Monat: Mai 2019

Kommentar: Die Zukunft des Sports in Deutschland

Spitzensport fördern

Im Fußball sieht man an vielen Beispielen – Real Madrid etwa, Manchester City, RB Leipzig und sehr vielen mehr –, dass die Phrase „Geld schießt Tore“ oft richtig ist. Auch im gesamten Hochleistungssport sind die Erfolge von den Investitionen abhängig – und davon, wie sie eingesetzt werden.

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Deutschland bei den Olympischen Spielen: Nur Medaillen zählen

Sucht man für den deutschen Sport eine Antwort auf die Frage zur Effizienz, zur Qualität und Quantität des Mitteleinsatzes und nimmt dafür die Medaillenspiegel der vergangenen Olympischen Spiele als Orientierungsgrößen, kann diese nur lauten: schlecht, sehr schlecht. Um 66 Prozent ging die Zahl der deutschen Medaillen bei den Sommerspielen in drei Jahrzehnten zurück.

Das deutsche Innenministerium und die Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes haben nun den neuen Plan zur Sportförderung verkündet. Jenen Plan, der dafür sorgen soll, dass der deutsche Spitzensport international konkurrenzfähig bleibt – und zukünftig wieder mehr Medaillengewinner hervorbringt. Sein Inhalt: Medaillen bringen Geld. Das Budget wird noch strenger nach Leistung aufgeteilt: keine Erfolge, keine Förderung. Oder zumindest eine stark verringerte.

Heutige Gesellschaft: Leistung, Betrug und Doping

Das ergibt Sinn – auf den ersten Blick. Auf den zweiten nicht. Dies liegt, meiner Ansicht nach, an zwei Hauptgründen: Zum einen gibt dieser Ansatz einzig und allein das Ziel vor, Medaillen zu gewinnen, nicht aber den Weg dorthin. Man verstärkt somit die Anreize, die sich im gesellschaftlichen System des Spitzensports noch gravierender, zumindest offensichtlicher auswirken als in den anderen gesellschaftlichen Teilbereichen, die auch betroffen sind: Leistung um jeden Preis.

Dass dabei auch betrogen wird, ist offensichtlich. Das betrifft Manager genauso wie Studenten, Hobby-Marathonläufer, Ärzte. Die Effekte der Leistungsgesellschaft. Selbst in Bereichen, in denen es weder um Geld noch um die Karriere geht, „optimieren“ Menschen ihre Leistung – ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit.

Studien zufolge dopen sich weit über 20 Prozent der regelmäßigen Fitnessstudiobesucher. Im Spitzensport existieren auch heute noch ganze Staatsdopingprogramme. Die illegale Leistungssteigerung ist systemimmanent. Das neue Förderungssystem wird hier eher Fehlanreize setzen als präventiv wirken.

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Die Probleme der Verbände

Zum anderen haben 99 Prozent aller deutschen Sportverbände andere, größere, strukturelle Probleme. Die Förderung der wenigen Olympiakandidaten an der Spitze der Leistungspyramide ist nur ein Aspekt auf dem Weg zu Medaillen – und ein winziger Teil der sozialen Verantwortung und der Aufgaben, die der Sport gesamtgesellschaftlich übernehmen soll und muss.

Das größere Problem ist: Die einst breite Basis der Sportpyramide wird immer schmaler. Was zum einen an der geringeren Zahl an Kindern und Jugendlichen liegt. Zum anderen am gesunkenen Stellenwert des Spitzensports.

Den Spitzensport fördern? Nicht nötig

Warum, fragen Medienleute und „intellektuelle Eliten“, soll ein Staat Geld in Hochleistungssport investieren? So wird etwa in der Süddeutschen Zeitung kommentiert, Zitat: „Ob die Republik aber eine Bahnrad-Nationalmannschaft braucht, nur weil die gute Chancen hat, es im Linksrum-im-Kreis-Fahren unter die besten drei der Welt zu schaffen – das sei dahingestellt.“ Die 160 Millionen Euro Spitzensportförderung könnten doch auch „nachhaltiger“ eingesetzt werden, heißt es andernorts.

Zum Vergleich: Die Hamburger Elbphilharmonie kostet die Steuerzahler rund 800 Millionen Euro, der unter der Stadt versenkte Stuttgarter Bahnhof zehn Milliarden, der Berliner Flughafen sechs Milliarden, mindestens, die „Energiewende“ 520 Milliarden, die Polizeieinsätze bei Fußballspielen der 1. und 2. Liga rund 100 Millionen pro Jahr, die Zwangs-Umbenennung vom inzwischen nicht mehr politisch korrekten Wort „Studentenwerk“ in das vielleicht niemand verletzende „Studierendenwerk“ rund eine Million allein in Berlin, zwischen 40.000 und 150.000 Euro in Baden-Württemberg – pro Universität.

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Abgaben und Kosten steigen, Löhne stagnieren

Die Abgabenlast der Bürger ist in Deutschland, neben Belgien, die höchste der Welt. Bis Mitte Juli jeden Jahres arbeitet man hierzulande durchschnittlich nur für den Staat. Allein durch die kalte Progression, eine heimliche Steuererhöhung, nahm der Staat seit 2010 mehr als 70 Milliarden Euro ein. Die gesamten Staatseinnahmen wuchsen in dieser Zeit um 160 Milliarden Euro.

Zum Vergleich hier das „Wachstum“ der durchschnittlichen Bruttolöhne zwischen den Jahren 2000 und 2015: 1,4 Prozent. Die Zahl der Vollzeitstellen, die in diesem Zeitraum abgebaut wurden: 1,9 Millionen.

Schulen, Straßen und Sportstätten verfallen. Ohne die Nullzinspolitik, die alle normalen Sparer enteignet und für eine Geldschwemme sorgt, die unter anderem die Immobilienpreise sowie die Mieten explodieren lässt, würde im Staatshaushalt dennoch keine schwarze Null stehen – sondern eine hohe rote Zahl. Klar ist: Die Rente wird auf die niedrigste Quote aller europäischen Industrieländer sinken, die Renten- und Krankenkassenbeiträge werden stark steigen.

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Karriere wichtig, Sport unproduktiv

Zudem können und wollen immer weniger der wenigen Talente den Spitzensportweg bis zum Ende gehen. Also bis – im Optimalfall – zu den Olympischen Spielen. Denn das 1-Komma-Abitur, der Bachelor in Regelstudienzeit, Praktika und der frühe Berufseinstieg sind wichtiger. Was nicht dem Fortkommen, der Karriere, der sozialen Sicherheit dient, wird aus dem Leben verbannt.

Die Angst vor Hartz IV, dem Nichtleistenkönnen der Miete in der Stadt, die zwar teuer ist, in der es aber Jobs gibt, die Aussicht auf ein Rentenniveau von 40 Prozent oder weniger – all das erzeugt Angst. Und Konformität.

So funktioniert die deutsche Gesellschaft im Jahr 2017. Eine „marktkonforme Demokratie“, wie sie unsere Regierung will. Für „unproduktive“ Tätigkeiten wie Sport bleibt da kein Raum. Eine Gesellschaft wie aus dem Goldman-Sachs-Lehrbuch.

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Deutschland braucht den Leistungssport

Eine entwickelte Gesellschaft braucht den Leistungssport. Nicht nur wegen der Medaillen. Sondern weil er Vorbilder generiert. In einem verschulten und auf schnelle Arbeitsmarktreife und Konformität ausgelegten Schul- und Post-Bologna-Universitätssystem wird Kindern und Jugendlichen ihr natürlicher Bewegungsdrang aberzogen. Immer mehr sportferne Eltern tragen ihren Teil bei.

Dazu passt, dass Deutschland verfettet. Zwei Drittel der deutschen Männer und die Hälfte der Frauen sind übergewichtig. Die Folgekosten der Fehlernährung und des Bewegungsmangels: 15 bis 20 Milliarden Euro pro Jahr.

Auch rein volkswirtschaftlich gesehen muss eine Regierung, muss ein Land in Sport investieren. Es muss alles getan werden, um Menschen in den Sport und im Sport zu sozialisieren. Sport vermittelt die Werte, die eine Gesellschaft ausmachen (sollten): Disziplin, Ausdauer, Fairness, Teamwork, den Sinn von Regeln, Zusammenhalt.

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Arbeit an der Basis: Breiten- und Schulsport fördern

Wer den Spitzensport fördern will, muss auch den Breiten- und vor allem den Schulsport fördern. In Berlin fallen weit über zehn Prozent der Schulsportstunden aus. In vielen Bundesländern können die Hälfte der Kinder nicht mehr schwimmen – weil Grundschulen keinen Zugang zu einem Schwimmbad haben, weil Kommunen aus finanziellen Gründen immer mehr Bäder schließen, weil Eltern keinen Wert darauf legen, dass ihr Kind in den Sport sozialisiert oder wenigstens kein Bewegungslegastheniker wird. Ein untragbarer Zustand und ein fatales Symbol.

Zudem könnte man theoretisch effizient und pragmatisch vorgehen und sich – wie auch in vielen anderen Bereichen, Stichwort Rentensystem – an erfolgreichen Nationen orientieren. An Australien etwa, das durch seine Talenterkennungs- und -förderungsprogramme und seine extrem wirkungsvollen Verschränkungen zwischen Universitäten, Trainern und Sportverbänden trotz seiner nur 22 Millionen Einwohner schon vor Deutschland in den Medaillenspiegeln lag. Oder an Großbritannien mit seinen enormen Erfolgen und seiner zentralistischen Stützpunktstruktur.

Mit der neuen Reform machen die deutsche Politik und die Sportverbände jedoch das, was die Politik immer macht: an den Symptomen herumdoktern, statt die Ursachen anzugehen.

Robert Müller und sein Trainingsansatz der „Reinen Lehre“ im Portrait

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Robert Müller hat Zeit. Zeit ist einer der Hauptfaktoren seiner „Reinen Lehre“, wie er seinen Trainingsansatz nennt, der viel mehr ist als ein Prinzip – er geht in Richtung spirituelle Lehre. Das Mantra: Viel hilft viel. Und: Radfahren kommt von Radfahren.

Robert Müller ist Maschinenbaustudent, A-Lizenz-Radfahrer – und er lebt den Radsport und seine Lehre. Was sich am deutlichsten in zwei Zahlen widerspiegelt: 31.000 und 290.000. So viele Kilometer und Höhenmeter fuhr er 2017 mit seinem Rennrad.

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Robert Müller: Keine Kompromisse

Robert Müller geht keine Kompromisse ein. Gar keine. Er ist ein absoluter Purist. Radsport ist für ihn schlicht: Radfahren um des Radfahrens Willen. Mann gegen Mann. Bei Regen, Sonne, Wind und Kälte. Er lebt einen Anachronismus, er lebt den Radsport, wie er einst war: rein und hart und viel, ohne Hilfsmittel, ohne Schnickschnack.

Die Prinzipien: kein Rollentraining. Keine elektronische Schaltung. Keine Scheibenbremsen. Keine Trainings-Kaffeepausen. Weder Kinesio-Tapes noch Nasenpflaster. Das sind nur einige seiner vielen Regeln. Müller ist bekannt in der kleinen Welt des Lizenz-Radsports. Er fährt viel, er fährt schnell, er reist in viele Länder. Er ist prinzipientreu – und: ein Trainingsanarchist.

Training nach Gefühl

Sein Credo ist die „Reine Lehre“: „Ich habe keinen Trainer, keinen Trainingsplan. Ich fahre ohne Wattmesser, ohne Pulsmesser, rein nach Lust, Laune und Wetter. Ich höre nur auf meinen Körper und mache das, wovon ich denke, das es gut ist. Wenn schlechtes Wetter ist, fahre ich nur zwei Stunden oder auch gar nicht. Wenn Sonnenschein ist und ich habe Zeit, dann fahre ich eben sieben, acht Stunden – ganz wie ich Lust habe.“

Für jemanden, der über fast 20 Jahre Erfahrung im Lizenzrennbereich verfügt, ist das zwar ein durchaus gangbarer Weg. Doch auch Müller musste erst über viele Jahre hinweg lernen, welche Trainingsreize sein Körper wann benötigt. Oder verkraftet. Zu viel Belastung, zu wenig Belastung, zur falschen Zeit fit und so weiter. „Ich habe alle Fehler, die man machen kann, doppelt und dreifach gemacht“, gibt der 32-Jährige unumwunden zu.

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Keine Auszeit in der Off-Season

Robert Müller lernte mit der Zeit – und er weigert sich, mit der Zeit zu gehen. Anders als in früheren Jahren verzichtet er mittlerweile auf eine komplette Auszeit vom Radfahren in der Off-Season. Der Grund: Der Wiedereinstieg im November verlief seiner Meinung nach immer sehr zäh.

Stattdessen versucht der gebürtige Franke sein Leistungsniveau auch in der wettkampffreien Zeit auf einem relativ hohen Level zu halten. Um große Aufs und Abs zu vermeiden, fährt Robert Müller im „goldenen Oktober“ locker und nach Belieben lange Touren im Pfälzerwald oder im Schwarzwald. Wenn ausreichend Schnee fällt, setzt er auf Alternativsportarten wie Langlauf, seiner Meinung nach „der Ausgleichssport Nummer eins“. Joggen und Zirkeltraining mit dem eigenen Körpergewicht sind im Winter ebenfalls ein fester Bestandteil seines Trainings.

100 Kilometer Minimum

Einige Jahre lang absolvierte er stattdessen ein Krafttraining mit Gewichten. Doch: Er nahm an Muskeln und damit Gewicht zu. Das sei ihm zwar bei Sprints und Kriterien zugutegekommen, am Berg habe es sich dafür aber gerächt. Also strich er das Training mit Gewichten wieder.

Robert Müller setzt auf den aus der DDR-Trainingslehre stammenden Ansatz des „Viel hilft viel“. Konkret bedeutet das drei bis sechs ruhige und lange Ausfahrten in der Woche. Lang bedeutet in diesem Fall Touren mit Distanzen zwischen 100 und 300 Kilometern. „100 Kilometer sind das absolute Minimum. Das ist für mich Dienst nach Vorschrift“, sagt er. Seine ruhigen Ausfahrten absolviert er mit einem Stundenmittel von knapp 30 Kilometern pro Stunde.

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Robert Müller und die Steigerung der Trainingsintensität

Nach einem Team-Trainingslager Ende Januar steigert Robert Müller die Trainingsintensität relativ schnell. Gleichzeitig fängt er damit an, die ersten Rennen zu fahren. Nicht selten reist er dabei mit dem Rad an.

Ein Beispiel: Von Karlsruhe aus fährt er Ende März 70 Kilometer mit dem Rad zum Rennen nach Wintershouse ins Elsass. Dort sprintet er nach 135 Rennkilometern um den Sieg und wird schließlich Siebter. Die 70 Kilometer Heimweg absolviert er wieder mit seinem Rad. Der lakonische Kommentar dazu später auf seiner Facebook-Seite: „Erstaunlicherweise ist die Heimfahrt dann deutlich besser geflutscht als die Hinfahrt, aber ich war ja auch gut warm gefahren.“ Seine Tagesbilanz: 275 Kilometer und ein Radrennnen.

Keine neumodischen Trainingsmethoden

Selbst während der Saison verzichtet Robert Müller nicht nur auf einen Trainingsplan, sondern auch auf den Einsatz „neumodischer“ Trainingsmethoden wie etwa High-Intensity-Intervalle. Aus einem einfachen Grund: „Das mag ich nicht.“ Müller ist ein Instinktfahrer, einer, der die in der Gesellschaft so selten gewordene Fähigkeit besitzt, in sich hineinzuhorchen und seinem Körper zu vertrauen.

Müller setzt auf Fahrtspiele oder er steuert die Intensität einer Einheit über das Terrain. In einer normalen Trainingswoche stehen einem echten Ruhetag in der Regel sechs Tage auf dem Rennrad gegenüber. Dabei dominieren während der Vorbereitung die langen, etwas ruhigeren Ausfahrten. Von Montag bis Freitag absolviert er je nach Wetter und Zeit mehrere Einheiten zwischen dreieinhalb und fünf Stunden Dauer. Am Wochenende trifft er sich dann mit anderen ambitionierten Fahrern der Region. Manchmal auch mit dem Ötztaler-Sieger von 2016 und RennRad-Autor Bernd Hornetz. Distanzen von 200 und mehr Kilometer sind dabei keine Seltenheit.

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Rennen als Training

Eine weitere Devise lautet: „Rennen sind das beste Training.“ Dementsprechend oft steht der Wahl-Badener an der Startlinie. Im vergangenen Jahr fuhr er 88 Radrennen. In der Woche kommt er so auf zwei bis drei, manchmal sogar auf bis zu vier Rennen.

Vom relativ beschaulichen Kirchweih-Kriterium am Freitagabend in der nahen Pfalz bis zur neuntägigen Tour de Singkarak in Indonesien (UCI-Kategorie 2.2), bei der Müller 2017 zwei Etappen und die Sprintwertung gewinnen konnte, ist alles dabei. Die Teilnahmen an Rennen dienen ihm nicht nur dazu, sich die nötige Tempohärte zu holen.

Robert Müller: „Ich habe relativ wenig Talent“

Dank der vielen Starts verfügt er mittlerweile auch über eine enorme Rennerfahrung. Müller lebt von dieser Erfahrung. „Ich habe relativ wenig Talent und sicher auch nicht die besten Leistungswerte“, sagt er. Aber das kompensiere er „durch Leidenschaft und Taktik im Rennen“, sodass er trotzdem ein ums andere Mal körperlich fitteren Fahrern den Sieg entreißen kann.

Zusätzlich zu seinen diversen „Trainings-Rennen“ umfasst eine durchschnittliche Saisonwoche Müllers in der Regel noch eine weitere intensive Einheit. Wobei intensiv hier heißt, dass er die etwa zweieinhalb Stunden dauernde Tour mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 35 Kilometern pro Stunde fährt und dabei Intervalle und Sprints einbaut.

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Lockere Radtour? Vier Stunden Grundlage!

Die verbleibenden ein bis zwei Trainingstage pro Woche dienen der aktiven Erholung. Eine lockere Radtour bedeutet im Müllerschen Sinne: vier Stunden Grundlage. Pro Woche kommt er so durchschnittlich auf rund 20 Stunden Training und 800 Kilometer.

Um bei derartigen Umfängen nicht zu überziehen, versucht er sehr bewusst auf die Signale zu achten, die sein Körper sendet. Wenn er sich eine intensive Einheit vorgenommen hat, das Körpergefühl an diesem Tag aber nicht passt, dann wird eben einfach nur „ohne Druck“ gekurbelt.

Davon abgesehen achtet der 32-Jährige auf ausreichend Schlaf und – vor allem nach intensiven Einheiten – auf eine möglichst zügige, idealerweise innerhalb der ersten halben Stunde nach der Belastung erfolgende Zufuhr von schnell verfügbaren Kohlenhydraten. Dinge wie elektronische Muskelstimulation, Eisbäder, Blackroll-Übungen oder ähnliches spielen dagegen in seinem Trainingsalltag trotz der oft intensiven Phasen keine Rolle.

„Das ist mir zu aufwendig, da lege ich mich lieber auf die Couch und lese.“ Keine Modernität soll in seinen Radsport-Kosmos eindringen. Alles soll so bleiben, wie es einst war. Das Rennradfahren wird so konsequent zu dem, was es ist: einfach, anachronistisch, hart. Und pur.

Dieses Portrait erschien in der RennRad-Ausgabe 6/2018. Das Heft können Sie jederzeit in unserem Shop nachbestellen!

Laufen als Alternativtraining für Radsportler

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Von den richtigen Schuhen bis zum Stabilitätstraining – zehn einfache Trainingstipps beim Laufen

1. Schuhe sind das wichtigste Utensil des Läufers. Mensch und Material bilden eine Einheit. Empfehlenswert ist eine Fußvermessung, um festzustellen, ob Sie über- oder unterpronieren. Wählen Sie dementsprechend Ihr Schuhwerk im Fachgeschäft aus. Am besten, Sie besitzen zwei Wechsel-Paar verschiedener Hersteller.

2. Beginnen Sie langsam und steigern Sie Lauftempo und Laufdauer stetig. Dies entspricht dem Grundlagenausdauertraining, das Sie vom Radsport kennen. Die Energiebereitstellung und die Fettverbrennung werden optimiert.

3. Wählen Sie Ihre Laufbekleidung so, dass Sie auf keinen Fall zu warm angezogen sind. Optimal ist es, wenn man zu Beginn der Einheit etwas fröstelt.

Regen? Kälte? Weitere Möglichkeiten des Alternativtrainings finden Sie hier!

Laufen: Tipps zur Gestaltung des Trainings

4. Sorgen Sie für Abwechslung. Bewältigen Sie Ihre Dauerläufe in unterschiedlichen Tempi. Bauen Sie dann nach anfänglicher Gewöhnung auch Intervalle ein. Beispiele: 2“ flottes Tempo – 2“ lockeres Tempo, 3“ flott – 3“ locker, 4“ flott – 4“ locker, 3“ flott – 3“ locker, 2“ flott – 2“ locker.

5. Absolvieren Sie einmal pro Woche Berganläufe. Beispielprogramm: 15 Minuten Einlaufen, Schwunggymnastik, zwei Steigerungsläufe, acht bis zehn Mal bergan mit Zurücktraben, 15 Minuten Cool Down.

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Tipp: Laufen mit weiteren Übungen verbinden

6. Unterstützen Sie Ihr Lauftraining mit Stabilisationsübungen sowie Technik- und Schnelligkeitstraining. Kräftigen Sie für einen ökonomischen Laufstil vor allem Ihren Rumpf.

7. Bauen Sie vor bzw. nach dem Laufen Koordinationsübungen mit ein, zum Beispiel Teile des Lauf-ABCs wie Hopserlauf, Skippings, Kniehebelauf, Anfersen.

Powertraining: Die besten Kraftübungen im Radsport

Dehnen und Kräftigung der Muskulatur

8. Dehnen Sie sich regelmäßig. Bereits zehn Minuten Dehnen am Tag helfen, Ihre Muskeln „geschmeidiger“ und damit leistungsfähiger zu machen. Kümmern Sie sich vor allem um die bei Läufern oftmals verkürzte Oberschenkel-Vorderseite.

9. Kräftigen Sie Ihre Fußmuskulatur. Zur Verletzungsprophylaxe empfiehlt sich eine Einheit in der Woche auf einer Airex-Matte oder einem Airex-Wackelkissen. Auch Barfuß-Laufen fühlt sich nicht nur gut an, sondern kräftigt gleichzeitig die Fußmuskulatur.

10. Setzen Sie sich auch im Winter Ziele. In vielen Städten gibt es das Angebot einer Winterlauf-Serie. Messen Sie sich mit anderen oder nehmen Sie den Lauf als flotte Trainingseinheit unter Wettkampfbedingungen

Stilsfer Joch: Rennrad bezwingt den König der Alpenpässe

Stilsfer Joch

Mit der Elf ändert sich alles. Plötzlich prangt sie vor mir. Rechts auf einem blechernen Schild am Straßenrand: Eine Eins und daneben noch eine: 11. Mein Helm hängt schief auf meinem Kopf, die Brille ist verschwitzt, verdreckt, beschlagen. Sie klebt an meiner Nase. Eine dicke, schmierige Salzschicht fixiert sie vor meinen Augen. Vor wenigen Stunden noch rutschte sie auf einem Film aus Sonnencreme immer tiefer. Inzwischen ist der Schweiß, der literweise von meiner Stirn und den Augenbrauen über die Brillengläser und an der Nase entlanglief, geronnen. Die Sonnencreme ist weggewaschen. Doch das Schild kann ich erkennen, und vor allem: Ich kann es verstehen. Elf Kilometer noch bis zum Gipfel. Bis zum Ende des Leids. Bis zum höchsten Punkt des Stilfser Jochs. Diese verfluchte Zahl, Elf, bedeutet meinen Untergang.

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Tempowechsel

Mein Blick geht zwischen meinen am Oberlenker verkrampften Händen und dem verschmierten Bildschirm meines Radcomputers hin und her. Er streift immer wieder zwischen den unrund pedalierenden Beinen hindurch, hinunter auf die Kassette. Ich will es nicht glauben, aber es stimmt: Die Kette läuft, langsam, ganz links – auf dem kleinen Kettenblatt, auf dem größten Ritzel. Kein Reservegang, kein Runterschalten, keine Entlastung. Durchdrücken, obwohl ich keinen Druck mehr habe. Elf Kilometer sind es noch bis zum Gipfel, bis zu einem der höchsten mit dem Rennrad befahrbaren Orte der Alpen. Elf Kilometer sind es noch bis auf 2758 Meter über dem Meer. Der Stelvio ist ein Sehnsuchtsort fast aller Rennradfahrer. Eine Herausforderung. Ein Endgegner. Und mein Ziel heute, bei diesem Rennen, bei diesem Radmarathon: dem Granfondo Stelvio Santini.

Elf Kilometer, das ist eine Strecke, die bei kaum einer Runde Probleme bereitet. Aber heute, hier an diesem Bergmassiv im Nationalpark zwischen Vinschgau, Münstertal und Veltlin, sind diese elf Kilometer mehr als nur ein Problem: Sie sprengen meinen Plan, sie zerstören meine Zuversicht. Die Straße vor mir türmt sich auf – eine Wand mit 14 Prozent Steigung. Es ist nur ein kurzes Stück, ich wäre zuversichtlich, wenn es das einzige Steilstück bliebe. Wenn ich nicht genau jetzt den ersten Krampf tief in der rechten Kniekehle spürte. Wenn ich noch herunterschalten könnte.

Auf einer derartigen Strecke gilt es, das Tempo immer wieder den Gegebenheiten anzupassen.

Weg von Bormio

Immer wieder habe ich mir in den vergangenen Tagen eingeredet: Die Auffahrt von Bormio ist die angenehmste Auffahrt zum Stilfser Joch – 21,5 Kilometer und eine durchschnittliche Steigung von sieben Prozent. Nur aus Respekt vor dem Stelvio, dem König der Pässe, bezeichne ich diese Auffahrt im beruhigenden Selbstgespräch nicht als Rollerberg. Aber diese sieben Prozent sind eben nur der Durchschnitt. Die Abweichung von der Norm, das sind diese 14 Prozent, die ich jetzt sehe, die ich jetzt spüre. 14 Prozent – das ist nicht außergewöhnlich, das ist nicht unfahrbar. Aber ich hatte nicht mit ihnen gerechnet, ich hatte sie verdrängt und vergessen. Jetzt muss ich aus dem Sattel gehen, mein Körpergewicht in die Pedale drücken, am Lenker ziehen. Vor mir sehe ich Fahrer, die absteigen müssen. Menschen sitzen neben ihren Fahrrädern. Ich will mich dazusetzen. Doch ich fahre weiter. Meter für Meter. Die, die hier absteigen, blicken hinunter auf die Täler, die Bormio umgeben: Valdidentro, Valdisotto und Valfurva. Sie sehen die Tunnel, die zu unserer Linken in den Berg geschlagen sind, sie blicken auf die ersten Serpentinen unter uns. Mit einer Mischung aus Mitleid und Neugierde blicken sie mir nach.

Ich sehe, dass die Straße vor mir wieder flacher wird. Ich schalte hoch, erhöhe die Frequenz. Und ich tue, was eben noch undenkbar schien: Ich schalte einen Gang hoch. Aber ich sehe auch: Ein neues Schild, eine neue Zahl. Zehn Kilometer sind es noch bis ins Ziel. Ich sehe meinen Plan scheitern. Mein Computer zeigt: Ich bin schon seit mehr als viereinhalb Stunden unterwegs. Ich beginne zu rechnen und sehe meine Ziele in Gefahr.

Stilsfer Joch „anständig“ hochfahren

Mein Ziel war keine konkrete Zeit, keine Platzierung. Ich wollte: Den Stelvio „anständig“ hochfahren. Mit einem noch runden Tritt. Und nicht so, wie ich mich immer wieder erlebe: Am Ende meiner Kräfte, mit wankenden Schlangenlinien die Steigung ausgleichend.

Ich wollte vor allem: Auf der mittellangen Strecke des Granfondo Stelvio ins Ziel kommen, bevor die Schnellsten auf der langen Strecke an der Passhöhe eintreffen. Ich beginne zu rechnen und bemerke, dass nichts mehr schiefgehen darf. In den vergangenen Jahren benötigten die Schnellsten rund fünfeinhalb Stunden für die lange Strecke. Für die letzten zehn Kilometer bleibt mir noch eine Stunde. Nicht mehr unter zehn Stundenkilometer kommen, und mein Plan geht doch noch auf.

Im Vordergrund quält sich unsereins den Berg hinauf, im Hintergrund schmilzt der Schnee.

43,9 Stundenkilometer

Die letzte und die erste Stunde des Radmarathons könnten kaum unterschiedlicher sein. Um sieben Uhr morgens klicke ich nach dem Startschuss bei zwölf Grad, mit Armlingen und Weste bekleidet, in die Pedale ein. Ich fahre über die blaue Matte, unter der ein Zeitnahme-Sensor meinen Transponder mit einem langen Piepen erkennt. Es beginnt eine lange Abfahrt. Mal in steilen und gemäßigten Geraden, mal in ein paar Kurven. Den Freilauf in Richtung Sondrio im Südwesten unterbricht nur die Ortsdurchfahrt von Sondalo, mit Kopfsteinpflaster und einem kleinen Gegenanstieg. Nach einer Stunde habe ich die ersten 43,9 Kilometer des Rennens hinter mir. Diese Zahl, und das kann ich kaum glauben, steht für meine aktuelle Durchschnittsgeschwindigkeit – bei einer nur sehr geringen Wattleistung auf den Pedalen.

Dann aber geht es in Bianzone nach 46 Kilometern in die erste Steigung des Tages, und mit der Hochgeschwindigkeit ist es vorbei. Der Anstieg nach Teglio hat auf sechs Kilometern 402 Höhenmeter. Seine Kuppe mit der ersten Verpflegungsstation durchfahre ich im Ort. Zuvor geht es auf einer schmalen, sehr unrhythmischen und bis zu 19 Prozent steilen Straße mal durch dichten Wald, mal durch Apfelplantagen und Weinfelder. Für mich ist der Anstieg nach Teglio heute nicht mehr als eine Kuppe, die den Wendepunkt des Rennens markiert und die vor allem dazu dient, die Summe der Höhenmeter des Tages über die nächste Tausender-Zahl zu heben.

137,9 Kilometer und 3053 Höhenmeter

Angst hat vor dem Teglio wohl niemand, nicht heute. Wenn der Stelvio der König ist, dann ist der Teglio der Diener. Auch wenn er wirklich steil ist. Ich fahre ruhig und überhole viele der insgesamt 3000 Fahrer. Die meisten kommen nicht aus Italien, sondern aus 44 anderen Ländern, viele aus Belgien, aus den Niederlanden und aus Großbritannien. Meine Herausforderung heute: 137,9 Kilometer und 3053 Höhenmeter. Auch auf der langen Runde, dem „percorso lungo“ mit 151,3 Kilometern und 4058 Höhenmetern, geht es vor allem um den Anstieg zum Stelvio.

Auch hier ist der Teglio kaum mehr als eine schöne, kleine Gemeinheit, bei der sich zum ersten Mal das Laktat in den Beinen staut.

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Zurück nach Bormio

Ich pedaliere im Tal, auf dem Rückweg nach Bormio, nur gegen eine leichte Steigung, meist auf dem 53er-Kettenblatt, so schnell und kraftsparend wie möglich in Richtung Stelvio. Die Fahrer, die die lange Strecke fahren, biegen hier ab. Sie stellen sich einer der größten Herausforderungen, die die Alpen zu bieten haben: dem Mortirolo. Auch seinetwegen ist das im Norden der Lombardei gelegene Veltlin das Ziel vieler Pässeliebhaber – obwohl der Talkessel von Bormio, an Graubünden und Südtirol angrenzend und von Pässen umgeben, schwer zu erreichen ist.

Ein weiterer Radsport-Höhepunkt am Nationalpark Stilfser Joch ist der Passo Gavia auf 2618 Metern. Die Auffahrt von Bormio hat 1401 Höhenmeter auf 26 Kilometern.

Der Mortirolo zählt zu den steilsten Aufstiegen überhaupt.

Mortirolo: Extrem

Der Mortirolo wird oft genannt, wenn es um die steilsten Anstiege des Profizirkus geht – in einer Reihe mit dem Monte Zoncolan in den Karnischen Alpen bei Udine oder dem Alto del Angliru in der spanischen Region Asturien. Beim Granfondo Stelvio fährt man den Mortirolo von Tovo aus. Auf 12,8 Kilometern überwindet man hier 1363 Höhenmeter. Die durchschnittliche Steigung liegt bei 10,7 Prozent, an den steilsten Stellen liegen die Werte bei mehr als 20 Prozent. Die Straße ist an vielen Stellen rau und schmal. Es ist einer der Berge, an dem die Übersetzung keine Frage des Geschmacks ist. Hier entscheidet die Übersetzung darüber, ob man den Berg überhaupt noch fahren kann – oder ob man absteigt und schiebt. Wer beim Granfondo nicht mit den Stärksten in den Mortirolo einfährt, der könnte auch mit der richtigen, ergo der kleinsten Übersetzung hier zum Stehen kommen. Wenn es sich staut, weil andere hier absteigen müssen. Vor allem wegen des Mortirolos gilt die lange Runde des Granfondo Stelvio als einer der härtesten Radmarathons überhaupt.

Hier, wo sich die Strecke teilt, gibt es eine Verpflegungsstation. Hier teilt sich auch das Feld. Weil neben mir nur weniger als 800 Fahrer auf der Mittel-Distanz ins Ziel kommen werden, wird es von hier an ein einsamer Rückweg nach Bormio. Ich fahre lange alleine, ich fahre lange im Wind. Mal wollen Mitfahrer nicht die Führung übernehmen, mal fahren sie zu schnell, mal zu langsam. Es ist das Dilemma, das die „Marathons“ der Rennradfahrer von denen der Läufer unterscheidet: Bei beiden Veranstaltungen geht es zwar den meisten Teilnehmern darum, das eigene Tempo zu finden, die eigene Kraft einzuteilen und eine möglichst gute Zielzeit zu erreichen.

Doch auf dem Rad spielt der Windschatten eine noch viel größere Rolle. Da die meisten Fahrer als Einzelstarter unterwegs sind, muss sich niemand für den anderen aufopfern. Idealerweise findet sich eine Gruppe ähnlich starker Fahrer und teilt sich die Führungsintervalle. Es ist ein soziologisches, ein psychologisches Experiment. Ein Experiment in einer Situation, in der es für die Einzelnen viel zu verlieren gibt.

Fahren in Gruppen – manche mögen, für andere bedeutet es schlechte Laune und Gefluche.

Granfondo Stelvio: Nur die Anstiege zählen

Viele Radsportler fahren nur einige Granfondos im Jahr, jeder einzelne ist ein Höhepunkt, auf den sie ihre Saison ausrichten. Wer will da seine Kräfte auf einem Flachstück verpulvern, nur damit andere im Windschatten entspannen und ihn am Schlussanstieg überholen? Schlechte Laune und Beschimpfungen sind in den Flachstücken keine Seltenheit. Auch heute funktionieren die Gruppen selten, aber ich finde einen Mitstreiter, zumindest solange ich sein Tempo mitgehen kann. Dann lasse ich ihn ziehen. Oben im Ziel werde ich ihn später wieder treffen, mich bedanken. Ich habe das Gefühl, dass ich von seiner Stärke etwas zu viel profitiert habe.

„No, no“, meint er. Er müsse sich bei mir bedanken: dem einzigen Fahrer, mit dem er sich die Arbeit im Tal zumindest eine Zeit lang teilen konnte. Eigentlich könnte ich mir im Flachen hier Zeit nehmen, Energie sparen: Denn beim Granfondo Stelvio werden nur die Zeiten an den Anstiegen gewertet, eine Rangliste der Gesamt-Streckenzeiten veröffentlichen die Veranstalter nicht – auch um riskante, schnelle Fahrweisen in den Abfahrten zu vermeiden. Also: Bergzeitfahren. Umso attraktiver ist die kurze Strecke des Granfondo: einige Kilometer einrollen und dann den Stelvio hinauf, so schnell es geht.

Bei der Fahrt durchs Addatal begegnet man zahlreichen erstaunlichen Bergen.

Lawinen am Stilsfer Joch sprengen

Lange bevor ich wieder in Bormio bin, sehe ich vom Ad-da-Tal aus die Berge in der Umgebung des Ortlers, dem mit 3905 Metern höchsten Berg der gesamten Region Tirol: Und ich sehe den Kessel, in dem sich die Serpentinen befinden, die ich kaum erwarten kann. Ich schwitze, trete, esse einen Riegel, drücke mir Gels in den Mund und spüle die Süße mit ebenso süßem Getränk hinunter. Ich blicke hinauf auf die vielen Gipfel mit knapp 4000 Metern Höhe, während ich mich auf den Anstieg vorbereite – mental und kalorisch. Ich sehe die Baumgrenzen, sehe die Gletscher und die letzten Schneereste des Winters.

Es ist Anfang Juni, erst seit wenigen Tagen haben die meisten hohen Passstraßen wieder geöffnet. Von alleine schmilzt der Schnee oft nicht früh genug. Um den Stelvio-Pass sicher befahrbar zu machen, sprengen die Straßenarbeiter Lawinen oberhalb der Straßen ab – damit diese nicht später ungeplant abgehen können. Anschließend fräsen Räumfahrzeuge den Asphalt frei. Übrig bleiben an den Seiten häufig noch meterhohe Schneewände, die auch im Frühsommer spürbare Kälte abgeben, wenn man an ihnen vorbeifährt.

Der legendäre Fausto Coppi wacht über alle, die die Berge bezwingen wollen.

Bei Fausto Coppi

In Bormio geht es über Kopfsteinpflaster, vorbei an Menschenmengen, die jeden Granfondo-Hobbyfahrer feiern wie einen italienischen Radsportnationalhelden, wie einen Fausto Coppi, wie einen Marco Pantani, wie einen Vincenzo Nibali. Es geht vorbei an der berühmten Therme, vorbei an Schildern, die auf die heißen Thermalquellen hinweisen, welche die Becken der Kurbäder speisen. Es geht schnell hinein in den Nationalpark Stilfser Joch. Die meisten Fahrer halten sich an das hier besonders ausdrückliche Verbot, Gel- und Riegelverpackungen einfach auf die Straße fallen zu lassen, das Teilnehmer-Trikot hat ein Extra-Fach für klebrigen Verpackungsabfall. Zehn Kilometer vor dem Ziel zweifle ich noch, aber ich erhole mich. Gute fünf Kilometer vor dem Ziel ist die Steigung kaum zu spüren, ich fahre schnell, ich überhole Fahrer, die hier einbrechen. Aber hier bin ich nun auch auf mehr als 2500 Metern über dem Meer, es fühlt sich an, als hätte man der Luft die Sauerstoffzufuhr abgedreht.

Als hätte man mir die Sauerstoffzufuhr abgedreht. Ich fahre trotzdem schnell weiter, atme schneller und tiefer und lauter. Drei Kilometer vor dem Ziel geht es in die letzten Serpentinen. Der Weg gabelt sich, ich biege scharf rechts ab, bei einem der wohl bekanntesten der roten Cantoniera-Häuser, wie sie in ganz Italien als Straßenbau-Quartiere errichtet wurden. Von links trifft hier die Auffahrt vom Schweizer Umbrailpass auf meinen Weg hinauf zum Stelvio. Hier ist die Passhöhe zwar zu sehen, aber noch viel zu weit entfernt, um final zu beschleunigen. Mit jedem Höhenmeter, mit jedem Atemzug erscheint mir die Luft dünner. Ich beschleunige trotzdem noch einmal, fahre vorbei an Schneewänden. Neben mir ist eine Loipe gefräst, ein älterer Langläufer stößt sich mit schweren Doppelstockschüben durch das Schneefeld.

Pietro Santini grüßt

Eine letzte Kurve, ich beschleunige auf der Geraden und fahre nach 36 Serpentinen durch den Zielbogen. Geschafft, die Zeit des Zweifelns ist vorbei. Oben steht Pietro Santini, der Gründer der italienischen Radsport-Bekleidungsmarke, die als Sponsor dem Granfondo den Namenszusatz verleiht.

Er gratuliert mir wie jedem einzelnen Fahrer, der es auf die Passhöhe am Denkmal für Fausto Coppi schafft, den „Campionissimo“, die ewige italienische Radsportlegende.

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Schnee im Sommer

Santini steht da wie eine Statue: Ein ruhiger, älterer Herr im grauen Anzug schüttelt die von Sportgetränken, Gels und Schweiß verklebten Hände der Rennradfahrer, die auf wackligen Beinen mit viel zu wenig Sauerstoff im Kreislauf ihre Räder durch den Zielbereich schieben. Mit fahrigen Bewegungen verhaken sie ihre Lenker und Schaltwerke. Sie entschuldigen sich überhöflich für jede kleine Kollision, es ist eine Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen, über die geteilten Leiden, über die geteilten Freuden, über den kollektiven Stolz am Stelvio. Abklatschen, Händeschütteln: das Gemeinschaftsgefühl ist stark unter jenen, die gerade gemeinsam den Stelvio erklommen haben, zum ersten oder zum zehnten Mal – oder mit einer neuen persönlichen Bestzeit am König der Pässe.

Die Serpentinen der Auffahrt von Prad – im Rücken Vinschgau.

Stilsfer Joch: Serpentinen

Wie oft, wie immer, wenn ich hier bin, herrscht am Pass Hochbetrieb. Souvenirläden, Bratwurststände, Ski-Teams mit riesigen Equipment-Taschen, die im Sommer auf den Pisten am immer kleiner werdenden Gletscher trainieren. Und dazwischen ich, ohne Kraft und ohne Nerven, verschwitzt in der Kälte und im Wind, der über die Passhöhe weht und an mir zerrt. Aber ich bin am Ziel, erleichtert bahne ich mir den Weg durch den hochalpinen Massentourismus . Ich blicke hinüber auf die Serpentinen der Auffahrt von Prad, hinunter ins Vinschgau, hinauf zum Ortler. Ich finde meinen Kleidersack, ziehe mich im geschützten Zelt warm an: Beinlinge, Jacke, Handschuhe, Mütze. Ich trinke einen Becher Tee, ich trinke einen weiteren und rolle dann hinab. Die meisten Fahrer stecken noch mitten im Anstieg, einige meditativ mit „leichten“ Gängen, andere zerren sich unruhig hinauf, ziehen am Lenker, werfen sich mit ihrem ganzen Körpergewicht in jeden ihrer ungleichmäßigen Pedaltritte. Es wird wärmer, die Luft enthält wieder mehr Sauerstoff, mit jedem Höhenmeter, den ich hinabrolle. Nach elf Kilometern komme ich an eine steile Stelle, 14 Prozent, ich muss stark bremsen. 14 Prozent, da war doch was, vor Ewigkeiten: meine eigene Verzweiflung bergauf. Lange ist es her – und schon fast vergessen.

Das Stilfser Joch – eine ereignisreiche Fahrt.

Stilfser Joch: Anstiege & Werte

Bormio

Bormio liegt im Veltlin, auf Italienisch Valtellina, in der Lombardei. Die Stadt mit rund 4500 Einwohnern und die Gegend sind umgeben von Bergen, entsprechend ist die An- und Abreise zu planen. Mit dem Auto von München fährt man am besten in weniger als fünf Stunden über den Reschen- und den Umbrailpass, sollte dann aber prüfen, ob Letzterer schon befahrbar ist. Alternative Routen gibt es über den Brenner und den Vinschgau sowie über den Ofenpass und Livigno. Im Winter ist das auf 1225 Metern gelegene Bormio beliebt bei Wintersportlern. Im Sommer prägen neben den Kurgästen die Radsportler aus aller Welt das Stadtbild. Entsprechend sind auch Radläden, Leihstationen, Tourguides und Hotels auf Pässe-Fans vorbereitet.

Bormio liegt in der Lombardei und ist von Bergen umgeben.

Unser Tipp für Bormio: Hotel Funivia

Unsere Hotel-Empfehlung: Das Drei-Sterne-Hotel Funivia mitten in Bormio ist voll auf Radsport ausgerichtet. In der Garage gibt es einen Waschplatz mit Hochdruckreiniger. Der Fahrradraum mit Werkstatt ist mit Sicherheitstür ausgestattet. Der Hotelbesitzer Daniele Schena ist selbst aktiver Radsportler und führt seine Gäste mehrmals pro Woche auf Touren über die Pässe der Region. Im Untergeschoss des Hotels feiern Radsportler zwischen Renn-Memorabilia in der stilsicher eingerichteten Bar nach den Passtouren. Neben den alpenländisch-gemütlich eingerichteten Zimmern bietet sich auch der große und moderne Spa-Bereich zur Regeneration an.

Das Drei-Sterne-Hotel Funivia liegt mitten in Bormio.

Granfondo Stelvio Santini

Der Granfondo Stelvio Santini existiert erst seit 2012, und doch erscheint er bereits fast als Klassiker am ersten Sonntag im Juni. Es gibt drei unterschiedliche Strecken: Die längste mit 151 Kilometern und 4058 Höhenmetern führt zusätzlich über Teglio und den Mortirolo-Pass. Die mittlere Runde mit 138 Kilometern und 3052 Höhenmetern führt zusätzlich über Teglio. Die kurze Runde (60 Kilometer/1950 Höhenmeter) bietet vor der Stelvio-Auffahrt eine 40 Kilometer lange Strecke ohne schwierige Anstiege. Das Ziel ist an der Passhöhe des Stilfser Jochs, oben bekommen die Fahrer ihre vorbereiteten Kleidungsstücke für die Abfahrt. Weitere Events in der Stelvio-Region gibt es viele, etwa: Dreiländergiro Nauders, Mapei Re Stelvio, Haute Route Stelvio, Granfondo Gavia & Mortirolo, Radtag Stilfser Joch, Scalata Cima Coppi oder den Contador Day.

Immer am ersten Sonntag im Juni steigt der Granfondo Stelvio Santini.

Stelvio von Bormio

  • 21,6 Kilometer
  • 1541 Höhenmeter
  • 7 Prozent Steigung

Zeiten & Werte

Die Zahlen auf einen Blick.

Strava-KOM (ausgewähltes Segment)

Martin Toft Madsen:

  • 1:10:58 Stunden
  • 18,3 km/h
  • 329 Watt

Bestzeit Herren Granfondo Stelvio 2018 (Abschnitt mit 1533 Höhenmetern)

Roberto Napolitano:

  • 01:06:47
  • 19,3 km/h

Bestzeit Damen Granfondo Stelvio 2018

Melanie Brunhofer:

  • 01:18:45
  • 16,4 km/h

Mortirolo von Tovo

  • 12,8 Kilometer
  • 1363 Höhenmeter
  • 10 Prozent Steigung

Stilsfer Joch: Zeiten & Werte

Die Zahlen im Überblick.

 

Giro d’Italia 2017

Steven Kruijswijk:

  • 36:25 Minuten
  • 20,2 km/h
  • 356 Watt

Bestzeit Herren Granfondo Stelvio 2018 (Abschnitt mit 1200 Höhenmetern)

Enrico Zen:

  • 49:29 Minuten
  • 15,3 km/h

Durchschnittlicher Amateur:

  • 1:05 Stunden
  • 11,4 km/h
  • 200-250 Watt

Stelvio von Sta. Maria

Alle Zahlen in der Übersicht.

 

  • 16,4 Kilometer
  • 1352 Höhenmeter
  • 8 Prozent Steigung

Strava-KOM (ausgewähltes Segment)

Marcel Wyss:

  •  56:13 Minuten
  •  17,5 km/h
  •  Durchschnittsleistung: 324 Watt

Stelvio von Prad

Die Statistik zur Tour.

 

  • 24,3 Kilometer
  • 1758 Höhenmeter
  • 7 Prozent Steigung

Strava-KOM (ausgewähltes Segment)

Daan Vermeulen:

  • 1:18:27
  • 18,6 km/h
  • Durchschnittsleistung: 271 Watt

Alpentour: Erlebnisbericht

L’Alpe d’Huez: Der legendäre Pass im Selbstversuch

 

Tipps für gesunde Ernährung: Wie ernähre ich mich als Sportler am besten?

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Tipp 1: Vor dem Wettkampf ein bis zwei Teelöffel Ingwer-Konzentrat, oder fünf Gramm Pulver, einnehmen. Die entzündungshemmende Wirkung kann dafür sorgen, dass man länger am Limit fahren kann. Zudem verdünnt es das Blut – und hat somit eine ähnliche Wirkung wie Aspirin. Studien an Kraftsportlern haben gezeigt, dass sich durch die Einnahme von Ingwer die Maximalleistung erhöhen kann.

Tipp 2: Die Sleep-Low-Stategie sollte vor allem in der Vorbereitungsphase angewandt werden, drei Mal pro Woche. Während der Saison, in der Wettkampfphase dann noch einmal wöchentlich.

Gesunde Ernährung für Sportler: Kokosöl und Müsli

Tipp 3: Kokosöl: Es besteht aus über 50 Prozent Laurinsäure. Sie wirkt stark positiv auf das Immunsystem. Ein Abend-Getränk-Rezept – heiße Schokolade: 50 Milliliter Kokosmilch, 100 Milliliter kochendes Wasser, zwei Teelöffel Kakaopulver, echter Kakao, etwa dunkler Back-Kakao, Kurkuma, Ingwer, Chili. Dr. Feil: „Das Ganze ist ein Immunbooster. Kakao hat mehr als 100 Inhaltsstoffe – und wirkt durchblutungsfördernd.“

Tipp 4: Müsli: Haferflocken, Quark, Nüsse – doch man sollte eines beachten: Den Hafer zu mahlen oder am Abend zuvor mit Wasser anzusetzen. Denn der Hafer enthält einen Hemmstoff, der die Bioverfügbarkeit des enthaltenen Eisens drastisch mindert. Deshalb rät Dr. Feil: Den Hafer nach dem Mahlen oder Einweichen mit etwas Zitronensaft und Wasser ansetzen, dann erst den Quark und weitere Zutaten hinzufügen. Denn erst so wird der Körper in die Lage versetzt, das enthaltene Eisen optimal aufzunehmen.

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Tipps für gesunde Ernährung: Proteine und Kohlenhydrate

Tipp 5: Rund zwanzig Prozent der Gesamtkalorienmenge sollten Sportler in Form von Proteinen aufnehmen. Das entspricht 1,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Für jemanden, der 70 Kilogramm wiegt, gilt somit: 100 Gramm. 25 Gramm Eiweiß entsprechen etwa: vier Eiern, 250 Gramm Quark, 100 Gramm Fisch, 100 Gramm Käse.

Tipp 6: Abnehmen: Die Kohlenhydrat-Menge halbieren, aber nicht die Energiemenge. Diese bleibt gleich, doch statt Nudeln, Brot, Reis sollten nun vermehrt auf dem Speiseplan stehen: Proteine und hochwertige Fette. Gemüse, Nüsse, Eier, Quark, Käse, dunkle Schokolade. Auch Amaranth oder Dinkelprodukte seien normalen Nudeln vorzuziehen. „Und“, sagt Wolfgang Feil, „noch ein einfacher Alltagstipp, der für viele wichtig ist: Belasst es beim ersten Bier. Drei, vier Gerstensäfte sind auch eine kohlenhy­dratreiche Mahlzeit.“ Ein Beispiel-Abendessen: Salat mit Olivenöl, Fisch, Quark.

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Dieser Artikel stammt aus der RennRad 05/2018. Die Ausgabe können Sie als Heft oder E-Paper hier nachbestellen!

Straßenradsport: Fällt die Deutsche Meisterschaft aus?

Deutsche-Meisterschaft-Radsport-2019

Der Termin steht schon lange fest – und hat Tradition: Am Wochenende vor dem Beginn der Tour de France werden die Deutschen Meister im Straßenrennen und Zeitfahren ermittelt. Wer hier gewinnt, der darf – sofern er nominiert ist – mit dem Meistertrikot durch Frankreich fahren. 2019 ist alles anders. Es fehlt ein Ausrichter für die nationalen Titelkämpfe. Udo Sprenger, langjähriger Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) berichtet in der Frankfurter Rundschau: „Uns haben kurzfristig wieder zwei Städte abgesagt, wegen der Kosten für die Absperrungen.“

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Radrennen-Sterben

Die Absage von Radrennen ist in Deutschland seit Jahren Realität. „Die Anzahl der Straßenrennen ist in den vergangenen zehn Jahren mindestens noch einmal um 50 Prozent gesunken“, sagt Sprenger. Der Hauptgrund für das Radrennen-Sterben sei fast immer derselbe: Die Bürokratie. Vor allem: die hohen Kosten durch steigende Sicherheitsauflagen. Denn auch dadurch steigt der Arbeitsaufwand für die Vereine mit ihren ehrenamtlichen Helfern enorm. Dass nun sogar die Deutschen Meisterschaften infrage stehen, ist ein dramatisches Zeichen.

Fünfstellige Kosten

Normalerweise „verkauft“ der BDR die Titelkämpfe für 30.000 Euro an die ausrichtende Stadt. Nun würde der BDR laut Sprenger wohl sogar auf den Betrag verzichten, um die Meisterschaften doch noch durchführen zu können. Man sei aktuell wieder mit einem möglichen Ausrichter in Kontakt. Der Streckenplan sei bereits den zuständigen Behörden zugegangen. Wie hoch die Auflagen und die Kosten für das Sicherheitskonzept sind, sei derzeit noch unklar. Für das geplante Zeitfahren und das Straßenrennen wären erfahrungsgemäß – abhängig von der Streckenführung – ein mittlerer bis hoher fünfstelliger Betrag nötig.

200 Seiten Auflagen

Selbst wenn eine Stadt bereit ist, die Kosten zu zahlen, so stehen den Organisatoren ein enormer organisatorischer Aufwand bevor. Die Veranstalter des am 1. Mai ausgetragenen Klassikers Frankfurt-Eschborn hätten laut Sprenger „200 Seiten Auflagen zur Absperrung erhalten.“ Welcher Ausrichter ist bereit, dies auf sich zu nehmen?

Fakt ist: Die Deutschen Meisterschaften können (eigentlich) nicht einfach ausfallen wie die vielen anderen Lizenzrennen. Udo Sprenger denkt daher schon an einen Notfahrplan: „Sollte sich kein Ausrichter finden, würden wir bei einer ausländischen Meisterschaft mitfahren, was natürlich blamabel wäre für Deutschland.“ Doch dann könnte es wenigstens einen Deutschen Meister bei der Tour de France geben. Ein schwacher Trost.

L’Alpe d’Huez: Der legendäre Pass im Selbstversuch

L’Alpe d’Huez

Kopf nach unten, treten. Mein Blick geht auf meinen Computer am Vorbau. 169, die Herzfrequenz passt. Noch. Nur nicht überziehen. So früh schon so steil? Das Treten wird zum Stampfen. Ein Stampfen im Kampf gegen die Legende. Eine Legende mit 21 Serpentinen und einem großen Namen. Eine Legende wegen der großen Namen. In jeder Kurve lese ich einen: Coppi, Hinault, Pantani. Wer hier eine Tour-de-France-Etappe gewinnt, bekommt sein Schild in einer Kehre. Für mich ist es Motivation: Keinen Anstieg wollte ich je so sehr bezwingen. Ein Berg wie eine Skala. Die persönliche Bestzeit hier: Die Visitenkarte eines Bergfahrers. Mein Ziel: L’Alpe d’Huez.

L’Alpe d’Huez: Ein Sehnsuchtsort

Dieser Ort ist so Vieles. Klein, hässlich, ein Retorten-Ski-Dorf mit Bettenburgen für den alpinen Massentourismus, der viel graues Beton in die Natur der Alpenwelt bringt. Einerseits. Doch er ist mehr. Er ist er einer der Sehnsuchtsorte, eine der Pilgerstätten des Radsports. Die Premiere auf den 21 Kehren ist eine Taufe, eine Initiation in den Bund der Bergfahrer, der Pässesammler. Auf jeder Liste mit Anstiegen, die Rennradfahrer in ihrem Leben fahren wollen, steht die Alpe weit oben. Es ist mein erstes Mal, mein erstes Mal Alpe d’Huez. Ich bin frisch, ich habe Druck. Bringe Druck auf das Pedal, höre in mich hinein.

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Ich bin bereit für: 14 Kilometer, 1130 Höhenmeter, 21 Kehren. Wie viel Druck darf ich geben, um nicht zu überziehen? Und: Wie viel Druck muss ich geben, um eine passable Zeit zu fahren? Ist es denn nicht ein Anstieg wie jeder andere – mit Asphalt, Steigungsprozenten und Serpentinen? Ich erlebe eine einsame, eine ruhige, eine andächtige Premiere am Party-Ort des wichtigsten härtesten Etappen-Rennens. Keine Fans, kein großes Peloton. Keine Attacken, kein Fahren im roten Bereich. Meine Alpe-d’Huez-Premiere ist ein Bergzeitfahren im Rahmen des Hobby-Etappenrennens Haute Route. So wie die Tour de France in der Öffentlichkeit für den Radsport steht, so steht Alpe d’Huez für die Tour. Zum 30. Mal führt die Strecke der „Grand Boucle“ im Jahr 2018 über den Anstieg in den französischen Nordalpen.

Neben Mont Ventoux, Col du Galibier und Col du Tourmalet gilt Alpe d’Huez als einer der vier heiligen Berge der Tour. Der Klassiker ist die berühmte Südanfahrt von Bourg d’Oisans mit ihren 21 Kurven. Fährt das Tour-Peloton hier hinauf, dann passieren sie ein Volksfest, das sich über 14 Kilometer und 1130 Höhenmeter verteilt und mit jeder der 21 Kehren eine neue Eskalationsstufe erreicht: Nackte Haut, Pyrotechnik, Alkohol. Gesänge und Gedränge. Fans aus aller Welt stehen am Rand, laufen mit den Fahrern mit, öffnen ein schmales Spalier und schieben die Fahrer hindurch. Fans mit Campingstühlen, Zelten und Wohnmobilen, angereist nicht zuletzt aus den Niederlanden. Seit den Erfolgen von Joop Zoetemelk und Hennie Kuiper in den Siebzigerjahren nennt man den Anstieg auch den Berg der Holländer. Am Etappentag der Tour de France dominiert um die Kurve sieben: „Oranje“.

Alpentour: Erlebnisbericht

L’Alpe d’Huez: Etappen und Extreme

Es ist der erste von drei Tagen, es ist die erste von drei Etappen. Es ist ein Etappenrennen für Hobby-Radsportler, es ist mein erstes Etappenrennen. Es ist eine völlig neue Erfahrung, ein Rennen gegen Menschen aus aller Welt, gegen die Zeit, gegen den legedären Anstieg, gegen andere Pässe, gegen die Kälte – und gegen mich selbst. Die erste Herausforderung: Ein Bergzeitfahren von Bourg d’Oisans hinauf nach Alpe d’Huez. Danach: zwei Straßenrennen – mit 4600 beziehungsweise 3300 Höhenmetern.

Es geht über: Col du Glandon, Col de la Croix de Fer, Col de Sarenne und Les Deux Alps. Und am Ende immer wieder hier hinauf, hinauf nach Alpe d’Huez. Dreimal hoch, von allen Seiten. Etappen und Extreme, dafür bin ich hier. Die Haute Route Alpe d’Huez ermöglicht Hobby-Radsportlern die ultimative Herausforderung, das volle Profi-Programm. Rennen fahren wie ein Radprofi: Strecken-Briefing vor den Etappen, ein Peloton, Taktik, Verpflegung, Massagen.

Ein Mittwochabend im Juli, die ersten rollen von der Startrampe in Bourg d’Oisans. Ich komme gerade noch rechtzeitig zu meinem Start. Ankunft am Flughafen in Genf, Transfer nach Frankreich, Rad aus dem Koffer holen, umziehen. Ein Blick in die Runde, nur wenige der 120 Starter stehen mit mir im Ortszentrum. Die anderen sind entweder schon auf der Strecke oder erst lange nach mir an der Reihe. Überschwänglich kündigt die Dame am Mikrofon mich als Starter für Deutschland an. Zuschauer gibt es kaum, aber drei ältere Herren sitzen in einem Café neben der Startbühne und nicken mir aufmunternd zu.

Ziemlich genau 20 Jahre zuvor sorgte hier ein anderer Deutscher für mehr Aufsehen: Jan Ullrich, der in diesem Jahr die Tour de France gewann. Er benötigte für den Anstieg 38 Minuten und 37 Sekunden. Am gleichen Tag stellte Marco Pantani den bisher ungebrochenen Rekord auf: mehr als eine Minute nahm er Ullrich ab. Er bewältigte den Anstieg in 37:35 Minuten und gewann die Etappe. „Als säße er auf einen Motorroller“, hieß es über Pantanis Leistung. Der „Pirat“ war zwar erwiesenermaßen auf einem Rennrad unterwegs – aber er war erwiesenermaßen auch mit unerlaubten Substanzen unterwegs. Mit 52 Kilogramm Körpergewicht hatte er als einer der stärksten Bergfahrer aller Zeiten zudem nicht viel Ballast über die Strecke mit einer Durchschnittssteigung von mehr als acht Prozent zu tragen.

Tour-Geschichte

Auf den ersten, neutralisierten Kilometern rolle ich einsam über abgesperrte Straßen durch die Stadt, dem Anstieg entgegen. Die große Frage in meinem Kopf lautet: Wie soll ich mir die Kraft einteilen? Es ist zwar eine relativ kurze Belastung, für mich wird sie weniger als eine Stunde dauern. Aber das Zeitfahren ist erst der Anfang – und dies ist der Abend vor der Königsetappe mit 4600 Höhenmetern. Die paar Minuten, die ich heute vielleicht schneller fahren könnte – morgen verliere ich sie sicher, wenn ich heute überziehe. Ich beschleunige, rolle über die Matte, sie erkennt meinen Transponder, es piept. Die Uhr läuft jetzt gegen mich. Die Steigung beginnt brutal. Vor mir ragt der Asphalt der ersten Geraden auf, das heißt für mich 34-29, mein kleinster Gang. Auch nach der ersten Kehre bleibt es steil: Meist liegt die Steigung auf den ersten beiden Kilometern im zweistelligen Bereich.

Kulturerbe

Ich finde einen Rhythmus, blicke auf den Radcomputer am Vorbau, der meine Herzfrequenz anzeigt. An der ersten Kehre sehe ich das erste von 21 kleinen weißen Blechschildern, welche den Leidenden am Anstieg die Anzahl der Kurven bis zum Ziel, bis zur Erlösung, bis zur Alpe, herunterzählen lassen. Jede Kehre ist einem oder zwei Fahrern gewidmet. Wer die Huez-Etappe der Tour de France gewinnt, dem gehört eine Kehre. Das Schild in der ersten Kehre trägt den Namen des ersten Siegers in Alpe d’Huez: Fausto Coppi, im Jahr 1952. Da es inzwischen mehr Etappensieger als Kehren gibt, sind die ersten Kurven doppelt gewidmet. Unter Coppi steht deshalb Lance Armstrong. Auch er gewann hier im Jahr 2001. Der Tour-Sieg in diesem Jahr wurde ihm wegen Dopings aberkannt. So fahre ich vorbei: vorbei an Coppi und Armstrong, an Hinault und Pinot, an Pantani und Schleck.

Ich fahre an der Schmerzgrenze, nicht darüber, lasse die Verpflegungsstelle aus und überhole Fahrer um Fahrer. Einige überholen auch mich, ich lasse sie ziehen. Nach wenigen Kurven bin ich in unerwarteter Höhe: Bourg d’Oisans liegt tief unter mir. Ich blicke über das Romanche-Tal hinab und auf die Berge ringsum, die nun bereits viel weniger hoch erscheinen. Auf halber Höhe passiere ich Huez, fahre durch die Holländerkurve. Hier sehe ich Alpe d’Huez bereits gut, dann geht es wieder an steinernen Wänden entlang. Sie sind zum Teil mit Graffiti besprüht, auch der Boden ist bepinselt. Es geht durch kurze Waldstücke, hier fällt von den Bäumen Schatten auf den guten Asphalt der Straße, die sich in den Kurven dunkel verfärbt. Verfärbt vom Abrieb der Gummireifen aller, die hier hinauf und hinabfahren. Rennradfahrer tragen ihren kleinen Teil dazu bei.

Schließlich bin ich in den letzten Kurven, allein, umgeben von Felsen. Alpe d’Huez ist nahe, aber es kommt kaum näher. Jetzt, da ich den Zielort im Blick habe, komme ich nicht mehr vorwärts. Ich komme mir unendlich langsam vor. Fotografen stehen an der Strecke, machen Bilder von mir und laufen mir nach, wollen mir ihre Visitenkarten geben, damit ich später ihre Fotos von mir kaufe. Irgendwann fahre ich am Ortsschild vorbei. Den Weg kenne ich seit Jahren, ohne je hier gewesen zu sein – vom Fernsehen, von den Übertragungen der Tour de France. Ich erkenne die Häuser, die Kurven. Den Zielstrich. Der erste, den ich oben erkenne, ist Fränk Schleck. 2006 hat der Luxemburger die Huez-Etappe der Tour de France gewonnen, Kurve 18 trägt seinen Namen.

Die kommenden beiden Etappen wird Schleck als Markenbotschafter des Herstellers Mavic mitfahren. Er wird in einer Gruppe mit dem Gewinner der ersten Etappe unterwegs sein: dem Franzosen Cédric Dubois, der am Anstieg die 45-Minuten-Marke nur um ein Sekunde verfehlte. Der 42-jährige wird auch die nächsten beiden Etappen und damit die Gesamtwertung gewinnen. Neben Haute-Route-Veranstaltungen und Radmarathons hat er bereits die französische Meisterschaft in der Masters-Klasse gewonnen. Neben ihm wird auch die stärkste Frau gekürt: Es ist Emma Pooley, die nach 52:28 Minuten ins Ziel kam. Bis vor kurzem war sie Profiathletin, eine der besten Radsportlerinnen der Welt.

5.30 Uhr, das Frühstücksbuffet wird gerade aufgebaut. Die Croissants kommen frisch aus dem Ofen, sie sind noch zu heiß, um ihr volles Aroma zu entfalten. Draußen ist es noch dunkel. Zwei Tassen Kaffee, Brötchen mit Marmelade. Danach ziehe ich mich um, und rolle zum Start. Die Sonne geht auf, es ist kalt, zehn Grad Celsius. Wir rollen los, erst einmal bergab. Nach knapp 19 Kilometern beginnt die Zeitnahme. Und: Damit beginnt auch die Auffahrt zum Col du Glandon. Auf 25 Kilometern legen wir 874 Höhenmeter zurück, bis wir am Gipfel auf 1924 Metern sind.

Glandon

Ich gehe es an wie am Vortag: nur nicht überziehen. Und ich stelle fest: Es ist nicht viel anders, es ist ein Einzelzeitfahren mit gelegentlicher Gesellschaft. Pacing ist alles, denke ich mir und vertraue auf meine Grundlagenausdauer. Der Glandon liegt im Nebel, vor einem grauen Himmel weht es immer wieder weißgraue Schleier zwischen Bergspitzen. Am Anstieg wird es einsam. Die Spitzengruppe fährt zwar weitgehend geschlossen, wie ich später erfahre. Dahinter fahren aber die meisten ihr eigenes Tempo. 120 Fahrer sind auf der ersten Etappe ins Ziel gekommen. Heute werden es nur noch 91 sein. Überschaubare Zahlen – über weite Strecken bin ich alleine unterwegs, einsam auf den Strecken der Tour de France. Einsamkeit mit Blechschildern am Wegesrand, die Distanzen zum Gipfel samt Steigung preisgeben. Beim Glandon sind die Zahlen nicht erschreckend. Zwar gibt es auf der Südanfahrt von Rochetaillée einige kurze Abschnitte mit mehr als zehn Prozent Steigung. Die Durchschnittssteigung von dreieinhalb Prozent passt aber zu meinem Eindruck.

An der Passhöhe wird die Uhr gestoppt. Die Organisatoren verzichten auf die Zeitnahme in der Abfahrt, damit die Fahrer weniger Risiken eingehen. Es bleibt also Zeit, und viele nehmen sie sich hier oben: Trinkflaschen nachfüllen, Riegel essen, Gels einstecken. Dann geht es in die entspannte Abfahrt, auf 20 neutralisierten Kilometern. Es folgt: Der Col de la Croix de Fer, gefahren von Saint-Jean-de-Maurienne. 1517 Höhenmeter auf 28,3 Kilometern ergeben eine durchschnittliche Steigung von 5,4 Prozent. Der Himmel geht auf, die Sonne brennt herunter. Ich schwitze, meine Trinkflaschen leeren sich mit jedem Kilometer mehr. Ich halte meinen Rhythmus, aber ich fühle mich nicht mehr sicher damit. Eine Stunde lang fahre ich langsamer, fülle die Flaschen an einem Brunnen nach. Ich drücke Gels in die Flasche, pures Wasser würde mich jetzt nur ausspülen. Diese Erfahrung habe ich oft genug gemacht, ich will sie nicht noch einmal machen. Erst recht nicht heute: Ich will wieder nach Alpe d’Huez.

Fast 30 Fahrer scheitern an dieser Etappe. Einige von ihnen passiere ich auf meinem langen, langen Weg zum Croix de Fer. Sie kauern in Serpentinen und warten auf den Besenwagen, bleich im Gesicht, niedergeschlagen. Die Auffahrt ist lang und voller Abwechslungen. Ich erreiche einige Plateaus. Mal fahre ich steile Serpentinen, echte 180-Grad-Kurven, mal lange Geraden am Hang entlang. Meine Trikottaschen sind leer, mein Hunger wächst. Und mit ihm meine Angst vor dem Hungerast, vor dem Leistungseinbruch, vor dem Aus. Doch dann, auf fast 2100 Metern Höhe über dem Meer, taucht die Verpflegungsstation auf. Ich nehme mir Zeit, ich nehme mir Kekse. Ich kaue ruhig, schlucke in meinen trockenen Magen, trinke Wasser dazu. Ich fühle mich wie eine fast verdorrte Pflanze, die man endlich wieder gießt.

Die Abfahrt: 28 Kilometer. Erholung. Bald sind wir wieder auf der Strecke, auf der wir den Tag begonnen haben. Die Straße führt an zwei Seen vorbei, dem Lac de Grand Maison und dem Lac du Verney. In meinem Kopf: Die Erinnerungen an die Szenen, die Landschaften der Tour de France. Ich konzentriere mich auf die Straße, träume mich aber hinein in eine Fernsehübertragung, bei der die Stimmen der Moderatoren die flatternden Rotoren des Kamera-Hubschraubers nur leicht übertönen.

Tour-Ästhetik

Und plötzlich schlägt es an meiner rechten Schläfe ein. Ich kann nicht reagieren, ich fahre schnell, es geht bergab, es ist kurvig. Ein Stein, denke ich. Nein: eine Wespe. Sie verfängt sich unter meinem Helm und sticht sofort. Ich spüre, wie die Schläfe schwillt. Es pocht. Ich mache das Beste daraus – und nehme das Adrenalin des Schmerzes mit, mit hinein in den letzten Anstieg. Alpe d’Huez, zum Zweiten. Es ist die Auffahrt von Allemond: 18,7 Kilometer, 1357 Höhenmeter. „Als säße ich auf einem Motorroller“, denke ich mir, gleichmäßig drücke ich ein gutes Tempo den Berg hinauf. Die Beine arbeiten automatisch. Die Muskeln schmerzen. Ich komme ins Ziel, buche eine Massage, dusche, lasse mich massieren, gehe ans Buffet. Später im Hotel treffe ich meine britischen Journalisten-Kollegen, sie mussten heute aufgeben. Sie sitzen im Restaurant, sie sehen mitgenommen aus, mit müden Augen schenken sie Rotwein nach, schneiden ihr Steak. Nach dem Briefing schlafe ich früh, ich schlafe gut, und ich schlafe tief.

Und ich wache gut auf. Ich fahre die 21 Kehren hinab nach Bourg d’Oisans. Die Sonne geht auf, es ist kalt. Mein Rad ist zuverlässig: ein Stahlrad der bayrischen Manufaktur Rennstahl. Ich bin damit ein Exot zwischen den vielen Carbonmaschinen. Der Rahmen ist nicht ultra-steif, bietet aber viel Komfort. Mit 7,59 Kilogramm ist es leicht genug für die vielen Höhenmeter.

Die letzte Etappe. Über Les Deux Alpes geht es auf den Col de Sarenne und von dort ohne viel Verlust an Höhe in Richtung Westen, zurück nach Huez. Zunächst fahren wir die ersten Kehren des klassischen Huez-Anstiegs hinauf. Dann biegen wir ab und fahren lange auf einer ansteigenden, schmal in den Fels geschlagenen Straße mit einigen kurzen Tunnels. Es ist der frühe Höhepunkt des Tages: die Balcons d’Auris. Zu meiner rechten geht es steil hinab, bis zu 500 Meter tief. Der Blick über das Tal von Oisans und die Berge, die es umgeben, lässt mich ruhig fahren, damit dieser Abschnitt nicht zu schnell vorbei geht. „Genieße es, so viel Du kannst“, hat mir Fränk Schleck geraten. „Also Profi kannst Du keine Sekunde genießen. Das ist ein Privileg der Hobbyfahrer.“

Danach geht es über unstetige, steile und schattige Straßen durch den Wald, hinauf in den Wintersportort Les Deux Alpes. Auf 9,3 Kilometern lege ich 721 Höhenmeter zurück, die Durchschnittssteigung beträgt 7,8 Prozent. Es ist eine wenig spektakuläre Stichstraße, oben im Ortszentrum wenden wir. Nach der Abfahrt geht es an der riesigen Chambon-Talsperre entlang: Bis zum Ende der Dreißigerjahre war sie die höchste Staumauer der Welt. Wieder diese Tour-de-France-Szenerie: Ein Stausee in den französischen Alpen, auf dem das Sonnenlicht glitzert. Sofort geht es von hier in den Anstieg zum Col de Sarenne. Die ersten beiden Kilometer sind heftig, kaum einmal fällt die Durchschnittssteigung in den einstelligen Bereich. Anschließend geht es ruhiger dahin, nach 13 Kilometern und 900 Höhenmetern bin ich oben. Es geht bergab und wieder hinauf. Ich kann noch, aber ich will nicht mehr. Dies sind Höhenmeter, die zu keinem Ziel mehr führen. Höhenmeter, die niemand braucht. Es geht immer Richtung Westen, immer Richtung Huez.

L’Alpe d’Huez: Das Ziel vor Augen

Dann bin ich wieder im Anstieg hinauf zur Alpe. Ich habe die dritte von drei möglichen Auffahrten beinahe geschafft. Ich könnte mich freuen. Aber die Höhenmeter zehren an meinen Nerven. Die Szenerie wird seltsam, sie nervt mich. Ich überhole Leute auf E-Bikes und Jugendliche, die sich auf Mountainbikes in Sandalen den Anstieg hinaufquälen, mit Halbliter-Buttermilch-Plastikflaschen im Halter. Eine Frau am Straßenrand schreit mir irgendetwas auf Französisch zu. Vielleicht eine Aufmunterung, ich nehme es als Beleidigung wahr. Eine Dame kommt mir im Auto entgegen, sie kommt auf meine Spur, weil sie beim Fahren auf ihr Smartphone blickt. Ich fahre die letzten Kurven, weil ich es muss, ich fahre ins Ziel, weil es auf dem Plan steht.

Medaille, Massage, Pasta, Bett. An diesem Abend ist mit mir nichts anzufangen. Draußen geht die Sonne unter, ich blicke durch das Hotelfenster auf 1860 Metern ins Tal. Ich bin angekommen. Dafür bin ich gekommen. Ich fuhr drei Mal hoch, hoch nach Alpe d’Huez. Von allen Seiten. Jetzt habe ich es geschafft, ein Lebensziel erreicht. Abgehakt, könnte man sagen. Jetzt war ich auch mal da, könnte man sagen. Ich kann von Alpe d’Huez erzählen wie von einer alten Bekannten. Eine alte Bekannte, die mich mit nichts mehr überrascht, die mich kaum mehr interessiert. Doch so ist es nicht. Ich werde diese Bilder immer wieder vor meinem geistigen Auge sehen. Bilder von geöffneten Trikots, von verzerrten Gesichtern, von Ausreißern im Wiegetritt. Von glitzernden Stauseen in wilder Bergwelt. Von bemalten Straßen, von Menschenmassen, von einem seltsamen Bergdorf mit riesigen Hotels. Die Begeisterung für Alpe d’Huez, sie gehört zur Begeisterung für die Tour de France. Und diese Begeisterung, sie gehört zum Radsport. Die Begeisterung für den Radsport – sie bleibt, und sie wächst mit jeder Kurve. Sie wächst mit 21 Serpentinen.

L’Alpe d’Huez

L’Alpe d’Huez liegt auf 1860 Metern im Departement Isère in den französischen Alpen. Der Ort ist im Sommer vor allem für Radsportler interessant: 2018 liegt der Ort zum 30. Mal auf der Strecke der Tour de France. Auf drei verschiedenen Varianten lässt sich der Ort mit dem Rennrad erreichen. Klassiker ist der Anstieg von Bourg d’Oisans, dem Ort im Romanche-Tal. Wirtschaftlich ist der Winter jedoch wichtiger für den Ort: Alpe d’Huez ist eines der größten Skitourismus-Zentren der französischen Nordalpen. Entsprechend gut ist die Infrastruktur mit Hotels, Restaurants und Supermärkten. Wir wohnten währen der Haute-Route-Etappen im Vier-Sterne-Hotel Le Pic Blanc. Wie bei vielen anderen Betrieben bekommt man hier komfortable Zimmer und einen Speisesaal mit Blick auf die Alpen. Am unkompliziertesten ist Alpe d’Huez von Deutschland aus mit dem Auto erreichbar – aber auch das gelingt kaum in weniger als achteinhalb Stunden. Wir reisten anders an: mit dem Flugzeug zum Flughafen Genf, anschließend mit Bahn und Bus über Grenoble. Mehr Informationen unter: www.hotel-picblancalpes.com | www.alpedhuez.com

II  Haute Route

Haute Route steht für eine weltweite Reihe von Etappen-Rennen für Jedermann-Radsportler. 2018 gibt es elf Events. Die Strecken führen oftmals durch legendäre Orte des Radsports, etwa durch die Pyrenäen und die Dolomiten. Highlights an legendären Pässen sind für viele Fahrer neben der Haute Route Alpe d’Huez die Veranstaltungen am Stilfser Joch sowie am Mont Ventoux. Bei beiden werden in diesem Jahr RennRad-Autoren am Start stehen. Aber auch in Norwegen oder in den Rocky Mountains gibt es Rennen. Im Jahr 2019 wird es erstmals eine Veranstaltung im Oman geben. Das Konzept basiert auf Profi-Feeling für Jedermann: Begleitung durch Sanitäter, abgesicherte Routen, Filmteams, Verpflegungsstationen, ausführliche Etappenbriefings und Massagen gehören zum Programm. Die Zeitnahme ist aus Sicherheitsgründen in der Abfahrt teilweise ausgesetzt. Die Preise für die Anmeldung für das 3-Tages-Event Haute Route Alpe d’Huez lagen 2018 je nach Anmeldephase zwischen 645 und 745 Euro. Unterkunft und Anreise müssen extra gebucht werden, hierfür gibt es spezielle Angebote. Mehr Informationen unter: www.hauteroute.org

III Etappen

Die Haute Route Alpe d’Huez 2017 führte über drei Etappen. Wir haben die Strecken aufgezeichnet. Über die Links unter den jeweiligen Etappen-Profilen sind sie kostenfrei als GPS-Daten herunterzuladen.

Vronis asiatischer Rindfleischsalat mit Mango: Profirezept des Teams Bora-Hansgrohe

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Nach der weihnachtlichen Genussphase gilt es zum Jahresbeginn mit etwas leichterer Kost wieder in den Trainingsmodus zu gelangen. Team- und Bora-Köchin Vroni Lutz kombiniert diesmal protein- und eisenreiches Rindfleisch mit frischen und fruchtigen Zutaten, die zahlreiche positive Eigenschaften mitbringen.

Ingwer und Thaibasilikum beruhigen den Magen und wirken wie auch die Chili entzündungshemmend und immunstärkend. Das Zitronengras bindet überschüssige Fette und Cholesterin, leitet Harnsäure und weitere Schadstoffe aus dem Körper. Neben der reinigenden Wirkung wirkt es auch beruhigend und sorgt für einen guten Schlaf.

Die Mango ist nicht nur leicht verdaulich, sie enthält auch über zehn verschiedene Vitamine (vor allem A und C) und wertvolle Mineralstoffe wie Kalium, Magnesium und Kupfer.

Alles zusammen ist in nur 10 Minuten Vor- und 10 Minuten Zubereitungszeit fertig auf dem Teller und schmeckt köstlich. Probieren Sie es selbst!

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Rezept und Zubereitung des Profirezepts Vronis asiatischer Rindfleischsalat mit Mango

  • Das Fleisch sehr kurz anbraten, aus den restlichen Zutaten eine Marinade herstellen und unter das Fleisch mischen. Dann mit Salz und Pfeffer abschmecken. Das war’s schon.
  • Alle, die es etwas kohlenhydratreicher mögen, können auch noch Sobanudeln ergänzen.
  • Anrichten und Genießen. Guten Appetit!

Vronis asiatischer Rindfleischsalat mit Mango: Bio-Zutaten

  • 400 g Rinderfilet in dünnen Scheiben
  • 1 Mango, gewürfelt
  • 1 kleine rote Chili fein gehackt
  • ½ Bund Koriander, gehackt
  • geriebener Ingwer
  • 3 Limettenblätter, fein gehackt
  • 3 Stängel Schwarznessel gezupft
  • 3 Stängel Thaibasilikum gezupft
  • 2 TL brauner Zucker
  • 1 Stängel Zitronengras in feine Scheiben geschnitten
  • 4 EL Limettensaft
  • 1 EL Fischsauce
  • 1 EL Sojasauce
  • 2 EL Mirin

Für BORA-hansgrohe ist eine natürliche, gesunde und leistungsoptimierende Ernährung essentiell. Das Team arbeitet mit ganzheitlichen Ernährungsberatern zusammen, die die Fahrer coachen und bei den Rennen verpflegen. Großer Wert wird dabei auf die Regionalität, Natürlichkeit und Qualität der Lebensmittel gelegt.

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Das Rezept stammt aus der RennRad-Ausgabe 3/2018, welche sie im Print- sowie E-Paper-Format in unserem Shop nachbestellen können!

Schwarze Johannisbeere und ihre Auswirkung auf die Leistung im Sport

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In einer Untersuchung der Universität von Chichester in Großbritannien stellte sich heraus, dass die schwarze Johannisbeere die Blutgefäße bei sportlicher Aktivität erweitern konnte.

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Welche Auswirkung hat die schwarze Johannisbeere auf die Leistung?

Neben dem vergrößerten Durchschnitt der Arterien waren weitere positive kardiovaskuläre Reaktionen zu beobachten. Der Blutstrom in den Arterien steigerte sich um 20 bis 35 Prozent bei leichter Belastung. Dadurch ermüdeten die Muskeln langsamer und mussten weniger beansprucht werden, um eine gewisse Leistung zu erbringen.

Steigerungen um zweistellige Prozentzahlen waren auch hinsichtlich der Herzleistung, des Hämoglobinwertes sowie bei der Sauerstoffaufnahme und dessen Verwertung in den Muskeln festzustellen.

Für Beachtung sorgten die Ergebnisse deshalb, weil der Blutfluss in den Muskeln entscheidend für die Sauerstoffversorgung und damit für eine anhaltende Muskelfunktion ist – gerade in Ausdauersportarten. Auch die Regeneration wird von einer besseren Durchblutung unterstützt.

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Johannisbeere verbessert Fettverbrennung

Diese Eigenschaften zeigten sich auch bei der Johannisbeere: allgemeine Leistungssteigerung, eine um bis zu 27 Prozent verbesserte Fettverbrennung und ein verlangsamter Laktat-Anstieg wurden bereits festgestellt.

Getestete Radsportler konnten ihre Leistung im Durchschnitt um 8,6 Prozent steigern. Geschenkt bekommt man dies jedoch nicht: Die Effekte wurden nur bei oft trainierenden Sportlern gemessen.

Dieser Artikel erschien in der RennRad-Ausgabe 04/2018. Hier als E-Paper oder Print-Ausgabe erhältlich!