfe von vier Energiegels – noch einmal verhindern.

Eine halbe Stunde später bin ich „auf“ der Schwäbischen Alb und wieder in meinem Rhythmus. Die Anstiege sind nun länger, Flachstücke sind selten. Ich komme langsam voran, aber ich komme voran. Ich denke nur von Zwischenziel zu Zwischenziel. Um 13 Uhr habe ich 200 Kilometer hinter mir. Vor zehn Stunden bin ich losgefahren. Mein nächstes Zwischenziel: das Familientreffen in den Löwensteiner Bergen. Zwei Stunden später ist es so weit: Meine beiden Brüder kommen mir entgegen. Im Auto. Doch einer von ihnen, Joshua, holt sein Rennrad aus dem Kofferraum und steigt auf. Ab jetzt bin ich nicht mehr alleine.

Der längste Anstieg des Tages

Wir fahren los – und direkt in den längsten Anstieg des Tages hinein: Zehn Kilometer und 300 Höhenmeter weit geht es bergan in Richtung Löwenstein. Auf den letzten Metern des Anstiegs erlebe ich meine zweite kleine Krise: Die Kraft ist weg. Doch: Die folgende Abfahrt ist traumhaft schön, das Wetter wird etwas besser – zwölf Grad – und ich kann mich etwas erholen.

Um 16 Uhr sehe ich über dem Kürzel „Km“ eine schöne Zahl auf dem Display meines Radcomputers: 250. Dennoch wird mir klar: In diesem Tempo wären wir frühestens gegen 21 Uhr an unserem Ziel. Die Distanz dorthin: 110 Kilometer. Deshalb entscheiden wir uns: 300 Kilometer genügen für heute. Wir fahren durch Neckarsulm und Reichartshausen und sehen die magische Zahl auf unseren Radcomputern: 300. Dann steigen wir von unseren Rädern in das Auto unseres Bruders.

Dolomiten und Pässe

Knapp fünf Monate vorher: meine erste Mehrtagestour mit dem Rennrad. Es ist eine Tour durch die Alpen: von Kufstein, Österreich, bis Verona, Italien – 500 Kilometer, 8200 Höhenmeter. Dies ist der dritte Tag, die dritte Etappe. Meine Tagesaufgabe: 82 Kilometer und 2500 Höhenmeter. Mein Tagesziel: Canazei in den Dolomiten. Die Pässe des Tages: der 2233 Meter hohe Passo di Giau und der 2239 Meter hohe Passo Pordoi. Die Daten dieser beiden Auffahrten: 10,7 Kilometer und 780 Höhenmeter – 9,3 Kilometer und 647 Höhenmeter.

Die Schönheit der Landschaft um mich herum lenkt mich ab. Sie ist fast schon kitschig schön. Die Berggipfel der Dolomiten sind hellgrau und schroff, die Sonne steht hoch über einem wolkenlosen blauen Himmel. Die meisten dieser Pässe steigen gleichmäßig und nicht zu steil an – sie sind rhythmisch zu fahren. Doch der Passo Giau ist anders: härter, steiler, gemeiner. Ich schaffe es nicht, meinen Rhythmus zu finden. Im letzten Drittel des Anstiegs bin ich am Ende. Ich schleppe mich nach oben. Pause. Absteigen. Auf die Landschaft starren – mit einem leeren glasigen Blick. Essen. Das Funkeln kehrt in die Augen zurück. Abfahrt.

Langdistanz, Jonathan Both, Reportage

Das Funkeln kehrt in die Augen zurück

Alpen-Überquerung

Ich mute mir während dieser Alpen-Überquerung viel zu. Wohl zu viel für einen Rennrad-Einsteiger. Doch mit jeder Tour, mit jedem Tag, mit jedem Pass wächst mein Spaß am Radfahren – und mein Selbstbewusstsein. Mir wird bewusst, dass ich schaffen kann, was ich mir vorgenommen habe. Das ist wohl das, was Psychologen „Selbstwirksamkeitsüberzeugung“ nennen. Jeden Tag fällt etwas von den Zweifeln an mir selbst – von dieser typischen Anfänger-Unsicherheit – von mir ab. Jeden Tag kann ich das Fahren und die Natur, durch die ich mich mittels meiner eigenen Kraft, meiner eigenen Ausdauer, meinem eigenen Willen bewege, mehr genießen. Jeden Tag verbringe ich etwas mehr Zeit im „Flow“, jenem quasi-meditativen mentalen Zustand, in dem man eins ist mit sich und in dem, was man gerade tut, vollkommen aufgeht.

Die Highlights meiner nächsten Tour lauten: Passo di Carezza und Passo di Lavaze. Ihre Daten: acht Kilometer, 375 Höhenmeter und 13 Kilometer, 969 Höhenmeter. Die Auffahrt zum Lavaze-Pass erscheint mir fast surreal – wie aus einem Traum. Ich bin durchgehend allein. Keine Autos, keine Häuser, keine Stromleitungen, keine Menschen. Nur Wald und der Ausblick in Richtung Ortler-Massiv und Rosengarten.

Irgendwann bin ich oben am höchsten Punkt, 1808 Meter über dem Meer. Um mich herum: ein kleines Gasthaus, grauer Fels, Natur. Dies ist ein Ort – dies ist ein Moment – den ich niemals wieder vergessen werde. Dieses Gefühl, einen solchen Ort durch die eigene Leistung erreicht zu haben, erreichen zu können, ist noch neu und ungewohnt für mich. Es ist ein Gefühl, das ich noch viel öfter spüren will. Noch vor drei Jahren war es für mich unvorstellbar, einen Alpenpass mit dem Fahrrad hinaufzufahren. Seitdem habe ich mehr als 15.000 Kilometer auf meinem Rennrad und 10.000 auf meinem Mountainbike zurückgelegt – und bin zu einem Radsportler geworden.

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Vom Einsteiger zum Langdistanz-Athleten: Zur Person

Name Jonathan Both
Alter 28 Jahre
Wohnort München
Beruf Teamleiter
Radsporterfahrung Ambitionierter Hobbysportler. Rennrad- und Mountainbike-Training seit drei Jahren, keine Radsportwettkampferfahrung
Radsportambitionen Persönliche Grenzen verschieben, Teilnahme am Atlas Mountain Race, dem Race Across America und einem Ironman-Triathlon

Das Material

„Ich habe mein Cannondale SystemSix Ultegra im Rahmen eines Bike-Fittings von ‚aerodynamisch‘ auf ‚komfortabel‘ umgestellt. Dafür habe ich unter anderem den Lenker um rund zehn Grad in die Horizontale gedreht. Bei der Bereifung setze ich auf 28 Millimeter breite Continental Grand Prix 5000. Sie sorgen für etwas Dämpfungskomfort und haben mir viele pannenfreie Fahrten beschert. Die Akku-Lichtanlage ist eine GVolt 70.1 von Cateye. Mit meiner Garmin Fenix 5x am Arm und der Komoot-App auf dem Smartphone habe ich die Route und meine Leistungsdaten immer im Blick. Um zu verhindern, dass der Handyakku schlappmacht, habe ich in einer Rahmentasche von Topeak eine Powerbank. Während meiner Vorbereitung bin ich auf einen Trick für warme Füße gestoßen: Man nimmt eine doppelte Schicht Alufolie, legt sie unter die Einlegesohle, trägt ein normales Paar Socken und umwickelt den Fuß ebenfalls mit Alufolie. Über das Ganze kommen dann noch die wind- und wasserdichten Überschuhe und schon hat man warme Füße – auch über mehrere Stunden hinweg und bei Werten knapp über dem Gefrierpunkt.“ Jonathan Both.

Îles Flottantes mit Erdbeercoulis: Rezept vom Team Bora-Hansgrohe

Îles Flottantes mit Erdbeercoulis, Ernährung, Rezept, Team Bora-Hansgrohe

Eine kulinarische Belohnung nach einer langen Trainingseinheit: Die leichten Îles Flottantes, Eischnee-Nocken auf einem Beerencoulis, schmecken extrem lecker.

Die Erdbeeren enthalten viele Mineralstoffe wie Kalium, Eisen, Magnesium und Kalzium. Wie alle Beeren enthalten sie wenig Fruchtzucker, dafür aber mehr Vitamin C als Zitrusfrüchte. Noch mehr Vitamin C erhält man durch den Zitronen- und Orangensaft sowie die Orangenschale. Vitamin C hat eine entzündungshemmende und antioxidative Wirkung, schützt somit vor Zellschädigung und stärkt das Immunsystem.

Mandeln, Pistazien und Haselnüsse sollten oft auf dem Speiseplan stehen: Sie enthalten Mineralstoffe, Vitamine sowie mehrfach ungesättigte Fettsäuren.

Îles Flottantes mit Erdbeercoulis: Die Zubereitung

  • Die Erdbeeren waschen, zwei in Scheiben schneiden und beiseitelegen. Die restlichen Erdbeeren mit Zitronensaft, Erdbeerfruchtaufstrich, Orangenschale und -saft pürieren.
  • Die Nüsse in einer Pfanne ohne Fett zehn Minuten lang erhitzen. Den Agavendicksaft, braunen Zucker und eine Prise Salz hinzugeben und karamellisieren lassen. Dann abkühlen lassen.
  • Die Eiweiße mit einer Prise Salz sehr steif schlagen, dabei den Zucker einrieseln lassen. Dann 200 Milliliter Wasser, Mandelmilch und Kokosblütenzucker in einem Topf erhitzen, nicht kochen.
  • Vom Eischnee runde Nocken abstechen und in die warme Flüssigkeit setzen. Eine Minute je Seite gar ziehen lassen. Die Nocken mit einer Schaumkelle herausnehmen und auf ein Tuch setzen. Die Erdbeersauce auf Tellern verteilen und die Nocken daraufsetzen. Die Nüsse zerkleinern und darüber streuen und mit den Erdbeerscheiben, Himbeeren und der Melisse garnieren.

Îles Flottantes mit Erdbeercoulis: Bio-Zutaten für zwei Personen

  • 250 Gramm Erdbeeren
  • Saft einer ½ Zitrone
  • Schale einer ½ Orange
  • 100 Milliliter Orangensaft, frisch gepresst
  • 80 Gramm Erdbeerfruchtaufstrich
  • 20 Gramm Mandeln
  • 15 Gramm Pistazien
  • 15 Gramm Haselnüsse
  • 30 Milliliter Agavendicksaft
  • 15 Gramm brauner Zucker
  • 2 Eiweiß
  • 20 Gramm Rohrohrzucker
  • 200 Milliliter Mandelmilch
  • 15 Gramm Kokosblütenzucker
  • Natur- oder Meersalz
  • Himbeeren und Melisse zum Garnieren

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Weitere Profirezepte für Sportler vom Team Bora-Hansgrohe

Klassische dänische Kartoffelsuppe
Gebratener Lachs mit Kartoffelpüree
Gebratener Oktopus
Veggie-Stroganoff
Dinkel-Rote-Bete-Risotto
Macadamia-Nuss-Fishcakes
Kürbis-Maroni-Gröster
Blutorange mit Brown-Bread-Eis und Pekannüssen
Aromatische Entenbrust mit Blumenkohlpüree und Brombeersoße
Lorbeer-Cookie-Sandwiches mit Zitruscreme
Tartelettes mit Ziegenkäse, Fenchel & Cranberry-Chutney
Gegrillter Thunfisch auf Panzanella-Salat
Saltimbocca mit Trauben, Salbei und Selleriepüree
Steak Bavette mit Tamarinden-Marinade und Gemüse
Hähnchen-Wraps mit Mango-Chutney
Seehecht in Chiakruste
Saibling auf Blumenkohl-Couscous und Haselnüssen
Auberginen-Türmchen mit Ziegenkäse
Gegrillter Pfirsich mit Dinkelbutterstreusel, Honig und Rosmarin

Ausdauer, Leistung und Schweiß: Der Einfluss von Mineralstoffen

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Sommer. Training. Man sieht: Ein Glitzern auf dunklem Grund – Salzkristalle auf einem Sommertrikot. Sie sind ein Zeichen für die getane Arbeit, für Hitze. Und für die Bedeutung des richtigen Flüssigkeitsmanagements während des Trainings. Wer beim Sport viel schwitzt, verliert: vor allem Mineralstoffe, allen voran Natrium. Dieses Elektrolyt reguliert unter anderem den Flüssigkeitshaushalt der Zellen, fördert die Wasseraufnahme, bindet Wasser in den Geweben und sorgt für die Übertragung und Weiterleitung von Nervenimpulsen. Auch an der Aufnahme und dem Transport von Glukose, Aminosäuren und anderen Nährstoffen sowie der Regulierung des Säure-Basen Haushalts ist Natrium beteiligt. Es ist somit: unverzichtbar.

Der Mineralstoff muss in einer bestimmten Konzentration vorliegen, um seine „Aufgaben“ optimal erfüllen zu können. Wer viel Natrium über den Schweiß verliert, muss es wieder zuzuführen. Dies ist – gerade bei langdauernden oder heißen Events – mitentscheidend für die Leistung. Und für die Gesundheit. Denn nur mit Wasser zu rehydrieren, würde auf Dauer die Natriumkonzentration im Blut „verwässern“, wodurch es zu Leistungseinbußen und Wasserverschiebungen im Körper kommen kann. Der schlimmstmögliche Fall ist das Entstehen eines Hirnödems. Diese Situation tritt nur sehr selten ein, kam aber während Ironman- oder Marathon-Wettkämpfen bereits mehrfach vor.

Das „Wirkprinzip“: Bei einem Natriummangel sinkt der osmotische Druck im Blut. Deshalb wird Flüssigkeit von den Zellen regelrecht „aufgesaugt“. Deren Volumen kann im Hirn jedoch nicht zunehmen. Es kommt zu einem gesteigerten Hirndruck. Gravierend waren in diesem Hinblick die Befunde eines internationalen Forscherteams. Diese wurden 2015 im „Clinical Journal of Sport Medicine“ veröffentlicht. Die Probanden: Teilnehmer von Ultramarathons und Ironman-Triathlons. Die Ergebnisse: Bis zu 50 Prozent der Untersuchten zeigten Anzeichen einer belastungsbedingten Hyponatriämie. Rund ein Drittel der Betroffenen litt unter Symptomen wie Benommenheit, Übelkeit, Kopfschmerzen oder Krampfanfällen.

Schweiß und Salz

Ein hoher Natriumverlust kann zu Krämpfen führen. Die Studienlage dazu zeigt allerdings keinen klaren eindeutigen Zusammenhang. Die, nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft, häufigsten Muskelkrampf-Ursachen lauten: Kohlenhydratmangel oder Überforderung durch ungewohnte Muskelbelastungen. Einzelstudien zeigen jedoch teils auch, dass Krämpfe mittels einer Natriumsupplementation reduziert bis vermieden werden können. Einen großen Übersichtsartikel zu den Ursachen von Krämpfen – und den potenziellen Gegen-Strategien – finden Sie in der „Wissen-ist-Macht-Rubrik“ der RennRad-Ausgabe 6/2022. Das, was auf der Haut sichtbar ist, wenn man schwitzt, ist das Ergebnis eines ausgeklügelten Systems.

Der sogenannte Primärschweiß ist isotonisch zu Blutplasma. Das heißt: Er enthält sehr viele gelöste Teilchen, darunter auch Natrium. Dieses nimmt man zum großen Teil über Salz, Natriumchlorid, zu sich. Beim Durchgang durch die Kanäle der Schweißdrüsen „holt“ sich der Körper einen Teil dessen wieder zurück, sodass der final austretende Schweiß hypoton ist – also weniger gelöste Teilchen enthält als das Blutplasma. Die Range wird dabei zwischen 200 und 2300 Milligramm pro Liter angegeben. Die relativen Unterschiede sind demnach: gigantisch. Wer hier hohe Werte aufweist, wird diese sein Leben lang behalten. Ein „salty sweater“ bleibt immer ein „salty sweater“.

Je höher die Schweißrate ist, desto wichtiger ist es, die Natriumverluste auszugleichen. Die „richtige“ Natriumkonzentration kann mit einer Leistungssteigerung einhergehen. Dies suggerieren die Ergebnisse einer Studie Bostoner Forscher: Während des Trainings verloren ihre Probanden durchschnittlich 565,5 Milligramm Natrium pro Liter Schweiß. Diejenigen, die während der Belastung mit Natrium versetztes Wasser zu sich nahm, steigerten ihre Leistung und verkürzten die nötige Erholungszeit nach dem Training deutlich.

Klar ist: Der Körper produziert Schweiß, um sich durch die Verdunstungskälte zu kühlen. Bei einer intensiven Belastung in einer warmen Umgebung kann man bis zu drei Liter pro Stunde „ausschwitzen“. Lange galt ein Flüssigkeitsdefizit von rund zwei Prozent des Körpergewichts als kritischer Wert, ab dem ein deutlicher Leistungsabfall einsetzt.

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Ein Ausdauertrainings-Effekt: Statt der „normalen“ Kapazität von 250 bis 300 Gramm kann der Körper eines Ausdauer-Athleten 500 bis 600 Gramm Kohlenhydrate speichern...

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Anders gesagt: Der „Energietank“ ist doppelt so groß

Flüssigkeitsdefizit und Leistungsverlust

Doch diese Grenze ist umstritten. Manche Forscher gehen erst ab drei oder gar fünf Prozent Flüssigkeitsverlust von Leistungseinbußen aus. In zahlreichen Untersuchungen hat man festgestellt, dass Schweißverluste zwischen 0,5 und zwei Litern pro Stunde als „normal“ anzusehen sind.

Potenzielle Einflussgrößen auf die Schweißmengen sind unter anderem: Intensität, Dauer, Umweltbedingungen, Kleidung, Flüssigkeitshaushalt, Hitzeakklimatisation, Trainingszustand – und die Natriumzufuhr über die Ernährung. Die eigene „sweat rate“ lässt sich recht einfach selbst bestimmen. Man wiegt sich ohne Kleidung vor dem Training ab, fährt eine normale bis intensive Runde und wiegt sich erneut – wieder ohne Kleidung. Dies ist wichtig, damit die Schweißreste in der Kleidung das Ergebnis nicht verfälschen. Zudem muss man die während des Trainings getrunkene Flüssigkeit sowie potenzielle Toilettenstopps beziehungsweise „Pinkelpausen“ gegenrechnen.

Rechnung und Energie

Werden beispielsweise 700 Milliliter getrunken, muss diese Menge am Ende hinzuaddiert werden. Die Differenz der Körpergewichtsmessungen plus die verbrauchte Flüssigkeit ergibt die gesamtverschwitzte Menge. Diese rechnet man auf eine Stunde. Zum Beispiel: Vor dem Sport wiegt Person A 70, nach dem Sport wiegt sie 68,5 Kilogramm. Getrunken hat die Person 700 Milliliter und die Einheit dauerte zwei Stunden. Die Differenz des Körpergewichts beträgt 1,5 Kilogramm. Addiert mit 700 ergibt dies 2,2 Kilogramm. Dividiert durch zwei Stunden lag die „sweat rate“ von Person A bei 1,1 Litern pro Stunde. Dies ist die vereinfachte Rechnung.

In der Realität ist ein Teil der Gewichtsabnahme auf den metabolischen Verlust zurückzuführen, ergo auf den Verbrauch von Glykogen und dem gespeicherten Wasser sowie auf den respiratorischen Verlust von Wasser in der Atemluft. Man geht davon aus, dass fünf bis 15 Prozent des Verlusts mit diesen Prozessen zu erklären sind.

Wer ganz genau sein will, kann sein Schweißverhalten und den Natriumverbrauch professionell analysieren lassen. Die gängige Messung wird am Unterarm durchgeführt – die Messungen an anderen oder zusätzlichen Stellen erhöhen die Genauigkeit nicht.

Um den Natriumhaushalt konstant zu halten, kann eine Prise Salz im Wasser schon eine Lösung sein. Auch isotonische Getränke, bei denen das Verhältnis von Wasser zu Nährstoffen demjenigen im Blut entspricht, gelten als gute Wahl. Grundsätzlich sollte bei der richtigen Verpflegungsstrategie der Natriumgehalt der Produkte eine wichtige Rolle spielen. Ein Sportgetränk sollte nicht zu süß sein und eine ausreichende Menge an Natrium enthalten: rund 500 Milligramm pro Liter. Bei besonders intensiven oder längeren Einheiten empfiehlt sich die Aufnahme von Kohlenhydraten über die Trinkflasche – etwa bis zu 60 Gramm Maltodextrin pro Liter oder eine Glukose-Fruktose-Mischung. Mit einer solchen ist eine Aufnahme von bis zu 90 Gramm Kohlenhydraten – einzelne aktuelle Studienergebnisse suggerieren gar eine maximal mögliche Aufnahme von bis zu 120 Gramm – pro Stunde möglich.

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Training, Fleiß und Schweiß

Kohlenhydrate und Ausdauer

Einen großen Hintergrundartikel zur Kohlenhydrat-Aufnahme und den Zusammenhängen mit der Leistungsfähigkeit finden Sie in der RennRad-Ausgabe 11/2020.

Eine Beispiel-Rechnung: Ein Radsportler mit einem hohen Natriumverbrauch von 1500 Milligramm pro Liter und einer „sweat rate“ bei moderaten Umgebungstemperaturen von einem Liter pro Stunde sollte über Getränke und feste Nahrung rund 1500 Milligramm Natrium zu sich nehmen. Dies entspricht über die Belastungsdauer rund 3,8 Gramm Salz. Über welche Verpflegung und in welchen Mengen das Natrium aufgenommen wird, sollte vor einem Wettkampf unbedingt im Training getestet werden.

Mehrere Studien zeigten einen Einfluss des Ausdauertrainings auf das Schwitzverhalten: Umso stärker ausdauertrainiert eine Person ist, desto schneller setzt die Schweißproduktion ein. Denn: Der Körper hat gelernt, schneller auf den Kühlbedarf zu reagieren, und beginnt somit auch früher mit der Schweißabsonderung. Zudem wurde festgestellt, dass trainierte Sportler durchschnittlich weniger Nährstoffe über den Schweiß ausschwemmen als weniger Sportliche.

Die Effekte des Ausdauer-Trainings sind enorm – im Hinblick auf den Flüssigkeitshaushalt, aber noch stärker in Bezug auf das „Energie-Management“ des Körpers. Zu den vielen positiven Trainingseffekten zählt etwa die Vergrößerung der körpereigenen „Energiespeicher“. Die Glykogenspeicher in der Leber und in den Muskeln können bei einem Trainierten doppelt so „groß“ werden wie bei einem Untrainierten. In Zahlen: Statt der „normalen“ Kapazität von 250 bis 300 Gramm kann der Körper eines Ausdauerathleten 500 bis 600 Gramm Kohlenhydrate speichern. Bei vier Kilokalorien pro Gramm bedeutet dies eine Steigerung von rund 1000 auf bis 2400 Kilokalorien. Anders gesagt: Der Tank – ergo der Energiespeicher, mit denen der Motor, die Muskeln, angetrieben wird – ist mehr als doppelt so groß.

Fett, Kohlenhydrate und Leistung

Ein weiterer Effekt des Ausdauertrainings: Es ist möglich, die intrazellulären Fettspeicher – die sogenannten Fetttröpfchen in der Muskelzelle – extrem zu vergrößern. Athleten weisen hier bis zu dreimal größere Depots auf als Untrainierte. Das klassische Trainingsmittel der Wahl, um diese Effekte zu erzielen, lautet: Grundlageneinheiten. Der sogenannte Grundlagenbereich „GA1“ liegt zwischen 50 und 74 Prozent der individuellen anaeroben Schwelle. Mit diesen langen ruhigen Ausdauereinheiten soll die Basis der Höchstleistung in der Saison gelegt werden. Ohne dieses Fundament ist es kaum möglich, bei langen Rennen und Radmarathons im Sommer Topleistungen abzurufen.

„Das Ausdauertraining“ gibt es nicht. Es ist immer ein individuelles – und es kann extrem vielseitig gestaltet werden. Die Diskussionen unter Trainingswissenschaftlern sind endlos – und noch längst nicht beendet. Zusammengefasst stehen zwei Trainingskonzepte im Mittelpunkt: HIIT versus HVT. Ergo: High-Intensity Interval Training gegen High Volume Training. Zu Deutsch: kurzes intensives Intervalltraining gegen langes ruhiges Grundlagentraining. Bei Letzterem bewegt man sich in der Regel im wenig intensiven Bereich unterhalb der sogenannten „Laktatschwelle“, bei rund 60 bis 75 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme.

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Beispiel-Einheiten lesen Sie in der RennRad 8/2022

Intervalle und Effekte

Beim HIIT hingegen absolviert man typischerweise kurze Intervalle – mit einer Dauer von 30 Sekunden bis zu acht Minuten – bei einer Intensität von 90 bis 100 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme. Die Pausengestaltung variiert je nach der Länge des Intervalls zwischen einer und fünf Minuten.

Das hochintensive HIIT-Training wirkt stärker auf die „schnellen“ weißen Typ-II-Muskelfasern. Die Effekte auf das Herz-Kreislauf-System sind – laut einiger Studien – denen des Grundlagentrainings sehr ähnlich, teilweise sogar besser. Eine grobe Richtlinie ist es, mit etwas längeren und weniger intensiven Intervallen zu beginnen, zum Beispiel mit dreimal sechs Minuten im sogenannten Entwicklungsbereich an der anaeroben Schwelle. Von dieser Basis ausgehend kann man nach und nach die Anzahl der Wiederholungen steigern – auf sechsmal sechs Minuten.

Mit der Zeit kann man dann die Intervalldauer verkürzen und stattdessen die Intensität erhöhen. Gleiches gilt für die in der Regel noch einmal deutlich kürzeren High-Intensity-Intervalle: Hier kann man etwa mit kurzen All-out-Sprints – fünfmal sechs Sekunden mit 100 Prozent Intensität und je 30 Sekunden aktiver Pause dazwischen – beginnen und sich danach auf fünfmal 15 Sekunden mit je 30 Sekunden aktiver Pause steigern.

Ausdauer-Studie

Burgomaster ließen ihre Probanden für eine Studie während sechs Wochen entweder HIIT oder im Grundlagenbereich trainieren: vier bis sechs 30-sekündige Sprints mit vierminütigen Pausen dreimal wöchentlich gegenüber 40 bis 60 Minuten mit 65 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme fünfmal wöchentlich. Das Ergebnis: Das Level an oxidativen Enzymen, die mit einer verbesserten Energiegewinnung einhergehen, nahm bei beiden Trainingsgruppen in gleichem Maß zu.

Perry und Kollegen wiesen bereits 2008 nach einem sechswöchigen HIIT-Programm nach, dass auch der Fettstoffwechsel durch das kurze hochintensive Training positiv beeinflusst werden kann. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam die Forschergruppe um Skovgaard 2016: Die Wissenschaftler stellten in ihrer Studie fest, dass der Fettsäureumsatz während einer dreistündigen Grundlageneinheit durch das Fahren kurzer All-out-Sprints – sechsmal 30 Sekunden mit je dreiminütigen Pausen – signifikant gesteigert wurde. Die Gründe dafür liegen wohl in der Hemmung des Schlüsselenzyms durch die harte vorangegangene Belastung und die Steigerungen des PGC-1alpha- und des PDK4-mRNA-Levels.

Low-Intensity-Training

Die oft verwendete Abkürzung LIT steht für Low-Intensity-Training und kann mehr oder minder synonym zu dem alteingesessenen Grundlagenausdauertraining GA1 verwendet werden. Ein weiterer Begriff, der in die Trainingslehre Einzug gehalten hat, ist jener der ominösen FATMAX-Zone. Viele schreiben ihm dieselbe Bedeutung zu wie dem Grundlagenbereich.

Eine Kombination aus ruhigen und intensiven Einheiten kann für viele ideal sein, um sich etwa auf Radmarathons vorzubereiten – und an ihrer Fähigkeit des Bergauffahrens zu arbeiten: So werden durch lange, lockere Trainingseinheiten Anpassungen im Ausdauerbereich unter der aeroben Schwelle erzielt. Der Fettstoffwechsel wird verbessert, und die Effizienz bei niedrigen Intensitäten gesteigert. Gleichzeitig wächst die Leistung, ab der die Energie hauptsächlich durch den anaeroben Stoffwechsel bereitgestellt wird.

Ein besonderer Fokus kann zudem auf den sogenannten Sweet Spot – zu Deutsch in etwa „Ideal-Punkt“ – gelegt werden. Die „Sweet Spot“-Intensität, SST, befindet sich bei 85 bis 95 Prozent der Schwellenleistung oder 75 bis 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz. Fährt man etwas unterhalb seiner IANS, können solche Belastungen nahe des Sweet Spots sogar bis zu 60 Minuten dauern. Gerade für Sportler mit begrenzter Zeit ist dies ein guter Kompromiss – denn das Training ist sehr effektiv.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 8/2022Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.