Monat: Februar 2021

Mallorca und Corona

Jan Eric Schwarzer auf Mallorca

„Mit dem Rad über die Insel fahren – das ist aktuell wie im Paradies“, sagt Jan Eric Schwarzer. 16 bis 18 Grad, viel Sonne, die Luft riecht nach Frühling, die Mandelbäume blühen, die Tage werden länger, die Temperaturen steigen. „Die Straßen sind leer. Auf der ganzen Insel sind circa neun Hotels geöffnet. Radfahren ist erlaubt – Gruppen dürfen bis zu sechs Fahrer umfassen. Als Radfahrer hat man gerade Traumstraßen wie jene zum Cap Formentor fast für sich.“ In diesem Jahr, in dieser Zeit der Corona-Pandemie und der Lockdowns ist alles anders. Mallorca und Corona: Wie ist die Situation auf der Radsport-Insel Mallorca? Und wie sind die Aussichten? Einblicke.

RennRad: Jan Eric, Du lebst seit zehn Jahren auf Mallorca und betreibst ein Hotel und Café. Wie ist die Situation auf der Insel – und für die Menschen in der Tourismus-Industrie?

Jan Eric Schwarzer: Die Insel ist in einer Art Zeitlupenmodus. Touristen sind keine hier. Nur ein paar Teams und einzelne Radprofis. Ich habe einen Gast, der sein Home Office von Dortmund nach Mallorca verlegt hat. Der hält mich etwas über Wasser. Ich muss sehen, wie ich die Zeit überbrücke. Auch ich musste meinen Mitarbeiter entlassen. Es gibt zwar finanzielle Hilfen, aber die hängen an hohen Auflagen. Sie sind unter anderem daran gekoppelt, dass man Angestellte hat.

Jan Eric Schwarzer auf Mallorca

Derzeit sind die Straßen auf den Top-Touren, etwa im Tramuntana-Gebirge, kaum befahren.

Mallorca und Corona: die Gesetze

Wie sind aktuell die gesetzlichen Regeln?

Aktuell gibt es eine Ausgangssperre zwischen 22 und sechs Uhr. Der harte Lockdown war im vergangenen Frühjahr. Der R-Wert liegt bei 0,8. Die Zahlen sind rasant abnehmend. Aber für das Frühjahr, also für die Radsport-Saison, mache ich mir keine Hoffnungen. Ich hoffe darauf, dass ab Ende März wieder ein normales Urlauben und Leben möglich sein wird. Was für die Tourismus-Branche eine Rettung in letzter Sekunde wäre. Aber vielleicht wird es auch Herbst bis dahin. Das Radfahren ist aktuell erlaubt, aber nur in Gruppen bis zu maximal sechs Fahrern.

Mallorca als Destination für Rennrad-Trainingslager

Was meinst Du konkret mit „einer Rettung in letzter Sekunde“?

Es gibt jetzt schon viele Hotels und Restaurants, die zum Verkauf stehen – vor allem solche aus Familienbesitz. In Palma sind etliche Läden und Boutiquen zu. Die werden in vielen Fällen von großen Immobilienunternehmen geschluckt. Die Schlangen vor den Essensausgaben werden immer länger. Die Armut wird sichtbarer.

Jan eric Schwarzer auf Mallorca

Auch die Tankstelle am Coll de Sa Bataia, einer der beliebtesten Pausenorte der Insel, ist kaum besucht.

Wie wird es aus deiner Sicht in den nächsten Monaten weitergehen?

Die Zahlen auf der Insel sind fallend. Das bedeutet aber nicht, dass es nun bald wieder los gehen kann. Mallorca gehört zu Spanien und da wird zentral regiert und entschieden. Meine Prognose ist, dass wir im Mai oder Juni eventuell wieder etwas mehr Normalität zurückgewinnen werden. 2022 sollte dann eine Frühjahrssaison, wie wir sie kennen, wieder möglich sein. Aktuell ist es ja selbst ein Problem, auf die Insel zu kommen. Es gibt nur noch sehr wenige Flugverbindungen.

Reiseziel für das Rennrad-Trainingslager: Traumziele für Rennradfahrer

Leere Traumstrecken: Mallorca und Corona

Siehst Du auch Positives?

Natürlich. Ich bin schon viele Radrennen in meinem Leben gefahren, und aufgeben war noch nie mein Ding. Man muss immer weiter machen. Und das Radfahren ist zurzeit auf der Insel so schön wie nie. Man hat die Straßen fast für sich. Meine Lieblingstouren ändern sich immer – sie sind wetterabhängig: Im Winter fahre ich meist im Flachen, im Frühling durch die Berge und im Sommer verbinde ich die meisten Touren mit einem Sprung ins Meer.

Jan Eric Schwarzer auf Mallorca

An den Strände und Promenaden trifft man ebenso kaum Touristen.

Jan Eric Schwarzer, Jahrgang 1980, ist der Gründer von Ma-13.net und Sa Mola 13 in Sineu – eines kleinen Hotels und eines Cafés. Beide sind Treffpunkte für Radsportler. Er selbst fuhr viele Jahre lang Radrennen und war unter anderem 2007 Deutscher Stehermeister. Seit 2011 lebt er dauerhaft auf Mallorca.

Tourentipp: Mallorca: Inselrunde & Tramuntana

187 Kilometer – 2390 Höhenmeter

Les Meravelles – Bunyola – Coll de Sóller – Sóller – Fornalutx – Puig Major – Kloster Lluc – Coll de Femenia – Pollenca – Port d’Alcúdia – Playa de Muro – Petra – Algaida – Les Meravelles

Eine extrem lange und fordernde Tour – und eine extrem schöne. Mit dem Coll de Sóller und dem Puig Major, dem höchsten Pass der Insel, überquert man im Tramuntana-Gebirge die höchsten Landschaften der Insel, an der Süd- wie an der Nordküste.

Zum GPS-Daten-Download: www.bit.ly/inselrunde-puig-major

Die Reportage zu einer großen Insel-Tour auf Mallorca sowie mehr GPS-Daten und Top-Tourentipps finden Sie im RennRad-Magazin 4/2021.

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Abnehmen für Athleten: Tipps für Ernährung und Training

Abnehmen, Ernährung, Training

Ein 80 Kilogramm schwerer Athlet muss an einem Anstieg von zehn Kilometern Länge und sieben Prozent Steigung etwa 20 bis 30 Watt mehr leisten, um dieselbe Geschwindigkeit zu fahren wie ein 70 Kilogramm schwerer Fahrer. Die Formel, um die es im Rennrad-Sport geht, lautet: Watt pro Kilogramm. Ergo: Es geht nicht um die absolute Leistung – um maximal hohe Wattzahlen – sondern um die dauerhaft erbrachte Leistung in Relation zum Systemgewicht aus dem eigenen und dem des Rades beziehungsweise des Materials.

Die Leistung ist der eine Aspekt, die eine Motivation, sich dazu zu entschließen, am eigenen Gewicht „arbeiten“ zu wollen – die Gesundheit ist ein anderer. Zwei Drittel der Männer und 53 Prozent der Frauen in Deutschland sind übergewichtig oder gar adipös. Auch deshalb zählen „Diät-Ratgeber-Bücher“ seit Jahren zu den Bestsellern. Beinahe wöchentlich kommen neue „Lösungen“ auf, wie man „schnell und einfach“ abnehmen kann. Angeblich. Vieles davon ist unseriöser unwissenschaftlicher Humbug. Die Grundfragen lauten: Welche Rolle spielt die Ernährung – welche das Training? Was sollten abnehmwillige Athleten beachten? Welche Trainingsinhalte sind am effizientesten?

Zu letzterer Frage veröffentlichten brasilianische Forscher im British Journal of Sports Medicine 2019 eine Meta-Analyse, die einen pragmatischen Überblick über das Themenfeld bietet. Sie liefert Erkenntnisse zu den Gewichtsverlust-Effekten nach verschiedenen Trainingsprogrammen. Die Ergebnisse: Es kam sowohl nach intensiven Intervall- als auch nach Grundlagen-Trainings-Programmen zu signifikanten Reduzierungen des Gesamtkörperfettanteils. Nach ersteren zu einer Abnahme von durchschnittlich 1,5, nach zweiteren zu einer von im Mittel 1,44 Prozent. Dieser geringe Effektunterschied zwischen den beiden Methoden war statistisch nicht signifikant.

Tipps, Ernährung, Abnehmen

Tipps für die richtige Ernährung zum effizienzen Abnehmen für Radsportler

Training für effizientes Abnehmen: Intervalle vs. Grundlage

Ein solcher wurde jedoch bei der Reduktion der absoluten Gesamtfettmasse gefunden – mit Effizienzvorteilen für das intensive Intervall-Training. Subgruppenanalysen zeigten zudem, dass gerade das Sprint-Intervalltraining zu den höchsten Verlusten der absoluten Gesamtfettmasse führte – um durchschnittlich 3,22 Kilogramm. Das Fazit der Forscher: Beide Trainingsformen, das moderat-intensive wie das „harte“ Intervalltraining, können den Körperfettanteil reduzieren. Doch das Intervalltraining bewirkte eine um 28,5 Prozent höhere Reduktion der absoluten Gesamtfettmasse als das „lockere“ Grundlagentraining.

Zudem haben hochintensive Intervalle – selbst wenn sie nur je zehn bis 30 Sekunden kurz sind – noch weitere positive Effekte: Studien haben gezeigt, dass sie zum einen die Produktion von Hormonen ankurbeln können, die das Hungergefühl regulieren. Zum anderen regen sie die Ausschüttung von Wachstumshormonen an. Diese tragen zur Regeneration und zum Aufbau von Muskeln bei. Was wiederum ein Ziel für Athleten sein sollte, die abnehmen wollen. Denn mehr Muskeln bedeuten einen höheren Grundumsatz, ergo einen erhöhten Energieverbrauch.

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Studien

Die Zeit, in der das das Fahren im Grundlagen-Bereich, bei 50 bis 75 Prozent der anaeroben Schwelle, als die effizienteste Fettverbrennungsmethode galt, scheinen vorbei. Zwar ist der relative Anteil von Fett an der Energiegewinnung bei extensiven Belastungen am höchsten. Doch die absoluten Werte sind bei intensiveren Belastungen höher.

Dies zeigte unter anderem eine Studie an 18 Hobbyradsportlern. Ergebnis: Zwischen 55 und 72 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme war der absolute „Fettverbrauch“ am höchsten. Das Maximum lag bei rund 64 Prozent der maximalen Sauerstoff-Aufnahme beziehungsweise 74 Prozent der maximalen Herzfrequenz.

Auch in einer Studie der Laval Universität zeigte sich ein intensiveres dem ruhigen „Fettstoffwechseltraining“ überlegen: Die Intervall-Trainierenden hatten innerhalb von 15 Wochen mehr Fett abgebaut. Den Effekt führten die Forscher auf eine erhöhte Enzymaktivität zurück.

Ernährung und Training

Aus anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen – etwa aus großen Meta-Analysen – lassen sich zwei weitere generelle Empfehlungen ableiten: Die Ernährung ist demnach durchschnittlich zu rund 75 Prozent für Abnehmerfolge verantwortlich – die Qualität und Quantität des Trainings „nur“ zu 25 Prozent. Und: Je langsamer man abnimmt, desto nachhaltiger ist es. Das heißt, man sollte jeden Tag nur ein sehr geringes Kalorien-Defizit aufweisen. Dies gilt im Besonderen für Athleten. Denn diese sollten bei der Arbeit am eigenen Gewicht anders vorgehen als „normale“ Menschen – beziehungsweise: Sie müssen mehrere andere Faktoren beachten. Denn: Sie unterliegen Risiken. Etwa jenen, an Leistungsfähigkeit und an Muskelmasse zu verlieren.

Dies zeigte etwa eine Studie von Pasiakos et al. Für diese setzten die Forscher ihre Probanden, körperlich aktive Militärangehörige, 30 Tage lang auf Diät. Ihre Kalorienzufuhr wurde um 40 Prozent reduziert. Die Effekte: Die Probanden nahmen um durchschnittlich 3,3 Kilogramm ab – doch 1,9 Kilogramm davon, 58 Prozent, war Muskelgewebe. Ein ungewollter Effekt, den gerade Athleten um jeden Preis vermeiden sollten. Der jedoch gerade Sportler besonders betrifft.

Protein-Zufuhr

Dies zeigte unter anderem eine Untersuchung von Redman et al. Für diese wurde die Kalorienmengen der Probanden – Menschen, die keinen Sport treiben – für drei Monate um 25 Prozent reduziert. Ergebnis: Die Probanden verloren im Durchschnitt sechs Kilogramm – zwei davon, 33 Prozent, betrafen das Muskelgewebe.

Ein mögliches „Gegenmittel“, um solche Muskel-Verluste zu reduzieren, heißt: Protein-Zufuhr. Dies suggerieren mehrere Studienergebnisse. Etwa jenes von Mettler et al. Die Forscher teilten ihre Probanden, gut trainierte männliche Athleten, in zwei Gruppen auf. Die Angehörigen der einen nahmen im Untersuchungszeitraum von einer Woche, während dem die Kalorienmenge für alle Probanden um 40 Prozent reduziert wurde, ein Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht und Tag zu sich. Die andere Gruppe 2,3 Gramm pro Kilogramm und Tag. Ergebnis: Die Athleten der ersten, der Low-Protein-Gruppe, bauten durchschnittlich 1,6 Kilogramm Muskelmasse während dieser Woche ab – jene der High-Protein-Gruppe nur 0,3 Kilogramm.

Kohlenhydrate und Proteine

Auch die Qualität und Quantität eines weiteren Nährstoffs ist relevant: Kohlenhydrate. In einer Studie an Ringern konnten die Sportlergruppen, die 41 oder sogar 55 Prozent der Gesamtenergiemenge aus Kohlenhydraten aufnahmen, ihre Leistungen nicht halten. Das gelang nur der Gruppe, deren Nahrung einen Kohlenhydratanteil von 66 Prozent hatte. Daraus leiten die Forscher ab, dass auch Athleten, die abnehmen wollen, täglich mindestens fünf Gramm Kohlenhydrate pro Kilogramm Körpergewicht aufnehmen sollten.

Die Bedeutung der Kohlenhydrate scheint vielen Athleten zu wenig bewusst zu sein – gerade aktuell, in den Zeiten des „Low-Carb-Trends“. In Zeiten, in denen das sogenannte „ketonische Training“ – das lockere Training auf nüchternen Magen – von etlichen Profis und Amateur-Sportlern praktiziert wird. Vor dem Frühstück ist der Insulinspiegel noch niedrig. Einige Studien – auch mit Radfahrern, wie etwa jene der Universität Birmingham – deuten darauf hin, dass die Muskeln dann mehr Fettsäuren verbrennen. Jedoch birgt diese Methode auch Risiken. Wie wir in bereits mehreren RennRad-Artikeln, etwa jenem in der Ausgabe 11-12/2020, dargelegt haben.

Wie wichtig ist die Geschwindigkeit beim Abnehmen?

Auch die Geschwindigkeit der Gewichtsabnahme spielt eine wichtige Rolle. Dies zeigte unter anderem eine Studie von Garthe et al., in der gezeigt wurde, dass ein „langsamerer“ Gewichtsverlust bei Athleten – von 0,7 Prozent des Körpergewichts pro Woche – signifikant dazu beitrug, die Muskelmasse zu erhalten. Im Gegensatz zu einer „schnelleren“ Variante, bei der die Sportler durchschnittlich 1,4 Prozent ihres Körpergewichts pro Woche abnahmen.

Dieses „langsame“ Vorgehen kann zudem dazu beitragen, einen weiteren ungewünschten Prozess zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren: den Jojo-Effekt. Dieser ist eine natürliche Reaktion des Körpers auf ein hartes Ernährungsregime. Ergo: auf eine extreme Kalorienreduktion – und damit auf jede Form der Radikal-Diät. In einer großen Meta-Analyse, die im Journal „American Psychology“ erschien, wurde konstatiert: Mehr als ein Drittel aller Teilnehmer, die eine Diät hinter sich hatten, wogen kurz danach deutlich mehr als davor. Der Anteil derer, die ihr während der Diät erreichtes Gewicht halten konnten, lag bei nur zehn Prozent.

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Wie wichtig ist der Zeitpunkt der Kalorienaufnahme beim Abnehmen?

Zeitpunkt der Kalorienaufnahme

Ein weiterer Ansatz zur langfristigen und nachhaltigen Gewichtsabnahme betrifft den Zeitpunkt der Kalorienaufnahme. So zeigten etwa Erdman et al. mit ihrer Untersuchung, dass 98 Prozent der befragten kanadischen Elite-Level-Athleten täglich frühstückten. Im Gegensatz dazu traf dies nur auf 23 Prozent der Amateur-Hochschul-Sportlerinnen zu, die Shriver et al. befragten.

Die Mehrheit dieser Athletinnen gab an, die Mehrzahl der Tageskalorien abends zu sich zu nehmen – und ihre eigene Ernährung als nur „ausreichend“ oder gar „schlecht“ zu bewerten. Zudem gab rund ein Drittel von ihnen an, abnehmen zu wollen. Eigentlich gibt es zum Thema „Abnehmen“ nur einen Satz zu schreiben: Wer mehr Energie verbraucht, als er zu sich nimmt, nimmt ab. Punkt. Nur die Wege zu diesem Ziel sind extrem unterschiedlich.

Dieser Artikel erschien in RennRad-Ausgabe 3/2021. Hier gibt es eine Übersicht über die Inhalte.


Fettstoffwechsel & Nüchtern-Training: Anleitung

Tag 1

Das Ziel ist es, die Kohlenhydratspeicher zu leeren – indem man während einer rund 1,5 Stunden langen Einheit 4 x 10 Minuten an der Schwelle oder 5 x 6 Minuten bei 110-120 Prozent der Schwelle beziehungsweise der FTP fährt. Die Pausenzeiten: jeweils halb bis maximal so lange wie die Intervallzeit bei 60 bis 65 Prozent der Schwelle. Die Ernährung danach: Low Carb, ergo fett- und proteinlastig. Wichtig: In eine solche Trainingseinheit sollte man nicht nach einem Low-Carb-Tag beziehungsweise mit angegriffenen Glykogenspeichern starten.

Tag 2

Nüchtern-Training. Eine ruhige Einheit bei 55 bis 68 Prozent der Schwelle. Fährt man länger als eine Stunde, beginnt man nach der ersten Stunde damit, ein dünn angerührtes Iso-Getränk – rund 30 Gramm pro Stunde – oder Nüsse zu sich zu nehmen. Diese Einheit sollte ein Low-Carb-, kein Low-Calorie-Training sein.

Tag 3

Je nachdem wie gut der eigene Fettstoffwechsel bereits trainiert ist, lässt sich das Training des zweiten Tages noch einmal wiederholen, bevor ein Ruhetag oder zumindest ein „normales“ Training folgt. War Tag zwei fordernd, so sollte am Folgetag eine moderat intensive Einheit mit einer ausreichenden oder maximal leicht reduzierten Kohlenhydrat-Zufuhr absolviert werden, um den Stress auf den Organismus zu minimieren. Achtung: Es dauert in der Regel mehrere Wochen bis Monate, bis sich der Fettstoffwechsel an ein solches Trainingsregime adaptiert.

Trittfrequenz: Tipps für effizientes Training im Winter

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Ich fahre im Winter mit einer starren Nabe“, war einst eine unter Lizenz-Rennfahrern gängige Aussage. Ihre Bedeutung: Man „vereinfacht“ sein Winter-Trainings-Rennrad – keine Schaltung, kein Freilauf, nur ein Ritzel. Somit muss man, wie bei einem Bahn-Rad, auch auf der Straße immer mittreten, kann nie „rollen lassen“, auch in den steilsten Abfahrten nicht und muss eine extreme Varianz seiner Trittfrequenzen leisten. Diese Trainingsform ist inzwischen etwas aus der Mode geraten, doch ihre Hintergründe sind noch immer aktuell – und hier vor allem die Fragen: Wie wichtig ist die Trittfrequenz? Welche ist die „Richtige“ beziehungsweise „Optimale“? Welche Leistungspotenziale sind durch Frequenz-änderungen abrufbar? Und wie trainiert man das Ganze?

Das wohl bereits klassische Gegenpol-Beispiel in Sachen Trittfrequenz lautet: Jan Ullrich vs. Lance Armstrong. Der eine fuhr kraftvoll, mit 75 bis 80 Kurbelumdrehungen pro Minute – der andere war ein Vertreter eines anderen Extrems: sehr hohe Frequenzen zwischen 100 und 110, selbst berghoch. Beide waren extrem schnell – wenn es dafür auch nicht nur physiologische, sondern auch pharmakologische Gründe gab, wie man heute weiß.

Mehr Watt

Welcher Fahrertyp „tritt“ wie? Es braucht nur einfache Schul-Physik, um zu verdeutlichen: Fahrer, die mit weniger Umdrehungen pro Minute unterwegs sind, leisten dabei „mehr“. Mehr Watt – als solche, die höhere Frequenzen treten. Eine Konsequenz solch niedriger Frequenzen ist: Die „kräftigeren“ Typ-2-Muskelfasern müssen verstärkt „arbeiten“. Fast immer geht eine solche kraftorientierte Fahrweise deshalb mit einem eher athletischen Körperbau einher – oder einfacher gesagt: Solche Fahrer haben in der Regel mehr Muskelmasse, da die „stärker eingesetzten“ Typ-2-Fasern auch besser hypertrophieren beziehungsweise „wachsen“.

Einfach nachvollziehbar ist dieses Prinzip, indem man den direkten Vergleich ausprobiert: Zum Beispiel indem man in einem vorermüdeten Zustand am Ende einer Ausfahrt einen steilen Anstieg zweimal nacheinander hinauffährt – einmal mit der Trittfrequenz zwischen 40 und 50 Umdrehungen pro Minute und einmal mit einer zwischen 80 und 100. Der Unterschied ist – in der Muskulatur – mehr als deutlich spürbar.

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Ist eine niedrige Trittfrequenz ein Nachteil?

Ist eine niedrige Trittfrequenz somit ein Nachteil? Ja und Nein. Für die meisten ambitionierten Radsportler ergibt es Sinn, sich eine eher höhere Frequenz anzueignen, da die Anspannungs-Entspannungsphasen der Muskulatur dabei deutlich kürzer sind – und sie somit besser durchblutet werden kann.

Niedrige Frequenzen bedeuten umgekehrt längere Kontraktionsphasen und somit eine geringere Blutzirkulation. Zudem ermüden Typ-2- schneller beziehungsweise früher als Typ-1-Muskelfasern. Somit wäre auch hier eine niedrige Trittfrequenz – mit einer hohen Muskelkraftleistung pro Pedaltritt – eher kontraproduktiv. Auf der anderen Seite hat auch eine hohe Frequenz „Nachteile“: Aufgrund des höheren internen Energieverbrauchs benötigt der Organismus deutlich mehr Sauerstoff und somit Energie. Dies belegen unter anderem die Studien von Kautz und Neptune 2002 sowie von Ettema und Lorås 2009.

Die effizienteste Trittfrequenz

Man könnte den Eindruck gewinnen, dass bei niedrigen Frequenzen „unnötig“ viele Typ-2-Fasern aktiviert werden – und somit Energie verschwendet wird. Doch dies trifft nur bedingt zu. Denn: Es kommt letztlich auf die Leistung an, die im Wettkampf erbracht werden muss. Wenn es leistungsentscheidend ist, lange unter einer entsprechend hohen Schwelle fahren zu können, eignen sich niedrige Trittfrequenzen eher. Denn: Trainiert man diese Frequenzen lange genug, erhöht sich die Resilienz beziehungsweise die Ermüdungswiderstandsfähigkeit.

Die Frage nach der optimalen Frequenz geht weit über die reine Physik hinaus. Würde man nach der mechanischen Effizienz gehen, wär die Antwort eine einfache: Physikalisch gesehen befindet sich der Bereich der höchsten Effizienz zwischen 50 und 80 Kurbelumdrehungen pro Minute.

Brennan et al. stellten in ihrer Studie aus 2019 fest, dass bei einer konstanten Leistung von 2,5 Watt pro Kilogramm Körpergewicht und einer Trittfrequenz von 60 – verglichen mit Frequenzen von 40 bis 100 – der metabolische Aufwand am geringsten ist. Relativ gesehen fällt der Sauerstoffverbrauch hier am geringsten aus.

Zum selben Schluss kamen Graham et al. 2018 bei Untersuchungen mit Radsportlerinnen: In ihrer Untersuchung resultierten höhere Umdrehungszahlen in Zeitfahren in höheren Energieverbräuchen – verglichen mit niedrigen Trittfrequenzen. Bei Rennrad-Einsteigern beziehungsweise wenig trainierten Fahrern, die hohe Kadenzen fahren, wird zudem vermutet, dass durch die höhere Gehirnaktivität mehr Kohlenhydrate verbraucht werden – und somit ein weiterer energetischer Nachteil entsteht.

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„Bei niedrigen Trittfrequenzen werden verstärkt Typ-2-Muskelfasern eingesetzt – diese hypertrophieren eher und ermüden deutlich schneller.“

Langstrecken-Fahrer

Bei Radprofis und gut trainierten Amateuren relativiert sich dieser vermeintliche Nachteil der energetischen Effizienz. Nämlich dann, wenn man die Ökonomisierung miteinbezieht – die jahre- und jahrzehntelange motorische Gewöhnung an diese hohen Frequenzen und die hohen getretenen Leistungen.

So suggerieren mehrere Studien, etwa von Lucia und Ferrer sowie Foss und Hallen, 2004: Je höher die erbrachte Dauerleistung, desto effektiver ist eine eher hohe Trittfrequenz. Diese hohen Frequenzen zu leisten, ist jedoch nur unter einer Voraussetzung dauerhaft möglich. Diese Voraussetzung lautet: eine hohe maximale Sauerstoffaufnahme, VO2max. Diese definiert, wie viele Milliliter Sauerstoff pro Minute und Kilogramm Körpergewicht aufgenommen werden können.

Bedeutet eine hohe Trittfrequenz einen VO2max-Wert?

Weltklasse-Radprofis wie Chris Froome, Egan Bernal oder Primož Roglič erreichen hier Extrem-Werte – das ist ein Grund dafür, dass sie solch hohe Frequenzen fahren, selbst bergauf. Aus demselben Grund können, und müssen, Langstreckenfahrer und Langdistanz-Triathleten, die mit niedrigen Trittfrequenzen fahren, in der Regel nicht solche absolut hohen VO2max-Werte aufweisen, um Weltklasse-Leistungen zu erzielen.

Trainingstipps zur Maximierung der eigenen VO2max finden Sie hier. In der Regel gilt: Fahrer, die stets niedrige Frequenzen fahren, entwickeln keine derart hohen VO2max-Werte wie Fahrer, die hohe Trittfrequenzen leisten. Dies stellten unter anderem Kristoffersen et al. in ihrer Studie aus 2014 fest. Ein Fazit: Die individuell optimale Trittfrequenz ist leistungsabhängig.

Kadenz-Training

Fährt man vornehmlich lange Strecken in Leistungsbereichen von unter 200 Watt – beziehungsweise deutlich unterhalb seiner Schwelle – so kann man sich die energetischen Effizienz-Vorteile niedriger Frequenzen von 65 bis 85 Umdrehungen pro Minute zu Nutze machen. Für Langstreckenfahrer und Langdistanz-Triathleten ergibt dies Sinn.

Dies belegt unter anderem eine große Meta-Analyse von Hansen und Ronnestad aus 2017. Sie stellten darin fest: Für Einzel-Langdistanz-Fahrer ist eine niedrige Kadenz vorteilhaft – auch weil sie sich so eine niedrigere VLamax antrainieren können. Eine Zahl, die über die Laktatbildungsrate Aufschluss gibt. Mehr zur VLamax finden Sie hier.

Ein weiteres Argument für niedrige Trittfrequenzen liefern Aasvold, Etterna & Skovereng in ihrer Studie aus 2019: Sie fanden heraus, dass sich mit einer zunehmenden Kurbel-Umdrehungszahl die Belastung von einer hüftgelenkdominanten zu einer kniedominanten verlagert. Was für Ultra-Ausdauer-Athleten, die sehr lange im Sattel sitzen oder nach dem Rad-Split noch einen Marathon bewältigen müssen, ein klarer Nachteil ist. Wobei hier noch zu erwähnen ist, dass Elite-Fahrer verglichen mit Hobbyfahrern bei höheren Frequenzen eine größere Hüftgelenk-Leistung aufweisen – was wiederum für Ökonomisierungs-Effekte durch das jahrelange Training spricht.

Die ideale Trittfrequenz erhöht sich demnach mit der zu erbringenden Leistung. Ist man ein ambitionierter Rennfahrer, empfehlen sich somit tendenziell höhere Kadenzen von 90 oder mehr Umdrehungen pro Minute. Ist man Einsteiger oder Langstrecken-Athlet können dagegen niedrigere Frequenzen, etwa zwischen 70 und 85 Umdrehungen, von Vorteil sein.

Training, Trittfrequenz, Trainingstipps

Die ideale Trittfrequenz erhöht sich mit der zu erbringenden Leistung

Die Wohlfühl-Kadenz

In vielen Fällen macht man als Rennradsportler bereits „automatisch“ Vieles richtig – beziehungsweise anders ausgedrückt: Man bewegt sich, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit, bereits unbewusst in einem individuell „richtigen“ Trittfrequenz-Bereich.

So zeigten etwa mehrere Untersuchungen, dass ein großer Teil der Radsportler mit der eigenen „Freely Chosen Cadence“ – der eigenen Wohlfühl-Trittfrequenz – meist relativ nah am eigenen Optimum liegt. Für alle Radsportler, unabhängig von der Trainingserfahrung und dem Leistungsniveau gilt: Im Trainingsprozess regelmäßig einen möglichst breiten Trittfrequenz-Bereich abzudecken, hat viele Vorteile. Dadurch kommt es etwa zur Bildung neuer Synapsen im Gehirn, einer verstärkten Aktivierung von Motoneuronen und einer Vergrößerung der nutzbaren Kadenz-Bandbreite.

Ergo gilt: Abwechslung hilft – bei der Streckenwahl, dem Tempo, und der Trittfrequenz.

Dieser Artikel erschien in RennRad-Ausgabe 1-2/2021. Hier gibt es eine Übersicht zu allen Inhalten.

Training, Trittfrequenz, Trainingstipps

Ausführliche Trainingspläne zu Trittfrequenz und Leistung gibt es in RennRad-Ausgabe 1-2/2021


Kraft x Weg

Der physikalische Unterschied zwischen hohen und niedrigen Trittfrequenzen – beziehungsweise Kurbelumdrehungszahlen:

  • Arbeit W = Kraft F x Weg s 
  • Leistung P = Arbeit W / Zeit t 
  • P = F x s/t 

Die Zeit wird pro Minute angegeben. Vereinfacht gesprochen ist F dabei die Kraft der Muskulatur des Fahrers – und der Weg s ist die Strecke, die das Pedal zurücklegt. Also bedeuten hohe Frequenzen physikalisch gesehen schlicht (s/t): mehr Weg pro Zeit.

Beispiel: Eine vereinfachte Darstellung einer 200-Watt-Leistung

  1. A) 200 Watt = F x 70 Umdrehungen / Minute
  2. B) 200 Watt = F x 100 Umdrehungen / Minute

Fazit: Es wird ersichtlich, dass die notwendige Kraft F pro Pedalumdrehung bei 70 Umdrehungen deutlich höher sein muss, um 200 Watt zu leisten, als bei 100 Umdrehungen – denn beides wird jeweils auf den Faktor Zeit, hier eine Minute, gerechnet.


Trainingseinheiten

  • Sweet Spot: Dieser liegt zwischen 83 und 97 Prozent der Functional Threshold Power. Ein Beispiel: 3 × 10-Minuten-Intervalle bei 90 bis 95 Prozent der FTP. Pausenlänge: je 5 Minuten im KB. Danach die Intervalle steigern auf 15, dann 20 Minuten.
  • VO2-Max-Intervalle: 3 – 6 x 5 Minuten mit 110 bis 120 Prozent der FTP. Pausenlänge: je 5 Minuten im KB (Kompensationsbereich)
  • 30/15-Tabata-Intervalle: 30 Sekunden All-Out im Wechsel mit, je nach dem Leistungsstand, 30, 25, 20 oder 15 Sekunden Erholung – 13 Wiederholungen.
  • HIIT-Intervalle: 4 – 7 x 15 Sekunden All-Out-Sprints. Pausenlänge: Je nach dem eigenen Leistungsstand zwischen 2 und 5 Minuten im KB.

WorldTour-Saison 2021: Transfers, Teams, Taktik, Prognose

WorldTour, Wechsel, Machtwechsel

„Geld schießt Tore“ – lautet ein Sprichwort aus dem Fußball. Gilt dieses Prinzip auch für den Radsport? Für die WorldTour? Kann Geld, in Form eines hohen Budgets, den schnellen sportlichen Erfolg kaufen? Siege bei den großen Rennen? Beziehungsweise bei dem größten Rennen überhaupt – der Tour de France?

Der Mann, der ein solches Experiment aktuell leitet, heißt: Sylvan Adams. Er ist, neben Ron Baron, der Investor hinter dem 2020 in die WorldTour aufgestiegenen Team Israel Start-Up Nation. Adams, 62, ist ein kanadischstämmiger Israeli. Er lebt erst seit 2015 in Israel, in einem Penthouse am Strand von Tel Aviv, spricht noch wenig Hebräisch – und nennt sich dennoch bereits den „selbsternannten Botschafter meines Landes“. Er trug viel dazu bei, den Start des Giro d‘Italia nach Israel zu holen. 2018 wurden die ersten drei Etappen der Italien-Rundfahrt in dem kleinen Land ausgetragen.

Seit 2015 investiert Adams in das israelische Profi-Radteam. Sein Ziel damals: „Wir wollen den ersten Israeli zur Tour de France bringen.“ Dieses Ziel hat er 2020 bereits erreicht: Guy Niv beendete als erster Fahrer aus Israel die Tour als Gesamt-139. 2021 lautet das Ziel bei der Grande Boucle nicht mehr „dabei sein“, sondern: gewinnen.

Chris Froome: Der spektakulärste Transfer der Wechselperiode

Bereits im Juli vermeldete das Team Israel Start-Up Nation den spektakulärsten Transfer der ganzen Wechselperiode. Den des Chris Froome. Der Brite war in den vergangenen sieben Jahren der Kapitän und die Symbolfigur des Teams Sky – und der Fahrer, den es bei den Grand Tours zu schlagen galt.

Froome ist einer von nur sieben Fahrern der Radsport-Geschichte, die alle drei großen Landesrundfahrten gewannen: 2018 siegte er beim Giro, 2011 und 2017 bei der Vuelta, 2013, 2015, 2016 und 2017 bei der Tour. 2021 will er dort seinen fünften Sieg. Ob dieses Ziel realistisch ist, ist schwierig abzusehen. Am 20. Mai wird Froome 36 Jahre alt. In den vergangenen 20 Jahren gewann nur ein Fahrer über 33 Jahre die Tour de France: Cadel Evans im Jahr 2011. Im Juni 2019 stürzte Froome extrem schwer – und brach sich dabei den Oberschenkel, das Brustbein, den Ellenbogen und mehrere Rippen. Seitdem hat er kein einziges Top-Ten-Resultat vorzuweisen. Seine beste Platzierung in der Saison 2020: ein 30. Etappenrang während der Tour de l‘Ain. Für die Tour wurde er nicht nominiert. Die Vuelta fuhr er als Helfer. Man sollte ihn nicht abschreiben – doch die Chancen auf einen fünften Tour-Sieg scheinen eher gering zu sein. Trotz der massiven „Aufrüstung“ seines neuen Teams.

Chris Froome, WorldTour, Team Sky

Chris Froome hat mit dem Team Sky, heute Ineos, jahrelang die WorldTour dominiert

Potenzielle Siegfahrer

Neben Froome wurden noch weitere erfahrene potenzielle Siegfahrer verpflichtet. Etwa: Der Belgier Sep Vanmarcke, 32, für die Klassiker und Flachetappen – und der Kanadier Michael Woods, 34. Beide kamen von dem US-Team EF Pro Cycling. Woods könnte – auf dem Papier – neben dem 34-jährigen Iren Daniel Martin, der 2020 bei der Vuelta auf Gesamtrang vier fuhr, der wichtigste „Berg-Helfer“ für den designierten Team-Kapitän Froome sein. Woods gewann 2020 sowohl bei Tirreno-Adriatico als auch bei der Vuelta schwere Etappen. Beim Flèche Wallonne wurde er Dritter, bei Lüttich-Bastogne-Lüttich Siebter.

Doch die Frage ist: Reicht das? Ist dieses Team – ist dieser Kapitän – konkurrenzfähig? Fähig dazu, Grand Tours zu gewinnen? Auf dem Papier ist die Antwort klar: nein.

Die dominierenden Grand-Tour-Teams, Ineos und Jumbo-Visma, sind zu stark aufgestellt.

Doch: Eine Lehre aus der Saison 2020 lautet, dass es auch „ohne“ Team geht. Drei Wochen lang dominierten die Fahrer in den schwarz-gelben Trikots des Teams Jumbo-Visma die Grande Boucle – doch dann nahm ihnen ein einzelner Fahrer, der während den Bergetappen stets früh isoliert war, den Sieg noch weg: Tadej Pogačar. Zum Zeitpunkt seines sensationellen Sieges war der Slowene 21 Jahre alt. Die Renn-Saison 2020 war eine der jungen Fahrer – eine des Generationswechsels.

Hirschi wechselt ins Pogačar-Team

Pogačars Team, UAE Emirates, verpflichtete einen der Protagonisten dieser neuen Generation: Der Schweizer Marc Hirschi, 22, gewann 2020 den Flèche Wallonne und eine Tour-Etappe. Er verlässt das deutsche Team Sunweb, jetzt Team DSM.

Weitere, erfahrene Zugänge des Emirates-Teams: Rafal Majka und Matteo Trentin – sowie ein junges Top-Talent, der 18-jährige Spanier Juan Ayuso. Dass ein Fahrer direkt aus der Junioren-Klasse in die WorldTour wechselt, ist immer noch sehr selten, aber dennoch immer häufiger zu beobachten.

Auch bei dem bei der Tour und der Vuelta 2020 so dominant fahrenden Team Jumbo-Visma setzt man verstärkt auf junge Fahrer: Die „ältesten“ beiden der sechs Zugänge sind je 25 Jahre alt – Sam Oomen, der einst als Bergfahrer-Supertalent galt, aber zuletzt stagnierte und Nathan van Hooydonck. Zudem gibt man drei Neo-Profis die Chance – alle drei sind Niederländer und herausragende Talente: David Dekker, 22, im Klassiker-Bereich, Olav Kooij, 19, für die Sprints und Gijs Leemreize, 21, als Allrounder.

Duell zwischen Jumbo-Visma und Ineos?

Viele Experten erwarten auch bei den Grand Tours 2021 wieder das große Team- und Taktik-Duell zwischen Jumbo-Visma und Ineos. Die Briten, die in den vergangengen neun Jahren sieben Mal den Tour-Sieger stellten, haben groß investiert. Man holte gleich drei Berg- und Klassementfahrer, die in ihren Teams zuvor in den Kapitänsrollen waren. Allen voran: Richie Porte. Der 36-jährige Australier fuhr bereits von 2012 bis 2015 als „Edelhelfer“ für die britische Equipe. Nach seinem dritten Gesamtrang bei der Tour de France 2020 geht er bei Ineos, auf dem Papier, wieder einen „Schritt zurück.“

Mit Adam Yates wechselt ein weiterer Top-Star zu Ineos. Der 28-jährige Brite gewann 2020 unter anderem die UAE-Tour und wurde Neunter der Tour. Sein Zwillingsbruder Simon, der Vuelta-Sieger 2018, bleibt dagegen als alleiniger Rundfahrten-Kapitän beim australischen Team BikeExchange, vormals Mitchelton-Scott.

Der dritte extrem starke Neuzugang: Daniel Martínez. Der Kolumbianer, 24, etablierte sich 2020 in der Weltspitze. Er gewann die Dauphine-Rundfahrt und eine Tour-Etappe. Auch die anderen beiden „Neuen“ im Team haben extrem viel Potenzial: Der Belgier Laurens de Plus, 25. Und der junge Brite Tom Pidcock, 21. Die Zahl seiner Weltmeistertitel: fünf – auf dem Rennrad, dem Zeitfahrrad, dem Cyclocrosser und dem Mountainbike. Pidcock ist eines der größten Talente des Radsports.

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Neuprofis und Bergfahrer auf der WorldTour

Ein weiteres Top-Talent zählt zu den Zugängen des deutschen Teams DSM: Marco Brenner. Auch der 18-jährige Augsburger „überspringt“ die komplette U23-Klasse und wechselt direkt von den Junioren zu den Profis. Ein Interview mit ihm finden Sie in der RennRad-Ausgabe 10/2020. Der spektakulärste Neuzugang des deutschen Teams kommt aus Frankreich – jahrelang galt, und gilt, er als die französische Tour-de-France-Hoffnung: Romain Bardet. Im Vorjahr hatte der Tour-Dritte von 2017 und -Zweite von 2016 eine schlechte Saison. Die Tour musste er vorzeitig beenden. Bardet, 30, verließ nach neun Jahren seinen alten Rennstall AG2R.

Generell setzt man auch im Team DSM stark auf junge Fahrer. Vier der sechs Zugänge sind 21 oder jünger. Darunter eins der größten Talente seiner Generation – der überragende Fahrer der vergangenen U23-Saison: der Norweger Andreas Leknessund. Und: Der Deutsche Niklas Märkl, 21, der aus dem eigenen Development-Team in die WorldTour wechselt.

Zwei etablierte Leistungsträger verließen dagegen das Team: Der Giro-Dritte Wilco Kelderman, der zu dem anderen deutschen Team, Bora-Hansgrohe, ging und der australische Sprint- und Klassikerspezialist Michael Matthews, der in seine Heimat zum Team BikeExchange wechselte. Der schmerzhafteste Verlust für das Team ist aber wohl der überraschende Abgang des Schweizers Marc Hirschi, der erst im Januar bekannt wurde.

DSM, Romain Bardet, WorldTour

Romain Bardet ist der spektakulärste Neuzugang des deutschen Teams DSM

Umbruch beim WorldTour-Team Bora-Hansgrohe

Bei Bora-Hansgrohe hat man sich von sechs Fahrern getrennt. Darunter: Rafal Majka, Jempy Drucker, Jay McCarthy. Der Abgang des Österreichers Gregor Mühlberger zu Movistar stellt einen klaren Verlust dar. Der 26-Jährige hat eine enorme Entwicklung hinter sich und reifte zum Top-Helfer und potenziellen Siegfahrer. Ihn soll wohl vor allem der erfahrene Niederländer Wilco Kelderman ersetzen.

Der wichtigste Zugang des Teams stärkt dagegen nicht primär das Grand-Tour-Aufgebot um den alten wie neuen Kapitän Emanuel Buchmann, sondern die Klassiker-Abteilung: Nils Politt wechselte vom Team Israel Start-Up Nation in seine deutsche Heimat. Die Saison 2020 war eine schlechte für Politt. Er hat nur drei Top-Ten-Ergebnisse vorzuweisen. Doch das Potenzial des 26-Jährigen ist enorm. Dies hat er 2019 gezeigt, als er etwa bei Paris-Roubaix der stärkste Fahrer war – und nur von dem erfahrenen Top-Star Philippe Gilbert geschlagen wurde.

Nils Politt, WorldTour, Bora-Hansgrohe

Nils Politt wechselt in seine Heimat zum Team Bora-Hansgrohe

Gilbert ist eine Ausnahmeerscheinung – von seinen Ergebnissen her. Und innerhalb seines Teams. Er ist mit 38 Jahren der mit Abstand älteste Fahrer seines Teams. Einer Equipe, die zur Saison 2021 extrem „verjüngt“ wurde. Nur sechs der 28 Fahrer im Kader von Lotto-Soudal sind älter als 30 Jahre. 16 von ihnen sind 24 oder jünger. Gleich zehn Profis verließen das Team. Beziehungsweise: Sie mussten es verlassen. Allein aus dem eigenen Development-Team wurden fünf neue Fahrer mit einem Profi-Vertrag ausgestattet.

Astana Premier Tech

Das kasachische Team Astana Premier Tech verlor einen seiner Kapitäne: den Kolumbianer Miguel Ángel López. Der 27-jährige Sieger der Katalonien-Rundfahrt von 2019 wechselte zum Team Movistar. Unter den acht Neuverpflichtungen ist keiner der bekannteren Namen. Auch bei Astana setzt man vorrangig auf junge Fahrer als Zugänge – so etwa auf den U23-Weltmeister von 2019, Samuele Battistella, 22.

Der Kapitän wird jedoch 2021 voraussichtlich derselbe sein wie im Vorjahr: der Däne Jakob Fuglsang, 35, der Sieger der Lombardeirundfahrt 2020. Und – als eine der Entdeckungen der vergangenen Saison: der Russe Alexandr Vlasov. Der 24-Jährige lieferte 2020 in seiner ersten WorldTour-Saison konstant Top-Ergebnisse: Zweiter der Tour de la Provence, Sieger der Ventoux Challenge und des Giro dell‘ Emilia, Dritter der Lombardei-Rundfahrt, Fünfter bei Tirreno-Adriatico, Elfter der Vuelta.

Chancen und Risiken

Das französische Team AG2R hat 2021 einen völlig anderen Charakter als im Vorjahr: elf Neuverpflichtungen stehen zehn Abgängen gegenüber, darunter Romain Bardet. Unter den Zugängen sticht ein Name hervor: der des Greg van Avermaet. Der Olympiasieger von 2016 soll Klassiker-Ergebnisse einfahren. Auch wenn er 2020 nicht um die Siege konkurrieren konnte.

Eine schlechte letzte Saison hat auch der zweite sehr prominente Zugang hinter sich: der Luxemburger Bob Jungels. 2020 gelangen ihm nur wenige Top-Ergebnisse. Ein anderes französisches Team in der WorldTour, Cofidis, hat sich die Dienste des Deutschen Simon Geschke gesichert. Dieser soll den Team-Kapitän Guillaume Martin bei seinem Plan, das Tour-Podium anzugreifen, unterstützen.

Bob Jungels altes Team – das mit 39 Saisonsiegen 2020 wieder einmal erfolgreichste Team der Welt – geht nur wenig verändert in die ersten Rennen. In Zahlen: mit einem Abgang und zwei Zugängen. Diese heißen: Josef Cerny – der Tscheche, der im Vorjahr eine Giro-Etappe gewann, wechselte vom aufgelösten Team CCC zu den Belgiern. Und: Mark Cavendish. Der 35-jährige Brite war viele Jahre lang der schnellste und erfolgreichste Sprinter der Welt. Doch sein letzter Sieg datiert vom 8. Februar 2018.

Mark Cavendish, Wechsel, WorldTour

Mark Cavendish wechselt zur WorldTour-Saison 2021 das Team

Machtverhältnisse auf der WorldTour verschieben sich

Wie bei Cavendish war auch bei einem ganzen Team, NTT Pro Cycling, lange unklar, ob es in der WorldTour bleiben kann. Ob es weiterbesteht. Doch der Teamchef Douglas Ryder fand eine Lösung – und präsentierte neue Sponsoren. Vorrangig den Schweizer Radbekleidungshersteller Assos. Der neue Teamname lautet somit: Qhubeka-Assos. Die Zahl der Abgänge: 19. Die der Zugänge: 17. Darunter der neue Kapitän: Fabio Aru. Der 30-jährige Italiener gewann 2015 die Vuelta und war 2017 Fünfter der Tour. Doch in den vergangenen drei Jahren lieferte er kaum nennenswerte Ergebnisse. Dieser Wechsel könnt seine letzte große Chance sein.

Seine Entwicklung ist nur eine der vielen offenen Fragen der neuen Saison. Die Machtverhältnisse verschieben sich – junge Fahrer verdrängen die erfahrenen. Teams, Transfers und Taktiken – Fakt ist: Die neue Saison wird eine extrem spannende.

Ralph Diseviscourt: Ultracycling-Rekordhalter im Portrait

Ralph Diseviscourt, Ultracycling, Portrait

Rechts neben Ralph Diseviscourt verläuft eine graue Betonmauer, dahinter liegt ein kleiner See – die Straße ist schmal, er kennt jeden Riss im Asphalt, Und er kennt diesen Anblick. Er sieht ihn zum 130. Mal. Er ist tief über seinen Zeitfahrlenker gebeugt, auf seinem Radcomputer stehen konstant zwischen 280 und 300 Watt. Seit 18 Stunden.

Der Morgen ist angebrochen am Oberbecken in Vianden, dem Ort seines Weltrekordversuchs. Dem Weltrekord für die meisten absolvierten Kilometer in 24 Stunden. Die Strecke um den See ist eine für den öffentlichen Verkehr gesperrte Straße, 4,4 Kilometer lang. Nach sechs bis sieben Minuten passiert er wieder die gleiche Stelle, insgesamt 211 Mal. Am Vortag um 14 Uhr ist er losgefahren, heute um 14 Uhr wird er vom Rad steigen, seiner Frau und seinen Kindern in die Arme fallen, feiern.

Ralph Diseviscourt in den Rekordbüchern

927 Kilometer fährt er in diesen 24 Stunden – in den offiziellen Rekordbüchern stehen 915,38 Kilometer. Die Ultracycling-Vereinigung wertet den kürzestmöglichen Weg. Aber er kann nicht 24 Stunden lang nur wenige Zentimeter von der Betonmauer entfernt fahren. Daher absolviert er einige Kilometer mehr. Den bisherigen Weltrekord in der Kategorie „Outdoor Track“ des Australiers Mitch Anderson über 894,35 Kilometer übertrifft er bereits einige Runden vor Ablauf der 24 Stunden.

Die Zeit des Österreichers Christoph Strasser, der bei der 24-Stunden-Weltmeisterschaft in Borrego Springs 2018 913 Kilometer fuhr, überbietet er erst in der letzten Runde. Nie ist ein Mensch in 24 Stunden weiter auf einer Straße gefahren. Dieser Rekord ist der Höhepunkt einer Ultracycling-Karriere, die neun Jahre zuvor begann. Mit 44 Jahren wird er zum Weltrekordhalter. Als Späteinsteiger.

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Späteinsteiger

Erst mit 28 Jahren beginnt er mit dem Radsport. Der Tagesablauf, die Belastung, das Fahren in der Gruppe – alles ist ungewohnt für ihn. Viele seiner Kontrahenten sind jünger als er, und dennoch deutlich erfahrener.

Am stärksten ist er im Zeitfahren, dann, wenn er sich auf sich selbst konzentrieren kann: Insgesamt fünf Mal wird er luxemburgischer Amateur-Meister im Zeitfahren. Mit 35 Jahren konzentriert er sich auf das Ultracycling. Die Lizenzrennen werden ihm zu gefährlich. Ralph Diseviscourt hat inzwischen eine Familie, die Sturzgefahr ist ihm zu hoch. Seinen schlimmsten Sturz erlebt er jedoch während einer Trainingsfahrt: Er ist auf dem Weg zur Arbeit, es ist noch dunkel, er fährt schnell auf einer leicht abschüssigen Straße.

Was dann passiert, kann er nicht mehr genau rekonstruieren, etwas – ein Ast? –  verfängt sich in seinem Vorderrad. Er stürzt. Er erleidet einen vierfachen Milzriss, die Saison ist für ihn beendet. Er will jedoch das Radfahren in diesem Jahr nicht aufgeben, er sucht sich neue Ziele und findet – durch Zufall – die Tour du Mont Blanc.

Ralph Diseviscourt, Ultracycling, Portrait

Der Beginn ist Euphorie, dazu kommt die Motivation der Weltrekorde „im Vorbeigehen“: 100 Kilometer, 200, 300 – während der ersten sechs Stunden fährt er schneller als geplant

Die UItracycling-Karriere des Ralph Diseviscourt beginnt

Dies ist der Beginn seiner Ultracycling-Karriere: 335 Kilometer mit 8100 Höhenmetern. Sieben Alpenpässe rund um den Mont Blanc. Er gewinnt das Rennen. Obwohl er kein klassischer Bergfahrer ist, wie er selbst sagt. Er hat sein Talent entdeckt. Die Distanzen werden in den folgenden Jahren länger, die Herausforderungen noch extremer – die Erfolge bleiben. Doch seine Motivation, an den extremsten Rennen der Welt teilzunehmen, basiert auf mehr als seinen Siegen: „Ich mag die Atmosphäre bei den Events. Wir sind ein recht kleiner Kreis, man kennt sich, freundet sich an. Während der Rennen ist man Konkurrent, doch davor und danach ist die Atmosphäre sehr kollegial und freundschaftlich. Es ist ganz anders als bei den Lizenzrennen. Es gibt eben meistens auch nichts zu gewinnen.“

Ralph Diseviscourt bezeichnet sich selbst nicht als übermäßig talentiert. „Andere sind leichter, schnellkräftiger und haben bessere körperliche Voraussetzungen als ich. Aber ich denke, meine Stärke liegt in meiner Motivation und meiner Fähigkeit, große Trainingsumfänge und Belastungen besser zu verkraften als andere.“ Er fährt bis zu 45.000 Kilometer pro Jahr. „Andere Menschen würden bei diesen Umfängen mit Knie- oder Rückenproblemen zu kämpfen haben. Ich bin davon bis heute verschont geblieben.“

Grundlagenausdauer

Natürlich besitzt er wie andere Extremradsportler auch eine sehr gute Grundlagenausdauer – und weiß um die mentalen Belastungen solcher Rennen. „Ein Drittel des Erfolgs hängt von der körperlichen Verfassung ab, ein Drittel von der mentalen Stärke und ein Drittel vom Team um einen herum.“ Und wie trainiert man die Psyche? Sein Training besteht vor allem aus seinem Weg zur Arbeit. Im Frühling, Sommer, Herbst und Winter macht er sich um fünf Uhr morgens auf den Weg, auch bei Schnee und Regen und Dunkelheit. 50 Kilometer, einfach. Meistens mehr, wenn er noch zusätzliche Schleifen einbaut. Eine dritte Trainingseinheit bildet häufig die Mittagspause. Das trainiert die Willenskraft und die Leidensfähigkeit. „Ein besseres Mentaltraining gibt es nicht“.

Einen detaillierten Trainingsplan hat er nicht – Ralph Diseviscourt fährt nach Gefühl. Immer. Er hat keinen Coach, keinen Ernährungsberater. Ein Powermeter nutzt er nur selten. Er fährt einfach Fahrrad. Jeden Tag. Sein Pendel-Training ist, wie für Viele andere, seine einzige Möglichkeit, seine Leidenschaft mit seinem Beruf zu verbinden.

Ralph Diseviscourt arbeitet Vollzeit als Managing Director einer Luxemburger Bank. Der 44-Jährige ist zudem Familienmensch. Das Schlafdefizit, mit dem sich viele Extrem-Radsportler während der Langdistanz-Rennen arrangieren müssen, trainiert er quasi im Alltag. Im Sommer fährt er bereits frühmorgens los. Seiner Familie ist es egal, ob er um sechs oder um vier Uhr morgens das Haus verlässt.

Beruf und Training des Ralph Diseviscourt

Das Pendeln macht einen Großteil seiner Trainingskilometer aus. Er kommt oft nach 100 bis 120 Kilometern um acht Uhr bei seiner Arbeitsstelle an. Auch die Mittagspause nutzt er regelmäßig für kleinere Runden. Nach Hause fährt er meist den direkten Weg. So kann er den Abend mit seiner Familie verbringen. In seinem Alltagsrhythmus kommen acht Stunden Schlaf eher selten vor. Häufiger sind es fünf oder sechs. Er ist es gewohnt.

Sein Berufsleben hat er schon immer mit dem Radfahren verbunden. Als er begonnen hat, sich auf das Ultracycling zu konzentrieren, ist er längst voll berufstätig, arbeitet oft mehr als 40 Stunden pro Woche, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Bis zu 50 Stunden sitzt er im Sommer pro Woche auf dem Rad – eine zweite Arbeitswoche zusätzlich. „Ultracycling wird wie zu einer Droge. Wenn ich einige Tage lang nicht Rad fahre, spüre ich fast schon Entzugserscheinungen.“

Er stillt diese Sucht mit weiteren Extrem-Rennen – und ist erfolgreich. Er wiederholt den Sieg bei der Tour du Mont Blanc im Jahr 2012 und gewinnt in den nächsten Jahren zweimal die Tortour – ein 1000 Kilometer langes Rennen über mehrere Alpenpässe in der Schweiz. Das Race Across Italy gewinnt er ebenfalls mehrfach.

Ralph Diseviscourt, Ultracycling, Portrait

Bis zu 50 Stunden sitzt Ralph Diseviscourt im Sommer pro Woche auf dem Rad

Race Across America

2016 sieht er sich bereit für die – für viele Extrem-Radsportler – größte Herausforderung überhaupt: das Race Across America. Die inoffizielle Weltmeisterschaft im Ultracycling.

Es wird das bisher härteste Rennen seines Lebens. Viel härter als die europäischen Ultracycling-Events, an denen er bisher teilgenommen hat: Er leidet unter der extremen Hitze und unter Atembeschwerden in der Höhe. Er muss fast aufgeben. Nach einer zwölfstündigen Pause setzt er das Rennen fort und wird noch Vierter. Obwohl gerade die psychische Komponente des Rennens eine Belastung ist.

Nach den Rocky Mountains führt die Strecke durch den Mittleren Westen. Karge Landschaften, fast kurvenfreie Straßen. Eintönigkeit und Langeweile. Monotonie pur. Er holt auf, überholt andere Teilnehmer, auch noch während der steilen Passagen nahe des Atlantik. Die Zieleinfahrt ist für ihn ein emotionaler Moment. Nach der Krankheit, der Hitze, der Müdigkeit erreicht er Annapolis nach zehn Tagen und 18 Stunden. Er will zurück, das Rennen noch einmal erleben: Die Distanz, das Extreme, das An-die-Grenzen-gehen.

Ralph Diseviscourt vs. Christoph Strasser

2018 kommt es zum Duell zwischen ihm und Christoph Strasser, dem mehrfachen Sieger des Race Across America. Diseviscourt fährt schneller als der Österreicher, doch er muss häufiger und länger anhalten. Christoph Strasser ist ein Profi-Athlet. Mit seinem Team aus Ärzten und Trainern kann er mit dem massiven Schlafentzug umgehen, Diseviscourt geht das Risiko zu weit. „Ich glaube, dass ein so massiver Schlafentzug ungesund ist. Ich bin sicher, dass Christoph und sein Team das im Griff haben, aber für mich wäre das zu gefährlich.“ Er wird Zweiter. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h und einer Standzeit von 64 Stunden – doppelt so lange wie bei Christoph Strasser.

Doch die Erfahrung, das Erlebnis ist ganz anders als noch zwei Jahre zuvor. Diesmal ist er besser vorbereitet auf die Höhe, auf die Eintönigkeit, auf die Hitze. Das Race Across America zu gewinnen, wäre ein Traum, doch er will ihn nicht um jeden Preis erreichen. Ralph Diseviscourt sucht sich lieber neue Herausforderungen, Ultracycling-Events in den Alpen, in Italien oder nahe seiner Heimat, in Luxemburg und Belgien etwa.

Ralph Diseviscourt, Ultracycling, Portrait

Ralph Diseviscourt sucht gerne neue Herausforderungen

9000 Kilometer durch Sibirien

Für das Jahr 2020 plant er die Teilnahme an einem besonderen Rennen: dem Red Bull Transsiberian-Extreme, einem 9000 Kilometer langen Etappenrennen. Wie so viele Events fiel auch dieses Rennen aufgrund der Corona-Pandemie aus.

Ralph Diseviscourt trainierte weiter und kam nach einigen „längeren“ Ausfahrten auf seinem Zeitfahrrad – 200 bis 300 Kilometer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 36 bis 39 km/h auf hügeligem Terrain – auf ein neues Ziel, eine ganz andere Herausforderung: den 24-Stunden-Rekord in der Kategorie Outdoor-Track.

Die Ultracycling-Vereinigung vergibt die 24-Stunden-Rekorde in drei verschiedenen Kategorien: Auf der Straße, auf der Bahn indoor und outdoor. Der Unterschied zwischen dem Straßenrekord und dem „Outdoor-Track“ liegt in der Länge der Route: Alles über fünf Meilen Rundenlänge zählt zur Kategorie „Straße“.

Ein weiterer Antrieb für den 44-Jährigen: Christoph Strassers Plan, in 24 Stunden 1000 Kilometer zu fahren. Dieser Versuch findet nun wohl im Jahr 2021 statt. „Ich glaube schon, dass Christoph in Colorado wahrscheinlich einen Rekord aufstellt. Auch wenn 1000 Kilometer ein sehr ambitioniertes Ziel sind“, sagt Diseviscourt.

Statt nach Sibirien zu fliegen, kann er seinen neuen Plan in seiner Heimat Luxemburg durchführen. Er beginnt zu recherchieren. Wie sind die bisherigen Rekorde entstanden? Welche Strecken haben die Athleten gewählt? Wie war das Wetter, die Vorbereitung, die Ausrüstung? Sein Fazit: Der Rekord ist machbar. Ein wichtiger, entscheidender Faktor: die Strecke. Flach sollte der Kurs sein, kurz, aber mit Aussicht. Wenn er den Kopf hebt, will er eine Landschaft vor oder neben sich sehen. „Auf einer abgeschlossenen Strecke ohne Umgebung wie in einem Velodrom – das könnte ich nicht.“ Das Oberbecken des Wasserkraftwerks in Vianden, unweit seines Heimatortes, entspricht diesen Anforderungen.

Der unberechenbare Wind

Ein Faktor bleibt jedoch unberechenbar: der Wind. Das Oberbecken liegt auf einem Hochplateau und ist fast ständig starken Winden ausgesetzt. Am Tag des Rekords blickt er auf die Fahnen mit dem luxemburgischen Löwen darauf: Sie wehen, aber bei weitem nicht so stark wie befürchtet. Die Bedingungen sind fast ideal. Die Temperaturen betragen bei Tag etwa 20 Grad. „Ich hatte komischerweise nie Zweifel daran, dass es funktionieren würde. Weder davor noch während der Fahrt.“ Er startet entsprechend schnell. Die ersten beiden Runden sind die schnellsten – 44 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit. Er findet sofort seinen Rhythmus. Seine Familie und einige Freunde unterstützen ihn von einer Aussichtsplattform aus.

Zusätzliche Motivation geben ihm die Weltrekorde, die er „im Vorbeifahren“ einfährt: über 100 Kilometer, 200, 300. Doch sein Betreuerteam wird nervös: Das Tempo ist zu hoch. Das Problem ist nicht die Übersäuerung, sondern die Ernährung. Wenn er zu viel Energie verbrennt, wird er früher oder später einbrechen: Erstmals setzt er bei einem Rennen ausschließlich auf Flüssignahrung. „Eigentlich vertrage ich das nicht so gut. Bei längeren Rennen muss ich immer feste Nahrung zu mir nehmen. Aber für eine ‚Sprintstrecke‘ über 24 Stunden geht es.“ 328 Watt leistet Ralph Diseviscourt in diesem ersten Viertel seines Rennens. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit: rund 42 km/h.

„Das war das erste Mal, dass ich einen wissenschaftlicheren Ansatz bei einem meiner Rennen gewählt habe. Ich habe auf dieser Strecke zuvor Material getestet und einen Leistungstest gemacht. Somit war klar, in welchem Wattbereich ich mich bewegen muss, um die richtige Balance zu finden.“

Kälte und Dunkelheit

Die Zahlen sind nach diesen ersten sechs Stunden über dem vorher berechneten Niveau. Doch: Ab dann wird er von Runde zu Runde etwas langsamer. „Mir war klar, dass es unmöglich sein wird, die 24 Stunden mit einem gleichmäßigen Tempo zu fahren. Die Kurve musste im Laufe der Zeit abfallen. Doch die Motivation durch die schnellen Zeiten zu Beginn war wichtig für mich. Es wäre viel schwerer und schmerzhafter gewesen, zu vorsichtig zu beginnen und dann einen Rückstand aufholen zu müssen. Ich wollte lieber meinen Vorsprung verteidigen.“

Das Ziel ist es, die Motivation, die Euphorie, die Freude am Fahren auch für die kommenden 18 Stunden aufrecht zu halten. 7:12 Stunden benötigt er für die ersten 300 Kilometer. Die Sonne geht unter. Es wird kalt am Oberbecken in dieser Nacht: Sieben, sechs, fünf Grad. Durch die Kälte sinkt seine Leistungsfähigkeit. War der Beginn zu schnell?

Er fährt weitere Weltrekorde ein: 300 Meilen in 11:59:43 Stunden – Weltrekord. 500 Kilometer in 12:27:48 Stunden – Weltrekord. Nachdem er mehr als zehn Stunden lang nicht anhalten musste, hält er nun stündlich kurz an, je für eine oder zwei Minuten. Die Aero-Position auf seinem Zeitfahrrad bereitet ihm Schmerzen. Er geht immer häufiger aus dem Sattel. Die Leichtigkeit aus der Anfangsphase ist verschwunden. Er quält sich durch die Nacht, doch am Morgen ist klar: Den offiziellen Weltrekord des Australiers Mitch Anderson über 895 Kilometer könnte er nur noch durch einen völligen Einbruch verpassen. „Wären es am Ende 898 Kilometer gewesen, wäre das auch toll gewesen und ein neuer Weltrekord, aber es wäre nicht optimal gewesen. Ich wollte mehr als 900 Kilometer fahren. Ich wollte unbedingt die längste Strecke schaffen.“

Noch einmal beschleunigen

900 Kilometer auf der Straße innerhalb von 24 Stunden sind vor ihm nur Christoph Strasser und der slowenische Ultraradfahrer Marko Baloh gefahren. Das große Ziel ist der Rekord von Strasser aus Borrego Springs, 913 Kilometer, aufgestellt während der 24-Stunden-Weltmeisterschaft. Zwei Stunden bleiben Ralph Diseviscourt dafür noch. Nach 22 Stunden und 180 Runden um den See.

In diesen letzten beiden Stunden beschleunigt er noch einmal. Seine Rundenzeiten sind 15 bis 20 Sekunden schneller als zuvor. Er sitzt nun wieder wie zu Beginn auf seinem Zeitfahrrad, tiefer, aerodynamischer. Zum ersten Mal seit dem Start kann er seine Leistung innerhalb einer Stunde steigern. Die letzten zehn Runden fährt er nur rund neun Minuten langsamer als die ersten zehn. 900 Kilometer und noch 45 Minuten Zeit.

Die Betreuer am Streckenrand, die Familie und Freunde auf der Aussichtsplattform, und auch er selbst wissen: Er hat es geschafft. Er beschleunigt noch einmal. Um 14 Uhr steigt er vom Rad. Nach 927 Kilometern. Während dieser 24 Stunden stellt er zehn neue Weltrekorde auf. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit: 38,9 km/h.

Ralph Diseviscourt, Ultracycling, Portrait

Zehn neue Weltrekorde…

Neue Ziele

Und wenn Christoph Strasser 1000 Kilometer fahren wird? Holt sich Diseviscourt den Rekord dann zurück? „Man kann immer noch etwas verbessern. Mir gingen zum Beispiel durch die Wahl der Strecke ein paar Kilometer ‚verloren‘: Ich bin ja eigentlich bereits 927 Kilometer gefahren. Es zählen aber nur 915. An der Aerodynamik und anderen Feinheiten kann man sicher auch noch etwas verbessern. Aber 1000 Kilometer – das ist schon sehr sehr weit.“

Das jüngste direkte Duell zwischen den beiden ging an Christoph Strasser, bei seinem Heimrennen, dem Race Around Austria. Er gewann das 2200 Kilometer lange Rennen überlegen – und schlief dabei insgesamt nur 75 Minuten lang. Ralph Diseviscourt wurde Dritter – einen Monat nach seinem Weltrekord. „Die Belastung ist bei einem Rekord eine völlig andere als bei einem Mehrtages-Event wie dem Race Across America oder dem Race Around Austria. Für uns Ultra-Athleten ist diese Distanz ja fast ein Sprint.“ Bei seinem Heimrennen gewann er, zwei Monate nach seinem Weltrekord, einen Monat nach dem Race Around Austria: Das erstmals ausgetragene „Dizzy Race“, benannt nach ihm, ist eine 500 Kilometer lange Schleife rund um Luxemburg – mit mehr als 7000 Höhenmetern.

Rund 40 Teilnehmer standen bei der Premieren-Veranstaltung am Start. In seiner Heimat ist er bekannt. Die Menschen melden sich auch seinetwegen bei diesem Rennen an.

Transsiberian-Extreme

Mit einem Sieg bei seinem nächsten großen Ziel könnte er diese Bekanntheit weiter steigern: Er will im Sommer am Red Bull Transsiberian-Extreme teilnehmen.

Ralph Diseviscourt will nicht nur dabei seim – er will gewinnen: „Das Transsiberian-Extreme wird als Etappenrennen gefahren. Es gibt also vorgegebene Schlafpausen. Das sollte mir entgegenkommen.“ Es bedeutet: Mehr als 9000 Kilometer durch Russland, entlang der Strecke der Transsibirischen Eisenbahn. 15 Etappen und 77.000 Höhenmeter. Das vielleicht härteste Radrennen der Welt. Weite, Monotonie, Kälte, Hitze, Qualen. Oder aus der Sicht Ralph Diseviscourts: Leidenschaft.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 1-2/2021. Hier gibt es einen Überblick über die Inhalte.


Der Athlet: Ralph Diseviscourt

Ralph Diseviscourt ist 44 Jahre alt und lebt in Nocher in Luxemburg. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er arbeitet als Managing Director bei der BIL, der Banque Internationale à Luxembourg. Neben seiner Vollzeitstelle sitzt er bis zu 50 Stunden pro Woche auf dem Fahrrad. 2018 kam er auf insgesamt 46.000 Trainings-Kilometer. In diesem Jahr wurde er auch zum „Ultrasportler des Jahres“ in Luxemburg gekürt. „Ich bin von der Statur her kein klassischer Bergfahrer. Ich würde mich eher als Allrounder bezeichnen. Ich bin körperlich nicht unbedingt hochtalentiert. Meine Willenskraft und meine Motivation im Training sind meine wohl gößten Stärken.“


Schlaf & Taktik

Die Standzeit ist bei Ultracycling-Events oft ein siegentscheidender Faktor. Christoph Strasser hat durch eine detaillierte und wissenschaftliche Herangehensweise seine Stand- und Schlafzeit auf ein Minimum reduziert. Das Ergebnis: Er benötigte acht Tage, 15 Stunden und 16 Minuten für die 4940 Kilometer des Race Across America 2019. Seine Gesamtschlafdauer: neun Stunden. Vor allem in Form kurzer, zehn bis 20 Minuten langer Powernaps. Seine normalisierte Leistung betrug 169 Watt. Sein großes Ziel 2021: 1000 Kilometer in 24 Stunden. Eine Reportage über ihn beim RAAM lesen Sie in der Ausgabe hier.

Marcel Meisen: Deutscher Fahrer im Portrait – Rennrad, Cyclocross, Mountainbike

Marcel Meisen, Portrait

Die Zielgerade ist lang, breit und flach – der Top-Favorit zieht an, und ist vorne. Und wird noch übersprintet. Von einem Fahrer, der bislang nicht als Sprinter galt – von einem Cyclocross-Spezialisten: Marcel Meisen. Der damals 31-Jährige gewinnt das schwere Rennen um die Deutsche Meisterschaft 2020. Vor dem Top-Favoriten Pascal Ackermann, dessen Bora-Hansgrohe-Team das Rennen kontrolliert und dominiert hatte.

Dieser Deutsche-Meister-Titel für Marcel Meisen war eine mittlere Sensation – und sein zweiter Titel der Saison. Denn zuvor war er bereits Deutscher Meister im Cyclocross geworden. Zum fünften Mal in den vergangenen sechs Jahren und zum vierten Mal in Folge.

Marcel Meisen ist kein Sprinter. Er ist ein Allrounder. Wie ausgeprägt seine Fähigkeiten sind, zeigte er auch im Oktober – als er fast einen dritten DM-Titel gewonnen hätte. In einer dritten, einer anderen Disziplin des Radsports: auf dem Mountainbike. Er trat bei der Cross-Country-DM in Obergessertshausen – fast ohne spezifische Vorbereitung – an und wurde Zweiter. „Ich bin da völlig unvorbereitet hingefahren“, sagt er. „Drei, vier Tage vor dem Rennen saß ich zum ersten Mal seit Langem wieder auf einem Mountainbike.“ Auch in dieser Disziplin profitiert er von seiner Fahrtechnik und seinem „Punch“ bei Antritten.

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Marcel Meisen und seine Radsport-Familie

„Auch die Strecke auf dem Sachsenring kam mir entgegen. Es war ein hartes Rennen mit vielen kurzen Anstiegen. Das liegt mir.“

Marcel Meisen stammt aus einer Radsport-Familie. Sein Vater Josef war in den 1980er-Jahren ein erfolgreicher Querfeldeinfahrer, der im Trikot der deutschen Nationalmannschaft bei zahlreichen Weltmeisterschaften am Start war.

Marcel Meisen begann sehr früh mit dem Radsport. Sein Vater brachte ihm viel bei – und begleitet ihn noch heute zu jedem wichtigen Rennen. „Er kennt mich eben besonders gut und kann gut einschätzen, wann und wie ich noch etwas rausholen kann.“

Bereits früh erfolgreich

Bereits in den Nachwuchsklassen war Meisen erfolgreich. So gewann er in jedem seiner Jahre in der U23-Klasse eine DM-Medaille im Cyclocross: 2008 holte er in Herford Gold, 2009 und 2010 jeweils Silber. Seine professionelle Laufbahn begann 2008 – in dem deutschen Continental-Team Kuota-Senges. Zwölf Jahre lang fuhr er für deutsche und belgische Continental- beziehungsweise Cross-Teams. 2019 stieg sein Team – damals unter dem Namen Corendon Circus – auf das Pro-Continental-Level auf. Seit 2020 geht man unter dem Namen Alpecin-Fenix an den Start.

Unter Meisens Teamkollegen ist ein weiterer deutscher Cyclocross-Spezialist: Philipp Walsleben. Der heute 33-Jährige war einige Jahre lang sehr nahe an der Weltspitze des Cross-Sports. 2017 zog er sich zurück und ging 2018 für das kleine deutsche P&S Team Thüringen an den Start, unter anderem in der Rad-Bundesliga. 2019 dann sein Comeback. Sein Vertrag bei Alpecin-Fenix läuft bis Ende 2021.

Das ganze Team ist um einen Superstar herum aufgebaut – einen Fahrer, der auch aus dem Querfeldeinsport kommt und ihn dominierte: Mathieu van der Poel. Der 26-jährige Niederländer ist der vielleicht talentierteste Radsportler seiner Generation. Er siegte auf dem Crosser, dem Mountainbike und dem Rennrad. 2020 wurde er unter anderem Cross-Weltmeister, niederländischer Straßen-Meister, Zweiter beim Brabantse Pijl, Sechster beim Liège-Bastogne-Liège. Und er gewann sein erstes Monument: die Flandernrundfahrt.

Familienangelegenheit

Bei den Meisens ist der Cross-Sport eine Familienangelegenheit. Anders als auf der Straße, wo früh feste Strukturen greifen und schon im Juniorenalter größere Teams an den Start gehen, geht es im Crosssport einfacher und kleiner zu. Auch in Ländern wie Belgien und den Niederlanden muss die Familie bei den Nachwuchssportlern ran, wenn am Wochenende Rennen angesagt sind.

Seine Mutter habe auch bei ihm manches Mal im Material-Depot gestanden, so wie sie es schon bei seinem Vater getan habe, sagt Meisen. „Und dann kommt man nach Hause mit zwei Säcken voller dreckiger Wäsche.“

Marcel Meisen, Cyclocross

Der Cross-Sport ist bei Marcel Meisen eine Familienangelegenheit

Marcel Meisen geht überwiegend in jenen Ländern bei Rennen an den Start, in denen der Cross- ein Nationalsport ist: in Belgien und den Niederlanden. Die Rennen dort sind mehr als Sport – sie sind Volksfeste. Mit Livemusik, Bier- und Pommesbuden, Zelten. Und einer unvergleichlichen euphorischen, positiven Atmosphäre.

Marcel Meisen hat den Vorteil, nahe der belgischen Grenze zu wohnen, in Stolberg. „Jedes belgische Crossrennen, und sei es noch so weit von der Grenze weg, liegt näher an meinem Wohnort als beinahe jedes deutsche Rennen“, sagt er. Auch die Zentrale seines Alpecin-Fenix-Teams liegt nur rund eineinhalb Autostunden von seinem Heimatort entfernt, unweit von Antwerpen.

Marcel Meisen mag die „klassischen“ Crossrennen: jene Strecken, die hohe technische Anforderungen stellen. Und er mag: schlechtes Wetter. Matsch, Morast, tiefe Spuren. „Ich mag die Strecken von Namur, Overijse oder Koksijde. Besonders, wenn es regnet. Die moderneren Rennen, auf flachen, schnellen Rundkursen, liegen mir nicht so.“

Rennrad und Cyclocrosser

Meisen hat – wie auch sein Team – eine enorme Entwicklung genommen. Alpecin-Fenix stand zum Saisonende 2020 auf Platz eins der Rangliste der Pro-Continental-Teams. Und erhält damit „automatisch“ eine Starterlaubnis für die Tour de France 2021. Was bei den meisten Profis für Euphorie sorgt, berührt Meisen nicht. „Die Tour ist kein Kindheitstraum von mir. Ich favorisiere eher die Klassiker.“ Bei den Frühjahrsrennen will er sich zeigen – und seinen Kapitän Mathieu van der Poel unterstützen. So wie 2019 beim Amstel Gold Race, das van der Poel gewann. Auch Marcel Meisen liebt dieses Rennen. „Der Kurs spricht mich an – und er führt großteils über meine Trainingsstrecken.“

In der bevorstehenden Saison hofft der 32-Jährige auf weitere Klassikereinsätze. „Wir sind kein Team, das nur mitfährt. Wenn wir starten, haben wir auch Ambitionen. Wir sind sicherlich stärker als manche WorldTour-Mannschaft.“

Das bedeutet aber auch, dass die Startplätze für die großen Rennen hart umkämpft sein werden. Früher fuhr man ein gemeinsames Rennprogramm, jetzt ist man bei unterschiedlichen Rennen im Einsatz. „Ich hoffe, bei einigen Klassikern dabei zu sein und auch die eine oder andere kleinere Rundfahrt bestreiten zu können.“ Mit dem Gewinn der Deutschen Straßenmeisterschaft im August 2020 hat er gezeigt, dass er auch auf der Straße für Überraschungen sorgen kann. Er ist der erste Fahrer seit Reimund Dietzen im Jahr 1984, der im selben Jahr Deutscher Straßen- und Crossmeister wurde.

Marcel Meisen, Cyclocross

Neben seiner Leidenschaft Cyclocross hofft Marcel Meisen in der Saison 2021 auf Einsätze bei Klassikern

Cyclocross: Training, Technik, Team-Gründung

Cyclocross, Team, Technik, Training

260 Kilometer, rund 5000 Höhenmeter – die letzte Runde des Weltmeisterschaftsrennens von Imola, der letzte Anstieg, die erwartbare Attacke des Julian Alaphilippe. Der Franzose tritt an, bergauf, sein Rad springt nach vorne. Niemand kann ihm folgen. Er kommt durch, als Solist, als neuer Weltmeister. Der Zweitplatzierte: Wout Van Aert. Der Weltmeister und der Vize-Weltmeister – oder anders gesagt die beiden weltbesten Rennradfahrer – haben eine Gemeinsamkeit: ihre „Ausbildung“. Beide, Julian Alaphilippe und Wout Van Aert, kommen aus dem Querfeldein-Sport. Dieser ist definiert durch: extrem hohe Intensitäten, ständige Antritte, einen extrem hohen Anspruch an die Fahrtechnik. Kurz gesagt: Cyclocross ist spektakulär. Die Rennen bieten extrem viel Action.

In Belgien und den Niederlanden ist das Cyclocross ein Nationalsport. Die Rennen sind Partys – mit Volksfest-Atmosphäre, Livemusik, Pommesbuden, Vuvuzelas und Bier. Viel Bier. Parallel in Deutschland: Die Zahl der Crossrennen sinkt. Das Publikum verläuft sich an den Strecken, und besteht meist aus den Freunden und Verwandten der Fahrer.

Die Zeit der Deutschen Querfeldein-Weltmeister – Rolf Wolfshohl, Klaus-Peter Thaler, Mike Kluge und Hanka Kupfernagel – ist lange vorbei. Und dennoch soll hier etwas Neues entstehen: das erste professionelle deutsche Cyclocross-Team.

Intensität

Die Idee dazu entstand am Rande einer Rennstrecke – in einem Cyclocross-Land: in den Niederlanden.

Anfang 2020 besuchten Grischa Janorschke und Stefan Herrmann ein Querfeldein-Rennen in Hoogerheide. Der eine ist ein ehemaliger Radprofi, der andere ein Unternehmer aus Baiersdorf. Zusammen hatten sie das 2019 aufgelöste Herrmann-Radteam auf die Beine gestellt und gemanagt. Sportlich war das Straßenteam erfolgreich, etwa in der Rad-Bundesliga, doch finanziell war das Konzept nicht dauerhaft tragfähig – es fehlte an weiteren Sponsoren. Für beide Männer ist dieser Tag in Hoogerheide der erste, an dem sie live bei einem Crossrennen dabei sind.

Es ist kalt, fünf, sechs Grad – und dennoch stehen mehrere zehntausend Zuschauer an der Strecke. Dies ist „nur“ ein Querfeldein-Rennen, doch es herrscht eine Stimmung wie bei einem Volksfest. Die deutschen Gäste sind beeindruckt und begeistert zugleich.

Nach dem Rennen machen sie auf dem Rückweg eine Pause in einem Café in der Stadt in Nordbrabant. Dort hören sie einen vertrauten – fränkischen – Dialekt. Nur ein paar Meter weiter sitzt die Marketingabteilung des oberpfälzischen Radherstellers Cube. Man wechselt einige Worte, tauscht Kontaktdaten aus und geht wieder seiner Wege.

Wie kann man den Cyclocross-Sport fördern?

Doch die in Hoogerheide gesammelten Eindrücke – diese Stimmung, dieser Lärm, diese Action, diese Begeisterung – hallen nach. Sie werden zu Gedanken. Und zu Fragen wie: „Warum gibt es so etwas bei uns nicht? Wie kann man diesen Sport fördern? Wie kann man es schaffen, mehr deutsche Fahrer zu den großen Cross-Rennen zu bringen?“

Aus diesen Gedanken wächst eine Idee. Von einer Reiskorn- hin zu einer Fußballgröße – nach und nach. Stefan Herrmann und Grischa Janorschke kommen nicht mehr los von diesen Gedanken. Gedanken, die sich zu einer Frage kristallisieren: „Wollen wir es noch einmal probieren? Ein Radsport-Projekt. Ein Team.“

Sponsoren-Suche für das Cyclocross-Team

Kleiner als beim ersten Mal. Mit weniger Geld- und Zeitaufwand als beim Straßen-Team – sodass es neben der regulären Arbeit noch zu leisten ist. Ein Cyclocross-Team. Die Cross-Saison ist relativ kurz: Sie dauert in der Regel nur von September bis März.

Die Teams sind deutlich kleiner und weniger heterogen zusammengesetzt: Statt Allrounder und Spezialisten wie Berg- oder Zeitfahrer und Sprinter zu einer schlagkräftigen Equipe zu formen, gibt es bei Querfeldeinrennen nur einen Fahrertyp. Es gibt weniger Teamtaktik – und weniger Aufwand.

Schon während der Fahrt zurück nach Franken beginnt Grischa Janorschke zu recherchieren und zu planen: Wie ließe sich so etwas aufbauen und organisieren, wie sollte das Team aussehen, auf welche Mechaniker könnte man zurückgreifen, welche Sponsoren wären für das Projekt zu begeistern, wie groß müsste das Budget sein? Durch den Corona-Lockdown hat der 33-jährige Wahlfranke viel Zeit, um aus einer fixen Idee ein tragfähiges Konzept zu entwickeln.

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Die Suche nach einem Sponsor für das erste deutsche Cyclocross-Team ist erfolgreich

Zusage

Als er wenige Tage später in Waldershof bei den Verantwortlichen des Rad-Herstellers Cube ist, um zu fragen, ob diese sich ein Engagement als Radsponsor vorstellen könnten, erhält er sofort eine Zusage. „Das Konzept eines Cyclocross-Nachwuchsteams klang für uns auf Anhieb interessant“, sagt Marie Korzen von Cube. Denn es braucht „eine breite Basis, um diesen Sport nach vorne zu bringen. Gepaart mit der regionalen Komponente war es für uns ein durchweg stimmiges Konzept mit einer sehr guten Perspektive.“

Für das Projekt wird diese Zusage zu einer Initialzündung. Die Sponsorensuche verläuft generell überraschend. Überraschend „einfach“. Dank der „alten“ Kontakte aus den Zeiten des Herrmann-Radteams. „Alle haben sich darüber gefreut, dass es ein halbes Jahr nach der Auflösung des Straßenradteams schon wieder weitergeht“, sagt Stefan Herrmann.

Talent-Entwicklung

Dass sie mit ihrem Projekt, eine U23-Mannschaft im Cyclocross auf nationaler wie internationaler Ebene zu etablieren, in Deutschland zunächst primär „Basisarbeit“ leisten müssen, ist allen Beteiligten klar.

Denn Querfeldein-Rennen verlaufen in der Regel weitab des „Mainstreams“ – sie sind in einer kleinen Nische. Trotz ihrer Attraktivität. Cross-Rennen sind kurz, schnell, hart, spektakulär. Und damit potenziell absolut fernseh- und publikumstauglich. Doch medial wird dieser Sport weitgehend ignoriert.

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Gravelbikes überholen Cyclocross-Räder

Auch innerhalb des Radsports wurde das Cross-Rad von einer neueren „Rad-Gattung“ überholt: Gravelbikes. Diese sind ähnlich geländetauglich, aber komfortabler und langstrecken-orientierter. Gravel boomt. Vieles spricht gegen den Erfolg eines neuen Cross-Teams – gerade in Deutschland. Doch für Hermann und Janorschke stand fest: Wenn, dann richtig.

Ergo: Wenn sie ein Team gründen, dann eines mit einer klaren Perspektive. „Wir sind davon überzeugt, dass der Crosssport in Deutschland eine Zukunft hat“, sagt Janorschke. „Deshalb wollen wir in zwei, drei Jahren den einen oder anderen Fahrer bei Weltcup-Rennen in die Top Ten bringen. Auf nationaler Ebene wollen wir die Rennserie gewinnen.“

Die ersten Ergebnisse des neuen Teams zeigen, dass die Richtung stimmt: Bei den ersten beiden Bundesliga-Rennen fuhr Judith Krahl zweimal auf den vierten Platz im Elite-Feld – was zweimal den Sieg bei den U23-Fahrerinnen bedeutete. Bei den Herren fuhren Pascal Tömke, Lukas Herrmann, Florian Hamm und Matteo Oberteicher bereits in die Top Ten. Herrmann wurde sogar einmal Gesamt-Dritter und holte sich damit den Sieg in der U23-Wertung.

Zusammenstellung der Mannschaft

Bei der Zusammenstellung der Mannschaft war den Verantwortlichen von Anfang an klar, dass sie den Fokus auf Talente legen werden. Das zunächst auf drei Jahre konzipierte Team Schamel will dem deutschen Cyclocross-Nachwuchs eine möglichst „umfassende, professionelle Plattform zur Verfügung stellen“, sagt der Teammanager Grischa Janorschke, „von der aus sie sich dann weiterentwickeln können.“ Dementsprechend habe man bei der Auswahl der Fahrer nicht nur ihre bisherige sportliche Laufbahn berücksichtigt, sondern auch ihr Potential.

Und: Ihre Leistungsdaten nach einer obligatorischen Leistungsdiagnostik. Die körperliche Leistungsfähigkeit war allerdings nur ein Element. Weitere wichtige Faktoren bei der Auswahl der Fahrer waren die schulische beziehungsweise berufliche Situation und die Zukunfts-Pläne jedes Einzelnen. Bei der offiziellen Teamvorstellung Mitte September im mittelfränkischen Baiersdorf präsentierten die Verantwortlichen eine Mischung aus jüngeren und erfahreneren Fahrern, Spezialisten und Quereinsteigern.

Dass Radfahren nicht gleich Radfahren ist, ist offensichtlich. Cyclocross ist anders: Anders als auf der Straße ziehen sich die Rennen im Gelände nicht über Stunden und teils hunderte Kilometer hin. Auch Dinge wie das „gemächliche“ Einrollen auf den ersten Kilometern entfallen. Cross bedeutet: Antritte, Fahren im roten Bereich, Laktatschmerz, Fahrtechnik, Abspringen, Treppen hochsprinten, Aufspringen. Die Rennen sind kurz und hochintensiv.

Cyclocross, Team, Technik, Training

„Es ist etwas ganz anderes, ob man 400 Watt auf Asphalt fährt oder ob man mit 400 Watt durch einen rutschigen schlammigen Acker pflügt. Die Kraft dort übertragen zu bekommen – das muss man können.“

Das Cyclocross-Training

Besondere Herausforderungen erfordern besondere Vorbereitungen. Dementsprechend fällt das Training der Cross-Spezialisten aus: Meist eher kurz – und intensiv. Das Stichwort lautet: Intervalle. Die Basis, die Ausdauer, wird während der Straßen-Saison gelegt. „Im Sommer wird die Saison gemacht“, sagt Matteo Oberteicher. „Ich fahre viel im Grundlagen-Bereich und schiebe ab Ende April, Anfang Mai alle zwei Wochen ein Straßenrennen ein.“

Die Vorbereitung auf die Wintersaison leitet der 19-Jährige dann ab Mitte Juni ein, indem er alle vier Woche eine Woche einstreut, in der er neben den normalen Grundlageneinheiten den Fokus auf das Fahren im Gelände legt. „Zum Ende des Sommers, Ende Juli oder Anfang August, gehe ich eher bei kurzen Rennen, Kriterien, an den Start, um mir dort die für das Cross nötige Laktattoleranz und  Spritzigkeit zu holen.“

Je näher die Cyclocross-Saison kommt, desto spezifischer wird das Training. Zum Beispiel wird die Startphase extra trainiert – mit Intervallen. „Am Start gewinnt man kein Rennen, aber man kann es schon verlieren“, sagt Jasper Pahlke. „Ein guter Start spart viele Kräfte, weil man verlorene Positionen nicht mühsam aufholen muss.“

Eine der wichtigsten Fähigkeiten für Cross-Rennen ist das, was auch die Weltklasse-Profis Julian Alaphilippe und Mathieu van der Poel heute noch auszeichnet: explosiv zu beschleunigen.

Die Intervalleinheiten von Crossfahrern werden oft kürzer als im Straßenradsport gestaltet. Häufig angewandt werden etwa HIIT-Einheiten, das High-Intensity-Intervall-Training. 30/30- oder 40/20-Blöcke etwa. Auf 30- beziehungsweise 40 Sekunden einer quasi maximalen Belastung folgt eine kurze unvollständige aktive Pause. „Oder man fährt drei Minuten lang im Entwicklungsbereich und absolviert dabei je nach eineinhalb Minuten einen Zehn-Sekunden-Sprint“, sagt Lukas Herrmann. „Um das Unrythmische reinzubringen, das für Querfeldein-Wettkämpfe charakteristisch ist.“ Und: „Es ist natürlich etwas anderes, ob du 400 Watt auf der geraden, ebenen Fläche fährst oder ob du mit 400 Watt durch einen rutschigen schlammigen Acker pflügst. Die Kraft dort übertragen zu bekommen – das muss man natürlich auch können.“

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Das ist Cyclocross

100 Prozent

Auch Matteo Oberteicher setzt im Cross-Training auf reduzierte Umfänge und dafür kürzere und intensivere Einheiten mit harten Intervallen auf der Straße, teilweise auch im Gelände: „All-Out ist einmal pro Woche im Cross Pflicht.“

Bei Florian Hamm sieht eine typische Cross-Intervall-Einheit in etwa so aus: „Zuerst 40 bis 50 Minuten lang im Grundlagen-Bereich warmfahren, dann zwei Sätze mit jeweils sechs Intervallen im Entwicklungsbereich über je sechs Minuten, in die man mit einem kurzen, fünf bis zehn Sekunden langen Sprint einsteigt. Die Pause zwischen den Intervallen gestaltet man in etwa so lange wie die Belastung, die Pause zwischen den Sätzen dauert dann circa 15 Minuten im Kompensationsbereich.“

Ein weiterer Erfolgsfaktor – im Cross, aber auch auf dem Rennrad – heißt: Fahrtechnik. „Die meiste Zeit auf einer Cross-Runde kann man in den technischen Abschnitten gewinnen oder verlieren“, sagt Matteo Oberteicher. Springt man über die Hürden oder muss man absteigen? Wie schnell kommt man aus dem und wieder in den Sattel? Wie sicher kann man, während des Treppen-Hinauf-Sprintens, sein Rad tragen? Wie schnell traut man sich, eine rutschige steile Abfahrt oder eine sehr enge Kurve zu nehmen? All dies muss extra trainiert werden. All diese Fähigkeiten machen sich auch abseits von Cross-Rennen – auf dem Rad, auf jedem Untergrund – bezahlt. Denn sie bringen: gefühlte Sicherheit.

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Die richtige Technik ist beim Cyclocross entscheidend

Technik-Training

Das Technik-Training: „Zum Aufwärmen einfach eine Viertelstunde auf- und absteigen trainieren, das Rad schultern et cetera. Was man dauerhaft trainieren sollte, ist das Kurvenfahren: Eine gute Kurve fährt man, wenn man in einer Linie mit dem Fahrrad bleibt. Wenn man die Kurve nicht durchtreten kann, dann versucht man, das äußere Bein und den äußeren Arm Richtung Boden zu drücken, damit die Reifen eine gute Haftung behalten. Man fährt von außen in den Scheitelpunkt hinein und danach hoch hinaus, sodass man die gesamte Fahrbahnbreite nutzen kann. Mir hilft es, wenn ich währenddessen Richtung Kurvenaußenseite schaue.“ So Matteo Oberteicher. „Wenn man in einem Straßenrennen eine Kurve einmal nicht optimal erwischt, gibt es vielleicht danach eine kleine Lücke. Tritt man kurz ein paar Watt mehr, ist die schnell wieder zugefahren. Im Gelände ist das ganz anders. Wenn es dort auch noch matschig ist und es viele Spuren gibt, dann rächt sich das beim Crossen sofort. Dann kann es passieren, dass man die Kurve gar nicht bekommt und die nächsten drei Fahrer innen vorbei sind. Oder man fährt schon zu Beginn zu weit außen, kommt also gar nicht richtig in die Kurve rein oder bleibt sogar im Gitter hängen.“

Was macht einen guten Cyclocross-Fahrer aus? Das, was auch einen sehr guten Rennradfahrer ausmacht, im Idealfall: Rad- und Körpergefühl, eine sehr gute Fahrtechnik, Tempohärte, Explosivität, eine hohe Laktattoleranz. Plus: Kälte- sowie Matschresistenz – und mentale Stärke.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 3/2021. Hier gibt es eine Übersicht über die Inhalte der Ausgabe.


Die Disziplin: Cyclocross

Cyclocross ist eine „alte“ Radsport-Disziplin. Die ersten Rennen wurden um 1900 ausgetragen. Sie finden in der Regel – sehr zuschauerfreundlich – auf einem 2,5 bis 3,5 Kilometer langen Rundkurs statt. Feste Renndistanzen gibt es im Querfeldein-Bereich nicht.

Stattdessen wird bei jedem Wettkampf die genaue Renndauer neu ermittelt: Der Maßstab sind die ersten beiden Runden des schnellsten Fahrers. Davon ausgehend wird die Zahl der zu fahrenden Runden festgelegt, sodass die Dauer möglichst nahe an die für die einzelnen Klassen festgelegten Werte heranreicht.

Für die Herren-Elite soll die Renndauer laut UCI-Regelwert 60 Minuten betragen, bei den U23-Herren sowie der Frauen-Elite sind es 50 Minuten. Im U23-Bereich der Frauen geht ein Rennen über 40 Minuten. Die Wettkampfstrecken müssen laut dem UCI-Regelwerk zu mindestens 90 Prozent fahrbar und so angelegt sein, dass immer wieder Wechsel im Rennrhythmus provoziert werden. Zudem müssen sie grundsätzlich „aus Straßen, Feld- und Waldwegen sowie aus Wiesen bestehen.“ Dementsprechend wechselhaft ist die Bodenbeschaffenheit – von Sand und Schlamm über Asphalt bis hin zu Wurzeln und Gras.

Gleichzeitig dürfen laut Reglement bis zu sechs künstliche Hindernisse auf der Strecke platziert werden, an denen die Fahrer zum Absteigen – oder zum Bunnyhop, dem Springen – gezwungen sind. Dabei kann es sich laut UCI um Planken, Stufen, Treppen oder künstliche, bis zu 80 Meter lange Sandpassagen handeln.

Nahrungsergänzungen und Leistung: Leucin, Omega-3, Vitamin D, Kreatin

Nahrungsergänzungen, Leucin, Omega-3, Vitamin D, Kreatin

Athleten sind anders – sie verbrauchen, und brauchen, mehr Kalorien, mehr Mikronährstoffe, mehr Kohlenhydrate, mehr Proteine, oder? Welche Rolle spielt die Ernährung? Welche das Alter eines Sportlers? Lebensmittel, Zusammensetzungen und Nahrungsergänzungen, Leistungs- und Gesundheits-Effekte – Antworten und Einblicke.

Proteine sind für viele Prozesse des Körpers entscheidend. So etwa für Reparaturprozesse nach dem Sport – und das Wachstum sowie den Erhalt der Skelettmuskulatur. Die aktuell empfohlene Protein-Menge für Erwachsene, pro Tag: 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Doch bei Sportlern ist diese erhöht.

Ging man einst davon aus, dass dies nur, beziehungsweise vor allem Kraftsportler beträfe, weiß man längst: Auch Ausdauerathleten haben einen erhöhten Eiweißbedarf – die Empfehlungen beziehungsweise Studienergebnisse variieren hier zwischen 1,4 und 2,2 Gramm pro Tag und Kilogramm.

Ein weiterer, oft unterschätzter Faktor, der diesen Bedarf beeinflusst, ist: das Alter. Ältere Athleten benötigen in der Regel mehr Eiweiß als jüngere. Der Grund: In jüngerer Zeit konnte gezeigt werden, dass mit einem zunehmenden Alter die Aminosäureabsorptions-Raten sinken.

Dieser Artikel erschien in der RennRad 3/2021. Hier gibt es alle Inhalte im Überblick.

Proteine und Muskeln

Bereits vor dem vierten Lebensjahrzehnt nimmt die Skelettmuskelmasse deutlich ab – man spricht bei diesem Prozess von der „Sarkopenie“ – und damit auch die Kraft. Mit Raten von rund 0,8 bis einem beziehungsweise rund 2,3 Prozent pro Jahr. Die Muskeln atrophieren. Vor allem Muskelfasern des Typs II werden abgebaut.

Das wirksamste „Gegenmittel“: Krafttraining. Etliche Studien zeigten, dass man den altersbedingten Muskelabbau aufhalten – und teils sogar rückgängig machen – kann. So wurde etwa gezeigt, dass ein 13-wöchiges Krafttrainings-Programm bei Männern zwischen 60 und 73 Jahren selbst die Faserquerschnittsflächen der von der Sarkopenie stark betroffenen Typ-II-Muskelfasern signifikant erhöhen konnte.

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Aktuelle Studien

Im Zuge aktueller Studien wurden auch die für ältere Menschen empfohlenen Nährstoffmengen angepasst. So lautet die Angabe der European Society for Clinical Nutrition and Metabolism: 1,0 bis 1,5 Gramm Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. Diese Zahlen wurden von mehreren Isotopen-Tracer-Untersuchungen bestätigt – die eine für die Muskel-Protein-Synthese bei Älteren nötige Menge von 1,2 Gramm pro Kilogramm und Tag nachwiesen.

So zeigten Kim, Schutzler, Schrader et al. in ihrer Studie aus 2014, dass die Synthese-Rate bei älteren Erwachsenen, die mit 1,5 Gramm pro Kilogramm und Tag fast die doppelte Menge Eiweiß wie von der offiziellen Empfehlung vorgesehen, zu sich nahmen, signifikant höher war als bei Probanden, die „nur“ 0,8 Gramm/Kilogramm/Tag einnahmen.

Die myofibrilläre Proteinsynthese bei älteren Männern stand im Fokus einer aktuellen, 2019 im „Journal of Nutrition“ veröffentlichten Studie.

Die Forscher untersuchten die Effekte im Körper ihrer Probanden nach einer einzigen Krafttrainings-Einheit – je nach der Einnahme von null, 15, 30 oder 45 Gramm Whey-Protein. Das Ergebnis: Es war eine Zufuhr von mehr als 30 Gramm Milchprotein notwendig, um die Proteinsynthese maximal zu stimulieren.


Nahrungsergänzungen im Fokus: Leucin

Dieses Whey- beziehungsweise Molkenprotein gilt als „Gold-Standard“ unter den Eiweißquellen. Auch aufgrund seines hohen Leucinanteils. Diese Aminosäure zählt zu den sogenannten Branched Chain Amino Acids, den BCAAs. Eine große Metaanalyse der University of Alabama kam 2019 zu dem Ergebnis, dass die Zufuhr von verzweigtkettigen Aminosäuren, den BCAAs, im Anschluss an eine Trainingseinheit die Auswirkungen von Muskelkater- oder Muskelschmerzen erheblich reduzieren kann. Als besonders wirksame Aminosäure hat sich dabei Leucin erwiesen.

Katsanos, Kobayashi et al. zeigten bereits 2006 in ihrer Studie, dass der Leucin-Gehalt von Protein-Mischungen die Proteinsynthese in älteren Probanden stark beeinflusst. Sie ließen die Studien-Teilnehmer je 6,7 Gramm Protein mit unterschiedlichen Aminosäure-Profilen einnehmen. Die eine Mischung enthielt 26 Prozent beziehungsweise 1,7 Gramm Leucin – die andere 41 Prozent beziehungsweise 2,7 Gramm Leucin.

Nur diese hochdosierte Leucin-Mischung führte zu einer über dem Ausgangswert liegenden Syntheserate. In einer kleinen Studie aus 2005 untersuchten Crowe et al. die Leistungseffekte einer vierwöchigen Leucin-Supplementation an hochtrainierten Kanuten.

Leucin und der Effekt

Die Ergebnisse: Die Gabe von täglich 45 Milligramm Leucin pro Kilogramm Gewicht führte – verglichen mit einem Placebo – bei den untersuchten Kanuten nach vier Wochen zu einer signifikant erhöhten Kraftleistung, einer schnelleren Ruderzeit und einer geringeren Anstrengungsrate. In einer Studie aus 2011 fand Pasiakos einen positiven Zusammenhang zwischen dem Leucin-Anteil eines Post-Trainings-Getränks nach einer Einheit auf dem Fahrrad-Ergometer und der Muskelprotein-Synthese.

Insgesamt sind die Studien-Ergebnisse zu Leistungseffekten von BCAA- und Leucin-Gaben jedoch inkonsistent. Zu den hochwertigen Proteinquellen natürlichen Ursprungs zählen etwa Eier, Fleisch und Fisch. Hochwertiges pflanzliches Eiweiß, inklusive Arginin, findet man zum Beispiel in Sojaprotein, Quinoa, Nüssen oder Hülsenfrüchten wie Kichererbsen und Bohnen.

Nahrungsergänzungen, Leucin, Omega-3, Vitamin D, Kreatin

Welche Nahrungsergänzungen haben welchen Effekt? Wir geben Einblicke


Nahrungsergänzungen im Fokus: Omega-3

In vielen Blogs, Videos, Fitness-Magazinen und Online-Shops werden sie als Quasi-Wundermittel gepriesen: Omega-3-Fettsäuren – oft in Form von Fischöl-Kapseln. Die biologisch aktivsten Fettsäuren sind: die Eicosapentaensäure (EPA) und die Docosahexaensäure (DHA). Beide besitzen entzündungshemmende Eigenschaften. Zudem konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass sie die Proteinkinase-Aktivität erhöhen und die „Empfindlichkeit“ der Mitochondrien, der „Kraftwerke der Zellen“ gegenüber ATP verbessern können.

Smith und seine Kollegen zeigten bei älteren Erwachsenen, dass eine tägliche Supplementation mit EPA – von 1,86 Gramm pro Tag – und DHA – 1,50 Gramm pro Tag – über acht Wochen hinweg die Muskel-Proteinsynthese bei einer konstanten Eiweiß-Einnahme erhöhte. Aber: Bisher haben längerfristige Studien widersprüchliche Ergebnisse erbracht. So fanden Lee et al. in ihrer Studie an gesunden älteren Erwachsenen nach einer zwölf-wöchigen Omega-3-Gabe keine Steigerungen der Muskelkraft oder Verbesserungen der körperlichen Funktionen.


Nahrungsergänzungen im Fokus: Vitamin D

Vitamin D wird in der Haut synthetisiert – wenn diese Sonnenlicht ausgesetzt wird. Es unterstützt die Knochen-, Nieren-, Darm- und Muskelfunktion. Nach der Synthese gelangt es in den Blutkreislauf und wird von der Leber und der Niere verstoffwechselt. Vitamin-D-Mangel gilt in West- beziehungsweise Nord-Europa als weitverbreitet – gerade in den Herbst- und Wintermonaten. In Deutschland soll ein Drittel  der Bevölkerung zu niedrige Vitamin-D-Level aufweisen.

Ältere Menschen haben ein erhöhtes Risiko eines solchen Mangels. In mehreren Studien wurde gezeigt, dass die Beeinträchtigung der Vitamin-D-Synthese bei Älteren zu einem Fortschreiten der Sarkopenie und zu einem erhöhten Sturz- und Frakturrisiko beitragen kann. Beobachtungsstudien deuteten auf einen positiven Zusammenhang zwischen Vitamin D und der Muskelfunktion hin.

Jedoch sind auch hier sich widersprechende Untersuchungsergebnisse zu beobachten. So zeigten sich in einer Studie von Shea et al. nach einem Jahr keine Unterschiede zwischen jenen älteren Probanden, die mit Vitamin D und jenen, die mit einem Placebo supplementiert wurden – hinsichtlich der fettfreien Masse und der Muskelkraft.


Nahrungsergänzungen im Fokus: Kreatin

Kreatin ist eine natürlich vorkommende, stickstoffhaltige organische Säure, die sich aus Methionin, Arginin und Glycin zusammensetzt. Kreatin findet sich in vielen Körpergeweben, aber vorwiegend – zu rund 95 Prozent – in den Skelettmuskeln als Phosphokreatin oder freies Kreatin. Kreatin spielt eine integrale Rolle bei der „Energiegewinnung“ des Organismus. Etwa bei der Übertragung, der Produktion und der Regeneration von Adenosintriphosphat (ATP).

Die Kreatin-Supplementierung soll unter anderem als  Energiepuffer wirken. Ein bis zwei Gramm des im Muskel gespeicherten Kreatins werden täglich in Kreatinin umgewandelt und gehen durch die Urinausscheidung verloren. Da der Skelettmuskel keine Fähigkeit zur Biosynthese von Kreatin besitzt, muss Kreatin endogen durch die Neu-Synthese durch Nieren und Leber oder exogen – durch die Aufnahme kreatin-haltiger Nahrung wie etwa Fleisch oder Fisch – gewonnen werden. Unter vielen Athleten – gerade unter Kraftsportlern – ist die Kreatin-Supplementation längst Usus.

Auf eine „Loading-Phase“ mit rund fünf Gramm Kreatinmonohydrat viermal täglich über fünf bis sieben Tage folgt in der Regel eine „Erhaltungsdosis“ von drei bis fünf Gramm pro Tag. Die Kombination mit Makronährstoffen – Kohlenhydraten oder Kohlenhydraten und Proteinen – kann eine stärkere Muskelkreatinretention fördern, wie mehrere Studien gezeigt haben.

Vorteile einer Kreatin-Supplementierung

Die Vorteile einer Kreatin-Supplementierung bei jungen, gesunden Probanden sind gut dokumentiert. Insbesondere hat sich gezeigt, dass Kreatin die Leistung bei sich wiederholenden, explosiven Aufgaben wie Sprints und Schnellkraft-Belastungen steigern kann. Zudem finden sich positive Korrelationen mit einer erhöhten fettfreien Körpermasse.

In zwei großen Metaanalysen – Chilibeck et al. 2017 und Devries et al. 2014 – konstatierten die Autoren: Eine Kreatin-Supplementierung führt zu einer erhöhten fettfreien Gewebemasse – im Durchschnitt kam es zu einer „Verbesserung“ von rund 1,5 Kilogramm – und zu einer erhöhten Muskelkraft des Ober- und Unterkörpers, wenn sie parallel mit einem mindestens sechs-wöchigen Krafttrainingsprogramm durchgeführt wird – im Vergleich zu einem solchen Programm ohne die zusätzliche Kreatin-Einnahmen.

Auch für Ausdauer-Athleten finden sich in mehreren Studien positive Leistungseffekte der Supplementation. Jedoch sind die Stichproben-Größen jener Untersuchungen meist sehr klein – und andere Ergebnisse suggerieren, dass es noch zu früh für ein abschließendes Fazit ist. Zudem gilt es, gerade für Straßen-Radsportler, einen Nachteil der Kreatin-Einnahme zu beachten: Die vermehrte Wassereinlagerung in den Muskeln – und damit ein erhöhtes Körpergewicht.

L-Arginin: Effekte der Aminosäure für die Ausdauerleistung


Natürlich fitter

Gewürze, Kräuter & mehr – und ihre Effekte. Die alltägliche Ernährung kann viel bewirken. Viele müssen sich dessen nur bewusst werden. Für eine gesunde Ernährung braucht es in der Regel weder Pillen noch sogenannte „Superfoods“.

Ein anschauliches Beispiel: Chili. Chili senkt das Schmerzempfinden und Entzündungen. Plus: Chili kurbelt den Fettstoffwechsel an.

In einer 2018 veröffentlichten Studie bekamen 75 Probanden entweder täglich vier Milligramm Capsaicin oder ein Placebo-Produkt. Das Resultat nach der zwölfwöchigen Behandlung: Die Gruppe der Probanden, die regelmäßig das im Chili enthaltene Capsaicin einnahm, verlor im Durchschnitt fast sechs Prozent Körperfett. Regeneration, Stoffwechsel, Entzündungen, Abnehmen – die Effekte der Ernährung.

L-Arginin: Effekte der Aminosäure für Ausdauersportler

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L-Arginin ist eine Aminosäure und als solche – in Kombination mit weiteren Eiweißbausteinen – an zahlreichen Prozessen im Körper beteiligt. Das Besondere: L-Arginin gilt als semiessentielle Aminosäure. Das heißt: Der Körper – außer der von Kindern – kann sie selbst herstellen.

Jedoch gilt es, auch auf eine ausreichende Zufuhr über die Nahrung zu achten. Zu den guten L-Arginin-Lieferanten zählen vor allem eiweißreiche Lebensmittel wie etwa Hülsenfrüchte.

L-Arginin hat aber noch eine weitere Funktion, wie Uwe Schröder, Ernährungswissenschaftler am Deutschen Institut für Sporternährung in Bad Nauheim, bilanziert: „Seit relativ kurzer Zeit ist bekannt, dass L-Arginin eine Vorstufe von Stickstoffmonoxid ist. Dieses ist in der Lage, die Gefäßspannung zu vermindern und die Adern zu erweitern.“

Bei Bluthochdruckpatienten findet isoliertes L-Arginin daher Anwendung, da es für einen besseren Blutfluss sorgt. Eine Eigenschaft, die auch für Ausdauersportler sehr interessant sein könnte.

Die Effekte von L-Arginin

„Es gibt Hinweise darauf, dass bei einer Einnahme über einen längeren Zeitraum der Blutfluss so stark verbessert wird, dass es leistungsrelevant ist“, sagt Schröder. Er sieht damit den Nutzen von L-Arginin-Supplementen für Ausdauersportler als noch größer als für Bodybuilder. Warum? „Weil es im Ausdauer-Sport noch stärker um den Abtransport von Stoffwechselendprodukten – und den Antransport von Nährstoffen und Sauerstoff – vom beziehungsweise zum Muskel geht.“

Auch das Belastungs- beziehungsweise Anstrengungsempfinden wird, mehreren Studien zufolge, positiv beeinflusst. Da ab etwa einem Alter von Mitte 30, Anfang 40 die Eigenproduktion von L-Arginin abnimmt, kann die Einnahme darüber hinaus vor allem für leistungsorientierte Sportler in fortgeschrittenem Alter sinnvoll sein.

Auch positive Leistungseffekte bezüglich Krafttrainingseinheiten wurden bestätigt. Der Grund dafür soll vor allem in dem verbesserten Blutfluss – und der damit gesteigerten Regenerationsfähigkeit zwischen den Sätzen – liegen.

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Forschung noch am Anfang

Aber: Die Forschung zu diesen Effekten steht noch am Anfang. Zwar haben mehrere Studien die angeführten positiven Effekte bestätigt, sagt Schröder. Doch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA – die oberste Instanz, wenn es darum geht zu entscheiden, welche Effekte etwa in der Werbung einem Lebensmittel oder einer Substanz zugeschrieben werden dürfen – hat bislang alle dahingehenden Anträge abgelehnt.

Dennoch empfiehlt Schröder, die Einnahme von L-Arginin über zehn oder 14 Tage auszuprobieren, um die Effekte auf die eigenen Trainings-Leistungen zu testen. Isoliertes L-Arginin, etwa in Kapselform, braucht es dazu jedoch nicht.

Verstärken lässt sich die „Wirkung“ der Aminosäure durch die Kombination mit Citrullin, das ähnliche Eigenschaften besitzt. Manche Präparate beinhalten bereits beide Stoffe. Da der Abbau von Eiweißen immer in der Niere geschieht, ist Nierenpatienten von solchen Experimenten abzuraten. Und generell gilt, dass eine ausreichende Nährstoffzufuhr – auch für Top-Athleten – durch eine ausgewogene „normale“ Ernährung gewährleistet werden kann.

Nahrungsergänzungen: Leucin, Omega-3, Vitamin D und Kreatin im Fokus

Hähnchen-Wraps mit Mango-Chutney: Rezept vom Team Bora-Hansgrohe

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Wer hätte gedacht, dass Wraps so leicht selbst zu machen sind? Mit der fruchtig-frischen Hähnchen-Füllung sind sie noch dazu gesund und lecker: ein idealer leichter Snack, um zum Beispiel den ersten Hunger nach einer langen Trainingsfahrt zu stillen. Die

Wraps und die Zitronen-Crème-Fraîche sind die Basis. Bei der Füllung kann man auch kreativ werden: Für eine vegetarische Variante einfach das Hähnchen durch Tofu ersetzen.

Hähnchen-Wraps mit Mango-Chutney: Die Zubereitung

  • Mehl, Joghurt, Salz, Muskatnuss und 150 Milliliter Wasser zu einem Teig verarbeiten, portionieren und auf einer bemehlten Arbeitsfläche dünn ausrollen. Die Wraps anschließend ohne Fett von jeder Seite etwa ein bis zwei Minuten lang grillen.
  • Schale und Saft einer Zitrone mit der Crème-Fraîche verrühren und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Die Crème-Fraîche beiseite stellen.
  • Die Hähnchenbrustfilets in Streifen schneiden und in der Pfanne etwa sechs Minuten lang von allen Seiten scharf anbraten, dann mit Salz, Pfeffer und Currypulver würzen, mit dem Zitronensaft übergießen und zehn Minuten lang ohne Hitze ruhen lassen. Dann einen Esslöffel Zitronen-Crème-Fraîche hinzugeben und verrühren.
  • Den Schafskäse fein zerbröseln und mit Tomaten, Radieschen, Eisbergsalat und Mango-Chutney vermischen. Mit Salz und Pfeffer würzen.
  • Die Wraps füllen. Dazu auf die Mitte der Wraps je einen Teelöffel Zitronen-Crème-Fraîche geben und verteilen, den Feta-Salat und die Hähnchenstreifen darauf geben, aber das Ganze nicht überfüllen. Die Wraps zusammenklappen. Fertig.
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Hähnchen-Wraps mit Mango-Chutney: Bio-Zutaten für vier Personen

Für die Wraps:

  • 400 Gramm Dinkelmehl
  • 110 Gramm Joghurt
  • 1 TL Salz
  • Frisch geriebene Muskatnuss
  • Für die Zitronen-Crème-Fraîche:
  • 1 Bio-Zitrone
  • 150 Gramm Crème Fraîche
  • Meersalz und Pfeffer

Für die Füllung:

  • 350 Gramm Hähnchenbrustfilet
  • 1 EL Kokosöl
  • Meersalz und Pfeffer
  • 1 TL Currypulver
  • Eine halbe Zitrone
  • 150 Gramm Schafskäse
  • 2 Tomaten, gewürfelt
  • 4 Radieschen, gewürfelt
  • Ein halber Eisbergsalat
  • 4 EL Mango-Chutney

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