Monat: August 2020

Mentaltraining: Die Bedeutung der Psyche für die Leistung

Mentaltraining, Leistung, Psyche

„Radsportler leben mit Schmerz. Wer keinen Schmerz aushält, wird nichts gewinnen. Es gewinnt der, der am meisten leiden kann.“ Dieses Zitat stammt von Eddy Merckx, dem erfolgreichsten Radsportler aller Zeiten. Jahrzehnte nach seinen großen Erfolgen sind die Trainingsmethoden im Profi-Radsport immer professioneller und wissenschaftlicher geworden – die körperliche Leistungsfähigkeit scheint immer häufiger ausgereizt zu werden. Was gleichgeblieben ist: Radsportler müssen große Schmerzen ertragen, sich überwinden, um zu siegen. Dafür ist auch mentale Stärke nötig – und auch diese kann man trainieren. Das Mentaltraining hat als Komponente des leistungsorientierten Trainings in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen – nicht nur, um im Wettkampf die volle Leistung abrufen zu können, sondern auch in Trainingsphasen.

In vielen Sportarten setzen die Spitzenathleten auf die Bedeutung der mentalen Stärke. Auch im Radsport arbeiten immer mehr Fahrer und Teams mit Mentaltrainern zusammen.

Körper und Psyche

Im Radsport geht es häufig vor allem darum, den Körper an seine Grenzen zu treiben und sich mental dazu zu bringen, so große Schmerzen wie möglich aushalten zu können. Doch irgendwann erreicht man den Punkt, an dem die Leistung nicht mehr weiter aufrechterhalten werden kann. Die Erschöpfung ist zu groß, nichts geht mehr – scheinbar.

Im Ausdauersport ist die Fähigkeit, eine hochintensive Belastung möglichst lange aufrechtzuerhalten, einer der wesentlichen leistungsbegrenzenden Faktoren. Durch die Belastung schreitet die Ermüdung mit der Zeit immer weiter fort. Lange Zeit wurde angenommen, dass der Körper hierbei der wesentliche begrenzende Faktor ist.

RennRad 8/2020, Banner, Heftinhalt

Leichte Rennräder, Laufräder und Trikots im Test, dazu die besten Alpenpässe und Trainingstipps: Die RennRad 8/2020 jetzt als E-Paper oder Printmagazin im Shop bestellen!

Mentaltraining für eine höhere Leistungsbereitschaft des Körpers

Die Folgerung: Der Körper muss durch Training zu einer höheren Leistungsbereitschaft getrieben werden. Das ist auch richtig – erklärt die Leistungsfähigkeit jedoch nicht vollständig.

Forscher des Instituts für Sportwissenschaft der Christian-Albrechts-Universität Kiel veröffentlichten Anfang dieses Jahres eine Studie mit dem Titel „Ermüdung im Radsport: Der Kopf will, aber die Beine können nicht – oder umgekehrt?!?“ Darin wollten sie ergründen, welcher Faktor ausschlaggebend für den Belastungsabbruch bei hochintensiven Belastungen ist – etwa bei intensiven Intervallen oberhalb der anaeroben Schwelle.

Die Testpersonen, neun gut trainierte Radsportler und Triathleten, sollten einen Dauerbelastungstest auf dem Ergometer bis zur vollständigen Erschöpfung absolvieren. Zuvor sollten sie einen Maximal-Sprint-Frequenz-Test durchlaufen. Während der Dauerbelastung wurden sie regelmäßig befragt, wie sie die Belastung empfinden. Direkt nach dem Abbruch des Tests wurden die Probanden erneut dazu aufgefordert, einen Maximalsprint über die Dauer von fünf Sekunden durchzuführen.

Dieser Test sollte prüfen, ob die Probanden muskulär komplett ermüdet waren. Wenn ihr Körper, wie von den Probanden angegeben, zu diesem Zeitpunkt komplett erschöpft wäre, könnte auch für kurze Zeit keine hohe Leistung mehr abgerufen werden.

Mentaltraining, Leistung, Psyche

Welches Leistungspotenzial kann man durch gezieltes Mentaltraining freisetzen?

Ermüdung und Psyche

Vor dem Test wurde den Probanden nicht mitgeteilt, dass im Anschluss nochmals ein Sprinttest stattfinden würde. So sollte verhindert werden, dass die Sportler sich für den Sprinttest eine Leistungsreserve aufsparen. Die Auswertung ergab eine signifikante Leistungsabnahme zwischen dem ersten und dem zweiten Sprinttest.

Allerdings gab es eine signifikante Zunahme der Leistung im zweiten Sprinttest im Vergleich zum vorhergehenden Dauerbelastungstest. Das spricht dafür, dass das Gehirn die Leistung reguliert und auch Reserven vorhalten kann.

Zudem zeigten die Ergebnisse eine signifikante Korrelation zwischen dem Anstrengungsempfinden und der Dauer des Belastungstests. Je länger die Belastung dauerte, desto anstrengender empfanden die Probanden die Belastung. Im Sprinttest war demnach eine Leistungssteigerung festzustellen, obwohl die Probanden zuvor angegeben hatten, den Erschöpfungszustand erreicht zu haben.

Psychobiologisches Ermüdungsmodell

Das Modell der peripheren Ermüdung geht davon aus, dass die muskuläre Ermüdung der Grund für den Abbruch einer Leistung ist. Dieses Modell konnte als Erklärung hier nicht ausreichen. Erklären lassen sich diese und weitere Testergebnisse vielmehr mit dem psychobiologischen Ermüdungsmodell. In diesem wird der Belastungsabbruch als eine willentlich herbeigeführte bewusste Entscheidung angesehen.

Die Entscheidung, ob man die Belastung aufrechterhält oder abbricht, wird nach diesem Modell anhand folgender Einflussfaktoren getroffen: des Anstrengungsempfindens, der Motivation, der Kenntnis über die bereits zurückgelegte sowie die verbleibende Strecke und der Vorerfahrung beziehungsweise der Erinnerung an wahrgenommene Anstrengungen während ähnlicher Belastungen.

Die Schlussfolgerung lautet: Ein psychischer Abwägungsprozess entscheidet letztlich über den Belastungsabbruch. Der Körper und die Psyche bilden eine untrennbare Einheit. Nur wer psychisch dazu bereit ist, kann seine volle Leistung abrufen. Daraus ergibt sich auch, dass zahlreiche psychische Faktoren, wie etwa die Motivation, das Anstrengungsempfinden oder die eigenen vorhergehenden Erfahrungen, die Leistung beeinflussen. Diese psychischen Faktoren wiederum zu optimieren, ist ein wichtiges Ziel beim Mentaltraining.

RennRad 8/2020: Alle Inhalte der Ausgabe

Psychische Motivationsfaktoren

Auch zu den psychischen Motivationsfaktoren, mehr Leistung zu erbringen, gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse. Forscher der Universität Edge Hill etwa ließen trainierte Radsportler unter drei unterschiedlichen Bedingungen Ergometer-Tests fahren: Einmal sahen sie ihren virtuellen Avatar auf einem Bildschirm vor sich, einmal auch virtuelle Gegner und einmal war der Bildschirm schwarz.

Das Ergebnis: Die mit Abstand beste Leistung erbrachten die Athleten, wenn sie einen Gegner sahen, die schlechteste bei dunklem Monitor. Dann, so die Erklärung der Forscher, sei der Aufmerksamkeitsfokus am stärksten nach innen, auf sich selbst gerichtet. Die wahrgenommene Anstrengung bei der gleichen Leistung sei deutlich größer.

Mentaltraining, Leistung

Leistung geht über Schmerz – und mit gezieltem Mentaltraining ist es möglich, mehr Schmerz auszuhalten.

Schmerz und Leistung

Den Einfluss der mentalen Stärke auf die Radleistung untersuchten auch Forscher der britischen Universität Hull. Die Probanden füllten zunächst Fragebögen aus, anhand derer Ergebnisse sie in zwei Gruppen eingeteilt wurden: in eine mental starke und eine mental schwache Gruppe. Danach absolvierten sie halbstündige Rad-Einheiten mit verschiedenen Intensitäten auf dem Ergometer, während derer sie ihre Anstrengung bewerten mussten.

Ergebnis: Auf den unteren Intensitätsebenen waren keine Unterschiede festzustellen. Sobald es jedoch intensiv wurde – bei 70 Prozent der maximalen Sauerstoffaufnahme – gaben die mental starken Probanden hochsignifikant niedrigere Anstrengungsgrade an. Um den Ansatz des mentalen Trainings zu verstehen, unterscheidet man bei Gedankenprozessen häufig zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein. Das Bewusstsein wird auch als Logik oder Verstand bezeichnet.

Auf das Bewusstsein kann man aktiv zugreifen: Man nimmt Dinge wahr und bewertet diese, um daraus logische Schlüsse oder Entscheidungen zu treffen. Das Unterbewusstsein ist sehr viel „größer“. Dort sind alle Informationen gespeichert, die seit der Geburt aufgenommen wurden. Dies zeigen Beispiele aus der Hypnose, bei der sich Menschen wieder detailliert an Szenen aus ihrer Kindheit erinnerten, die sie zuvor im wachen „Normalzustand“ nicht wiedergeben konnten. Solche Informationen oder Prägungen werden vor allem in der Kindheit oder durch häufige Wiederholungen gespeichert und automatisiert.

R2C2, Banner

Der RennRad Cycling Club – Deine Leidenschaft. Dein Club. Jetzt alle Informationen einsehen!

Mentaltraining und Unterbewusstsein

Ungefähr 90 Prozent des Verhaltens werden durch das Unterbewusstsein gesteuert. Dies zeigt, wie groß dessen Bedeutung, wie wichtig der unterbewusste Teil ist. Hier setzt das Mentaltraining an. Denn dabei wird das Unterbewusstsein so umprogrammiert, dass daraus ein positiver Nutzen entstehen kann.

Das Unterbewusstsein speichert neben diesen Informationen auch viele Glaubenssätze, Ängste, negative Erlebnisse und Defizite, etwa hinsichtlich der Bereiche Selbstwert, Selbstliebe oder Selbstvertrauen. Diese können die Leistungsfähigkeit blockieren und von dem Erreichen der Ziele abhalten. Genau deshalb ist dieser Teil so wichtig. Will man „bewusst“ ein hohes Ziel erreichen, sollten zuvor negative Blockaden zunächst wahrgenommen und dann überwunden werden.

Doch auch für Nicht-Wettkampf-Athleten bietet die Sportpsychologie interessante Konzepte: Von dem „Sich-selbst-bewusst-Werden“. Von dem Erkennen negativer Einstellungen. Von dem idealen Gefühl auf dem Rennrad. Dem Einssein mit sich selbst. Dem Ausschalten aller Gedanken. Dem Fühlen des Körpers. Dem Glückshormon-Rausch. Dem Zustand, den sich so viele wünschen. Dem Zustand, den der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi entdeckte und ihm einen Namen gab: dem Flow.


Mentaltraining: Methoden

Das Visualisieren

Das Visualisieren ist eine Methode, um Ziele leichter erreichen zu können. Dabei stellt man sich das Ziel so vor, als hätte man es bereits erreicht. Dies erfolgt am besten in einem sehr entspannten Zustand, etwa vor dem Einschlafen, nach dem Aufstehen oder auch mithilfe von Meditationstechniken – dabei sinkt die Gehirnfrequenz, man spricht von der sogenannten Alpha-Phase. Außerdem ist es wichtig, in das Visualisieren viele konkrete, auf die vorgestellte Situation bezogene Emotionen und Details für eine möglichst lebhafte Vorstellung mit hineinzubringen.

Das kann man besonders gut erreichen, wenn alle fünf Sinne – Sehen, Hören, Fühlen, Riechen und Schmecken – eingesetzt werden. So sollen die vorgestellten Ziele möglichst tief im Unterbewusstsein verankert werden, was dabei helfen soll, sie besonders zielstrebig und konsequent zu verfolgen. Man spricht hierbei auch vom Effekt der „self-fulfilling prophecy“, also einer sich selbsterfüllenden Vorhersage.

Die Technik des Visualisierens kann prinzipiell für alle Lebensbereiche genutzt werden. Häufig wird es als Instrument zur Leistungssteigerung im Sport eingesetzt, sowohl im Wettkampf als auch im Training. Hier kann man gewissermaßen positive Vorstellungsbilder, die den Sportler beim Erreichen seines Zieles unterstützen, mental „programmieren“.

Schritte zum Ziel

Wenn das Ziel bereits klar definiert ist, gibt es eine weitere Methode, um ein Ziel einfach und schnell zu erreichen. Hierfür nimmt man zunächst zwei Blätter Papier und schreibt je auf eines „Heute“ und auf eines „Ziel“. Diese Blätter legt man anschließend auf den Boden.

Es gilt dann, die Entfernung von „Heute“ bis zum „Ziel“ zu überwinden. Hierfür überlegt man sich, welche Schritte man unternimmt, um das Ziel zu erreichen. Dazu fügt man so viele Teilziele oder zielführende Aktivitäten als weitere Papierstücke zwischen „Start“ und „Ziel“ ein, bis das Ziel erreicht werden kann.

Die Teilziele werden auch auf den Boden gelegt, sodass man sehen kann, welche Schritte in welcher Reihenfolge zum Ziel führen können. Ergo: Kleine Zwischenziele führen zu dem einen großen Ziel.


Tipps und Techniken zum Mentaltraining

Selbstregulation

Positive Selbstgespräche: Forscher der Universität Kent empfehlen, sich während der Belastung einfache positive Sätze zu sagen, zum Beispiel: „Ich kann das“ oder „tief, sehr tief atmen, ruhig und gleichmäßig pedalieren“.

Körperwahrnehmung

Um diese zu verbessern, kann man etwa regelmäßig morgens nach dem Aufwachen seine gefühlte Ruheherzfrequenz mit der gemessenen vergleichen. Visualisierung: Durch das Vorstellen von Bewegungen kann man diese, durch mentales Training, erlernen. Manche Mentaltrainer arbeiten zudem bei ihren Sportlern mit „Erfolgsfilmen“. Diese stellen sich die Sportler vor ihrem geistigen Auge selbst zusammen: 30 bis 60 Sekunden Erinnerungen an erfolgreiche Sportmomente.

Konzentrationsübung

Hierfür empfehlen sich „mentale Intervalle“, in denen man sich je eine Minute lang auf seine Atmung und danach auf seinen Tritt fokussiert. Zwischen den Konzentrationsphasen sollten, wie bei jedem Intervall, Pausen liegen. Entspannungsverfahren sind etwa: Massage, Tai-Chi, autogenes Training, Meditation, progressive Muskelentspannung. Selbstgesprächsregulation: Das Ziel ist die Kontrolle des Gedankenflusses in entscheidenden Situationen. Gemeint ist damit ein lang anhaltender stummer Monolog mit sich selbst. Um ein gedankliches Abdriften zu vermeiden, setzen Athleten Gedankenstopp-Techniken ein, zum Beispiel: „Wenn ein nicht hilfreicher Gedanke kommt, blicke ich auf die Wattwerte auf meinem Powermeter.“

Selbstwirksamkeit

Es existieren mehrere Trainingsformen, mit denen diese gesteigert werden kann. Sie alle haben gemein, dass der Athlet im Training eine Wettkampfsituation simuliert. Er steckt sich ein realistisches Ziel, an dem er auch scheitern kann. Ein Scheitern muss Konsequenzen haben. Die Aufgabe ist nicht wiederholbar.

Mentales Training

Davon spricht man, wenn Bewegungen beziehungsweise Handlungen planmäßig wiederholt und bewusst kognitiv simuliert werden, ohne sie durchzuführen. Die fünf Schritte des mentalen Trainings nach Eberspächer lauten: Instruktion, beschreiben, visualisieren, Knotenpunkte beschreiben, Knotenpunkte symbolisch nacheinander durchgehen.

Aktivierung

Hier ein beispielhaftes Vorgehen vor einem Rennen oder Zeitfahren: Atemübungen und positive Selbstgespräche, aktivierende Musik während des Warmfahrens, zum Beispiel durch eine hohe Zahl der Beats pro Minute. Im Rennen: kurze Selbstgespräche oder Trigger-Sätze, um die Konzentration und Aktivierung in den entscheidenden Phasen aufrechtzuerhalten.

Flow

Voraussetzung ist vor allem ein vernünftiger Wechsel zwischen Belastung und Entspannung. Eine leichte Aktivierung – etwa durch Bewegung – ist vonnöten. Denn im Flow-Zustand werden leicht erhöhte Cortisol-Level gemessen. Sympathikus und Parasympathikus sind gleichzeitig aktiviert, was uns dabei hilft, die goldene Mitte zwischen Anspannung und Relaxtheit zu erreichen.

Trainingssteuerung: Tipps für ein effizientes Training

Training, Trainingssteuerung

Warum sind einige Rennradfahrer so viel schneller als der Rest? Warum sind einige, bei ähnlichen Trainingsumfängen, so viel ausdauernder? Ist es Talent? Training? Wille? Was sind die Ursachen der riesigen Leistungsunterschiede auf dem Rennrad? Es gibt vor allem zwei Gründe: die VLamax und die VO2max – die maximale Laktatbildungsrate und die maximale Sauerstoffaufnahme. Diese beiden Faktoren erklären 97 Prozent der physiologischen Leistungsunterschiede.

Die Laktatbildungsrate wird in Millimol pro Liter pro Sekunde gemessen. Die VLamax wird in der Regel mittels eines Testverfahrens im Rahmen einer Leistungsdiagnostik gemessen. Die Werte liegen auf einer Range zwischen 0,2 und 1,0. Für reine Langstrecken-Ausdauerathleten sollte die Laktatbildungsrate möglichst niedrig sein – denn dann werden weniger Energie- beziehungsweise Kohlenhydrat-Reserven verbraucht. Radrennfahrer, die etwa auch bei „kürzeren“ Wettkämpfen starten, können dagegen auch von einer höheren VLamax profitieren.

VO2max, VLamax, Trainingssteuerung, Training

„Für 97 Prozent der Leistungsunterschiede ist die Kombination von VO2max und VLamax verantwortlich.“

Laktat und Ausdauer

Für die VO2max gilt: Je höher diese ist – gemessen in Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm Körpergewicht pro Minute – desto besser. Denn desto mehr sauerstoffreiches Blut erreicht die Muskelzellen und wird von diesen verwertet. Die maximale Sauerstoffaufnahme ist eher schlecht trainierbar. Dabei geht es um genetisches Glück. Denn: Zu rund 80 Prozent ist dieser Wert durch die eigenen Gene determiniert.

Doch: Sie ist nicht der wichtigste Leistungsfaktor. Nur rund 20 Prozent der Leistungsunterschiede zwischen Amateuren und Profis können durch die VO2max erklärt werden. Stattdessen eher durch einen Faktor, der besser durch das gezielte Training beeinflusst werden kann: die VLamax. 75 Prozent der Leistungsunterschiede können auf diese zurückgeführt werden.

Grundsätzliche Fragen beim Training

Die Erkenntnisse um die VO2max und die VLamax tragen dazu bei, Antworten auf einige grundsätzliche Fragen des Trainings zu finden. Zum Beispiel: Warum gibt es so viele verschiedene Trainingsformen? Warum führen bei dem einen Menschen manche Strategien zum Ziel und bei dem anderen nicht? Warum kann es nicht „den einen“ Trainingsplan für alle geben?

Dafür gibt es viele Gründe – etwa die individuellen Voraussetzungen, die Trainingserfahrung, Parameter wie das Herzkreislaufsystem, die Muskelfaserausprägung und der Energiestoffwechsel. Je länger ein Training beziehungsweise ein Radrennen ist, desto entscheidender ist es, wie der Körper mit den Energiereserven umgeht – und wie er die, etwa in Form von Riegeln oder Gels, zugeführte Energie umsetzt.

Stoffwechsel

Ein einfaches Beispiel: Der Fahrer X hat einen sehr effizienten Kohlenhydratstoffwechsel und kann somit extrem hohe Wattzahlen leisten. Aber: nur für einen kurzen Zeitraum. Ein solcher Fahrertyp hat einen Stoffwechsel, der sehr effizient Zucker in Energie umsetzen kann. Ein zweiter Fahrer Y hat demgegenüber einen wenig effektiven Kohlenhydratstoffwechsel. Er wird bei jedem Ortsschildsprint „stehen gelassen“ und kann nur signifikant geringere Wattzahlen leisten als Sportler X. Doch auf langen Strecken ist er diesem überlegen – da sein Organismus gut mit seinen Zuckerreserven haushaltet und sein Fettstoffwechsel stärker ausgeprägt ist.

Fakt ist: Diese beiden Fahrertypen sollte man als Trainer auf keinen Fall gleich trainieren lassen – sondern ihren Fähigkeiten und Zielen entsprechend möglicherweise komplett gegenteilig.

Was sind meine Stärken? Was sind meine Schwächen?

Auch deshalb lauten einige der wichtigsten Trainingsfragen: Was sind meine Stärken? Was sind meine Schwächen? Welcher Fahrertyp bin ich? Rennrad-Einsteiger und Fahrer, die meist im Wohlfühltempo unterwegs sind, liegen in der Regel mit ihrer VLamax nicht in einem gehobenen Bereich. Die Stärken solcher Fahrer sind meist eher in der Ausdauer zu finden. Fahrer, die etwa regelmäßig an Rennen teilnehmen oder öfter Fahrtspiele und Ortsschildsprints absolvieren, haben im Vergleich dazu mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine höhere VLamax. Dies kann jedoch auch auf jene Fahrer zutreffen, die häufig „am Anschlag“ fahren – und das vielleicht sogar aufgrund des Trainingsumfangs lange durchhalten – es aber kaum schaffen, die Leistung erfolgreich ins Ziel zu bringen. Dies macht die individuelle Physiologie hinter jedem Radsportler so interessant.

Eine FTP ist das, was es ist: eine funktionelle Schwelle. Das heißt: Man kann diese Leistung relativ lange, 45 Minuten bis knapp über eine Stunde, aufrechterhalten – und man kann ein gut strukturiertes Training damit steuern.

Welches energetische System dazu welchen Beitrag liefert, kann jedoch nur vermutet werden. Warum hat der Fahrer X eine Schwelle von 300 Watt, während der Fahrer Y über eine von 400 Watt verfügt? Fakt ist: Für 97 Prozent des Leistungsunterschieds ist die Kombination von VO2max und VLamax verantwortlich.

RennRad 8/2020, Banner, Heftinhalt

Leichte Rennräder, Laufräder und Trikots im Test, dazu die besten Alpenpässe und Trainingstipps: Die RennRad 8/2020 jetzt als E-Paper oder Printmagazin im Shop bestellen!

Mehr Energie beim Training

Ein Beispiel: Eine Schwellenleistung von 300 Watt kann zu 80 Prozent, also bis 240 Watt, aus dem aeroben Stoffwechsel, zu 13 Prozent, was 39 Watt entspricht, aus dem glykolytischen Stoffwechsel und zu sieben Prozent aus dem anaerob alaktaziden Stoffwechsel, ergo 21 Watt, geleistet werden.

Genauso kann es aber sein, dass 87 Prozent (261 Watt), sieben (21 Watt) und sechs Prozent (18 Watt) aus den jeweiligen Stoffwechselprozessen geleistet werden. Vielleicht hat man nach einer Trainingsperiode sogar seinen Stoffwechsel dementsprechend „umprogrammiert“. Man leistet dann zwar wieder 300 Watt und glaubt, dass sich nichts verändert habe – doch die Veränderungen des Energiestoffwechsels sind enorm.

Woher weiß ich, welcher Fahrertyp ich bin?

Weiß man darüber Bescheid und steuert das Training entsprechend, kann man das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden – und, in diesem Beispiel, seine Schwelle auf 261 plus 39 plus 21, ergo auf 312 Watt anheben. Man erkennt also schon, dass das Wissen um den Stoffwechsel der Schlüssel zur Leistungsentwicklung ist. Vor allem unter dem Aspekt, dass der Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel höchst individuelle Größen darstellen.

Aber wie weiß man nun konkret, welcher Fahrertyp man ist? Seit wenigen Jahren gibt es für die breite Masse die Möglichkeit, dies mittels einer Diagnostik feststellen zu lassen. Das Wissen darum existiert schon seit den 1990er-Jahren. Anfang der 2000er wurde es dann systematisiert und dem Profi-Radsport zugänglich gemacht, bevor der Entwickler, Sebastian Weber, dies über die Diagnostikzentren Staps kommerzialisierte und später mit seinem Unternehmen Inscyd für Profi- und Hobbyfahrer weiterentwickelte.

Stärken, Schwächen, Training

Was sind meine Stärken? Was sind meine Schwächen? Welcher Fahrertyp bin ich?

Analyse und Watt-Werte

Die Inscyd-Diagnostik schlüsselt den Stoffwechsel erstmalig so weit auf, dass die drei wichtigsten Parameter VLamax, VO2max und die anaerobe Schwelle, abhängig von der Compliance des Fahrers, mit einer extrem hohen Genauigkeit getestet und erstmals auch zueinander in Beziehung gesetzt und crossvalidiert werden können. Somit ergibt sich ein Gesamtbild des Stoffwechsels – man weiß demnach, aus welchen energetischen Anteilen sich etwa 250, 300 oder 350 Watt Leistung zusammensetzen.

Das eröffnet die Möglichkeit, das Training, den Zielen entsprechend, genau zu steuern und den Wettkampf energetisch zu pacen. Die Einteilung der Leistungsreserven wird somit einfacher, ebenso wie die Planung der Energiezufuhr.

Das optimale Tempo fürs Training

Das Ziel dieser Analyse ist es, das Ratespiel von Trial and Error in Prozent der FTP durchschaubarer zu machen. Denn sobald ein Athlet weiß, wie sich diese Leistung zusammensetzt – aus welchen aeroben und anaeroben Anteilen – muss man nicht mehr underpacen und kann nicht mehr überpacen. Man findet somit leichter das für sich selbst optimale Tempo. Dieser Algorithmus wurde in tausenden Tests erprobt, verbessert und mittlerweile mit dem Power-Performance-Decoder-Tool auch als Do-it-yourself-Diagnostik etabliert.

Das ursprüngliche Ziel war es, den auf der ganzen Welt verstreuten Radprofis die Möglichkeit zu geben, die Leistungen regelmäßig zu kontrollieren. Dass nun jeder selbst zu Hause auf dem Smarttrainer oder auf seiner eigenen Teststrecke Zugang zu dieser Diagnostik haben kann, ist ein Nebeneffekt. Die zu leistenden Watt-Werte können mittels frei zugänglicher Online-Tools in eine Zielzeit umgerechnet werden. Sie können natürlich stark abhängig von der Aerodynamik beziehungsweise von Windschatteneffekten sein.


In der RennRad 8/2020 erhalten Sie zu dem Artikel Pacing-Tipps, Trainingpläne für mehr Ausdauer und Sportler-Rezepte. Hier können Sie die Ausgabe als Printmagazin oder E-Paper bestellen.

RennRad 8/2020, Training, Trainingstipps

Trainingspläne für mehr Ausdauer und Power gibt es in der RennRad 8/2020


Training nach Plan: Der Experte

Markus Kinzlbauer ist Sportwissenschaftler und Trainer. Er trainiert unter anderem Weltmeister, Weltcupsieger, Paralympics-Gewinner und den erfolgreichsten Ultracycling-Athleten der Welt, den sechsmaligen Race-Across-America-Sieger Christoph Strasser. Er bietet Leistungsdiagnostiken und Coaching-Pakete an. www.mk-training.org

R2C2, Banner

Der RennRad Cycling Club – Deine Leidenschaft. Dein Club. Jetzt alle Informationen einsehen!

Zusammenstoß mit PKW: Juniorenfahrer tödlich verunglückt

Junger Rennradprofi stirbt nach Sturz

Der Radsport trauert um Jan Riedmann. Der 17-jährige Juniorenfahrer des deutschen Teams Auto Eder Bayern ist am vergangenen Sonntag im Krankenhaus in Würzburg nach einem Zusammenstoß mit einem PKW seinen schweren Kopfverletzungen erlegen. Nach Informationen der Polizei befand sich Jan RIedmann auf einer Trainingsausfahrt mit Teamkollegen, als ein PKW-Fahrer in einer Einmündung die Vorfahrt missachtete. Der 17-Jährige stieß fast ungebremst mit dem Auto zusammen und verlor sofort das Bewusstsein. Er wurde mit schwersten Kopfverletzung in das nahegelegene Universitätsklinikum Würzburg gebracht. Dort erlag er seinen Verletzungen.

Radfahrer: gefährlich oder gefährdet? Ein Offener Brief

Jan Riedmann fuhr seit dieser Saison für Team Auto Eder, der U-19-Mannschaft der WorldTour-Equipe Bora-Hansgrohe. Das Team drückte in einer offiziellen Mitteilungen ihr Bedauern aus. „Wir bedauern den Verlust von Jan zutiefst. Unser aufrichtiges Beileid richtet sich an seine Familie und Verwandten“, sagte der Manager der Profis und des Nachwuchsteams, Ralph Denk. Der Sportdirektor von Auto Eder, Christian Schrot sagte: „Mit großer Trauer nehmen wir Abschied von einem geschätzten Fahrer, Teamkollegen und Freund. Das gesamte Team steht unter Schock und es ist sehr schwer, die Gründe für diesen tragischen Unfall zu verstehen.“

Leitartikel: Radinfrastruktur und Verkehrspolitik in der Corona-Krise

Im Andenken an Jan Riedmann wird das Team Bora-Hansgrohe bei Mailand-Sanremo am kommenden Sonntag mit schwarzen Armbinden an den Start gehen. Mit der Aufschrift: „Lieber Jan, danke für die gemeinsame Zeit. Du wirst immer einer von uns bleiben und wir werden dich sehr vermissen. Ruhe in Frieden.“ Auch Peter Sagan drückte auf den Sozialen Netzwerken seine Trauer und sein Mitgefühl imt den Angehörigen aus.

Autofahrer vs. Radfahrer: Beitrag zur öffentlichen Diskussion

Lammrücken „Ras el Hanout“: Rezept des Teams Bora-Hansgrohe

Lammrücken „Ras el Hanout“, Lammrücken, Rezept, Profirezept, Ernährung

Nicht nur die Radprofis, sondern auch viele andere waren – und sind noch – von den Reisebeschränkungen betroffen. Mit Lammrücken „Ras el Hanout“ ist zumindest eine kulinarische Reise nach Nordafrika möglich. Von dort stammt die Gewürzmischung Ras el Hanout. Sie besteht unter anderem aus Chili, Pfeffer, Ingwer, Kardamom, Nelken, Piment, Zimt, Muskat, Koriander, Kurkuma und Kreuzkümmel. Sie gibt dem fettarmen Lammfleisch nicht nur eine exotische Note, sondern hat auch eine antientzündliche und antibakterielle Wirkung.

Das Lamm und die Erbsen sind reich an Proteinen, Eisen und Vitamin B. Die Granatapfelkerne verleihen dem Gericht eine süßliche Note und sind zudem ebenfalls sehr gesund: Sie enthalten Eisen, Vitamin B und Kalium.

RennRad 8/2020, Banner, Heftinhalt

Leichte Rennräder, Laufräder und Trikots im Test, dazu die besten Alpenpässe und Trainingstipps: Die RennRad 8/2020 jetzt als E-Paper oder Printmagazin im Shop bestellen!

Lammrücken „Ras el Hanout“: Die Zubereitung

  • Die Lammrücken-Steaks mit etwas Öl bestreichen und mit dem Ras-el-Hanout-Gewürz großzügig würzen. In eine Pfanne oder einen Tepan geben und nach vier Minuten wenden.
  • Derweil die Erbsen in kochendem Wasser für etwa drei Minuten blanchieren und anschließend unter fließendem kaltem Wasser abschrecken.
  • Etwa drei Viertel der Erbsen und die Kichererbsen mit dem Zitronensaft, der Knoblauchzehe, einigen Minzblättern, vier Esslöffeln Olivenöl und etwas Salz und Pfeffer pürieren. Die restlichen Erbsen unter den fertigen Hummus heben.
  • Das Fleisch nach dem Braten kurz ruhen lassen und dann in Tranchen schneiden und mit Salz würzen. Den Hummus und das Fleisch anrichten und mit Granatapfelkernen und Minze garnieren.

Bio-Zutaten für zwei Personen

  • 2 Lammrücken-Steaks à 150 – 200 Gramm
  • 100 Gramm gefrorene Erbsen
  • 100 Gramm Kichererbsen aus dem Glas
  • 1 Spritzer Zitronensaft
  • 3 bis 4 Minzzweige
  • 1 Knoblauchzehe
  • 1 Handvoll Granatapfelkerne
  • Ras-el-Hanout-Gewürzmischung
  • Salz und Pfeffer
  • Olivenöl

Weitere Profirezepte für Sportler vom Team Bora-Hansgrohe

Garnelen auf Gemüsepfanne mit Cashews und Koriander
Radicchio-Salat mit Bündnerfleisch, Walnüssen und Ziegen-Bergkäse
Steak Frites mit BBQ-Sauce
Soba-Nudeln mit Spargel, Garnelen und Zitronengras
Frittata mit Spinat und Feta
Pastasotto mit Pak Choi
Rafal Majkas Borschtsch
Dinkel-Pancakes mit Beeren und Honig
Tagliata
Hirsecanneloni mit Spinat und Feta
Teryaki-Hähnchen
Gegrillte Lachsforelle mit Quinoa
Kalbsröllchen mit Kräutersalat, Zitrusfrüchten und Manchego